[1299]
Außerordentliche Beilage zu Nr. 235 der N. Rh. Ztg.
Organ der Demokratie.
Köln, 2. März.
Deutschland.
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Edition: [Friedrich Engels: Der europäische Krieg ist unabwendbar, vorgesehen für: MEGA2, I/9. ]
[ * ] Köln, 2. März.
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[ * ] Berlin.
2. Sitzung der zweiten Kammer am 28. Febr.
Eröffnung der Sitzung 11 3/4 Uhr. Vorsitzender: Alterspräsident Leusing. Auf der Ministerbank befindet sich nur der Minister des Innern v. Manteuffel, später auch der Handelsminister von der Heydt
Das Protokoll der vorigen Sitzung wird vom Schriftführer Abg. Parrisius verlesen und genehmigt.
Der Alterspräsident berichtet den Eintritt neuer Mitglieder, unter diesen der Abgeordneten Kaliski und v. Grießheim. Dieselben sollen durchs Loos der betreffenden Abtheilung zugewiesen werden. Auf der Tagesordnung sind:
1) Der Antrag des Abg. v. Unruh:
„Die Kammer wolle beschließen,
A, Für die Prüfung der Wahlen gelten folgende Bestimmungen:
1) Die vier jüngsten Mitglieder übernehmen die Schriftführung. Vorsitz und Schriftführung können von den dazu Berufenen unter Zustimmung der Kammer auf die im Lebensalter ihnen am nächsten stehenden Mitglieder übertragen werden.
2) Die Kammer wird durch das Loos in sieben Abtheilungen möglichst gleicher Zahl getheilt. Jede Abtheilung wählt mit absoluter Stimmenmehrheit einen Vorsitzenden und einen Schriftführer, sowie Stellvertreter für beide.
3) Die Vorprüfung der Wahlen geschieht in den Abtheilungen; jeder Abtheilung wird eine möglichst gleiche Anzahl der einzelnen Wahlverhandlungen zugetheilt.
4) Nach vorgenommener Prüfung der Wahlverhandlungen wählt die Abtheilung einen Berichterstatter, um der Kammer das Gutachten der Abtheilung vorzutragen.
5) Ueber die Gültigkeit der Wahl entscheidet die Kammer in der Plenarsitzung. Bis zu dieser Entscheidung hat der Einberufene Sitz und Stimme.
6) Mitglieder, deren Wahl beanstandet wird, dürfen in Beziehung auf ihre Wahl alle ihnen nöthig scheinenden Erklärungen geben, aber nicht an den Abstimmungen Theil nehmen.
B. Es wird eine Kommission durch die sieben Abtheilungen, aus zwei Mitgliedern jeder Abtheilung bestehend, erwählt. Die Kommission hat:
1) eine Rede- und Abstimmungsordnung, welche bei den Verhandlungen über Prüfung der Wahlen zu beobachten ist, bis zur nächsten Plenarsitzung vorzulegen.
2) Eine definitive Geschäftsordnung jedenfalls bis zur ersten Plenarsitzung nach Prüfung der Wahlen auszuarbeiten und für den Druck zu sorgen. In dieser Sitzung kommt die Geschäftsordnung sofort zur Verhandlung.“
Ferner die von den Abgeordneten Viebahn und Konsorten ausgearbeitete Geschäftsordnung.
In dieser wird namentlich das Interpellationsrecht sehr beschränkt.
Der Abg. Vinke, beklagt sich über Unregelmäßigkeit in der Zusendung der Wahlprotokolle; seine Bedenken werden einstimmig zurückgewiesen.
Wollheim und Münsberg sprechen gegen die Viebahnsche Geschäftsordnung. v. Kleist aus Pommern für dieselbe indem er besonders die Beschränkung der Interpellationen in ihr, durch welche die frühere National-Versammlung unpopulär geworden sei, vertheidigt.
Riedel in gewohnter Weise für Viebahn.
Temme: Die Interpellationen sind ein heiliges Recht des Volkes, verkümmern Sie es nicht. Es thut mir leid, das in diesem Hause, wo die Versöhnung gestiftet werden soll, mit Schmähung auf die aufgelöste Nationalversammlung begonnen wird. Sie wird vielleicht in einem Jahre schon höher stehen als irgend eine Versammlung in Europa. Victrix causa etc. ‒ (Bravo links.)
Abg. Martens, für Danzig, spricht für den Viebahnschen. Entwurf.
Abg. Grebel verzichtet aufs Wort zu Gunsten des Abg. Bucher. (Zur Rechten: Schluß! Schluß! Zur Linken: Reden! Reden! Unruhe. Nach einem kurzen Zwischenfall stellt sich die Ruhe wieder her.)
Abg. v. Vinke. Es sei in allen Geschäftsordnungen, die er kenne, gestattet, daß das Wort cedirt werden könne. (Bravo!)
