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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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Inzwischen war schon Ende März durch die
Oberdeichgrafschaft der Befehl zur neuen Eindeichung
eingetroffen. Hauke berief zunächst die Deichge-
vollmächtigten zusammen, und im Kruge oben bei
der Kirche waren eines Tages alle erschienen und
hörten zu, wie er ihnen die Hauptpunkte aus den
bisher erwachsenen Schriftstücken vorlas: aus seinem
Antrage, aus dem Bericht des Oberdeichgrafen,
zuletzt den schließlichen Bescheid, worin vor Allem
auch die Annahme des von ihm vorgeschlagenen
Profiles enthalten war, und der neue Deich nicht
steil wie früher, sondern allmälig verlaufend nach
der Seeseite abfallen sollte; aber mit heiteren oder
auch nur zufriedenen Gesichtern hörten sie nicht.

"Ja, ja," sagte ein alter Gevollmächtigter,
"da haben wir nun die Bescherung, und Proteste
werden nicht helfen, da der Oberdeichgraf unserem
Deichgrafen den Daumen hält!"

"Hast wohl recht, Dethlev Wiens," setzte ein
zweiter hinzu; "die Frühlingsarbeit steht vor der
Thür, und nun soll auch ein millionenlanger Deich
gemacht werden -- da muß ja Alles liegen
bleiben."

"Das könnt Ihr dies Jahr noch zu Ende

Inzwiſchen war ſchon Ende März durch die
Oberdeichgrafſchaft der Befehl zur neuen Eindeichung
eingetroffen. Hauke berief zunächſt die Deichge-
vollmächtigten zuſammen, und im Kruge oben bei
der Kirche waren eines Tages alle erſchienen und
hörten zu, wie er ihnen die Hauptpunkte aus den
bisher erwachſenen Schriftſtücken vorlas: aus ſeinem
Antrage, aus dem Bericht des Oberdeichgrafen,
zuletzt den ſchließlichen Beſcheid, worin vor Allem
auch die Annahme des von ihm vorgeſchlagenen
Profiles enthalten war, und der neue Deich nicht
ſteil wie früher, ſondern allmälig verlaufend nach
der Seeſeite abfallen ſollte; aber mit heiteren oder
auch nur zufriedenen Geſichtern hörten ſie nicht.

„Ja, ja,” ſagte ein alter Gevollmächtigter,
„da haben wir nun die Beſcherung, und Proteſte
werden nicht helfen, da der Oberdeichgraf unſerem
Deichgrafen den Daumen hält!”

„Haſt wohl recht, Dethlev Wiens,” ſetzte ein
zweiter hinzu; „die Frühlingsarbeit ſteht vor der
Thür, und nun ſoll auch ein millionenlanger Deich
gemacht werden — da muß ja Alles liegen
bleiben.”

„Das könnt Ihr dies Jahr noch zu Ende

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[133/0145] Inzwiſchen war ſchon Ende März durch die Oberdeichgrafſchaft der Befehl zur neuen Eindeichung eingetroffen. Hauke berief zunächſt die Deichge- vollmächtigten zuſammen, und im Kruge oben bei der Kirche waren eines Tages alle erſchienen und hörten zu, wie er ihnen die Hauptpunkte aus den bisher erwachſenen Schriftſtücken vorlas: aus ſeinem Antrage, aus dem Bericht des Oberdeichgrafen, zuletzt den ſchließlichen Beſcheid, worin vor Allem auch die Annahme des von ihm vorgeſchlagenen Profiles enthalten war, und der neue Deich nicht ſteil wie früher, ſondern allmälig verlaufend nach der Seeſeite abfallen ſollte; aber mit heiteren oder auch nur zufriedenen Geſichtern hörten ſie nicht. „Ja, ja,” ſagte ein alter Gevollmächtigter, „da haben wir nun die Beſcherung, und Proteſte werden nicht helfen, da der Oberdeichgraf unſerem Deichgrafen den Daumen hält!” „Haſt wohl recht, Dethlev Wiens,” ſetzte ein zweiter hinzu; „die Frühlingsarbeit ſteht vor der Thür, und nun ſoll auch ein millionenlanger Deich gemacht werden — da muß ja Alles liegen bleiben.” „Das könnt Ihr dies Jahr noch zu Ende

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/145>, abgerufen am 22.12.2024.