[1293]
Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 235. Köln, Freitag, den 2. März. 1849.
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Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.
Nur frankirte Briefe werden angenommen.
Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.
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Uebersicht.
Deutschland. Köln. (Die Thronrede. ‒ Les grandes colères de la Nouvelle Gazette de Prusse.) Münster. (Das Verfahren des Herrn Rintelen gegen Temme.) Berlin. (Aus dem weißen Saale und vor dem Schlosse. ‒ Die „Const. Ztg.“ ‒ Vermischtes. ‒ Sitzung der Kammern) Kremsier. (Palacky's czechomanische Interpellation.) Dresden. (Kammersitzung.) Altona. (Ueber den Waffenstillstand.) Kassel. (Die Civilehe und der Pfaffenbeutel.) Mainz. (Abgang des Hrn. Dalwigk) Frankfurt. (National-Versammlung)
Ungarn. (Vom ungarischen und siebenbürgischen Kriegsschauplatze.)
Italien. Ferrara. (Die k. k. „ Züchtigung der ruchlosen Stadt.“) Rom. (Das ministerielle Programm. ‒ Verbrüderung Toskanas und der römischen Republik.) Florenz. (Regierungs-Circular in Betreff Laugier's.) Turin. (Gioberti's Austritt. ‒ Kammerverhandlung)
Schweiz. Bern (Die Kapitulationsfrage. ‒ Ein würtembergischer Reichssoldat.)
Franz. Republik. Paris. (Statistisches. ‒ L. Napoleon. ‒ Der „National“ über die östreichische Intervention. ‒ Vermischtes. ‒ National-Versammlung.)
Großbritannien. London. (Parlament.)
Südamerika. Rio de Janeiro. (Ein Rosas'sches Armeecorps in Rio Grande eingerückt.)
Deutschland.
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Edition: [Karl Marx/Friedrich Engels: Die Thronrede, vorgesehen für: MEGA2, I/9. ]
[ * ]Köln, 1. März.
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[ * ]Köln, 1. März.
Die Neue Preuß. Zeitung enthält Folgendes:
„Die Neue Rheinische Zeitung entnimmt unserm Zuschauer die Notiz, daß aus dem hiesigen Criminalgefängniß ein berüchtigter Dieb, Namens Blücher, entsprungen sei. Der würdige Correspondent bemerkt wörtlich dazu: „Ist dies vielleicht ein Nachkomme des alten Schnapsblücher aus den Feldzügen von Anno 13?“ ‒ Und ein Subjekt, das diese Worte schreibt, nennt sich Preuße oder Deutscher!! Eine Redaction, die dies wohlgefällig aufnimmt, will ein deutsches Organ sein?? ‒ Schmach, Schmach über Beide! ‒ Das, deutsches Vaterland von 1813 und 1814, sind deine Liberalen im Jahre 1849!“
Der „würdige Correspondent“ war diesmal Niemand anders, als die Redaction selbst, die mit großem Vergnügen bemerkt, daß sie ihren Zweck vollständig erreicht hat, nämlich den: die frivolkokettirende Neue Preußische Zeitung zur Abwechslung einmal in sittliche Entrüstung zu versetzen.
So sehr vergißt sie sich in ihrem heiligen Eifer, daß sie uns in einem Athem nicht nur Preußen, sondern sogar Liberale nennt!
Ja, noch mehr: so gewaltig ist sie von der betreffenden Entsetzlichkeit in Harnisch gejagt worden, daß sie nicht einmal den gleich darauf folgenden noch viel sonderbaren Artikel über den Prinzen Waldemar hochselig bemerkt hat.
Diese guten Krautjunker und resp. verbummelten Subalternbeamten aus der Mark, die nie etwas anderes gesehen haben, als das Berliner Pflaster, und nun meinen, eine welterschütternde Weltbildung zu besitzen! Diese Lokalmenschen sollten doch nur einmal bloß an den Rhein kommen, sie könnten noch ganz andere Dinge über den alten Blücher und das „deutsche Vaterland (!) von 1813 (!!) und 1814“ (!!!) hören!
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[ 308 ] Münster, 28. Februar.
Der Justizminister will sich zwar das Verdienst der Entlassung Temme's aus dem Zuchthause allein beimessen, und er läugnet die Einwirkung Camphausens ab. Die Sache verhält sich aber ganz genau so, wie Sie Ihnen schon geschrieben worden. Camphausen hat bei seiner Anwesenheit zu Berlin im Januar energisch Temme's Entlassung gefordert, und sie als eine der Bedingungen seines Verbleibens im preußischen Staatsdienste aufgestellt. Er hat zwar heftigen Widerstand gefunden; man hat ihm aber endlich nachgegeben. Der Widerspruch erfolgte hauptsächlich, vielleicht ausschließlich, nur aus Furcht vor dem Unwillen einer hohen Person, von deren persönlichem Hasse Temme bekanntlich schon seit längerer Zeit betroffen wird, einem Hasse, der auch gegenwärtig einzig und allein der Grund der gegen ihn losgelassenen Verfolgung ist. In Rücksicht dieses Hasses war der Minister auch wohl gar nicht Willens, sein Versprechen gegen Camphausen zu erfüllen Er sandte vielmehr die Akten nochmals nach Paderborn, in der Erwartung, der dortige Gerichtshof werde dem zweiten Befehl Folge geben, und Temme's Verhaftung für gerechtfertigt erklären, so daß er als dann auch gegen Camphausen seine Hände hätte in Unschuld waschen können, indem er ja dem Gange der Gerechtigkeit nicht vorgreifen dürfte u. s. w. Paderborn leistete aber nicht Folge, und nun blieb ihm, zumal da Temme's Freunde in Frankfurt fast täglich interpellirten, und Camphausen die obige Mittheilung bereits an Gagern gemacht hatte, endlich nichts übrig, als sein Versprechen zu halten und Temme zu entlassen. Sie sehen, welches Verdienst der Herr Justizminister hierbei hat. Er, der Minister der Justiz, hat nicht den Muth, einer hohen Person gegenüber, den Akt der Gerechtigkeit auszuüben; er mußte Temme entlassen, und wenn die hohe Person es nicht gestatten wollte, seinen Abschied nehmen. Anstatt dessen gibt er sich zum gehässigen Werk [1294] zeuge des Unrechts her. Camphausen, der gar keine Veranlassung dazu hatte, that, was er (der Justizminister) thun mußte.
Dieselbe Feigheit zeigt er in Bezug auf Temme's Amtssuspension. Jener hohen Person ist nichts mehr ein Gräuel, als daß Temme noch auf seinem Richterposten ist. Seine Entfernung aus demselben war der eigentliche Zweck des ganzen gegen ihn verübten Verfahrens. Dazu wurden theils wissentlich, theils unwissentlich die in der Sache wirkenden Behörden mißbraucht. Darum steht es auch fest, daß er unter keinen Umständen wieder in sein Amt zurück soll. Vergebens hat er sich um Aufhebung seiner Amtssuspension in vielen Eingaben an den Justizminister gewandt; zuerst gab ihm letzterer gar keine Antwort, zuletzt, unterm 16. Feb. eröffnete er ihm, daß der Staatsanwalt in Berlin, dem er seine Akten zugestellt, einen Bescheid ertheilen würde. Temme hat ihm natürlich erwidert, daß er sich über das Oberlandesgericht zu Münster bei ihm, dem Justizminister, beschwert hätte, daß der Staats-Anwalt in Berlin also hier keinen Bescheid ertheilen könne, da derselbe nicht Vorgesetzter jenes Oberlandesgerichts sei. Temme hat ihm dabei geradezu erklärt, daß er, der Justizminister, den Muth haben müsse, in dieser Sache eine Entscheidung zu geben, daß er verantwortlich für das in der Sache verübte und von ihm schmählich geduldete Unrecht sei, und daß er die Verantwortlichkeit des Staatsanwalts nicht vorschieben dürfe. Einen Bescheid hat Temme darauf noch nicht erhalten.
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[ 305 ] Berlin, 27. Febr.
Nachdem der König die Thronrede geendet, brachte ihm der Friedensrichter Pelzer von Lennep, Abgeordneter der zweiten Kammer, ein Hoch aus, in welches außer den Krautjunkern nur Wenige der anwesenden Deputirten einstimmten. Es darf dabei auch nicht außer Acht gelassen werden, daß die Abgeordneten nur den kleinsten Theil der Versammlung bildeten. Die Mehrzahl bestand aus Generalen, höhern Beamten, Kammerherren und Kammerdienern, die freilich alle ihre Kehlen gehörig anstrengten. Vor dem Schlosse hatten sich einige tausend Bürger, die nach ihren Anzügen zu urtheilen, dem mittlern Bürgerstande anzugehören schienen, eingefunden, und ein Spalier gebildet. Als der König durchfuhr, trat eine wahre Grabesstille ein; die Deputirten der frühern Linken der aufgelösten Nationalversammlung wurden dagegen mit allgemeinem Jubel begrüßt. Als der Abg. v. Vincke kam, vernahm man ein einstimmiges Zischen.
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@facs1294
[ X ] Berlin, 27. Febr.
Nächst der Thronrede erregten gestern noch zwei andere literarische Erscheinungen große Aufmerksamkeit. Die eine war die bereits angekündigte Zusammenstellung der königl. Thronrede unter dem Titel: „Aus dem weißen Saale!“ deren Gesammteindruck frappant ist, die andere die erste Nummer der (Hansemannschen) Constitutionellen Zeitung, welche gestern Abend ausgegeben wurde. Nach Beiden war viel Begehr. Für die constitut. Ztg. scheinen sich namentlich in der Bourgeoisie, aus der sie hervorging, Chancen zu eröffnen; indeß wird die erste Nummer noch zu dürftig an Original-Mittheilungen gefunden.
