der Knecht; "nach Mittag war ich hier, da war's nicht da; aber ich sah deutlich das weiße Pferds- gerippe liegen!"
Der Junge reckte den Hals: "das ist jetzt nicht da, Iven," flüsterte er.
"Nun, Carsten, wie ist's?" sagte der Knecht. "Juckt's Dich noch, hinüberzufahren?"
Carsten besann sich einen Augenblick; dann klatschte er mit seiner Peitsche in die Luft: "Mach' nur das Boot los, Iven!"
Drüben aber war es, als hebe, was dorten ging, den Hals, und recke gegen das Festland hin den Kopf. Sie sahen es nicht mehr; sie gingen schon den Deich hinab, und bis zur Stelle, wo das Boot gelegen war. "Nun, steig nur ein!" sagte der Knecht, nachdem er es losgebunden hatte. "Ich bleib', bis Du zurück bist! Zu Osten mußt Du anlegen; da hat man immer landen können!" Und der Junge nickte schweigend und fuhr mit seiner Peitsche in die Mondnacht hinaus; der Knecht wanderte unterm Deich zurück und bestieg ihn wieder an der Stelle, wo sie vorhin gestanden hatten. Bald sah er, wie drüben bei einer schroffen, dunkelen Stelle, an die ein breiter Priehl
der Knecht; „nach Mittag war ich hier, da war's nicht da; aber ich ſah deutlich das weiße Pferds- gerippe liegen!”
Der Junge reckte den Hals: „das iſt jetzt nicht da, Iven,” flüſterte er.
„Nun, Carſten, wie iſt's?” ſagte der Knecht. „Juckt's Dich noch, hinüberzufahren?”
Carſten beſann ſich einen Augenblick; dann klatſchte er mit ſeiner Peitſche in die Luft: „Mach' nur das Boot los, Iven!”
Drüben aber war es, als hebe, was dorten ging, den Hals, und recke gegen das Feſtland hin den Kopf. Sie ſahen es nicht mehr; ſie gingen ſchon den Deich hinab, und bis zur Stelle, wo das Boot gelegen war. „Nun, ſteig nur ein!” ſagte der Knecht, nachdem er es losgebunden hatte. „Ich bleib', bis Du zurück biſt! Zu Oſten mußt Du anlegen; da hat man immer landen können!” Und der Junge nickte ſchweigend und fuhr mit ſeiner Peitſche in die Mondnacht hinaus; der Knecht wanderte unterm Deich zurück und beſtieg ihn wieder an der Stelle, wo ſie vorhin geſtanden hatten. Bald ſah er, wie drüben bei einer ſchroffen, dunkelen Stelle, an die ein breiter Priehl
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der Knecht; „nach Mittag war ich hier, da war's
nicht da; aber ich ſah deutlich das weiße Pferds-
gerippe liegen!”
Der Junge reckte den Hals: „das iſt jetzt
nicht da, Iven,” flüſterte er.
„Nun, Carſten, wie iſt's?” ſagte der Knecht.
„Juckt's Dich noch, hinüberzufahren?”
Carſten beſann ſich einen Augenblick; dann
klatſchte er mit ſeiner Peitſche in die Luft: „Mach'
nur das Boot los, Iven!”
Drüben aber war es, als hebe, was dorten
ging, den Hals, und recke gegen das Feſtland hin
den Kopf. Sie ſahen es nicht mehr; ſie gingen
ſchon den Deich hinab, und bis zur Stelle, wo
das Boot gelegen war. „Nun, ſteig nur ein!”
ſagte der Knecht, nachdem er es losgebunden hatte.
„Ich bleib', bis Du zurück biſt! Zu Oſten mußt
Du anlegen; da hat man immer landen können!”
Und der Junge nickte ſchweigend und fuhr mit
ſeiner Peitſche in die Mondnacht hinaus; der
Knecht wanderte unterm Deich zurück und beſtieg
ihn wieder an der Stelle, wo ſie vorhin geſtanden
hatten. Bald ſah er, wie drüben bei einer
ſchroffen, dunkelen Stelle, an die ein breiter Priehl
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin), April/Mai 1888. Erste Buchausgabe Berlin: Paetel 1888, diese wurde für das DTA zur Digitalisierung herangezogen.
Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/131>, abgerufen am 16.02.2025.
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