Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

sach';" und er sah mit seinen kleinen, klugen
Augen zu ihm auf.

"Ja, ja," meinte der Andere; "laß' Er sein
Glas nur wieder füllen." Und nachdem das ge-
schehen war, und die Zuhörer, meist mit etwas
verdutzten Gesichtern, sich wieder zu ihm gewandt
hatten, fuhr er in seiner Geschichte fort:

"So für sich, und am liebsten nur mit Wind
und Wasser und mit den Bildern der Einsamkeit
verkehrend, wuchs Hauke zu einem langen, hageren
Burschen auf. Er war schon über ein Jahr lang
eingesegnet, da wurde es auf einmal anders mit
ihm, und das kam von dem alten weißen Angora-
kater, welchen der alten Trien' Jans einst ihr später
verunglückter Sohn von seiner spanischen Seereise
mitgebracht hatte. Trien' wohnte ein gut Stück
hinaus auf dem Deiche in einer kleinen Kathe, und
wenn die Alte in ihrem Hause herumarbeitete, so
pflegte diese Unform von einem Kater vor der
Hausthür zu sitzen und in den Sommertag und
nach den vorüberfliegenden Kiebitzen hinauszu-
blinzeln. Ging Hauke vorbei, so mauzte der Kater
ihn an, und Hauke nickte ihm zu; die Beiden
wußten, was sie mit einander hatten.

ſach';” und er ſah mit ſeinen kleinen, klugen
Augen zu ihm auf.

„Ja, ja,” meinte der Andere; „laß' Er ſein
Glas nur wieder füllen.” Und nachdem das ge-
ſchehen war, und die Zuhörer, meiſt mit etwas
verdutzten Geſichtern, ſich wieder zu ihm gewandt
hatten, fuhr er in ſeiner Geſchichte fort:

„So für ſich, und am liebſten nur mit Wind
und Waſſer und mit den Bildern der Einſamkeit
verkehrend, wuchs Hauke zu einem langen, hageren
Burſchen auf. Er war ſchon über ein Jahr lang
eingeſegnet, da wurde es auf einmal anders mit
ihm, und das kam von dem alten weißen Angora-
kater, welchen der alten Trien' Jans einſt ihr ſpäter
verunglückter Sohn von ſeiner ſpaniſchen Seereiſe
mitgebracht hatte. Trien' wohnte ein gut Stück
hinaus auf dem Deiche in einer kleinen Kathe, und
wenn die Alte in ihrem Hauſe herumarbeitete, ſo
pflegte dieſe Unform von einem Kater vor der
Hausthür zu ſitzen und in den Sommertag und
nach den vorüberfliegenden Kiebitzen hinauszu-
blinzeln. Ging Hauke vorbei, ſo mauzte der Kater
ihn an, und Hauke nickte ihm zu; die Beiden
wußten, was ſie mit einander hatten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0035" n="23"/>
&#x017F;ach';&#x201D; und er &#x017F;ah mit &#x017F;einen kleinen, klugen<lb/>
Augen zu ihm auf.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, ja,&#x201D; meinte der Andere; &#x201E;laß' Er &#x017F;ein<lb/>
Glas nur wieder füllen.&#x201D; Und nachdem das ge-<lb/>
&#x017F;chehen war, und die Zuhörer, mei&#x017F;t mit etwas<lb/>
verdutzten Ge&#x017F;ichtern, &#x017F;ich wieder zu ihm gewandt<lb/>
hatten, fuhr er in &#x017F;einer Ge&#x017F;chichte fort:</p><lb/>
        <p>&#x201E;So für &#x017F;ich, und am lieb&#x017F;ten nur mit Wind<lb/>
und Wa&#x017F;&#x017F;er und mit den Bildern der Ein&#x017F;amkeit<lb/>
verkehrend, wuchs Hauke zu einem langen, hageren<lb/>
Bur&#x017F;chen auf. Er war &#x017F;chon über ein Jahr lang<lb/>
einge&#x017F;egnet, da wurde es auf einmal anders mit<lb/>
ihm, und das kam von dem alten weißen Angora-<lb/>
kater, welchen der alten Trien' Jans ein&#x017F;t ihr &#x017F;päter<lb/>
verunglückter Sohn von &#x017F;einer &#x017F;pani&#x017F;chen Seerei&#x017F;e<lb/>
mitgebracht hatte. Trien' wohnte ein gut Stück<lb/>
hinaus auf dem Deiche in einer kleinen Kathe, und<lb/>
wenn die Alte in ihrem Hau&#x017F;e herumarbeitete, &#x017F;o<lb/>
pflegte die&#x017F;e Unform von einem Kater vor der<lb/>
Hausthür zu &#x017F;itzen und in den Sommertag und<lb/>
nach den vorüberfliegenden Kiebitzen hinauszu-<lb/>
blinzeln. Ging Hauke vorbei, &#x017F;o mauzte der Kater<lb/>
ihn an, und Hauke nickte ihm zu; die Beiden<lb/>
wußten, was &#x017F;ie mit einander hatten.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0035] ſach';” und er ſah mit ſeinen kleinen, klugen Augen zu ihm auf. „Ja, ja,” meinte der Andere; „laß' Er ſein Glas nur wieder füllen.” Und nachdem das ge- ſchehen war, und die Zuhörer, meiſt mit etwas verdutzten Geſichtern, ſich wieder zu ihm gewandt hatten, fuhr er in ſeiner Geſchichte fort: „So für ſich, und am liebſten nur mit Wind und Waſſer und mit den Bildern der Einſamkeit verkehrend, wuchs Hauke zu einem langen, hageren Burſchen auf. Er war ſchon über ein Jahr lang eingeſegnet, da wurde es auf einmal anders mit ihm, und das kam von dem alten weißen Angora- kater, welchen der alten Trien' Jans einſt ihr ſpäter verunglückter Sohn von ſeiner ſpaniſchen Seereiſe mitgebracht hatte. Trien' wohnte ein gut Stück hinaus auf dem Deiche in einer kleinen Kathe, und wenn die Alte in ihrem Hauſe herumarbeitete, ſo pflegte dieſe Unform von einem Kater vor der Hausthür zu ſitzen und in den Sommertag und nach den vorüberfliegenden Kiebitzen hinauszu- blinzeln. Ging Hauke vorbei, ſo mauzte der Kater ihn an, und Hauke nickte ihm zu; die Beiden wußten, was ſie mit einander hatten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/35
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/35>, abgerufen am 21.11.2024.