Das Petersburger Kabinet soll in neuester Zeit fortgesetzte Versuche einer freundlicheren Annäherung an Deutschland und speziell an Preußen machen. Daß das Ausfuhrverbot auf Vieh und Pferde bereits vor längerer Zeit zurückgenommen ward, ist bekannt. Man erfährt aber jetzt, daß in kurzer Zeit auch die russ. Truppen von den preuß. Gränzen zurückgezogen werden würden, wo ihre plötzliche und unmotivirte Anhäufung in den vergangenen Monaten zu vielfachen Bedenken und Besorgnissen veranlaßten.
Eine andere wichtige Mittheilung ist, daß in diesen Tagen von Seiten unserer Regierung ein außerordentlicher Gesandter nach Olmütz abgegangen ist, um den Kaiser der wohlwollendsten Gesinnungen Preußens zu versichern und zugleich das dortige Kabinet zu weiteren Vorschlägen in der deutschen Frage zu veranlassen, denen diesseitig das aufmerksamste Entgegenkommen, so weit es sich nur immer mit dem deutschen Interesse vereine, gezollt werden würde. Dieser Schritt soll hier Orts von Frankfurt aus angebahnt sein.
Bekanntlich sollte hier ein demokratisches Bankett aller demokratischen Wahlmänner und der von ihnen gewählten Abgeordneten stattfinden, zu welchem ursprünglich der 24. Febr. ausersehen war. Da dieser Tag ‒ vermuthlich als der Jahrestag der franz. Revolution ‒ polizeilichen Anstand fand, so wurde das Bankett auf den 2. März verlegt. Jetzt ist es aber ganz und gar verboten, und hat daher das Festkomite den Theilnehmern vorgeschlagen, in den einzelnen Wahlabtheilungen, deren hier vier gebildet sind, unter sich zusammen zu treten. Dies hat aber vielseitigen Widerspruch erfahren und wird daher jetzt vielleicht das ganze Vorhaben unterbleiben. Die Abgeordneten zur zweiten Kammer haben sich nunmehr, nachdem sie sich anfangs in völliges Klikenwesen aufzulösen drohten, in zwei große Hälften geschieden, eine linke und eine rechte Seite, die indeß nach dem eigenen Geständniß einsichtiger Mitglieder eben so wenig Dauer verheißen und nur als erste Grundlage für eine fernere Nüancirung geschlossener Parteien zu erachten sein möchten. Diesem entsprechend soll denn auch Grabow bereits beabsichtigen, mit den Herren Vincke und Bodelschwingh ein rechtes Centrum zu bilden, was aber in dieser Zusammensetzung wenig Haltbarkeit zu versprechen scheint. Eigentliche Beschlüsse sind bis hieran noch von keiner Partei gefaßt, obwohl beide sich fast abendlich versammeln und namentlich die Linke gestern Abend in ihrem Versammlungslokal bei Jaraschowitz in der Markgrafenstr. sehr zahlreich vertreten war. Vermuthlich wird die rechte Seite fürs Erste um einige Stimmen überwiegen, das Weitere wird von den ministeriellen Vorlagen abhängen, theilweise auch von den Führern, die sich aufwerfen, an denen es jetzt noch ganz mangelt. Man bemerkt nur eine gewisse Eifersucht, mit welcher die neueingetretenen Mitglieder auf die Aelteren blicken, um nicht von ihnen bevormundet zu werden. Der erste entscheidende Kampf wird bei der Präsidentenwahl sein, in welcher sich die Kammer zwischen Unruh und Grabow entscheiden wird. ‒ Die erste Kammer läßt bis jetzt noch fast nichts von sich hören.
Die beabsichtigte billige Vergnügungsfahrt per Eisenbahn von hier nach Paris (10 Thlr. à Person hin und zurück) dürfte verschoben werden, da sie gegenwärtig nicht genug Zuspruch gefunden hat. Von einigen Seiten schiebt man dem Unternehmen demokratische Tendenzen unter. (Bravo!)
Die heutige zweite Sitzung der beiden Kammern in ihren Sitzungslokalien gestattete dem Publikum zum ersten Mal den Eintritt in dieselben. Sie befinden sich beide in neu aufgeführten Gebäuden, deren eins hinter der katholischen Kirche, das andere hinter dem Justizministerium am Dönhofsplatz liegt, beide in ehemaligen Gartenräumen und dem Auge durch die davor liegenden Gebäude völlig entzogen, zugleich aber auch gegen jeden Angriff von Volksmassen gesichert. Man gelangt insbesondere zur zweiten Kammer, erst nach dem Durchgange durch ein Wohnhaus, nach einer wahren Reise durch einen hohen und engen, zu beiden Seiten mit Brettern eingeschlossenen Gang, durch mehrere Vorgebäude, über Treppen und Hallen. In ähnlicher Weise passirt man zur ersten Kammer einen Garten und in den Vorräumen Beider befinden sich starke Constablerwachen, so daß für die Sicherheit ausreichend gesorgt erscheint.
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@facs1294
[ X ] Berlin, 27. Febr.
Die längst erwartete „Constitutionelle Zeitung,“ das Organ des Hrn. Hansemann, ist gestern Abend endlich erschienen. Fährt sie so fort, so wird sie den andern Zeitungen wenig Concurrenz machen. Sie wird untergehen, an ihrer entsetzlichen Langweiligkeit.
Ein neues Blatt ist heute Abend erschienen: die Tribüne, redigirt durch B. Stein und E. Dohm. Die Tribüne will eine rücksichtslose Kritik gegen alle ausüben, welcher Partei sie auch angehören mögen.
Gegen den Buchdruckereibesitzer Reinhardt ist eine Untersuchung eingeleitet worden, wegen eines Plakates vom 12. Novbr. dessen Verfasser der bekannte Eichler ist. R. wird indessen nachweisen, daß sich Eichler noch 3 Monate später in Berlin befunden hat, und daß also die Nachlässigkeit des Staatsanwalts allein die Schuld trägt, daß der Verfasser nicht zur Untersuchung gezogen werden konnte.
Der Buchdruckereibesitzer Schlesinger ist heute von der Anklage, auf Grund des Preßgesetzes vom 17. März, wegen Hinweglassung des Wohnortes gegen ihn erhoben, freigesprochen worden. Nach reiflicher Ueberlegung wäre man zu der Ueberzeugung gekommen, daß durch die Verf. v. 5. Dez. die Gesetze vom 17. März und 6. April aufgehoben seien.
In einer Vorversammlung zur s. g. ersten Kammer trug der Abg. v. Schleinitz darauf an, daß alle Mitglied er, welche Orden hätten, auch stets mit denselben in den Sitzungen erscheinen möchten. Aber selbst hier erregte dieser Antrag einen Sturm des Unwillens und Saucken- Tarputschen rief aus, er sei eines Deputirten unwürdig.
Die Nachwahlen für Berlin werden am Donnerstag stattfinden. Gestern sind im Teltower Kreise die Herren Griesheim und Geheimrath Stiehl, bei der stattfindenden Nachwahl zur zweiten Kammer gewählt worden.
1. Sitzung der zweiten Kammer am 27. Febr.
(Der Sitzungs-Saal der zweiten Kammer, im ehemaligen Hardenbergschen Palats auf dem Dönhofsplatz, bildet ein längliches Viereck, von dem drei Wände in der oberen Verlängerung, etwa in der Mitte, weiter hinausgerückt sind, und die verschiedenen Tribünen enthalten. Der Saal ist mit demselben Teppich bedeckt, der früher im Weißen Saale und den verschiedenen Sitzungs-Lokalen der National-Versammlung befindlich war; die untere Hälfte der Wände ist grau marmorirt und mit grünen und rothen Streifen bemalt, die obere Hälfte zum Theil mit rothen Gardinen drappirt. Von der mittleren Höhe der Wände aus erheben sich sechszehn bronzirte Säulen, die das Gebäude tragen; die Decke ist eine Art gewölbtes Täfelwerk, gleichfalls durch bronzirte Stangen und Senkel zusammengehalten. Das Licht fällt durch je zwei in der Decke befindliche, stumpfwinklig in der Höhe zusammenstoßende Lichtfenster von mattgeschliffenem Glase, außerdem durch acht, an der Front und rechten Seitenwand oberhalb der Tribüne angebrachte Fenster. Inmitten der vorderen Längewand erhebt sich die Estrade des Präsidiums, in der bekannten früheren Einrichtung, unmittelbar davor die Rednerbühne. Wenige Schritte davon der Stenographentisch. Geradeüber, in der Mitte der Hinterwand, befindet sich die Ministerbank, mit einer festen Brustwehr davor, hinter derselben sind die Tische für die Unterstaatssecretäre. Von hier aus erheben sich, mäßig emporsteigend, die Sitze der Abgeordneten rechts und links; ein Centrum ist räumlich nicht vorhanden. Die Bänke sind in Ecken rund geschweist; in dem dadurch gewonnenen Raum befinden sich die Oefen. Auf den Tribünen sind im Ganzen acht verschiedene Logen, für die königl. Familie, die Diplomaten, die Mitglieder der ersten Kammer, die Journalisten und das Publikum. Das Ganze gewährt einen mehr gefälligen und heiteren als imposanten Anblick.)
