Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

köpfe, wie Erbsen groß, darin gewesen, und Alle
sind gekommen, um das zu sehen; im Monat
Augusti sind grausige rothköpfige Raupenwürmer
über das Land gezogen und haben Korn und Mehl
und Brot und was sie fanden, weggefressen, und
hat kein Feuer sie vertilgen können!"

Die Erzählerin verstummte plötzlich; keine
der Mägde hatte bemerkt, daß die Hausfrau in
die Küche getreten war. "Was redet Ihr da?"
sprach diese. "Laßt das den Wirth nicht hören!"
Und da sie Alle jetzt erzählen wollten: "Es thut
nicht noth; ich habe genug davon vernommen;
geht an Euere Arbeit, das bringt Euch besseren
Segen!" Dann nahm sie Ann' Greth mit sich in
die Stube und hielt mit dieser Abrechnung über
ihre Marktgeschäfte.

So fand im Hause des Deichgrafen das
abergläubige Geschwätz bei der Herrschaft keinen
Anhalt; aber in die übrigen Häuser, und je länger
die Abende wurden, um desto leichter drang es
mehr und mehr hinein. Wie schwere Luft lag es
auf Allen; und heimlich sagte man es sich, ein
Unheil, ein schweres, würde über Nordfriesland
kommen.


köpfe, wie Erbſen groß, darin geweſen, und Alle
ſind gekommen, um das zu ſehen; im Monat
Auguſti ſind grauſige rothköpfige Raupenwürmer
über das Land gezogen und haben Korn und Mehl
und Brot und was ſie fanden, weggefreſſen, und
hat kein Feuer ſie vertilgen können!”

Die Erzählerin verſtummte plötzlich; keine
der Mägde hatte bemerkt, daß die Hausfrau in
die Küche getreten war. „Was redet Ihr da?”
ſprach dieſe. „Laßt das den Wirth nicht hören!”
Und da ſie Alle jetzt erzählen wollten: „Es thut
nicht noth; ich habe genug davon vernommen;
geht an Euere Arbeit, das bringt Euch beſſeren
Segen!” Dann nahm ſie Ann' Greth mit ſich in
die Stube und hielt mit dieſer Abrechnung über
ihre Marktgeſchäfte.

So fand im Hauſe des Deichgrafen das
abergläubige Geſchwätz bei der Herrſchaft keinen
Anhalt; aber in die übrigen Häuſer, und je länger
die Abende wurden, um deſto leichter drang es
mehr und mehr hinein. Wie ſchwere Luft lag es
auf Allen; und heimlich ſagte man es ſich, ein
Unheil, ein ſchweres, würde über Nordfriesland
kommen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0212" n="200"/>
köpfe, wie Erb&#x017F;en groß, darin gewe&#x017F;en, und Alle<lb/>
&#x017F;ind gekommen, um das zu &#x017F;ehen; im Monat<lb/>
Augu&#x017F;ti &#x017F;ind grau&#x017F;ige rothköpfige Raupenwürmer<lb/>
über das Land gezogen und haben Korn und Mehl<lb/>
und Brot und was &#x017F;ie fanden, weggefre&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
hat kein Feuer &#x017F;ie vertilgen können!&#x201D;</p><lb/>
        <p>Die Erzählerin ver&#x017F;tummte plötzlich; keine<lb/>
der Mägde hatte bemerkt, daß die Hausfrau in<lb/>
die Küche getreten war. &#x201E;Was redet Ihr da?&#x201D;<lb/>
&#x017F;prach die&#x017F;e. &#x201E;Laßt das den Wirth nicht hören!&#x201D;<lb/>
Und da &#x017F;ie Alle jetzt erzählen wollten: &#x201E;Es thut<lb/>
nicht noth; ich habe genug davon vernommen;<lb/>
geht an Euere Arbeit, das bringt Euch be&#x017F;&#x017F;eren<lb/>
Segen!&#x201D; Dann nahm &#x017F;ie Ann' Greth mit &#x017F;ich in<lb/>
die Stube und hielt mit die&#x017F;er Abrechnung über<lb/>
ihre Marktge&#x017F;chäfte.</p><lb/>
        <p>So fand im Hau&#x017F;e des Deichgrafen das<lb/>
abergläubige Ge&#x017F;chwätz bei der Herr&#x017F;chaft keinen<lb/>
Anhalt; aber in die übrigen Häu&#x017F;er, und je länger<lb/>
die Abende wurden, um de&#x017F;to leichter drang es<lb/>
mehr und mehr hinein. Wie &#x017F;chwere Luft lag es<lb/>
auf Allen; und heimlich &#x017F;agte man es &#x017F;ich, ein<lb/>
Unheil, ein &#x017F;chweres, würde über Nordfriesland<lb/>
kommen.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0212] köpfe, wie Erbſen groß, darin geweſen, und Alle ſind gekommen, um das zu ſehen; im Monat Auguſti ſind grauſige rothköpfige Raupenwürmer über das Land gezogen und haben Korn und Mehl und Brot und was ſie fanden, weggefreſſen, und hat kein Feuer ſie vertilgen können!” Die Erzählerin verſtummte plötzlich; keine der Mägde hatte bemerkt, daß die Hausfrau in die Küche getreten war. „Was redet Ihr da?” ſprach dieſe. „Laßt das den Wirth nicht hören!” Und da ſie Alle jetzt erzählen wollten: „Es thut nicht noth; ich habe genug davon vernommen; geht an Euere Arbeit, das bringt Euch beſſeren Segen!” Dann nahm ſie Ann' Greth mit ſich in die Stube und hielt mit dieſer Abrechnung über ihre Marktgeſchäfte. So fand im Hauſe des Deichgrafen das abergläubige Geſchwätz bei der Herrſchaft keinen Anhalt; aber in die übrigen Häuſer, und je länger die Abende wurden, um deſto leichter drang es mehr und mehr hinein. Wie ſchwere Luft lag es auf Allen; und heimlich ſagte man es ſich, ein Unheil, ein ſchweres, würde über Nordfriesland kommen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/212
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/212>, abgerufen am 22.12.2024.