Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
Einleitung.

1. Die Hermeneutik als Kunst des Verstehens
existirt noch nicht allgemein, sondern nur mehrere spe-
zielle Hermeneutiken.

1. Nur Kunst des Verstehens, nicht auch der Darle-
gung des Verständnisses 1). Dieß wäre nur ein specieller
Theil von der Kunst zu reden und zu schreiben, der nur von
den allgemeinen Principien abhängen könnte.

Hermeneutik 2) kann nach der bekannten Etymologie als wissen-
schaftlich noch nicht genau fixirter Name sein: a) die Kunst seine
Gedanken richtig vorzutragen, b) die Kunst die Rede eines an-
dern einem dritten richtig mitzutheilen, c) die Kunst die Rede eines

1) Anmerk. d. Herausg.: Gegen die herrschende Definition seit Ernesti
Instit. interpret. N. T. ed. Ammon p. 7 et 8.: Est autem interpretatio
facultas docendi, quae cujusque orationi sententia subjecta sit, seu, ef-
ficiendi, ut alter cogitet eadem cum scriptore quoque. -- Interpre-
tatio igitur omnis duabus rebus continetur, sententiarum (idearum) ver-
bis subjectarum intellectu, earumque idonea explicatione. Unde in
bono interprete esse debet, subtilitas intelligendi et subtilitas explicandi.
Früher fügte J. Jac. Rambach institutiones hermen. sacrae. p.
2. noch ein
drittes hinzu das sapienter applicare, was die Neuern leider wieder
hervorheben.
2) Aus der Vorlesung v. 1826. Zum Unterschiede von Schleier-
macher's handschriftlichem Nachlasse sind die aus den Collegienheften ge-
nommenen Ergänzungen und Erläuterungen mit vollen Zeilen gedruckt.
Einleitung.

1. Die Hermeneutik als Kunſt des Verſtehens
exiſtirt noch nicht allgemein, ſondern nur mehrere ſpe-
zielle Hermeneutiken.

1. Nur Kunſt des Verſtehens, nicht auch der Darle-
gung des Verſtaͤndniſſes 1). Dieß waͤre nur ein ſpecieller
Theil von der Kunſt zu reden und zu ſchreiben, der nur von
den allgemeinen Principien abhaͤngen koͤnnte.

Hermeneutik 2) kann nach der bekannten Etymologie als wiſſen-
ſchaftlich noch nicht genau fixirter Name ſein: a) die Kunſt ſeine
Gedanken richtig vorzutragen, b) die Kunſt die Rede eines an-
dern einem dritten richtig mitzutheilen, c) die Kunſt die Rede eines