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Abg. Bucher. (Namen! Namen!) Ich lege keinen Werth auf den Namen. (Auf der Rechten: Aber wir!) Der Präsident hat mich aufgerufen! Ich erkläre mich gegen den Viebahnschen Entwurf, weil ich ihn für gefährlich halte. Es hat mit dieser Geschäftsordnung dieselbe Bewandniß, wie mit der oktroyirten Verfassung, die auch nicht aus dem vollen frischen Leben und unter den Augen des Volkes entstanden ist. Wir sind in diesen abgelegenen Räumen so schon äußerlich von aller Welt abgeschlossen. Wohin es aber führt, wenn man über die Wirklichkeit zur Tagesordnung übergeht, das hat zur Genüge eine andere größere Versammlung gezeigt. Ich gebe zu, daß mit einzelnen Bestimmungen der Geschäftsordnung der früheren Nationalversammlung nicht aufs zweckmäßigste verfahren worden, z. B. mit den schleunigen Anträgen und Interpellationen. Aber wo giebt es heilsame Einrichtungen, die nicht gemißbraucht worden sind? Ich weiß nicht, ob die Herren, welche die Geschäftsordnung ausgearbeitet haben, dem Ministerium eine Stütze sein wollen (Unruhe zur Rechten), das weiß ich aber, daß wir dem Volke keinen Gefallen thun, wenn wir zu all den Ungesetzlichkeiten und Gewaltmaaßregeln, die vorfallen, schweigen.
Unter den Bestimmungen, die mir am meisten auffielen, befindet sich unter Anderem auch ein Paragraph, der der Kammer die Ermächtigung gibt, einen Abgeordneten, dessen Wahl noch nicht geprüft ist, nöthigenfalls auszuschließen. Ich habe über die Gründe nachgedacht, habe aber nichts Anderes gefunden, als die Willkür, so daß demnach die Majorität ohne Widerspruch die ganze Minorität ausschließen könnte. (Unruhe.) Ich glaube nun zwar nicht, daß die Majorität dies wird thun wollen, Sie sehen aber, welchen Eventualitäten und welcher Willkür das Reglement uns aussetzt. Ich kann auch nicht glauben, daß die Herren, welche das Reglement verfaßten, schon gewußt haben, welche Partei die Majorität haben würde; man kann aber auf keine Weise zugeben, daß die Minorität sich auf Gnade und Ungnade der Majorität ergebe.
Wenn einer der Herren Redner behauptet hat, daß das ganze Land der Debatten über die Geschäftsordnung schon herzlich satt wäre, so muß ich gestehen, ich weiß es nicht, und ich glaube, dem Herrn müssen ganz besondere Künste zu Gebote stehen, wenn er über die Stimmung des ganzen Landes hinsichtlich der gestrigen Debatte heute schon Nachricht hat. Das Beste also meine Herren, wird sein, wenn Sie das Reglement der Nationalversammlung annehmen. (Bravo!)
Minister des Innern: Ich habe schon vorhin zu bemerken Gelegenheit gehabt, daß auf die Angriffe gegen das Ministerium in der geeigneten Form und Zeit geantwortet werden wird. Was die eben vernommenen Vorwürfe betrifft, so beschränke ich mich darauf, einfach dagegen Protest einzulegen. (Bravo von der Rechten. Zischen von der Linken).
Graf Arnim- Boitzenburg spricht gegen den Unruh'schen Antrag.
Unruh vertheidigt seinen Antrag.
Der Schluß der Debatte wird verlangt und einstimmig angenommen. Nachdem Abg. Viehbahn als Antragsteller auf das Wort verzichtet hat, wird die Theilung der Frage beschlossen, Der erste Theil des Antrages, die Niedersetzung einer Kommission zur Ausarbeitung einer Geschäftsordnung betreffend, wird einstimmig angenommen. Ueber den zweiten Theil, die vorläufige Annahme der vom Abg. Viebahn und Cons. eingebrachten Geschäftsordnung wird die namentliche Abstimmung verlangt und nach einigen kurzen Zwischenbemerkungen der Abg. Hartmann und Moritz, wird zum Namensaufruf geschritten. Das Resultat ergiebt
169 für, 148 gegen
die vorläufige Annahme der Geschäftsordnung. Dieselbe ist demnach angenommen.
Handelsminister v. d. Heydt. Meine Herren! Ich habe Ihnen die Anzeige zu machen, daß am 26. d. M. von Seiten der dänischen Regierung der Waffenstillstand von Malmoe gekündigt worden ist. Es ist jedoch der diesseitigen Regierung durch den Ueberbringer dieser Nachricht, den Freiherrn von Twesten mitgetheilt worden, daß das dänische Gouvernement sich der Hoffnung hingiebt, es werde der gefaßte Beschluß zu einer Erneuerung der Feindseligkeiten nicht führen, es werden vielmehr durch die in London angeknüpften Verhandlungen noch vor dem Ablauf des Monats die Friedens-Präliminarien festgestellt werden. Jedenfalls wird jedoch die Regierung einerseits den Frieden anderseits aber auch die Ehre und die Interessen des Landes zu wahren wissen. (Einzelnes Bravo!) Ich habe heut bereits den Handelstand der Ostseeprovinzen von dieser Nachricht in Kenntniß gesetzt.
