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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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Als Hauke jetzt seinen Plan verlesen und die
Papiere, die freilich schon drei Tage hier im Kruge
zur Einsicht ausgelegen hatten, wieder auf den
Tisch breitete, waren zwar ernste Männer zugegen,
die mit Ehrerbietung diesen gewissenhaften Fleiß
betrachteten und sich nach ruhiger Ueberlegung den
billigen Ansätzen ihres Deichgrafen unterwarfen;
Andere aber, deren Antheile an dem neuen Lande
von ihnen selbst oder ihren Vätern oder sonstigen
Vorbesitzern waren veräußert worden, beschwerten
sich, daß sie zu den Kosten des neuen Kooges hin-
zugezogen seien, dessen Land sie nichts mehr angehe,
uneingedenk, daß durch die neuen Arbeiten auch
ihre alten Ländereien nach und nach entbürdet
würden; und wieder Andere, die mit Antheilen
in dem neuen Koog gesegnet waren, schrieen, man
möge ihnen doch dieselben abnehmen, sie sollten um
ein Geringes feil sein; denn wegen der unbilligen
Leistungen, die ihnen dafür aufgebürdet würden,
könnten sie nicht damit bestehen. Ole Peters aber,
der mit grimmigem Gesicht am Thürpfosten lehnte,
rief dazwischen: "Besinnt Euch erst, und dann
vertrauet unserem Deichgrafen! der versteht zu
rechnen; er hatte schon die meisten Antheile, da

Als Hauke jetzt ſeinen Plan verleſen und die
Papiere, die freilich ſchon drei Tage hier im Kruge
zur Einſicht ausgelegen hatten, wieder auf den
Tiſch breitete, waren zwar ernſte Männer zugegen,
die mit Ehrerbietung dieſen gewiſſenhaften Fleiß
betrachteten und ſich nach ruhiger Ueberlegung den
billigen Anſätzen ihres Deichgrafen unterwarfen;
Andere aber, deren Antheile an dem neuen Lande
von ihnen ſelbſt oder ihren Vätern oder ſonſtigen
Vorbeſitzern waren veräußert worden, beſchwerten
ſich, daß ſie zu den Koſten des neuen Kooges hin-
zugezogen ſeien, deſſen Land ſie nichts mehr angehe,
uneingedenk, daß durch die neuen Arbeiten auch
ihre alten Ländereien nach und nach entbürdet
würden; und wieder Andere, die mit Antheilen
in dem neuen Koog geſegnet waren, ſchrieen, man
möge ihnen doch dieſelben abnehmen, ſie ſollten um
ein Geringes feil ſein; denn wegen der unbilligen
Leiſtungen, die ihnen dafür aufgebürdet würden,
könnten ſie nicht damit beſtehen. Ole Peters aber,
der mit grimmigem Geſicht am Thürpfoſten lehnte,
rief dazwiſchen: „Beſinnt Euch erſt, und dann
vertrauet unſerem Deichgrafen! der verſteht zu
rechnen; er hatte ſchon die meiſten Antheile, da

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[141/0153] Als Hauke jetzt ſeinen Plan verleſen und die Papiere, die freilich ſchon drei Tage hier im Kruge zur Einſicht ausgelegen hatten, wieder auf den Tiſch breitete, waren zwar ernſte Männer zugegen, die mit Ehrerbietung dieſen gewiſſenhaften Fleiß betrachteten und ſich nach ruhiger Ueberlegung den billigen Anſätzen ihres Deichgrafen unterwarfen; Andere aber, deren Antheile an dem neuen Lande von ihnen ſelbſt oder ihren Vätern oder ſonſtigen Vorbeſitzern waren veräußert worden, beſchwerten ſich, daß ſie zu den Koſten des neuen Kooges hin- zugezogen ſeien, deſſen Land ſie nichts mehr angehe, uneingedenk, daß durch die neuen Arbeiten auch ihre alten Ländereien nach und nach entbürdet würden; und wieder Andere, die mit Antheilen in dem neuen Koog geſegnet waren, ſchrieen, man möge ihnen doch dieſelben abnehmen, ſie ſollten um ein Geringes feil ſein; denn wegen der unbilligen Leiſtungen, die ihnen dafür aufgebürdet würden, könnten ſie nicht damit beſtehen. Ole Peters aber, der mit grimmigem Geſicht am Thürpfoſten lehnte, rief dazwiſchen: „Beſinnt Euch erſt, und dann vertrauet unſerem Deichgrafen! der verſteht zu rechnen; er hatte ſchon die meiſten Antheile, da

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/153>, abgerufen am 21.11.2024.