Die Parteien nehmen auf beiden Seiten des Hauses, streng unterschieden, ihre Plätze ein. Selbst die neugewählten Mitglieder wußten sich sogleich zu Recht zu finden. Auf den Antrag des Abgeordneten Raumann wird der Kanonikus Lensing zum Alterspräsidenten gewählt. In seiner sentimentalen Antrittsrede spricht er viel von dem Jubel, mit dem die Verfassung begrüßt sei; von ihrer Freisinnigkeit von Ausbau u. s. w.
Geger ihn erhebt sich Herr Grün, der sogleich die Nichtachtung des Präsidenten für die fruhere National-Versammlung tadelt und es ausspricht, daß wenigstens dort, wo er gewählt wurde, dieser Jubel nicht stattgefunden hätte.
(Die vier jüngsten Mitglieder der Versammlung nehmen den Platz der Schriftführer ein; es sind dies die Abgeordneten Herr, Löhr, Grun und Parrisius.)
Der Schriftführer Parrisius liest folgenden eingereichten Antrag vor:
„Die Hohe Kammer wolle beschließen:
eine Kommission zur Ausarbeitung einer Geschäfts-Ordnung durch die zu bildenden Abtheilungen, in der Zahl von zwei Mitgliedern aus jeder Abtheilung, zu erwählen, bis dahin aber, daß diese Kommission eine Ausarbeitung vorgelegt und die Kammer über dieselbe beschlossen haben wird, die beiliegende vorläufige Geschäfts-Ordnung bei Behandlung der Geschäfte für die Fälle, in welchen reglementarische Bestimmungen nicht zu entbehren sind, als maßgebend anzunehmen, von einer zeitraubenden Diskussion der Einzelbestimmungen aber für jetzt Abstand zu nehmen.
(Folgen die Motive.)
Unterzeichnet von: Viehbahn, Abgeordneter für Bielefeld-Halle-Wiedenbrück. Geßler, Abgeordneter für Chodziesen-Czarnikau-Wongrowie. Keller, Abgeordneter für Barnim-Angermünde. Müller, Abgeordneter für Siegen-Wittgenstein-Olpe. Riedel, Abgeordneter für Barnim-Angermünde. Ulrich, Abgeordneter für Soest-Hamm.
Ein zweiter Antrag von dem Abgeordneten v. Unruh eingereicht, geht dahin:
„Sofort die Verloosung der Mitglieder für die 7 Abtheilungen vorzunehmen, deren jede eine möglichst gleiche Anzahl von Mitgliedern enthaltend, ihren Vorsitzenden und Schriftführer, sowie Stellvertreter für beide nach absoluter Majorität zu erwählen hat. Die Vorprüfung der Wahlen geschieht in den Abtheilungen; nach vorgenommener Prüfung ernennt jede Abtheilung einen Berichterstatter. Ueber die Gültigkeit der Wahlen entscheidet die Plenar-Versammlung, bis dahin behalt der Angefochtene seinen Sitz in der Versammlung, stimmt jedoch bei der Entscheidung über die Gultigkeit sein r Wahl nicht mit. Aus den Abtheilungen treten je zwei Mitglieder zu einer Commission zusammen, um ein vorläufiges Geschäfts-Reglement für die Rede Ordnung und die Abstimmungen zu entwerfen, auf Grund deren die Verhandlungen bei den Wahlprüfungen geleitet werden.“
Der Abgeordnete v. Viebahn spricht höchst pathetisch von der neuen Zeit, die über das Vaterland gekommen, daß die Augen von ganz Europa auf sie gerichtet seien u. s. w. Er empfiehlt die „von erfahrenen und freiheitsliebenden Männern“ ausgearbeitete Geschäftsordnung.
v. Unruh opponirt ihn und ruft die Billigkeit des Hauses an, da man das Reglement noch nicht einmal gelesen habe und es doch nicht ohne Weiteres annehmen könne.
Riedel hat den Vorredner gar nicht verstanden und spricht ungehöriger Weise vom hohen Beruf dieser Versammlung und dergleichen Phrasen, ohne zur Sache zu kommen
Abgeordneter v. Berg: Die Herren, welche dies Geschäfts-Reglement ausgearbeitet haben, sagen, sie wären alle die letzte Zeit in Berlin gewesen; ich hätte gewünscht, daß sie alsdann die Rücksicht genommen hätten, auch uns ihren Entwurf mitzutheilen.
An der sehr unerquicklichen Debatte betheiligen sich Immermann und Waldeck, welche gegen das Reglement sprechen.
Abg. Vincke: Ich kann mich mit den Vorrednern nicht einverstanden erklären. Zur Entscheidung über die vorläufige nothwendige Verhandlung kann das Viebahn'sche Reglement auch zugelassen werden. Wenn man den Grund anführt, daß es erst genau gekannt werden müsse, so bemerke ich, daß wir das von Herrn v. Unruh auch nicht weiter, als vom Vorlesen her, kennen.
Abg. Pflücker (von Breslau) spricht gegen den Viebahn'schen Antrag, ebenso Abg. Haacke.
Abg. Geßler will gleichfalls die Vertagung bis morgen. (Von der Linken: Das ist ein neuer Antrag!)
Abg. Kirchmann: Der Antrag auf Vertagung verlangt, daß wir heute nach Hause gehen, ohne etwas gethan zu haben; das kann unmöglich gebilligt werden, daß wir so viel kostbare Zeit verlieren, nachdem wir gestern schon einen ganzen Tag verloren haben. Jedenfalls müssen heute die Abtheilungen verloost werden. Unsere vorgelegte Geschäfts-Ordnung selbst aber kann unmöglich ohne Debatte angenommen werden. Dagegen spricht schon das Bedenken, das einzelne §§, wie die von der Beschränkung der Interpellation, der Polizei des Hauses u. s. w. erregen.
Abg. Grün spricht für die Gründlichkeit.
Abg. v. Merkel (v. Liegnitz) und Pilet sprechen gegen die Vertagung, die Abgeordneten v. Bismark Schönhausen und Raumann dafür.
Abg. D'Ester bemerkt, er wundere sich, daß das Ministerium, das doch so Vieles ohne die Versammlung gethan, nicht zu dem Uebrigen auch noch eine Geschäftsordnung octroyirt habe.
Nachdem noch Abg. v. Auerswald für die Vertagung nach geschehener Abtheilungsverlosung gesprochen, wird auch der Antrag des Abg. Moritz der Schluß der Debatte einstimmig angenommen.
Ueber die Fragestellung erhebt sich eine neue, ziemlich verworrene Debatte. Der Immermann'sche Antrag wird endlich folgendermaßen formulirt:
1. In der morgenden Sitzung möge sowohl über die Geschäftsordnung des Abg. v. Viebahn und Consorten, als über die des Abg. v. Unruh die Debatte und Abstimmung vorgenommen werden;
2. möge die Bildung der sieben Abtheilungen durch das Loos mit den oben angegebenen Modalitäten heute noch vorgenommen werden.
Ueber die Frage, ob in diesem Antrage zwei theilbare Gegenstände seien, entsteht abermals eine kurze Debatte, es wird zwei Mal abgestimmt. Die ganze Linke erhebt sich für die Theilung, so wie etwa 10 Mitglieder der Rechten. Der Antrag auf Theilung wird mit 161 gegen 155 Stimmen angenommen.
Bei der ferneren Abstimmung wird der erste Theil des Antrages mit geringer Majorität, der zweite Theil einstimmig angenommen.
Es wird zur Verloosung in die sieben Abtheilungen geschritten, welche heute Nachmittag ihre Wahlprüfungsgeschäfte in den Abtheilungslokalen vorzunehmen haben.
Alterspräsident: Unsere Geschäfte wären demnach für heute beendigt. Morgen müssen wir (!) wegen der Begräbnißfeier des Prinzen Waldemar unsere Sitzung später beginnen. Ich schlage um 12 Uhr vor. (Von vielen Seiten: Um 11 Uhr!) So werden wir also um 11 Uhr morgen zusammenkommen. Die heutige Sitzung ist geschlossen.
Schluß der Sitzung 1 3/4 Uhr.
Nächste Sitzung: Mittwoch Vormittags um 11 Uhr.
Die Abstimmung zeigte, daß die Rechte bis jetzt um etwa 10 Stimmen der Linken überlegen ist. Sollte also der provisorische Präsident, wie man beabsichtigt, morgen gewählt werden, so ist die Wahl Unruh's mehr als zweifelhaft. Man erwartet indeß, daß die Nachwahlen das Verhältniß ausgleichen werden.
1. Sitzung der s. g. ersten Kammer.
Die Herren Milde, Hansemann, Baumstark, Wilh. Beer sitzen friedlich neben Zenker, Forkenbeck, Schumann auf den Bänken der Linken.
Bracht hält als Alterspräsident eine Rede.
Ein ottroyirtes Geschäftsreglement wird nach längerer Debatte angenommen.
R. v. Auerswald wird endlich zum provisorischen Präsidenten gewählt mit 94 unter 123 Stimmen und die Versammlung geht heiter auseinander.
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@facs1294
Kremsier, 23. Febr.
