[1281]
Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 233. Köln, Mittwoch den 28. Februar. 1849.
@typejExpedition
@facs1281
Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rcusseau.
Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.
Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.
Nur frankirte, Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.
@typecontents
@facs1281
Uebersicht.
Deutschland. Köln. (Prozeß gegen den rheinischen Kreisausschuß der Demokraten. [Schluß.] ‒ Bankett vom 24. Februar). Aus dem Landkreise Köln. (Verschwundene Wahlausschreiben). Bonn. (Ein Studentenbankett). Koblenz. (Nachwahlen. ‒ Aktenverschleppung). Wien. (Belohnung der Oktoberverräther. ‒ Standrechtliche Erschießung. ‒ Aussicht auf ungarische Vertrauensmänner). Kremsier. (Kaim. ‒ Standrechtliches über die östreichische Note). Dresden. (Das neue bureaukratische Ministerium und die Kammern). Leipzig. (Ministerwechsel). Frankfurt a. d. O. (Eine bundestagliche Konferenz) Mannheim. (Die Reichstruppen in Baden und der Minister Bekk).
Ungarn. (Die russische Invasion. ‒ Die Serben. ‒ Aussichten für die Oestreicher. ‒ Vom Kriegsschauplatz).
Italien. (Centralrepublik mit der Hauptstadt Rom). Rom. (Die Priester. ‒ Die Bank. ‒ Vermischtes). Gaëta. (Protest des Papstes). Florenz. (Proklamation der provisorischen Regierung). Venedig. (Vermischtes).
Französische Republik. Paris. (Journalschau. ‒ Finanzielles. ‒ Ehebruch. ‒ Das Ministerium Barrot und die deutschen Flüchtlinge in Besançon. ‒ Vermischtes).
Belgien. Brüssel. (Ein Polizeispion).
Großbritannien. London. (Aufruf an die Charlisten zur Agitation für die Volkscharte. ‒ Ein Meeting wegen Steuer- und Parlamentsreform).
Deutschland.
@xml:id#ar233_001
@typejArticle
@facs1281
[ * ] Köln, 27. Februar.
Assisenverhandlung wegen Aufreizung zur Rebellion.
Verhandelt zu Köln den 8. Februar.
(Schluß. Siehe Nr. 232.)
Karl Schapper: Meine Herrn Geschworenen. ‒ Nach der Vertheidungsrede meines Mitangeklagten, des Herrn Marr, habe ich nur noch wenige Worte an Sie zu richten.
Das öffentliche Ministerium hat versucht sich bei der Anklage gegen uns auf den konstitutionellen Boden zu stellen, es ist ihm dieses jedoch, Sie werden mit mir der Meinung sein, sehr schlecht gelungen.
Es hat versucht zu beweisen:
1) daß der König das Recht gehabt habe, die constituirende preußische Nationalversammlung zu vertagen und aufzulösen; dieselbe folglich nach dem 9. November vorigen Jahres keine Beschlüsse, also auch keinen Steuerverweigerungsbeschluß mehr fassen konnte;
2) daß die Nationalversammlung überhaupt nicht das Recht hatte, die Steuern zu verweigern;
3) daß wenn sie selbst das Recht die Steuern zu verweigern besessen hätte, sie es doch ohne die allerhöchste Noth nicht hätte ausüben dürfen, da ein solches Mittel direkt zum Bürgerkrieg führe ‒ und diese allerhöchste Noth sei noch nicht verhanden gewesen und endlich
4) daß wir, die Angeklagten, noch viel weiter gegangen seien, als die Herrn Vereinbarer, daß wir direkt versucht hätten, den Steuerverweigerungsbeschluß zur Ausführung zu bringen, folglich dem Strafkoder verfallen seien.
Erlauben Sie, meine Herrn Geschwornen, daß ich meine Meinung über diese Punkte, im Gegensatz zu der des öffentlichen Ministeriums, entwickele.
Im März hatte das Volk gesiegt, das absolute Königthum war gebrochen, es stand sogar in der Macht des Volkes die Monarchie ganz zu beseitigen, die Majorität desselben erklärte sich jedoch für das konstitutionelle Königthum und für eine Feststellung durch seine Repräsentanten, der Rechte und Befugnisse des Königs einerseits und des Volkes andrerseits.
