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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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Als nach einigen Wochen die Deichlinie ab-
gesteckt und der größte Theil der Sturzkarren
geliefert war, waren sämmtliche Antheilbesitzer
des einzudeichenden Kooges, ingleichen die Besitzer
der hinter dem alten Deich belegenen Ländereien
durch den Deichgrafen im Kirchspielskrug versammelt
worden; es galt, ihnen einen Plan über die Ver-
theilung der Arbeit und Kosten vorzulegen und
ihre etwaigen Einwendungen zu vernehmen; denn
auch die Letzteren hatten, sofern der neue Deich und
die neuen Siele die Unterhaltungskosten der älteren
Werke verminderte, ihren Theil zu schaffen und
zu tragen. Dieser Plan war für Hauke ein schwer
Stück Arbeit gewesen, und wenn ihm durch Ver-
mittelung des Oberdeichgrafen neben einem Deich-
boten nicht auch noch ein Deichschreiber wäre zu-
geordnet worden, er würde es sobald nicht fertig
gebracht haben, obwohl auch jetzt wieder an jedem
neuen Tage in die Nacht hinein gearbeitet war. Wenn
er dann todtmüde sein Lager suchte, so hatte nicht wie
vordem sein Weib in nur verstelltem Schlafe seiner
gewartet; auch sie hatte so vollgemessen ihre tägliche
Arbeit, daß sie Nachts wie am Grunde eines tiefen
Brunnens in unstörbarem Schlafe lag.

Als nach einigen Wochen die Deichlinie ab-
geſteckt und der größte Theil der Sturzkarren
geliefert war, waren ſämmtliche Antheilbeſitzer
des einzudeichenden Kooges, ingleichen die Beſitzer
der hinter dem alten Deich belegenen Ländereien
durch den Deichgrafen im Kirchſpielskrug verſammelt
worden; es galt, ihnen einen Plan über die Ver-
theilung der Arbeit und Koſten vorzulegen und
ihre etwaigen Einwendungen zu vernehmen; denn
auch die Letzteren hatten, ſofern der neue Deich und
die neuen Siele die Unterhaltungskoſten der älteren
Werke verminderte, ihren Theil zu ſchaffen und
zu tragen. Dieſer Plan war für Hauke ein ſchwer
Stück Arbeit geweſen, und wenn ihm durch Ver-
mittelung des Oberdeichgrafen neben einem Deich-
boten nicht auch noch ein Deichſchreiber wäre zu-
geordnet worden, er würde es ſobald nicht fertig
gebracht haben, obwohl auch jetzt wieder an jedem
neuen Tage in die Nacht hinein gearbeitet war. Wenn
er dann todtmüde ſein Lager ſuchte, ſo hatte nicht wie
vordem ſein Weib in nur verſtelltem Schlafe ſeiner
gewartet; auch ſie hatte ſo vollgemeſſen ihre tägliche
Arbeit, daß ſie Nachts wie am Grunde eines tiefen
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[140/0152] Als nach einigen Wochen die Deichlinie ab- geſteckt und der größte Theil der Sturzkarren geliefert war, waren ſämmtliche Antheilbeſitzer des einzudeichenden Kooges, ingleichen die Beſitzer der hinter dem alten Deich belegenen Ländereien durch den Deichgrafen im Kirchſpielskrug verſammelt worden; es galt, ihnen einen Plan über die Ver- theilung der Arbeit und Koſten vorzulegen und ihre etwaigen Einwendungen zu vernehmen; denn auch die Letzteren hatten, ſofern der neue Deich und die neuen Siele die Unterhaltungskoſten der älteren Werke verminderte, ihren Theil zu ſchaffen und zu tragen. Dieſer Plan war für Hauke ein ſchwer Stück Arbeit geweſen, und wenn ihm durch Ver- mittelung des Oberdeichgrafen neben einem Deich- boten nicht auch noch ein Deichſchreiber wäre zu- geordnet worden, er würde es ſobald nicht fertig gebracht haben, obwohl auch jetzt wieder an jedem neuen Tage in die Nacht hinein gearbeitet war. Wenn er dann todtmüde ſein Lager ſuchte, ſo hatte nicht wie vordem ſein Weib in nur verſtelltem Schlafe ſeiner gewartet; auch ſie hatte ſo vollgemeſſen ihre tägliche Arbeit, daß ſie Nachts wie am Grunde eines tiefen Brunnens in unſtörbarem Schlafe lag.

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/152>, abgerufen am 24.11.2024.