In der heutigen Sitzung stellte der czechische Urochs, Namens Palacky, folgende Interpellation ans Ministerium: Die Tage des 15. März, des 26. Mai, 1. 3. 6. Juni haben durch die an dieselben geknüpften Erklärungen den Völkern Oestreichs die Bestimmung ihrer Geschicke in die eigenen Hände gegeben, insbesondere habe dies das Constitutionsversprechen vom 8. April in Bezug auf Böhmen gethan. Widersprechend erschiene hiermit eine andere als staatliche Verbindung zwischen einem verjüngten Oestreich und einem verjüngten Deutschland, ein Widerspruch, der durch Ansprüche bekräftigt würde, die, in Frankfurt erhoben, für Oestreichs Völker machtgebend sein sollten. Die Note vom 4. Febr. sei unklar, Oestreich wolle darin eine deutsche Macht sein, wolle es wieder nicht. Die gleiche Berechtigung aller Nationalitäten sänke bei einer derartigen Bevorzugung des deutschen Elements zur hohlen Phrase herab. Völkerrechtliche Verbindungen könnten zwischen Deutschland und Oestreich bestehen, ohne daß dadurch beiderseitige Verhältnisse beeinträchtigt würden. Weit eher aber dürfte man die Slaven hindern, sich bei dem deutschen Parlamente zu betheiligen, als einen panslavischen Kongreß zu beschicken, oder die Italiener eine Constituante. Das Ministerium möge sich erklären: ob sich etwas an dem Sachverhältniß gegen Deutschland seit dem Programm des 27. Nov. geändert habe; ob es dem östreichischen Reichstage die Kompetenz in höchster Staatsgesetzgebung für östreich. Völker zuerkenne; warum fortan in Ländern Wahlen nach Frankfurt ausgeschrieben würden, die ihre entschiedene Abneigung dagegen bezeugt und ob das Ministerium gewilligt sei, die auf das Staatsverhältniß zu Deutschland bezüglichen Akten auf den Tisch des Hauses niederlegen. ‒ Es folgt die Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten. Beim ersten Scrutinium erhielt Smolka unter 312 Votanten 298 Stimmen; Kudler wurde zum ersten, Brauner zum zweiten Vizepräsidenten gewählt.
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@facs1294
[ * ] Dresden, 27. Febr.
In der heutigen Sitzung der 2. Kammer interpellirt u. A. Vicepräsident Schaffrath:
In Zeitungen werde gelesen, daß man von Seiten Deutschlands, namentlich Baierns gegen die römische Republik interveniren wolle. Dadurch verletze man den Grundsatz, daß man in die Selbständigkeit eines freien Volks nicht eingreifen dürfe, dem auch die sächsische Regierung huldigen müsse. Er interpellire daher dahin: ist es wahr oder was ist der Regierung hierüber bekannt, und wird die Regierung allen ihren Einfluß anwenden, um dies zu verhindern? Vicepr. Tzschirner fragt endlich auch noch an: ob die Grundrechte morgen publicirt würden. Die heutige Erklärung des Ministerium stehe mit dem gestern mitgetheilten Programme in offenbarem Widerspruche. (Bravo!) Staatsminister v. Ehrenstein: Die Zusicherung einer unverzüglichen Publication schließe wohl nicht aus, daß ein Ministerium, welches erst angetreten, und die Landtagsschriften kaum gelesen hat, eine Erwägung sich vorbehalte über die Ausführung. Ein Hinziehen liege nicht in der Absicht der Regierung. Vicepr. Tzschirner: Das neue Ministerium wird gewiß schon erwogen haben, daß mit der Publication nicht zugleich die Ausführung der Grundrechte zu erfolgen habe. Er bleibe bei seiner Anfrage.
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@facs1294
Dresden, 26. Febr.
In der heutigen Sitzung der II. Kammer enthielt die Registraude unter Anderm eine Dankadresse von 154 Soldaten an den Abg. (Oberlieutenant) Müller aus Dresden, welche mit Beifall von der Gallerie begrüßt wird. Nach dem Vortrage der Registrande gibt Staatsminister Dr. Held die (mit der in der I. Kammer gemachten gleichlautende) von der Kammer mit großer Ruhe aufgenommene Erklärung. (Nr. 58.) Auf der Tagesordnung steht der Tzschirner'sche Antrag auf Zurückziehung der sächsischen Truppen aus Thüringen, wozu Abg. Finke noch beantragt hatte daß die Regierung dahin wirken möge, daß alle Reichstruppen aus Thüringen und Altenburg zurückgezogen würden. Abg. Berthold ergreift zuerst das Wort:
In Deutschland herrscht jetzt das Streben, die verschiedenen deutschen Truppen mit einander zu vertauschen und hin und her zu werfen. Das kostet erstens unmenschliches Geld und widerstreitet sodann dem System unsres Kriegswesens, indem die gewöhnlichen, demselben entsprechenden Beurlaubungen jetzt unmöglich sind. Durch dieses Streben wird nicht die Einheit, sondern die Trennung Deutschlands gefördert! Es wird wohl auch Niemand im Ernste daran glauben, daß die Einheit Deutschlands der Zweck jener Maßregel ist. Der Papst war ein kluger Mann, als er die Priester ehelos machte. Sie wurden willenlose Werkzeuge. Ebenso ist der Reichskriegsminister kein dummer Mann, wenn er die Truppen der Heimat entfremdet. Die thüringischen Verhältnisse müssen schon schlimm sein, wenn die Regenten genöthigt sind, sich auf fremde Truppen zu stützen. Abg. Meinel: Wenn durch solche gewaltsame Mittel die Ruhe hergestellt werden soll, so kommt es mir vor, als wenn man ein Gewitter durch das Geläute der Glocken entfernen wolle. Sorge man lieber dafür, daß sich kein Gewitterstoff ansammle. Jene Friedensherstellung ist bereits geschehen. Sind unsere Truppen vielleicht noch dort, weil die Herren Offiziere sich dort wohler befinden? Die Offiziere können dort bleiben wenn sie wollen! In Zeitungen liest man vielfach, daß die Offiziere sich nicht so verhalten, wie man es von humanen Menschen erwarten sollte. Ich interpellire das Kriegsministerium, was es bezüglich der in öffentlichen Blättern verbreiteten Nachrichten über das Verhalten der in Thüringen befindlichen Offiziere zu thun gedenke.
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@facs1294
Altona, 27. Febr.
Der hiesige „Merkur“ enthält über die dänisch-deutsche Frage nachstehende Mittheilung:
„Nach zuverlässiger Nachricht hat die dänische Regierung, auf [1295] Andringen der großbritannischen, zur Zeit zwar noch nicht auf eine ausdrückliche Verlängerung des Waffenstillstandes, wohl aber auf eine stillschweigende, von Monat zu Monat, sich einlassen zu wollen erklärt; und ist darauf die Verwendung auch der Gesandten anderer Mächte in Kopenhagen für die Bewirkung einer mehr gesicherten, den Handelsstand beruhigenden Verlängerung des Waffenstillstandes in Anspruch genommen worden.
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@facs1295
[ 15 ] Kassel, 27. Febr.
Die Pfaffen wirthschaften mit unermüdlicher Annstrengung immer fort! Vor Kurzem hielten sie eine Provinzialsynode in Insberg ab, an welcher hauptsächlich die Mucker Pfr. Meyer, Lohr und Roßteuscher, aber auch neben mehreren Landleuten und Beamteten viele Offiziere! Antheil nahmen. Soll ja der Landesfürst selbst von dem Geiste des Muckerthums angesteckt sein. Gegenstand der Synodalberathung waren vorzugsweise die Sporteln, welche das neue Religionsgesetz den Herren in Masse zu entziehen droht. Also erließ nach langer Debatte die Synode einen Hirtenbrief an alle Gläubigen und Ungläubigen, jene zum Ausharren in der Bahn wahrer Religiosität (kirchliche Trauung mit Gebühren) ermahnend, diese strafend, daß sie von dem guten Wege gewichen seien. Unser neues Religionsgesetz, wodurch die Civilehe eingeführt ist, wurde von einem Theile so ausgelegt, daß damit noch keineswegs die Unnöthigkeit der kirchlichen Einsegnung ausgesprochen sei, von einem andern, den stockfinstern Dunkelmännern, als heidnisch verschrieen. Aber nicht blos auf die Synode in Insberg beschränkte sich die Thätigkeit der lichtfreundlichen Herren, ‒ in Kassel ward die lutherische Gemeinde zusammenberufen und ihr die wahre Lehre verkündet. Doch wurde hier Herr Pfarrer Meyer, der zugleich lichtfreundlicher Landstand ist! von Herrn Dr. Kellner gebührend widerlegt. Indessen hat sich dieser Tage in der Nähe von Kassel auf einem Dorfe ereignet, daß ein Prediger des Christenthums einem Landmanne, welcher nach Vollziehung des Civilactes sich nicht wollte einsegnen lassen, mit Excommunication, ewiger Verdammniß etc. drohte. Der Prophet der Menschenliebe fügte nachträglich bei, daß seine Kinder nicht getauft, nicht konfirmirt würden; er sei dann verstoßen in die Qualen der Hölle u. dgl. m. Der arme Landmann, verblüfft ob seiner lutherischen Herrlichkeit, gehorchte, ließ sich trauen und zahlte die Gebühren.
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@facs1295
[ ** ] Mainz, 27. Febr.
Der bureaukratische, mit Eigendünkel, Unfähigkeit und Reactionswuth auf gleiche Weise angefüllte Hr. Dalwigk, bisheriger Dirigent der rheinhessischen Provinzialregierung hat dem immer stärker ausgesprochenen Volkswillen gegenüber seinen Posten nicht länger behaupten können. Er ist abberufen und ‒ was bei der Jaupp'schen Regierungswirthschaft nicht zu verwundern, in den Staatsrath zu Darmstadt versetzt worden. Zu seinem Nachfolger ist Dr. Creve ernannt. Ob dieser Volksthümlicheres leisten wird, wollen wir vorläufig dahingestellt sein lassen.
