Der Alte lachte ihm ins Gesicht. "Was denn, Junge? Du bist wohl das Wunderkind aus Lübeck!"
Aber der Junge ließ sich nicht irren. "Die Wasserseite ist zu steil," sagte er; "wenn es ein- mal kommt, wie es mehr als einmal schon ge- kommen ist, so können wir hier auch hinterm Deich ersaufen!"
Der Alte holte seinen Kautabak aus der Tasche, drehte einen Schrot ab und schob ihn hinter die Zähne. "Und wieviel Karren hast Du heut' geschoben?" frug er ärgerlich; denn er sah wohl, daß auch die Deicharbeit bei dem Jungen die Denkarbeit nicht hatte vertreiben können.
"Weiß nicht, Vater," sagte dieser; "so, was die Anderen machten; vielleicht ein halbes Dutzend mehr; aber -- die Deiche müssen anders werden!"
"Nun," meinte der Alte und stieß ein Lachen aus; "Du kannst es ja vielleicht zum Deichgraf bringen; dann mach' sie anders!"
"Ja, Vater!" erwiderte der Junge.
Der Alte sah ihn an und schluckte ein paar
„Die Deiche, ſag' ich!”
— „Was ſind die Deiche?”
„Sie taugen nichts, Vater!” erwiderte Hauke.
Der Alte lachte ihm ins Geſicht. „Was denn, Junge? Du biſt wohl das Wunderkind aus Lübeck!”
Aber der Junge ließ ſich nicht irren. „Die Waſſerſeite iſt zu ſteil,” ſagte er; „wenn es ein- mal kommt, wie es mehr als einmal ſchon ge- kommen iſt, ſo können wir hier auch hinterm Deich erſaufen!”
Der Alte holte ſeinen Kautabak aus der Taſche, drehte einen Schrot ab und ſchob ihn hinter die Zähne. „Und wieviel Karren haſt Du heut' geſchoben?” frug er ärgerlich; denn er ſah wohl, daß auch die Deicharbeit bei dem Jungen die Denkarbeit nicht hatte vertreiben können.
„Weiß nicht, Vater,” ſagte dieſer; „ſo, was die Anderen machten; vielleicht ein halbes Dutzend mehr; aber — die Deiche müſſen anders werden!”
„Nun,” meinte der Alte und ſtieß ein Lachen aus; „Du kannſt es ja vielleicht zum Deichgraf bringen; dann mach' ſie anders!”
„Ja, Vater!” erwiderte der Junge.
Der Alte ſah ihn an und ſchluckte ein paar
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[16/0028]
„Die Deiche, ſag' ich!”
— „Was ſind die Deiche?”
„Sie taugen nichts, Vater!” erwiderte Hauke.
Der Alte lachte ihm ins Geſicht. „Was denn,
Junge? Du biſt wohl das Wunderkind aus Lübeck!”
Aber der Junge ließ ſich nicht irren. „Die
Waſſerſeite iſt zu ſteil,” ſagte er; „wenn es ein-
mal kommt, wie es mehr als einmal ſchon ge-
kommen iſt, ſo können wir hier auch hinterm
Deich erſaufen!”
Der Alte holte ſeinen Kautabak aus der
Taſche, drehte einen Schrot ab und ſchob ihn
hinter die Zähne. „Und wieviel Karren haſt Du
heut' geſchoben?” frug er ärgerlich; denn er ſah
wohl, daß auch die Deicharbeit bei dem Jungen
die Denkarbeit nicht hatte vertreiben können.
„Weiß nicht, Vater,” ſagte dieſer; „ſo, was
die Anderen machten; vielleicht ein halbes Dutzend
mehr; aber — die Deiche müſſen anders werden!”
„Nun,” meinte der Alte und ſtieß ein Lachen
aus; „Du kannſt es ja vielleicht zum Deichgraf
bringen; dann mach' ſie anders!”
„Ja, Vater!” erwiderte der Junge.
Der Alte ſah ihn an und ſchluckte ein paar
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin), April/Mai 1888. Erste Buchausgabe Berlin: Paetel 1888, diese wurde für das DTA zur Digitalisierung herangezogen.
Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/28>, abgerufen am 16.02.2025.
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