Dampfboote von London nach Kalkutta machte, nahm Instrumente mit, welche ich vorher sorgfältig verglichen hatte, und fand ebenfals den Unterschied nicht über 3/4° R.
Das Meer hat an sich eine Tendenz zur Erwärmung: denn da das Wasser immer dichter wird, je mehr es erkaltet, so mus also das kältere Wasser zu Boden sinken, und das wärmere obenauf schwimmen. Ein Resultat ist: dass vom Aequator bis zu 48-50° Nordbreite das Meer immer etwas wärmer ist, als die Luft. Man sieht leicht ein, welchen mächtigen Einflus dies auf die Meer- winde, und mithin auf die Temperatur aller der Länder haben mus, welche von ihnen erreicht werden. Ich lege um desto mehr Gewicht auf dieses völlig konstatirte factum, da Kirwan, ein achtbarer Gelehrter, das Gegentheil behauptet hat.
Die monatlichen Veränderungen sind unter den Tropen 6 mal kleiner im Meere als in der Luft, bei uns 7 mal kleiner. Erst vor unge- fähr einem Jahre habe ich Gelegenheit gehabt, die gröste Kälte genau zu bestimmen, zu welcher der atlantische Ozean herab- sinken kann. Ich habe viele genau verglichene Instrumente Reisenden mitgegeben, und erhielt noch handschriftliche Mit- theilungen von dem würdigen Rennell, dem 80-jährigen Geographen von Indien, der seit einer Reihe von Jahren ein grosses Werk über
64.
Dampfboote von London nach Kalkutta machte, nahm Instrumente mit, welche ich vorher sorgfältig verglichen hatte, und fand ebenfals den Unterschied nicht über ¾° R.
Das Meer hat an sich eine Tendenz zur Erwärmung: denn da das Wasser immer dichter wird, je mehr es erkaltet, so mus also das kältere Wasser zu Boden sinken, und das wärmere obenauf schwimmen. Ein Resultat ist: dass vom Aequator bis zu 48–50° Nordbreite das Meer immer etwas wärmer ist, als die Luft. Man sieht leicht ein, welchen mächtigen Einflus dies auf die Meer- winde, und mithin auf die Temperatur aller der Länder haben mus, welche von ihnen erreicht werden. Ich lege um desto mehr Gewicht auf dieses völlig konstatirte factum, da Kirwan, ein achtbarer Gelehrter, das Gegentheil behauptet hat.
Die monatlichen Veränderungen sind unter den Tropen 6 mal kleiner im Meere als in der Luft, bei uns 7 mal kleiner. Erst vor unge- fähr einem Jahre habe ich Gelegenheit gehabt, die gröste Kälte genau zu bestimmen, zu welcher der atlantische Ozean herab- sinken kann. Ich habe viele genau verglichene Instrumente Reisenden mitgegeben, und erhielt noch handschriftliche Mit- theilungen von dem würdigen Rennell, dem 80-jährigen Geographen von Indien, der seit einer Reihe von Jahren ein grosses Werk über
<TEI><text><body><divn="1"><divtype="session"n="42"><p><pbfacs="#f0511"n="254r"/><fwplace="top"type="sig">64.</fw><lb/>
Dampfboote von London nach Kalkutta machte, nahm Instrumente<lb/>
mit, welche ich vorher sorgfältig verglichen hatte, und fand ebenfals<lb/>
den Unterschied nicht über ¾° R.</p><lb/><p>Das Meer hat an sich eine Tendenz zur Erwärmung: denn da<lb/>
das Wasser immer dichter wird, je mehr es erkaltet, so mus also<lb/>
das kältere Wasser zu Boden sinken, und das wärmere <choice><orig>oben auf</orig><regresp="#CT">obenauf</reg></choice><lb/>
schwimmen. Ein Resultat ist: dass vom Aequator bis zu 48–50°<lb/><choice><abbr>Nd</abbr><expanresp="#CT">Nord</expan></choice>breite das Meer immer etwas wärmer ist, als die Luft. Man<lb/>
sieht leicht ein, welchen mächtigen Einflus dies auf die Meer-<lb/>
winde, und mithin auf die Temperatur aller der Länder haben<lb/>
mus, welche von ihnen erreicht werden. Ich lege um desto mehr<lb/>
Gewicht auf dieses völlig konstatirte factum, da <hirendition="#u"><persNameresp="#CT"ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-11922139X http://d-nb.info/gnd/11922139X">Kirwan</persName></hi>, ein<lb/>
achtbarer Gelehrter, das Gegentheil behauptet hat.</p><lb/><p>Die monatlichen Veränderungen sind unter den Tropen 6 mal kleiner<lb/>
im Meere als in der Luft, bei uns 7 mal kleiner. Erst vor unge-<lb/>
fähr einem Jahre habe ich Gelegenheit gehabt, die gröste Kälte<lb/>
genau zu bestimmen, zu welcher der atlantische Ozean herab-<lb/>
sinken kann. Ich habe viele genau <choice><sic>verglichenen</sic><corrresp="#CT">verglichene</corr></choice> Instrumente<lb/>
Reisenden mitgegeben, und erhielt noch handschriftliche Mit-<lb/>
theilungen von dem würdigen <persNameresp="#CT"ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118788353 http://d-nb.info/gnd/118788353">Rennell</persName>, dem <choice><orig>80 jährigen</orig><regresp="#CT">80-jährigen</reg></choice> Geographen<lb/>
von Indien, der seit einer Reihe von Jahren ein grosses Werk über<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[254r/0511]
64.
Dampfboote von London nach Kalkutta machte, nahm Instrumente
mit, welche ich vorher sorgfältig verglichen hatte, und fand ebenfals
den Unterschied nicht über ¾° R.
Das Meer hat an sich eine Tendenz zur Erwärmung: denn da
das Wasser immer dichter wird, je mehr es erkaltet, so mus also
das kältere Wasser zu Boden sinken, und das wärmere oben auf
schwimmen. Ein Resultat ist: dass vom Aequator bis zu 48–50°
Ndbreite das Meer immer etwas wärmer ist, als die Luft. Man
sieht leicht ein, welchen mächtigen Einflus dies auf die Meer-
winde, und mithin auf die Temperatur aller der Länder haben
mus, welche von ihnen erreicht werden. Ich lege um desto mehr
Gewicht auf dieses völlig konstatirte factum, da Kirwan, ein
achtbarer Gelehrter, das Gegentheil behauptet hat.
Die monatlichen Veränderungen sind unter den Tropen 6 mal kleiner
im Meere als in der Luft, bei uns 7 mal kleiner. Erst vor unge-
fähr einem Jahre habe ich Gelegenheit gehabt, die gröste Kälte
genau zu bestimmen, zu welcher der atlantische Ozean herab-
sinken kann. Ich habe viele genau verglichene Instrumente
Reisenden mitgegeben, und erhielt noch handschriftliche Mit-
theilungen von dem würdigen Rennell, dem 80 jährigen Geographen
von Indien, der seit einer Reihe von Jahren ein grosses Werk über
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Parthey, Gustav: Alexander von Humboldt[:] Vorlesungen über physikalische Geographie. Novmbr. 1827 bis April,[!] 1828. Nachgeschrieben von G. Partheÿ. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 254r. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_msgermqu1711_1828/511>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.