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@facs1295
[ !!! ] Frankfurt, 27. Februar.
National-Versammlung.
Tagesordnung: Wahlgesetz (Fortsetzung).
Artikel 5. § 13.
„Die Wahlhandlung ist öffentlich. Bei derselben sind Gemeindemitglieder zuzuziehen, welche kein Staats- oder Gemeinde-Amt bekleiden.
„Das Wahlrecht muß in Person ausgeübt, die Stimme zu Protokoll abgegeben werden.“
Minoritätserachten:
„Der zweite Satz dieses Paragraphen möge so lauten: Das Wahlrecht wird in Person durch Stimmzettel ohne Unterschrift ausgeübt.“ (Ahrens. H. Simon. Reh. Fr. Wigard. Schreiner. Tellkampf. Mittermaier)
§ 14.
„Die Wahl ist direkt. Sie erfolgt durch absolute Stimmenmehrheit aller in einem Wahlkreis abgegebenen Stimmen.
„Stellt bei einer Wahl eine absolute Stimmenmehrheit sich nicht heraus, so ist eine zweite Wahlhandlung vorzunehmen. Wird auch bei dieser eine absolute Stimmenmehrheit nicht erreicht, so ist zum dritten Mal nur unter den zwei Kandidaten zu wählen, welche in der zweiten Wahlhandlung die meisten Stimmen erhalten haben.“
„Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos.“
Die Debatte begann nach der gestrigen Anstrengung etwas matt.
Nach Grävell und Waitz sprach Nauwerk scharf und heftig gegen § 13 und gegen dessen Vertheidiger Waitz. Er macht aufmerksam auf die außerordentlich üblen Folgen der öffentlichen Abstimmung und empfiehlt die geheime Abstimmung unter sehr lebhaftem Beifall links und Gallerien.
Raumer (die verkannte Professorenseele) erzählt zur Empfehlung der öffentlichen Abstimmung verschiedene Anekdötchen aus seinen Erfahrungen in England. Der große Mann giebt für die öffentliche und mündliche Abstimmung folgenden Grund an (hört!): „weil viele Votanten nicht schreiben könnten.“ (Ist es glaublich, daß man zu solchen Trivialitäten herabsinkt, nachdem man Gesandter in partibus infidelium zu Paris war!)
Roßmäßler (Sachsen) gegen den § 13 des Ausschusses.
Beseler (ohne Fond) dafür. Noch nie sprach er so pathetisch, noch nie wurde er so furchtbar ausgelacht!
Vogt: Wenn in allen Regierungsangelegenheiten Oeffentlichkeit angenommen würde, dann wollte ich Ihnen auch Oeffentlichkeit bei den Wahlabstimmungen gewähren. Es ist eine Thatsache, daß in England jedes Mal die öffentliche Wahlhandlung eine Sache des öffentlichen Scandals ist. Wer sich bestechen läßt, ist schlecht; wer besticht, ist noch schlechter, aber wer das System der Bestechung einführen will (wie z. B. der Verfassungsausschuß durch § 13) ist am allerschlechtesten. (Langer Jubel und Beifall.) Durch die öffentliche Abstimmung schließen sie einen großen Theil der Bevölkerung dennoch von der Wahl aus, jenen großen Theil der Abhängigen, die lieber gar nicht abstimmen, als durch ihre Abstimmungen, falls sie selbstständig, sich und ihre Familie um Hof und Heerd bringen werden. Mit einem Worte, so lange Sie das Geheimniß für Ihre (nach rechts) Regierungskniffe und Intriguen beanspruchen, so lange wollen wir es für die Rechte der Demokratie. (Rechts Unwillen. Links Beifall).
Die Debatte über 13 wird geschlossen.
Wigard für die Minorität des Ausschusses, erzählt zum großen Vergnügen der Hörer, daß er im Ausschuß sich beinah durch dieselben Phrasen, die heute Beseler für die öffentliche Abstimmung vorgebracht, habe übertölpeln lassen. Glücklicherweise habe er sich bald besser besonnen und mit seinen Freunden obiges Minoritätserachten gestellt, was er empfiehlt. Das beste Beispiel für die geheime Abstimmung seien die Geschwornengerichte.
Cicero-Riesser vertheidigt für die Majorität des Ausschusses die öffentliche Abstimmung. Dieser tugendhafte Israelit empfiehlt die öffentliche Abstimmung vom Standpunkte der Moral!! Er spricht sich so ins Feuer, daß er seine Paradoxen zuletzt beinahe selbst glaubt. Leider machen gerade solche Riesser's auf unsre Centren den meisten Eindruck. Die Partei der Chartisten, die einzige, die in England das geheime Wahlrecht anstrebt, lenkt die Geschicke Englands nicht. (Links: Wird sie aber lenken!)
Die Debatte über 13 wird bis nach der Diskussion über 14 ausgestellt.
Gegen § 14, den einzigen, welchen der Ausschuß in annehmbarer Form vorgeschlagen, sprechen hintereinander die edlen Kämpfer für Reaktion und Knute: Fuchs, Professor Schubert und Reichensperger. Sie empfehlen die indirekten Wahlen. Der letztere (Reichensperger) spricht wie immer vor ganz leeren Bänken.
Nachdem noch Prof. Hildebrand aus Marburg unter großer Theilnamlosigkeit für direkte Wahlen gesprochen, vertagt man die heutige Session um 1 Uhr.
Donnerstag Fortsetzung.
Während Hr. Reichenspergers Rede machte ich mir den Spaß, die Anzahl der Professoren in dieser Versammlung zu zählen. .Es sind ihrer 87, fast ein Viertel der Versammlung.
Ungarn.
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@facs1295
Edition: [Friedrich Engels: Vom ungarischen und siebenbürgischen Kriegsschauplatze, vorgesehen für: MEGA2, I/9. ]
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@facs1295
Kronstadt, 10. Febr.
Gestern Nachmittag sind die erwarteten russ. Ulanen hier eingerückt. Die Szekler, welche am 4. d. M. durch den k. russ. General v. Engelhardt eine so große Lehre erhalten haben (!), sind denn doch wieder bei Hidveg über den Altfluß gekommen und in Marienburg eingerückt, von wo aus sie gestern auch die Gemeinde Heldsdorf neuerdings belästigten und eine Quantität Brod, Heu und Hafer requirirten.
[(Sieb. W.)]
Italien.
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@facs1295
[ XX ] Ferrara, 6. Febr.
Unter diesem Datum enthält die „Wien. Zeitg.“ eine schaamlos-lügenhafte Darstellung von Verhöhnung östreichischer Offiziere durch ferrarische Volkswachen. Dieses noble Standrechtsblättchen, das sehr gut weiß, wie die östreichischen Polizeispione operiren, um einen Anschein des Unrechts auf Seiten des Volks zu Stande zu bringen, weiß die Schilderung der von Ferraresen angeblich ausgeübten Ungebührlichkeiten gegen die Standrechtsbestien gar rührend und gar ausführlich zu schildern. Am ersten Tage, heißt es dort, wurden mehrere durch die Stadt ziehende k. k. Offiziere verhöhnt; am zweiten Tage das nämliche Schauspiel, nur war der bewaffnete Pöbel frecher geworden und konnte nur mit Gewalt zurückgedrängt werden. (So wird ja bald der beliebte Windischgrätz-Welden'sche Belagerungszustand mit Begnadigung zu Pulver und Blei eingeführt werden können). Das Wiener Blättchen zählt nun eine Masse Verwundungen auf, welche von mehrern kroatischen Lanzknechten davon getragen worden. Doch nicht genug der Verbrechen. Die Ferraresen haben sogar einen k. k. Offizier vom Fuhrwesen-Corps mit seinen drei Rüstwagen, als er über den Po setzen wollte, feindlich angehalten. Welche Barbarei! Die Bewohner der römischen Republik halten ihren bestialischen Feind feindlich an, lassen ihn nicht ruhig ihres Weges ziehen. Lauter Schauderthaten der republikanischen Partei des 19. Jahrhunderts. Diese „ruchlosen Attentate“ neuesten Datums werden nun mit den frühern Unthaten der gottlosen Bewohner Ferrara's zusammengestellt und da kommt denn endlich ein so schreckliches Sündenregister zusammen, daß es nothwendig wird, „durch eine exemplarische Züchtigung der Stadt Ferrara (einer römischen, keiner östreichischen Stadt) den Verträgen (der heiligen Allianz, dieser gottverfluchten Gauner-, Räuber-und Banditenbande von 1815) wieder Geltung zu verschaffen.“ Der lombardische Scharfrichter Radetzky hat also (natürlich!) geglaubt, daß das Maaß der Frevel nun voll sei. (Ja wahrlich, es ist bald voll, und die über Euern Häuptern schwebende Bombe des Volkszornes wird bald platzen und Euch auf immer in den Abgrund der Hölle senden, oder die Völker müßten aber- und abermals dumm und feigmemmig den passenden Augenblick vorübergehen lassen). Also Züchtigung Ferrara's, der römischen Stadt! „Zu diesem Ende überschritt eine Brigade k. k. Truppen am 18. Febr. den Po und rückte ohne Widerstand in Ferrara ein.“ Dies ist also offiziell. Sofort stellten die östreichischen Henkergesellen bei ihrem Einrücken folgende Forderungen: 1) Auslieferung mehrerer mißliebiger Personen; 2) Stellung von 6 Geißeln; 3) Wegräumung der gegen die Citadelle errichteten Barrikaden (Barrikaden kennen's nit leiden!); 4) Wiederaufrichtung der päbstlichen Wappen; 5) ein Strafgeld von 260,000 Scudi; 6)Aufrechthaltung aller in frühern Conventionen enthaltenen Bedingungen. „Sämmtliche Forderungen müssen innerhalb 24 Stunden erfüllt sein, widrigenfalls die Stadt beschossen wird.“ Auf Bitten einer Deputation wurde wegen des Geldes einiger Aufschub erlangt und die für Ferrara enorme Summe wird am 19. März gezahlt. So verfahren jetzt die östreichischen Standrechtsbestien gegen eine römische Stadt; in gleicher Weise werden sie bald, von russisch-preußischer Soldateska unterstützt gegen deutsche Städte verfahren, wenn das deutsche Michelsvolk noch länger in seinem jetzigen Bier- und Branntwein-Dusel verharrt.
