Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

war -- weiß der Henker, wo sich das Thier ver-
krochen hatte; der Mond schien doch hell genug;
aber als ich an die Stelle kam, war nichts da
als die bleichen Knochen von einem halben Dutzend
Schafen, und etwas weiter lag auch das Pferds-
gerippe mit seinem weißen, langen Schädel, und
ließ den Mond in seine leeren Augenhöhlen
scheinen!"

"Hmm!" meinte der Knecht; "hast auch recht
zugesehen?"

"Ja, Iven, ich stand dabei; ein gottvergessener
Kiewiet, der hinter dem Gerippe sich zur Nachtruh'
hingeduckt hatte, flog schreiend auf, daß ich er-
schrak und ein paar Mal mit der Peitsche hinten-
nach klatschte."

"Und das war Alles?"

"Ja, Iven; ich weiß nicht mehr."

"Es ist auch genug," sagte der Knecht, zog
den Jungen am Arm zu sich heran und wies
hinüber nach der Hallig. "Dort, siehst Du etwas,
Carsten?"

-- "Wahrhaftig, da geht's ja wieder!"

"Wieder?" sagte der Knecht; "ich hab' die
ganze Zeit hinübergeschaut; aber es ist gar nicht

war — weiß der Henker, wo ſich das Thier ver-
krochen hatte; der Mond ſchien doch hell genug;
aber als ich an die Stelle kam, war nichts da
als die bleichen Knochen von einem halben Dutzend
Schafen, und etwas weiter lag auch das Pferds-
gerippe mit ſeinem weißen, langen Schädel, und
ließ den Mond in ſeine leeren Augenhöhlen
ſcheinen!”

„Hmm!” meinte der Knecht; „haſt auch recht
zugeſehen?”

„Ja, Iven, ich ſtand dabei; ein gottvergeſſener
Kiewiet, der hinter dem Gerippe ſich zur Nachtruh'
hingeduckt hatte, flog ſchreiend auf, daß ich er-
ſchrak und ein paar Mal mit der Peitſche hinten-
nach klatſchte.”

„Und das war Alles?”

„Ja, Iven; ich weiß nicht mehr.”

„Es iſt auch genug,” ſagte der Knecht, zog
den Jungen am Arm zu ſich heran und wies
hinüber nach der Hallig. „Dort, ſiehſt Du etwas,
Carſten?”

— „Wahrhaftig, da geht's ja wieder!”

„Wieder?” ſagte der Knecht; „ich hab' die
ganze Zeit hinübergeſchaut; aber es iſt gar nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0133" n="121"/>
war &#x2014; weiß der Henker, wo &#x017F;ich das Thier ver-<lb/>
krochen hatte; der Mond &#x017F;chien doch hell genug;<lb/>
aber als ich an die Stelle kam, war nichts da<lb/>
als die bleichen Knochen von einem halben Dutzend<lb/>
Schafen, und etwas weiter lag auch das Pferds-<lb/>
gerippe mit &#x017F;einem weißen, langen Schädel, und<lb/>
ließ den Mond in &#x017F;eine leeren Augenhöhlen<lb/>
&#x017F;cheinen!&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hmm!&#x201D; meinte der Knecht; &#x201E;ha&#x017F;t auch recht<lb/>
zuge&#x017F;ehen?&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, Iven, ich &#x017F;tand dabei; ein gottverge&#x017F;&#x017F;ener<lb/>
Kiewiet, der hinter dem Gerippe &#x017F;ich zur Nachtruh'<lb/>
hingeduckt hatte, flog &#x017F;chreiend auf, daß ich er-<lb/>
&#x017F;chrak und ein paar Mal mit der Peit&#x017F;che hinten-<lb/>
nach klat&#x017F;chte.&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und das war Alles?&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, Iven; ich weiß nicht mehr.&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es i&#x017F;t auch genug,&#x201D; &#x017F;agte der Knecht, zog<lb/>
den Jungen am Arm zu &#x017F;ich heran und wies<lb/>
hinüber nach der Hallig. &#x201E;Dort, &#x017F;ieh&#x017F;t Du etwas,<lb/>
Car&#x017F;ten?&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Wahrhaftig, da geht's ja wieder!&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wieder?&#x201D; &#x017F;agte der Knecht; &#x201E;ich hab' die<lb/>
ganze Zeit hinüberge&#x017F;chaut; aber es i&#x017F;t gar nicht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0133] war — weiß der Henker, wo ſich das Thier ver- krochen hatte; der Mond ſchien doch hell genug; aber als ich an die Stelle kam, war nichts da als die bleichen Knochen von einem halben Dutzend Schafen, und etwas weiter lag auch das Pferds- gerippe mit ſeinem weißen, langen Schädel, und ließ den Mond in ſeine leeren Augenhöhlen ſcheinen!” „Hmm!” meinte der Knecht; „haſt auch recht zugeſehen?” „Ja, Iven, ich ſtand dabei; ein gottvergeſſener Kiewiet, der hinter dem Gerippe ſich zur Nachtruh' hingeduckt hatte, flog ſchreiend auf, daß ich er- ſchrak und ein paar Mal mit der Peitſche hinten- nach klatſchte.” „Und das war Alles?” „Ja, Iven; ich weiß nicht mehr.” „Es iſt auch genug,” ſagte der Knecht, zog den Jungen am Arm zu ſich heran und wies hinüber nach der Hallig. „Dort, ſiehſt Du etwas, Carſten?” — „Wahrhaftig, da geht's ja wieder!” „Wieder?” ſagte der Knecht; „ich hab' die ganze Zeit hinübergeſchaut; aber es iſt gar nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/133
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/133>, abgerufen am 21.11.2024.