Die Volkssouveränetät war feierlich anerkannt die konstituirende Versammlung ward berufen, und sie stand, wenn nicht über der Krone, doch wenigstens mit ihr auf gleicher Stufe. ‒ Wir haben hier zwei moralische Personen, die einen Kontrakt mit einander abzuschließen haben ‒ keine hat das Recht die andere gänzlich zu beseitigen, zu vernichten ‒ denn sonst hört alle Vereinbarung, alle Abschließung, auf.
Wenn der König, aus Besorgniß für die Nationalversammlung, dieselbe von Berlin nach Brandenburg verlegen konnte, so hatte die Versammlung eben so gut das Recht, den König, aus Besorgniß für seine Person, von Potsdam nach Berlin zu verlegen; wenn der König das Recht hatte die konstituirende Versammlung auseinanderzujagen, so hatte die letztere noch vielmehr das Recht den König fortzujagen, und dieses Recht hat doch wahrscheinlich das öffentliche Ministerium nicht für die Versammlung vindiciren wollen. Die Contrerevolution hat durch geschickte Manöver augenblicklich gesiegt, und dieser Sieg hat ihr das Recht gegeben nach ihrem Gutdünken zu handeln, so hätte das öffentliche Ministerium sagen, aber sich nicht auf den konstitutionellen Rechtsboden stellen sollen.
In Betreff des zweiten Punktes will ich nicht auf einer Masse alter, verrotteter vormärzlichen Gesetze fußen, wie der Herr Staatsprokurator es gethan, sondern auf dem gesunden Menschenverstand.
Meine Herrn Geschwornen, in einem konstitutionellen Staate ist der König der erste Magistrat, er hat von dem Volk die Aufgabe erhalten, die Gesetze im Interesse Aller, und nicht allein im Interesse seines Hauses oder einer Katze vollstrecken zu lassen. ‒ Dafür bezahlt ihn das Volk. ‒ Erfüllt er nun seine Aufgabe nicht mehr, so erhält er auch kein Geld mehr, das ist ganz einfach und höchst konstitutionell-bürgerlich. In diesem Sinne handelte die konstituirende Versammlung als sie die Steuerverweigerung aussprach und sie hatte vollkommen recht.
Hinsichtlich des dritten Punktes sagte das öffentliche Ministerium, es sei noch nicht nöthig gewesen die Steuern zu verweigern, selbst wenn die Versammlung das Recht dazu gehabt hätte. ‒ Ich behaupte sie hätte es schon früher thun sollen, wir wären dann nicht durch die Contrerevolution für den Augenblick besiegt worden. ‒ Mein Vorredner hat Ihnen schon höchst klar bewiesen, daß hier nicht einzelne Personen oder Fraktionen sich bekämpfen, sondern daß sich die alte abgelebte feudale Gesellschaft und die nach der Herrschaft strebende bürgerliche Gesellschaft einander feindlich gegenüber stehen, daß dieses ein Kampf auf Leben und Tod ist; daß es sich hier darum handelt, zu beweisen, ob wir Deutschen noch Lebensfähigkeit genug besitzen, um uns aus einem Zustand herauszuarbeiten, denn wir schon lange hätten beseitigen sollen, oder ob wir wirklich am Rückwärtsschreiten sind und dem asiatischen Despotismus verfallen müssen.
Daß die Krone und ihre Repräsentanten es nicht aufrichtig mit ihren Märzversprechungen meinten, war schon im August auch denen klar, die früher an die Redlichkeit derselben glaubten, damals hätte man schon nicht einen unhaltbaren Waffenstillstand schließen, sondern den Kampf aufnehmen sollen, es wäre dann gewiß unsägliches Elend von unserm Vaterlande abgewendet worden.