(Die pariser lithographirte Korrespondenz, welche dieselben von den Oestreichern gestellten Forderungen enthält, setzt am Schlusse Folgendes hinzu:
„Natürlich verwirft die Stadt diese Forderungen und der Kampf beginnt nach Ablauf von 24 Stunden. Aus Bologna eilt uns so eben das Schweizer-Regiment zu Hülfe.“)
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@facs1295
[ 301 ] Rom, 20. Febr.
Die größte Ruhe herrscht in Rom; die Provinzen pflichten mit Begeisterung der Republik bei. Hier beschäftigt man sich nicht mit Krämer-Einrichtungen und experimentirt nicht mit sogenannten Volksbanken. Krieg, das ist unser Losungswort; die Einziehung dessen, was das Privilegium uns so lange geraubt, konstituirt uns von selbst eine Volksbank. Man weiß so ziemlich, was man von der französischen Regierung für den Augenblick zu hoffen hat, und rechnet auf Nichts. Dagegen reichen sich Florenz und Rom brüderlich die Hände, und Piemont, wenn unsere Hoffnungen uns nicht täuschen, wird diesem Bunde beitreten. In ihrer Sitzung vom 14. hat die Constituante bereits die in Rom anwesenden Toskaner mit dem glorreichen Titel: „Bürger der römischen Republik“ beehrt.
In der Sitzung vom 16. war der Staatsrath für aufgelöst erklärt worden, hat das Ministerium sein Programm verlesen: „die Politik der Republik wird eine freie, würdige Politik sein, wie sie erheischt wird durch die Interessen der Demokratie, die allein uns bei allen unsern Handlungen inspiriren wird. Die ita [1296] lienische Constituante, dieses magische Wort, welches nach dem Unglücke in der Lombardei allein das heilige Feuer unterhalten hat, wird unser beständiges Feldgeschrei sein. In dieser Constituante vereinigen wir alle unsere Kräfte, damit Rom, dem eine Regeneration in glücklichen Zeiten vorbehalten ist, in Kurzem alle die edlen Söhne aufnehmen kann, die alle Theile der theuren Halbinsel ihm zusenden werde.
Indem wir für die Constituante sind, sprechen wir uns zugleich für den Krieg aus, und wir werden eher nicht ruhen, als bis der Krieg zu einem glücklichen Ausgange geführt ist.
Um dem großen Kampfe gewachsen zu sein, der sich vorbereitet und zu dem uns die Wehklagen auffordern und das Blut in allen Gegenden der Lombardei, werden wir vor allen Dingen bestrebt sein, die Streitkräfte unserer Miliz in größter Masse zusammenzurufen. Wir reorganisiren aufs Neue die Phalangen, die mit den übrigen italienischen Brüdern sich aufmachen werden zu einem zweiten Kreuzzuge, damit der Staat, der zuerst den ruhmvollen Namen der Republik hat ertönen lassen, mit allen Staaten wetteifern kann in der Bekundigung jener Kriegstugenden, die in allen republikanischen Ländern so glänzende Geltung genießen.“
Die Regierung versichert sodann, nach Wiederherstellung des Friedens und schon vorher, soweit möglich, Künste und Wissenschaften begünstigen und den vom Einfluß der Geistlichkeit befreiten Unterricht (so spricht man in Rom!) heben zu wollen. Endlich auf die soziale Frage übergehend, macht das Programm die schönsten Versprechungen: „die Freiheit, die die Lage der zahlreichsten Klasse nicht hebt, ist eine Bastardfreiheit. Eine Freiheit, gegen die der Ruf von Tausenden Unglücklichen protestirt, wollen wir nicht. Die Armen, diese zahllose Klasse unserer Brüder, denen die alte Gesellschaft alle Annehmlichkeiten des Lebens verweigert, werden der Gegenstand unserer emsigsten Sorge sein. Unsre gewissenhaftesten Berathungen werden zum Zweck haben, ihre Uebel zu heilen und ihre sociale Regeneration vorzubereiten.“
„Das Eigenthum wird unter den Schutz der Republik gestellt. Die ganze Staatsverwaltung wird reorganisirt werden. Die Republik wird die sichtbare Vorsehung des Volkes sein… Die Wohlthätigkeit wird so eine Pflicht und eine organisirte Institution. Allen Privilegien entsagend, und das Verdienst allein ehrend, wird unser Land einen großen Schritt vorwärts machen und die Schranken der Unwissenheit und des Aberglaubens niedertreten. Die Freiheit der Kulte, die Achtung vor den Meinungen, die Toleranz… werden Hauptgegenstand unserer Studien sein, und alle unsere Aufmerksamkeit wird sich auf den Schutz der Person und des Eigenthums selbst Derer richten, deren politische Meinung der unsern widerspricht.“
Das Programm schließt: „Italien und Europa sehen auf uns. Nun wohl! mögen sie unsere Thaten in ihrer Gesammtheit überblicken, und dann, wenn es ihnen noch möglich ist, mögen sie die Reinheit unserer Wünsche, die unverletzliche Aufrichtigkeit unserer Seelen mißkennen!“
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@facs1296
[ * ] Florenz, 21. Febr.
Die Republik von Toskana hat folgendes Circular an den Gouverneur von Livorno ergehen lassen:
De Laugier, durch einen schwarzen Verrath, hat in einer Proklamation bekannt gemacht: 1) daß Leopold Toskana nicht verlassen, da er sich nach San-Ildefonso zurückgezogen habe, 2) daß er bei seiner Abreise von Siena eine provisorische Regierung ernannt habe, 3) daß er der Miliz den Befehl ertheilt habe, ihrem Eide treu zu bleiben, 4) daß er mit 20,000 Piemontesen käme, um die Monarchie wieder einzusetzen.
Die Provinzen, durch diese Lügen in Aufregung gesetzt, haben in aller Eile Deputirte nach Florenz gesandt, und auf dem Platze della Signoria ist 1) de Laugier als Verräther, 2) Leopold von Oestreich der Regierung verlustig erklärt und 3) die Republik und die Vereinigung mit Rom proklamirt worden, mit Vorbehalt, später durch die Nationalversammlung sanktionirt zu werden. 4) Das Vaterland ist in Gefahr erklärt und jeder waffenfähige Mann berufen, sich nach Lucca und Pietra Santa zu begeben, um gegen de Laugier zu kämpfen.
Der englische Gesandte, im höchsten Grade empört durch das tadelnswerthe Betragen Leopold's von Oestreich hat sich eiligst nach der Gränze aufgemacht, um die Piemontesen zurückzuhalten, wenn sie es versuchen sollten, die Gränzen zu überschreiten. Er hat selbst erklärt, daß er fortfahre, Toskana seinen Schutz angedeihen zu lassen, sollte man selbst die Republik proklamiren, wenn sie nur die Ordnung, das Leben und Eigenthum der Bürger in Schutz nähme.
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@facs1296
[ 307 ] Turin, 22. Febr.
Die Sitzung der Deputirtenkammer vom 21. war eine Feierlichkeit, ein Fest: eine ungeheure Volksmasse umgab den Palazzo-Nazionale; die Tribüne war mit Zuschauern angefüllt. Der Justiz-Minister hat die Anzeige von der Veränderung des Ministeriums gemacht. Vincenz Gioberti gehört nicht mehr zu diesem Ministerium. Der General Chiodo, Kriegsminister, ist provisorischer Minister der äußern Angelegenheiten. Im Augenblicke wo Gioberti in den Saal tritt, ertönte von allen Seiten der Ruf: Es lebe Italien! es lebe der Krieg! Gioberti nimmt Platz auf den Bänken der Rechten. Es herrscht eine ungeheure Aufregung im Saale. Zwei Deputirte erheben sich, um über die Ursache des Austritts Gioberti's aus dem Ministerium Rechenschaft zu verlangen: ob dieser Austritt mit einer beabsichtigten Intervention in Toskana zusammenhänge. Der General Chiodo weiß von einem solchen Entschlusse nichts ab; nur soviel weiß er, daß das jetzige Ministerium eine solche Intervention fern von sich weise. ‒ Wenn wir indessen auf die Unruhen hinsehen, die dem Austritt Gioberti's vorangehn, und auf die Aeußerungen der reaktionären Blätter, wie Debats und Constitutionel, die in ihren Privat-Correspondenzen ein Freudengeschrei ausstießen über die feste Haltung Gioberti's, und die bevorstehende Wiedereinsetzung des Herzogs von Toscana, so ist kein Zweifel mehr daran zu hegen, daß Gioberti, ohne Mitwissen seines Collegen, dem General la Marmora, der ein Observationskorps zu Sarzana aufgestellt, Ordre zum Einrücken gegeben hatte.
