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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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es ihn, seinen Schimmel zu besteigen und zum
ersten Male wieder auf seinem Deich entlang zu
reiten; es war an einem Nachmittage, und die
Sonne, die zuvor geschienen hatte, lag längst schon
wieder hinter trübem Duft.

Im Winter hatte es ein paar Mal Hoch-
wasser gegeben; aber es war nicht von Belang
gewesen; nur drüben am andern Ufer war auf
einer Hallig eine Heerde Schafe ertrunken und ein
Stück vom Vorland abgerissen worden; hier an
dieser Seite und am neuen Kooge war ein nennens-
werther Schaden nicht geschehen. Aber in der
letzten Nacht hatte ein stärkerer Sturm getobt;
jetzt mußte der Deichgraf selbst hinaus und Alles
mit eignem Aug' besichtigen. Schon war er unten
von der Süd-Ostecke aus auf dem neuen Deich
herumgeritten, und es war Alles wohl erhalten;
als er aber an die Nord-Ostecke gekommen war,
dort wo der neue Deich auf den alten stößt, war
zwar der erstere unversehrt, aber wo früher der
Priehl den alten erreicht hatte und an ihm ent-
lang geflossen war, sah er in großer Breite die
Grasnarbe zerstört und fortgerissen und in dem
Körper des Deiches eine von der Fluth gewühlte

es ihn, ſeinen Schimmel zu beſteigen und zum
erſten Male wieder auf ſeinem Deich entlang zu
reiten; es war an einem Nachmittage, und die
Sonne, die zuvor geſchienen hatte, lag längſt ſchon
wieder hinter trübem Duft.

Im Winter hatte es ein paar Mal Hoch-
waſſer gegeben; aber es war nicht von Belang
geweſen; nur drüben am andern Ufer war auf
einer Hallig eine Heerde Schafe ertrunken und ein
Stück vom Vorland abgeriſſen worden; hier an
dieſer Seite und am neuen Kooge war ein nennens-
werther Schaden nicht geſchehen. Aber in der
letzten Nacht hatte ein ſtärkerer Sturm getobt;
jetzt mußte der Deichgraf ſelbſt hinaus und Alles
mit eignem Aug' beſichtigen. Schon war er unten
von der Süd-Oſtecke aus auf dem neuen Deich
herumgeritten, und es war Alles wohl erhalten;
als er aber an die Nord-Oſtecke gekommen war,
dort wo der neue Deich auf den alten ſtößt, war
zwar der erſtere unverſehrt, aber wo früher der
Priehl den alten erreicht hatte und an ihm ent-
lang gefloſſen war, ſah er in großer Breite die
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[186/0198] es ihn, ſeinen Schimmel zu beſteigen und zum erſten Male wieder auf ſeinem Deich entlang zu reiten; es war an einem Nachmittage, und die Sonne, die zuvor geſchienen hatte, lag längſt ſchon wieder hinter trübem Duft. Im Winter hatte es ein paar Mal Hoch- waſſer gegeben; aber es war nicht von Belang geweſen; nur drüben am andern Ufer war auf einer Hallig eine Heerde Schafe ertrunken und ein Stück vom Vorland abgeriſſen worden; hier an dieſer Seite und am neuen Kooge war ein nennens- werther Schaden nicht geſchehen. Aber in der letzten Nacht hatte ein ſtärkerer Sturm getobt; jetzt mußte der Deichgraf ſelbſt hinaus und Alles mit eignem Aug' beſichtigen. Schon war er unten von der Süd-Oſtecke aus auf dem neuen Deich herumgeritten, und es war Alles wohl erhalten; als er aber an die Nord-Oſtecke gekommen war, dort wo der neue Deich auf den alten ſtößt, war zwar der erſtere unverſehrt, aber wo früher der Priehl den alten erreicht hatte und an ihm ent- lang gefloſſen war, ſah er in großer Breite die Grasnarbe zerſtört und fortgeriſſen und in dem Körper des Deiches eine von der Fluth gewühlte

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/198>, abgerufen am 22.12.2024.