Sie erinnern sich, meine Herren, des Antrags des Abgeordneten Stein. ‒ Er verlangte ganz einfach, das Ministerium solle seine Aufrichtigkeit für die konstitutionellen Institutionen dadurch bethätigen, daß es den reaktionären Offizieren es zur Ehrenpflicht mache, aus der Armee auszutreten. Was thaten die Diener der Krone? Sie verweigerten die Ausführung des Beschlusses der Nationalversammlung und traten ab; dann kamen andere, die halbe Versprechungen machten, um Zeit zu gewinnen, weil man damals noch nicht offen mit seinen Plänen hervorzutreten wagte. ‒ Hätte man es aufrichtig gemeint, hätte man wirklich die alte feudale Gesellschaft aufgeben und die bürgerliche anerkennen wollen, so hätte man die von Stein vorgeschlagene Maßregel schon im letzten Frühjahre ausgeführt, und wäre dann nicht mit der Nationalversammlung in Konflikt gerathen. In der That, meine Herren, in einem konstitutionellen Lande sind die Offiziere nicht mehr Diener des Königs, sondern Diener des Staats, der sie für ihre Dienste bezahlt. ‒ Sind sie nun mit den Institutionen dieses Staates nicht einverstanden, wollen oder können sie ihm nicht treu und redlich dienen, so verlangt es ihre Ehre, daß sie austreten, und sich nicht länger bezahlen lassen für Dienste, die sie nicht thun wollen. ‒ Das ist doch ganz einfach. ‒ Als die Nationalversammlung später die auf dem Bauernstande haftenden Feudallasten aufheben wollte, als sie gar Adel, leere Titel und Orden abschaffte, schrie man Zeter und Mordio, und drängte die Krone, einen Staatsstreich so schnell als möglich auszuführen. Man schrie über Verletzung des Eigenthums, ‒ als wenn man nicht gerade beabsichtigt hätte, durch die Abschaffung der feudalen Vorrechte das bürgerliche Eigenthum festzustellen! ‒ Hätte man den konstitutionell-bürgerlichen ‒ den modernen Staat wirklich gewollt, so hätte man ohne weiteres die Privilegien aufgehoben, die die Entwickelung desselben verhindern ‒ ja unmöglich machen, man hätte sich nicht an Ordensbändchen angeklammert, die in unserer Zeit gar keine Bedeutung, gar keinen Werth mehr haben sollten, die unnütze Spielereien sind und nur das ohnehin schon so besteuerte Volk ein schweres Geld kosten.
Ja, meine Herren Geschworenen, ich behaupte nochmals, man hätte schon im September die Steuern verweigern sollen, es war schon damals die allerhöchste Noth dazu, wenn man die moderne Gesellschaft retten, wenn man mit der feudalen für immer ein Ende machen wollte.
Das öffentliche Ministerium behauptet ferner, die Steuerverweigerung führe direkt zum Bürgerkrieg, zur Anarchie. ‒ Meine Herren, die Anarchie war schon da, ehe der Steuerverweigerungsbeschluß gefaßt wurde, die Anarchie existirt immer, wenn, wie es in Preußen der Fall ist, sich eine Minorität gegenüber der Majorität durch rohe Gewalt an der Spitze des Staates zu behaupten sucht. ‒ Die Steuerverweigerung war das einzige Mittel, eine neue Revolution zu vermeiden, darum nahm die Nationalversammlung zu derselben ihre Zuflucht. ‒ Geben sie den Dienern der Reaktion nichts mehr zu essen, und ihr Widerstand wird bald schwinden. ‒ Vor der Finanznoth beugen sich selbst Kanonen und Bajonette und werden machtlos. Die Steuerverweigerung ist die ultima ratio populorum gegen die ultima ratio regum. Will die Staatsgewalt nicht den Willen der Majorität anerkennen, stellt sie diesem Willen Kanonen und Bajonette gegenüber, so macht einfach diese Majorität den Beutel zu, und der bald eintretende Hunger wird die Widerspenstigen schon zur Vernunft bringen. ‒ Die Steuerverweigerung ist in der That das einzige friedliche Mittel, den Volkswillen gegenüber der rohen Gewalt zur Geltung zu bringen.
Endlich, meine Herren, behauptet das öffentliche Ministerium, wir seien viel weiter gegangen als die Herren Vereinbarer. ‒ Will das öffentliche Ministerium etwa damit behaupten, die Nationalversammlung habe bloß beschließen, aber ihren Beschluß nicht ausführen, d. h. einen schlechten Witz machen wollen? Ich glaube doch nicht. ‒ Wenn man etwas beschließt, so muß man auch die Absicht haben, es auszuführen, also sind wir Angeklagte keineswegs weiter gegangen, als die Herren Vereinbarer. ‒ Wenn Sie wissen, daß irgend Jemand kein Recht hatte, Ihnen Ihr Geld abzunehmen, dieser Jemand Sie aber doch packt und es mit Gewalt nehmen will, was thun Sie dann? ‒ Sie setzen sich zur Wehr, vertheidigen Ihr Eigenthum und schlagen dem Angreifer auf den Kopf ‒ das ist doch ganz natürlich. Ganz dasselbe ist es mit der Steuerverweigerung; die Nationalversammlung hatte erklärt, daß ein hochverrätherisches Ministerium kein Recht mehr habe, Steuern zu erheben, es war also die Pflicht eines jeden guten Bürgers, sich in Vertheidigungszustand zu setzen, um etwaige unbefugte Eingriffe in sein Eigenthum abzuwehren. In England schließt man bei solchen Anlässen sein Haus zu und behandelt dann jeden, der mit Gewalt in dasselbe einzudringen sucht, als einen Räuber.