In der heutigen Sitzung also suchen die Minister den wahren Grund des Austritts Gioberti's mit Stillschweigen zu übergehen. Aber der Abbé Gioberti nimmt dieses großmüthige Schweigen seiner Collegen nicht an. Der schlaue Mann sucht die ganze Geschichte in ein diplomatisches Dunkel zu verwickeln; er spricht von Verläumdung und von Enthüllungen, die er machen könnte, um seine Gegner zu beschämen. Die Absicht Gioberti's ist, seine Gegner zu verdächtigen. Da betritt der Minister des Innern Ratazzi die Tribüne. ‒ Um auf die vorgeblichen Enthüllungen des Abbé's zu antworten, enthüllt er seinerseits, was Gioberti beabsichtigte. Gioberti wollte wirklich in Toskana interveniren, wenn er, Ratazzi, sich nicht energisch widersetzt und mit seiner Entlassung gedroht hätte.
Gioberti stammelt Entschuldigung in pfäffischer Manier, er sei es nicht allein, welcher die Intervention gewollt habe; der größte Theil seiner Collegen sei mit dieser Maßregel einverstanden gewesen: Wer das Gegentheil behauptet, endet er, ist ein Lügner.
Jetzt erhebt sich der Justizminister Sineo und straft den verschmitzten Gioberto abermals Lügen. Keiner der Minister, mit Ausnahme Gioberti's, habe die Intervention gewollt, und sie alle hätten Gioberti gezwungen auszutreten.
Ein ungeheures Bravogeschrei ertönt von allen Seiten des Saales. „Es lebe Italien! es lebe die Republik!“ wurde auf der Tribünen gerufen. Zum Schluße adoptirt die Kammer der Deputirten von Piemont eine folgendermaßen abgefaßte Tagesordnung:
Die Kammer, nach Anhörung der Erklärungen der Minister erklärt, daß letztere den Wunsch der Nation wohl gedeutet haben, und schreitet zur Tagesordnung.
‒ Am 22. Febr. hat die Deputirtenkammer mit 111 gegen 12 Stimmen die Minister autorisirt die Steuern provisorisch bis Ende April zu erheben.
Schweiz.
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@facs1296
[ * ] Bern, 23. Febr.
Der Bundesrath hat heute rücksichtlich der Kapitulation beschlossen, in dieser Frage keinen Antrag an die Bundesversammlung zu bringen, weil die Verträge in den Bereich der Kantonalsouveränetät fallen.
Bezüglich des von würtembergischen Soldaten an einem Schweizerbürger verübten Attentats ist nach einer Mittheilung des Repräsentanten des deutschen Reichs an den Bundesrath eine Untersuchung angeordnet. Die Auslieferung des Angeklagten ist abgelehnt worden.
Französische Republik.
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@facs1296
[ 17 ] Paris, 27. Febr.
Gegenüber einem sich täglich mehr verständigenden und kräftigenden Proletariat rafft die Reaktion ihr letztes Gift zusammen; das Ministerium befiehlt den Präfekten, die Emissäre, welche die Bauern zur Zurückforderung der Milliarde ermahnen, mit Gensd'armen und in Ketten nach Paris zu senden, wodurch der Bauer natürlich erst recht nachdenklich werden wird. Ueber das wahnsinnige Benehmen Bonaparte's sagt Charles Paya sehr richtig in einem seiner pariser Briefe an die Provinzblätter: „Quos vult perdere Jupiteri dementat. So ist es, der liebe Gott scheint es auf den Ruin Bonaparte's abgesehen zu haben. Seine Freunde selber haben ihm bis jetzt noch nicht die tiefe Bedeutung seiner Erwählung klar machen können, und er bildet sich steif und fest ein, das Votum der sechs Millionen Franzosen sei ein Beweis rein persönlicher Anerkennung. Ja in einem südlichen Wahldistrict sagten die Bauern zu einem der Hauptanreger dieser bonapartischen Wahl: „„Wir geben ihm gern unsere Stimme, weil er gewiß der allerrotheste der Kandidaten ist.““ Man denke sich, was diese Freunde der rothen Farbe für einen Zorn gegen ihn heute fühlen müssen.“ Von Paris, Lyon, Toulouse und Metz aus strömen wieder viele Bauernkalender aufs Land, in deren einem ich folgende faßliche Darstellung des Bauernelends finde und der Kuriosität wegen citire: „Es sind jetzt von Ackerländereien 25,000,000 Hektaren vorhanden. Wiesen 4,834,000, Weinland 2,133,000 und Forste 1,135,000, Summa 39,104,000 Hektaren; setzen wir die Hektare zu 500 Franken im Durchschnitt (was viel ist, da manche nur 50 Franken den Arpent kostet), so haben wir einen Werth von etwa zwanzigtausend Millionen Franken, als den des gesammten produktiven Bodens. Das ist wenig. Im Durchschnitt ist ein Nettoertrag auf die Hektare von 50 Frs. zu rechnen, oder zweitausend Millionen im Ganzen. Das Entsetzliche liegt nun eben darin, daß die 39 oder 40 Millionen, welche zwei Milliarden Werth erzeugen, durch Anleihen mit 12 Milliarden Hypotheken mindestens, beladen sind, und dem Gläubiger zu 5% die Riesensumme von 600 Millionen jährliche Zinsen als Tribut darbringen; d. h. fast 1/3 des Ertrages. Dadurch entsteht grenzenloses Elend und nur einige nicht producirende Privatleute jubeln; der Staat verarmt dabei. Das ist Verschwendung. Und wahrhaftig: Frankreich hat große innere Kräfte! Freilich, so lange auf ihm noch Arme herumstreichen, wird es nicht unrichtig sein zu behaupten, daß die Regierung aus Schuften, oder aus dummen Narren besteht, aus Verschleudern und Parademachern.
Und diesem Jammer machen wir Social-Demokraten uns anheischig in vier Jahren ein Ende zu setzen. Nur darf man uns nicht die Hände binden. Wie im Jahre 1837 waren von den 52.780,703 Hectaren Frankreichs nicht mehr als 25.000,000, das heißt die Hälfte, beackert? und dazu elendiglich beackert. Diese miserable Agrikultur schafft daher nur 14 Millionen in Getreide. Wüstes Land waren ‒ es ist empörend! ‒ 7,790,000. Und die Bevölkerung steigt; in unsern 86 Departements, 363 Arrondissements und 37,000 Gemeinden haben wir heute fünf und dreißig Millionen Einwohner. Und um nicht weit auszuholen, geben wir dem Volke nur zu bedenken, daß in seiner Hauptstadt Paris, wo alle Glorie zusammenströmt, der dritte Theil der Einwohner im Hospital sterben muß: 12276 von 32,825 Sterbenden, auf eine Million Menschen. Es stirbt daselbst etwa Einer von 33. Wünscht der Arbeiter es schwarz auf weiß, welche schöne Fortschritte sein Zustand seit sechszig Jahren gemacht, so lese er was im J. 1786 der glaubwürdige englische Reisende Young schrieb: Ich habe aus den Tabellen ersehen, daß die 550,800 Seelen betragende pariser Bevölkerung 75088 Rinder im Jahre verzehrt, 89,577 Kälber, 388,699 Hämmel, 39,572 Schweine, an Mehl 480,000 Pfund, und an Wein 256,000 Muid. Hieneben stellen wir die 1848ger Statistik: Paris hat 945,721 Einwohner (also fast eine halbe Million mehr als im J. 1786) und konsumirt: 80,255 Rinder, 84,444 Kälber, 487,644 Hämmel, 93,502 Schweine, 474,000 Pf. Mehl, 1,019,445 Hektoliter Wein; folglich ist fast alles geblieben, d. h. die Leute bekommen heute um die Hälfte weniger zu essen wie 1786. Versteht sich die Armen, denn die Nichtarmen amüsiren sich an der Tafel 1848 wie 1786. Nur das Schweinefleisch wird heute im Belaufe von 93,502 verspeist und damals von 39,572; das unselige Schweinfleisch dient also heute mehr als je zur Nahrung des Arbeiters. Die Herren und Damen reichern Standes wissen das gut, sie enthalten sich des Schweinefleisches für gewöhnlich, sie wollen nicht krank werden; sie meinen aber, das sei gut genug für das Lumpenpack, das ihnen Kleider und Holz, Möbeln und Häuser schafft.
„Soll man sich nun unter solchen Umständen wundern (ruft der mehrerwähnte, geistreiche u. sehr wohl unterrichtete Autor der „pariser Briefe“), wenn, wie ich von einem der Skrutinirenden weiß, über 20,000 Bauernvota bei der Nationalversammlung damals aus einem Distrikt einliefen, deren jedes die Worte: nieder die Reichen! zu den Worten: Louis Napoleon hinzugefügt enthielt. Und über diesen Liebling des revolutionären Theils der Bauern sind heute royalistische Minister so Herr, daß sie ihn zur Ernennung von Beamten in Korsika gezwungen haben, welche selbst seiner Person feindselig sind. Wer sollte dies für möglich halten? und doch ist dem so: Bonaparte hat die Stellen auf jener für ihn jüngst noch schwärmenden Insel mit der Clique Sebastiani und Pozzo di Borgo zu besetzen geruht, direkten Königthümlern, Orleanisten und Henricinquisten. Er wird, so heißt es, immer absorbirter in die sublime Idee, wenn diese Republik nicht weiter bestehn kann, einen stolzen Kaiserthron zu errichten. Ich bleibe aber dabei: Alles dies ist Tollheit und Abgeschmacktheit, und wird ihm zu keinem Heile gereichen.“
(Republicain de l'Allier in Moulins.)
