Alten, das andere lag in ihrem eigenen fahlblonden Haar. Trien' Jans erzählte: "Du weißt," sagte sie, "ich stand in Dienst bei Deinem Urgroßvater, als Hausmagd, und dann mußt' ich die Schweine füttern; der war klüger als sie alle -- da war es, es ist grausam lange her; aber eines Abends, der Mond schien, da ließen sie die Hafschleuse schließen, und sie konnte nicht wieder zurück in See. O, wie sie schrie und mit ihren Fischhänden sich in ihre harten struppigen Haare griff! Ja, Kind, ich sah es und hörte sie selber schreien! Die Gräben zwischen den Fennen waren alle voll Wasser, und der Mond schien darauf, daß sie wie Silber glänzten, und sie schwamm aus einem Graben in den anderen und hob die Arme und schlug, was ihre Hände waren, aneinander, daß man es weither klatschen hörte, als wenn sie beten wollte; aber, Kind, beten können diese Creaturen nicht. Ich saß vor der Hausthür auf ein paar Balken, die zum Bauen angefahren waren und sah weithin über die Fennen; und das Wasserweib schwamm noch immer in den Gräben, und wenn sie die Arme aufhob, so glitzerten auch die wie Silber und Demanten. Zuletzt sah ich sie nicht mehr, und die Wildgäns'
Alten, das andere lag in ihrem eigenen fahlblonden Haar. Trien' Jans erzählte: „Du weißt,” ſagte ſie, „ich ſtand in Dienſt bei Deinem Urgroßvater, als Hausmagd, und dann mußt' ich die Schweine füttern; der war klüger als ſie alle — da war es, es iſt grauſam lange her; aber eines Abends, der Mond ſchien, da ließen ſie die Hafſchleuſe ſchließen, und ſie konnte nicht wieder zurück in See. O, wie ſie ſchrie und mit ihren Fiſchhänden ſich in ihre harten ſtruppigen Haare griff! Ja, Kind, ich ſah es und hörte ſie ſelber ſchreien! Die Gräben zwiſchen den Fennen waren alle voll Waſſer, und der Mond ſchien darauf, daß ſie wie Silber glänzten, und ſie ſchwamm aus einem Graben in den anderen und hob die Arme und ſchlug, was ihre Hände waren, aneinander, daß man es weither klatſchen hörte, als wenn ſie beten wollte; aber, Kind, beten können dieſe Creaturen nicht. Ich ſaß vor der Hausthür auf ein paar Balken, die zum Bauen angefahren waren und ſah weithin über die Fennen; und das Waſſerweib ſchwamm noch immer in den Gräben, und wenn ſie die Arme aufhob, ſo glitzerten auch die wie Silber und Demanten. Zuletzt ſah ich ſie nicht mehr, und die Wildgänſ'
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Alten, das andere lag in ihrem eigenen fahlblonden
Haar. Trien' Jans erzählte: „Du weißt,” ſagte
ſie, „ich ſtand in Dienſt bei Deinem Urgroßvater,
als Hausmagd, und dann mußt' ich die Schweine
füttern; der war klüger als ſie alle — da war
es, es iſt grauſam lange her; aber eines Abends,
der Mond ſchien, da ließen ſie die Hafſchleuſe
ſchließen, und ſie konnte nicht wieder zurück in See.
O, wie ſie ſchrie und mit ihren Fiſchhänden ſich
in ihre harten ſtruppigen Haare griff! Ja, Kind,
ich ſah es und hörte ſie ſelber ſchreien! Die Gräben
zwiſchen den Fennen waren alle voll Waſſer, und
der Mond ſchien darauf, daß ſie wie Silber glänzten,
und ſie ſchwamm aus einem Graben in den anderen
und hob die Arme und ſchlug, was ihre Hände
waren, aneinander, daß man es weither klatſchen
hörte, als wenn ſie beten wollte; aber, Kind,
beten können dieſe Creaturen nicht. Ich ſaß vor
der Hausthür auf ein paar Balken, die zum Bauen
angefahren waren und ſah weithin über die Fennen;
und das Waſſerweib ſchwamm noch immer in den
Gräben, und wenn ſie die Arme aufhob, ſo
glitzerten auch die wie Silber und Demanten.
Zuletzt ſah ich ſie nicht mehr, und die Wildgänſ'
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin), April/Mai 1888. Erste Buchausgabe Berlin: Paetel 1888, diese wurde für das DTA zur Digitalisierung herangezogen.
Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/193>, abgerufen am 16.02.2025.
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