Meine Herren, ich bin gewiß, daß Sie das Recht der Steuerverweigerung anerkennen, daß Sie daher auch uns, die wir dieses Recht auf Befehl der Vertreter des Volkes zur Geltung zu bringen suchten, nicht schuldig finden werden, trotz des Siegs der Contrerevolution.
Aber sollten sie selbst dieses Recht nicht anerkennen, so werden sie uns doch frei sprechen, da die Regierung, wahrscheinlich aus politischen Gründen, bis jetzt die Urheber des Beschlusses noch nicht hat verfolgen lassen ‒ wie Hr. Rintelen selbst erklärt. ‒ Unser Prozeß hat einige Aehnlichkeit mit dem im Jahre 1836 in Straßburg geführten. Hier ließ auch die französische Regierung aus politischen Rücksichten den Hauptangeklagten, den jetzigen Präsidenten der französischen Republik, frei, während sie diejenigen Offiziere und Bürger, welche seine Absichten unterstützt hatten, vor die Assisen stellte. Die Geschwornen in Straßburg erklärten dieselben einstimmig für nicht schuldig, obgleich sie mit den Waffen in der Hand gefangen genommen worden.
Meine Herren Geschwornen, ich habe nichts weiter zu meiner Vertheidigung hinzuzufügen, da ich überzeugt bin, daß Sie, mögen Sie nun das Recht der Nationalversammlung, die Steuern zu verweigern, anerkennen oder nicht, auf die Anklage des Parkets einstimmig mit Nichtschuldig antworten werden.
Der Angeklagte Schneider II. erhält das Wort.
Karl Schneider II. Meine Herren Geschwornen. Als die Kunde von dem Siege der Contrerevolution in Wien nach Berlin kam, folgte auch dort die längst vorbereitete Contrerevolution auf dem Fuße nach. Hier wie dort beeilten sich die Werkzeuge der augenblicklich wieder erstandenen alten Macht Alle, welche in irgend einer Weise sich bei dem frühern Umschwunge der Dinge betheiligt hatten, unter dem Deckmantel der Gesetze zu verfolgen. In Wien wurden diese Gesetze von Windischgrätz und den Kroaten gehandhabt. Preußen hat einen Wrangel, Staatsanwälte und Prokuratoren. Hier wie dort werden die Urtheile und Strafanträge nicht nach dem Inhalte der Gesetze bemessen. Der Strang oder die Begnadigung zu Pulver und Blei trifft den, welcher nach dem Wortlaute unanwendbarer Gesetze einer strafbarer Handlung verdächtig ist. Der Verfolgte auf dem nicht einmal ein Verdacht lastet, wird nach Umständen, zu mehrjähriger Schanzarbeit begnadigt. Weil man sich scheute uns, die wir nur unsere Pflicht gethan, des Umsturzes der Verfassung, oder der Erregung des Bürgerkrieges anzuklagen, verfolgt man uns auf Grund eines in jeder Hinsicht unpassenden Strafartikels, der nur eine gelinde Strafe androht. Ich muß Ihnen, meine Herren, die Art. 209 bis 217 unseres Strafgesetzbuches im Zusammenhange vorlesen, um Sie sofort zu überzeugen, wie wenig dieselben dem vorliegenden Falle entsprechen. Während unsere Handlung, wenn sie nicht aus politischen Gründen straflos wäre, wohl unter die Art. 87, 90, 102 als ein Komplott zur Erregung des Bürgerkrieges, zur Bewaffnung gegen die königliche Gewalt resp. zur Aufforderung dazu, fallen könnte, ist in den vom öffentlichen Ministerium bezogenen Artikeln nur der einzelne konkrete Widerstand gegen einzelne bestimmte Beamte, z. B, der thätliche Widerstand eines Schmugglers, des widerstrebenden Verhafteten etc. mit Strafe bedroht. ‒ Der Beschuldigte sucht nun unter Vergleichung der betreffenden Gesetzesstellen diesen Unterschied näher auszuführen und mit Rücksicht auf die bestehende Jurisprudenz darzuthun, daß die im Art. 217 verzeichnete Aufforderung zum Widerstande nach Analogie des Artikels 102, der ausdrücklich das Wort directement gebrauche, eine direkte, unmittelbare sein müsse ‒ und fährt dann fort: Dieses Alles trifft nun bei dem inkriminirten Aufrufe nicht zu. Er enthielt weder die Aufforderung zu einer bestimmten That noch die direkte Aufforderung zu einer solchen. Lediglich den Inhalt des fraglichen Aufrufs, nicht unsere sonstige Ihnen nicht verschwiegene Ansicht über die Berechtigung des Volkes zum bewaffneten Widerstande haben Sie, meine Herren, zu prüfen, und da zeigt sich sosofort, daß wir nur theoretisch aussprachen, was durch die Umstände zu thun geboten sei.