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@facs1296
[ 12 ] Paris, 27. Febr.
Die französische Republik weigert sich, den Gesandten der römischen Republik zu empfangen. Ich irre mich: Napoleon und sein Ministerium haben gestern Abend nach langer, tiefer Berathung beschlossen, die zwei Abgeordneten der römischen Republik nicht vorzulassen. Die konstituirende Versammlung zu Rom hatte in ihrer Sitzung vom 12. beschlossen, daß zwei Abgeordnete in der Eigenschaft von Repräsentanten der römischen Republik sich zu der französischen Regierung verfügen sollten; die römische Republik hatte vergessen, daß Faucher, Barrot, Fallour und Napoleon an der Spitze der französischen Regierung standen, denen die römische Revolution nur als die Insurrektion einer Partei erscheint: freilich als eine siegreiche Insurrektion. Wie kann auch die französische Republik alle Republiken der Welt anerkennen? Man höre nur das Journal „La Patrie:“ Es gibt Republiken verschiedner Art, wie es Monarchien verschiedner Art gibt. Es gibt keine Solidarität unter den Revolutionen. Das wagt die Patrie auszusprechen: Und sie räumt noch dabei ein, daß sie die Frage nur vom politischen Standpunkt auffasse. Wollte sie sich auf den katholischen Standpunkt stellen, ja dann würde sie vielleicht auf Intervention von Seiten der katholischen Regierung Fallour's und Napoleon's drängen. In einem Punkte hat die Patrie Recht: die römische Republik, das ist in den Augen der Franzosen die siegreiche Juni-Revolution. So fassen die französischen Proletarier sie auf; so faßt sie das italienische Ministerium auf: Die soziale Frage ist's, welche unsere ganze Aufmerksamkeit in der römischen Republik in Anspruch nimmt. Die Freiheit, welche nicht der Noth der arbeitenden Klasse Abhülfe thut, ist keine Freiheit. Wir wollen nichts von einer Freiheit wissen, gegen welche Tausende von Unglücklichen protestiren könnten. Die zahllose Klasse der Armen, denen die alte Gesellschaft Alles genommen, ‒ diese ist's, deren Schutz wir sein wollen. Keine Privilegien ‒ keine Kasten ‒ das sei unser Wahlspruch. Das ist das Programm des römischen Ministeriums, wie es in der Sitzung vom 16. Februar verlesen worden. Und was thut das Ministerium Barrot? es erkennt eine Republik mit diesem Programm nicht an; es weigert sich, die Abgeordneten dieser Republik zu empfangen; und Napoleon ist vollkommen damit einverstanden. Wie könnte aber auch Napoleon anders handeln? Hat er nicht die größten Verpflichtungen gegen Oesterreich? Oesterreich ist der einzige Staat, der Napoleon zu würdigen und zu behandeln versteht. Oesterreich verfährt beinahe so schlau, wie England im Jahre 1840, als letzteres an Frankreich die Leiche Napoleon's zurückgab, um unter dem Vorwande der Freundschaft Saint-Jean-d'Acre bombardiren zu können. Oesterreich bewahrt auch eine Leiche, und zwar auch eine napoleonische Leiche, die Leiche des Herzogs von Reichstadt, wahrer Sohn des wahren, ächten Napoleons, und Oesterreich will nach England's Beispiel die Leiche an den Mann bringen. Der Mann ist gefunden; der Käufer ist Louis Napoleon, der eifrige Sammler aller napoleonischen Antiquitäten. Und der Gimpel greift zu, und Fallour auch, und Barrot auch, und die ganze offizielle Welt auch, und Faucher vielleicht auch! Und während der Zeit betreibt Thiers in Komp. mit A. Fould und der legitimistischen Clique seine Wahlangelegenheiten für die neue Kammer, organisirt sein neues Wahl-Comité, Alles mit der größten Bourgeois-Schlauigkeit. Napoleon seinerseits hat ebenfalls ein Wahl-Comité gebildet, um lauter Napoleoniden und Napoleonophilen in die Kammer zu bringen. Anfangs wollte er mit Thiers und den andern Elementen ein gemeinsames Comité errichten: aber als Thiers die Herrschaft mit Napoleon in diesem Wahl-Comité theilen wollte, als er offen erklärte: so viel Mann von meiner Partei gehen auf einen Mann von deiner Partei, da trat Napoleon zurück. Und wie seine äußern Angelegenheiten sich nur auf die Wiedererlangung der Leiche Reichstadts beschränken, so dehnen sich seine innern nicht über die Rekrutirung von Napoleoniden hinaus. Die Leiche seines Vetters soll ebenfalls in diesem Comité figuriren, zur Herbeilockung von napoleonischen Wählern.
Mitten in dieser Komödie tritt uns das von den Proletariern gefeierte Jahresfest der französischen Revolution mit seinem ganzen Ernste entgegen. Alle Deputirten von dem Berge wohnten diesem Feste bei. Bei ihrem Eintritt in den Saal erscholl es von allen Seiten: Vive la Montagne! Dann nahm Leporte das Wort und sprach: „Bürger, wir haben geglaubt, unsere Pflichten gegen Euch in vollem Maße dadurch zu erfüllen, daß wir feierliche Einladungen ergehen ließen an Madame Blanqui, Mad. Und Madem. Raspail.“ Bei diesen Namen erscholl ein allgemeines Bravo. „Wir bitten diese Damen, fuhr Leporte fort, gütigst die Hand der Kommissäre anzunehmen, die sie zu den ihnen bestimmten Plätzen führen werden. Wir haben bedauert, daß die Schwester des Herrn Barbes augenblicklich sich nicht in Paris befindet, sonst würde sie gewiß die an sie ergangene Einladung angenommen haben. Wir haben den Platz offen gelassen, neben der Gemahlin Ledru-Rollin's. Wirklich befand sich neben Madame Ledru-Rollin ein offner Sitz, worauf ein Veilchenstrauß lag. An Caussidière und Louis Blanc waren ebenfalls Einladungen ergangen. Das Fest beginnt mit der Marseillaise. Wir werden morgen das Verzeichniß der Redner und Toaste bringen.
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@facs1296
Paris, 27. Februar.
Man höre wie jetzt der National über die österreichische Intervention jammert:
„Der Ton, mit welchem die Patrie gestern Abend den Eintritt (?) der Oesterreicher in die Stadt Ferrara verkündete, beweist nur zu klar, welche Freude diese Nachricht in den Herzen ihrer Freunde hervorruft. Das Selbstvergnügen, mit dem sich das halbministerielle Abendblatt schon im Voraus über die Einnahme Rom's durch die Oesterreicher ergießt, erfüllt uns mit großem Bedenken. Großer Gott, wo sind wir hingekommen? Hätten wir die Zeiten Casimir Perrier's zu bedauern? Wäre die Februar-Republik weniger muthig als die Juli-Regierung? Auf die Depesche, welche der Regierung das Einrücken der Oesterreicher in das Gebiet der römischen Republik anzeigt, hat die Regierung nicht anders als mit einem Heere und einer Flotte vor Civita-Vecchia und in das Adriatische Meer zu antworten. Die Okkupation der Oesterreicher scheint übrigens mit einem allgemeinen Plane der Reaktion zusammen zu hängen. Am 19. Februar sollten die Giobertischen Truppen in Toscana einfallen; am 19. Februar überschreiten die Oesterreicher bei Ferrara den Po und morgen wird uns die Post wahrscheinlich die Nachricht bringen, daß ein neapolitanisches Corps von dem Süden her einrückte. Das verräth eine förmliche Verschwörung der Reaktion gegen die Revolution. Hierfür genügen keine bloßen Interpellationen. Die Republikanische Majorität muß vielmehr dem Ministerium den Weg vorzeichnen, den es zu befolgen. Sofortige Räumung der Legationen, Garantie gegen die Rückkehr der Oesterreicher; vollständige Entschädigung für die einem unter französischem Schutz stehenden Brudervolk angethanen Verletzungen.‥‥ Oder Krieg! Wir sind stark; denn wir sprechen im Namen des Rechts und haben die Sympathieen der Völker für uns; ihre Sache ist unsere Sache und die der ganzen Welt.“
‒ Das Journal des Debats hält noch hinter dem Berge; es knüpft für heute nur folgende Aeußerungen an das Eindringen der Oesterreicher:
„Wir sahen neulich einen Brief Mazzini's an die Römer, in welchem er ihnen empfiehlt, den Oesterreichern die Citadelle von Ferrara, koste es was es wolle, zu entreißen. Ein unglücklicherer Rath als dieser konnte den Römern nicht gegeben werden; er ist den Republikanern höchst gefährlich, weil er die Oesterreicher in das Herz Italiens lockt. Die Geschichte wird eines Tages vielleicht den Herrn Mazzini anklagen, durch den Wahnsinn seiner Ideen, den Ruin und die Sklaverei seines Vaterlandes herbeigeführt zu haben.“
In ähnlichem Sinne lassen Univers, Courrier, Assemblée und Opinion ihre Zügel schießen. Die Sprache der demokratischen [Fortsetzung] Hierzu eine Beilage.