Alterspräsident. Da nun weitere Verhandlungen nicht vorliegen, so schlage ich vor, daß wir die Sitzung heut schließen und bis übermorgen um 10 Uhr vertagen.
(Schluß der Sitzung 3 1/4 Uhr. Nächste Sitzung, Freitag früh um 10 Uhr.)
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Berlin, 27. Febr.
Heut Nachmittag um 5 Uhr haben die Abtheilungen der 2ten Kammer sich konstituirt. Das Resultat der Wahlen ist zu Gunsten der rechten Seite ausgefallen, obwohl in allen Abtheilungen nur eine kleine Majorität erreicht wurde. Das Resultat der Wahlen ist folgendes: 1. Abth.: Vorsitzender v. Vincke, Stellvertreter v. Berg; Schriftführer Martens, Stellvertreter Keller. 2. Abth.: Vorf. v. Viebahn, Stellvertr. Camphausen, Schriftführer Gessler und Diesterweg. 3. Abth.: Vorf. Vater u. v. Werdeck, Schriftf. Gellern u. Stolle. 4. Abth.: Wenzel u. Blömer, Schriftf. Urlich u. Poppenburg. 5. Abth.: Grabow u. Naumann, Schriftf. Matthäi u. Riotte. 6. Abth.: Graf Arnim u. Harkort, Seger u. Osterath. 7. Abth.: Phillips u. v. Auerswald (Rosenb.), Schriftf. Riedel u. Raabe.
Italien.
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[ * ] Turin, 24 Febr.
In der Kammersitzung vom 23. verliest der Minister des Innern das königliche Dekret, welches den General-Lieutenant Chiodo zum Präsidenten des Ministerraths, und den General-Lieutenant Colli zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten ernennt.
Longoni leitet die Aufmerksamkeit der Kammer auf die gestrigen Vorfälle. Die öffentliche Ruhe, sagt er, ist gestört worden durch eine Hand voll Unsinniger, die aufgehört haben Bürger zu sein, und sich zu Verschwörern aufgeworfen haben. Auf dem öffentlichen Platze wurde ein wildes Geschrei zu Gunsten des Exministers der äußern Angelegenheiten ausgestoßen, und diese Manifestation hatte keinen andern Zweck, als den König zu bewegen, den gefallenen Minister zurückzuberufen und das Parlament zu schließen. Einige Personen mögen das allerdings wollen, aber es ist dies nicht der Wille der Nation, und dieser Wille hat seinen Sitz, seinen Ausdruck im Parlamente und nirgends anders. Er ladet demnach das Parlament ein, dem Volke seinen Willen kund zu geben, so wie die wahre Sachlage ihm auseinanderzusetzen.
Monti bemerkte, daß unter den von Gioberti ausgesprochenen Worten sich kein einziges befinde, das eine Beleidigung gegen das Parlament enthalte.
Der Minister des Innern billigt die von Longoni erwähnten Prinzipien; aber er setzt hinzu, daß die kleine Anzahl Derer, welche die Ruhe zu stören beabsichtigt, bald wieder zu bessern Gesinnungen übergegangen, und daß also die Ordnung schleunigst zurückgekehrt sei. Die an das Volk gerichtete Proklamation ist fertig und wird morgen erscheinen.
Rossellini interpellirt das Ministerium über die Besetzung Ferrara's durch die Oestreicher; er fragt ob das Ministerium offiziell von diesem Factum in Kenntniß gesetzt worden sei, und ob es nicht diese Gelegenheit sich zu nutze machen wird, um dem sehnlichsten Wunsche der Nation zu genügen, und sich von den Banden der Mediation loszusagen.
Der Minister des Innern antwortet, daß er Ursache habe die Sache für begründet zu halten, obgleich er keine offizielle Kunde davon erhalten.
Er fügt hinzu, daß es die Absicht des Ministeriums sei, gegen jede Art fremder Intervention zu protestiren. Die Vorfälle in Ferrara, fügt er hinzu, seien allerdings geeignet, den Wiederbeginn des Krieges zu beschleunigen.
Josti fragt, ob die Armee bereit sei. Er macht darauf aufmerksam, daß Radetzky von jedem Verzuge Nutzen ziehen könne, daß die Lombardei ihre Kräfte erschöpfe, während sie die piemontesische Armee unterstützen müsse.
Der Minister denkt ebenfalls, daß der günstige Augenblick gekommen; aber er hofft, daß die Kammer sich nicht deshalb über das Ministerium beklagen wird, weil es den Tag der Wiederaufnahme der Feindseligkeiten nicht genau bestimmt.
Die Kammer geht darauf zur Diskussion der Antwort auf die Thronrede über. Der Deputirte Lione besteht auf der Gefahr, welche die Unabhängigkeit Italiens bedrohe. Eine Intervention in Toskana hätte das Recht gefährdet, nach welchem jeder Staat sich konstituiren kann, wie es ihm gut dünkt. Die Republik sei nach seiner Meinung die beste Regierungsform für Rom und Toskana.
[Redakteur en chef: Karl Marx. ]
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Druck J W. Dietz, unter Hutmacher 17.