1) Anmerk. d. Herausg.: Gegen die herrſchende Definition ſeit Ernesti
Instit. interpret. N. T. ed. Ammon p. 7 et 8.: Est autem interpretatio
facultas docendi, quae cujusque orationi sententia subjecta sit, seu, ef-
ficiendi, ut alter cogitet eadem cum scriptore quoque. — Interpre-
tatio igitur omnis duabus rebus continetur, sententiarum (idearum) ver-
bis subjectarum intellectu, earumque idonea explicatione. Unde in
bono interprete esse debet, subtilitas intelligendi et subtilitas explicandi.
Fruͤher fuͤgte J. Jac. Rambach institutiones hermen. sacrae. p.
2. noch ein
drittes hinzu das sapienter applicare, was die Neuern leider wieder
hervorheben.
2) Aus der Vorleſung v. 1826. Zum Unterſchiede von Schleier-
macher's handſchriftlichem Nachlaſſe ſind die aus den Collegienheften ge-
nommenen Ergaͤnzungen und Erlaͤuterungen mit vollen Zeilen gedruckt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0031" n="[7]"/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</head><lb/>
            <p>1. <hi rendition="#in">D</hi>ie Hermeneutik als <hi rendition="#g">Kun&#x017F;t des Ver&#x017F;tehens</hi><lb/>
exi&#x017F;tirt noch nicht <hi rendition="#g">allgemein</hi>, &#x017F;ondern nur mehrere <hi rendition="#g">&#x017F;pe</hi>-<lb/><hi rendition="#g">zielle Hermeneutiken</hi>.</p><lb/>
            <p>1. Nur Kun&#x017F;t des <hi rendition="#g">Ver&#x017F;tehens</hi>, nicht auch der <hi rendition="#g">Darle</hi>-<lb/><hi rendition="#g">gung</hi> des Ver&#x017F;ta&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;es <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Anmerk</hi>. d. <hi rendition="#g">Herausg</hi>.: Gegen die herr&#x017F;chende Definition &#x017F;eit <hi rendition="#aq">Ernesti<lb/>
Instit. interpret. N. T. ed. Ammon p. 7 et 8.: Est autem interpretatio<lb/>
facultas <hi rendition="#i">docendi</hi>, quae cujusque orationi sententia subjecta sit, seu, ef-<lb/>
ficiendi, ut alter cogitet eadem cum scriptore quoque. &#x2014; Interpre-<lb/>
tatio igitur omnis duabus rebus continetur, sententiarum (idearum) ver-<lb/>
bis subjectarum intellectu, earumque idonea <hi rendition="#i">explicatione</hi>. Unde in<lb/>
bono interprete esse debet, subtilitas intelligendi et subtilitas explicandi.<lb/>
Fru&#x0364;her fu&#x0364;gte J. Jac. Rambach institutiones hermen. sacrae. p.</hi> 2. noch ein<lb/>
drittes hinzu das <hi rendition="#aq">sapienter applicare,</hi> was die Neuern leider wieder<lb/>
hervorheben.</note>. Dieß wa&#x0364;re nur ein &#x017F;pecieller<lb/>
Theil von der Kun&#x017F;t zu reden und zu &#x017F;chreiben, der nur von<lb/>
den allgemeinen Principien abha&#x0364;ngen ko&#x0364;nnte.</p><lb/>
            <p>Hermeneutik <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#g">Aus der Vorle&#x017F;ung</hi> v. <hi rendition="#g">1826</hi>. Zum Unter&#x017F;chiede von Schleier-<lb/>
macher's hand&#x017F;chriftlichem Nachla&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ind die aus den Collegienheften ge-<lb/>
nommenen Erga&#x0364;nzungen und Erla&#x0364;uterungen mit vollen Zeilen gedruckt.</note> kann nach der bekannten Etymologie als wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaftlich noch nicht genau fixirter Name &#x017F;ein: <hi rendition="#aq">a</hi>) die Kun&#x017F;t &#x017F;eine<lb/>
Gedanken richtig vorzutragen, <hi rendition="#aq">b</hi>) die Kun&#x017F;t die Rede eines an-<lb/>
dern einem dritten richtig mitzutheilen, <hi rendition="#aq">c</hi>) die Kun&#x017F;t die Rede eines<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[7]/0031] Einleitung. 1. Die Hermeneutik als Kunſt des Verſtehens exiſtirt noch nicht allgemein, ſondern nur mehrere ſpe- zielle Hermeneutiken. 1. Nur Kunſt des Verſtehens, nicht auch der Darle- gung des Verſtaͤndniſſes 1). Dieß waͤre nur ein ſpecieller Theil von der Kunſt zu reden und zu ſchreiben, der nur von den allgemeinen Principien abhaͤngen koͤnnte. Hermeneutik 2) kann nach der bekannten Etymologie als wiſſen- ſchaftlich noch nicht genau fixirter Name ſein: a) die Kunſt ſeine Gedanken richtig vorzutragen, b) die Kunſt die Rede eines an- dern einem dritten richtig mitzutheilen, c) die Kunſt die Rede eines 1) Anmerk. d. Herausg.: Gegen die herrſchende Definition ſeit Ernesti Instit. interpret. N. T. ed. Ammon p. 7 et 8.: Est autem interpretatio facultas docendi, quae cujusque orationi sententia subjecta sit, seu, ef- ficiendi, ut alter cogitet eadem cum scriptore quoque. — Interpre- tatio igitur omnis duabus rebus continetur, sententiarum (idearum) ver- bis subjectarum intellectu, earumque idonea explicatione. Unde in bono interprete esse debet, subtilitas intelligendi et subtilitas explicandi. Fruͤher fuͤgte J. Jac. Rambach institutiones hermen. sacrae. p. 2. noch ein drittes hinzu das sapienter applicare, was die Neuern leider wieder hervorheben. 2) Aus der Vorleſung v. 1826. Zum Unterſchiede von Schleier- macher's handſchriftlichem Nachlaſſe ſind die aus den Collegienheften ge- nommenen Ergaͤnzungen und Erlaͤuterungen mit vollen Zeilen gedruckt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/31
Zitationshilfe: Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. [7]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/31>, abgerufen am 22.12.2024.