Wir erließen keine Aufforderung an die, welche die Steuern weigern sollten; nur die bestehenden Vereine werden ersucht, Anträge in unserm Sinne zu stellen und etwaige Beschlüsse auszuführen. Wenn endlich das öffentliche Ministerium unsere Aufforderung selbst dann straffällig finden will, wenn der Steuerverweigerungsbeschluß der Nationalversammlung als berechtigt anerkannt werden müßte, so ist allerdings von der Versammlung nicht direkt zur Gewalt aufgefordert worden, doch ist diese offenbar eine nothwendige Consequenz des Beschlusses. Bereits mehrere Tage vor dem Beschlusse der Versammlung hatten wir, d. h. der demokratische Provinzialausschuß, die Steuerverweigerung als politische Nothwehr anempfohlen, dabei jedoch von jedem gewaltsamen Widerstande abgerathen. (Der Beschuldigte verliest den betreffenden vom 14. Nov. datirten Aufruf.) Nach dem Bekanntwerden des Steuerverweigerungsbeschlusses der Vereinbarerversammlung erklärten wir mit besonderer Bezugnahme auf denselben, jede Art des Widerstandes für berechtigt.
Nur zur Beleuchtung der dreisten Behauptung des öffentlichen Ministeriums, daß die juristische Anwendbarkeit des bezogenen Strafartikels keinem Zweifel unterliegen könne, habe ich und ich gestehe es, theilweise mit innerm Widerstreben den Inhalt und die Entstehung unseres Aufrufes näher geprüft, indem dessen Straflosigkeit schon aus durchgreifenden politischen Gründen zu erweisen [1282] ist. In dieser Beziehung ist Ihnen die Grundlosigkeit der Anklage von meinen Vorgängern schon so umfassend und schlagend nachgewiesen worden, daß ich nur noch einige Punkte aus dem Vortrage des öffentlichen Ministeriums berühren will. Ein Verzicht, sagt das öffentliche Ministerium, darf nicht ausgedehnt, interpretirt werden. Die Krone verzichtete auf einen Theil ihres Souverainetätsrechtes, sie berief eine Versammlung ein zur Vereinbarung der Verfassung. Dadurch verzichtete sie nicht auf das Recht, diese Versammlung zu verlegen, zu vertagen, zu schließen. Mit größerm Rechte, meine Herren, läßt sich dieser Satz des öffentlichen Ministeriums über den Verzicht umgekehrt anwenden. Die Souveränetät war, wie überhaupt rechtlich, so auch faktisch, im verflossenen Frühjahr beim Volke. Erklärten nun dessen Vertreter, die freilich nach dem Worte des Wahlgesetzes nur zur Vereinbarung in der That aber durch die siegende Macht der unzweifelhaft stattgefundenen Revolution zur Constituirung der Verfassung berufen waren, sich einverstanden mit der Theorie der Vereinbarung, so darf eben diese Erklärung, dieser Verzicht, nicht ausgedehnt ausgelegt werden. Der Krone stand das Volk als der gleichberechtigte Contrahent gegenüber. Der Verzicht, selbstständig die Verfassung zu geben, kann nicht dahin verstanden werden, daß nur der eine Contrahent, das Volk, sich jeder freien Selbstbestimmung entäußern wollte. Die Macht, frei den Vertrag zu schließen, hörte aber offenbar auf, sobald dem Volke, oder dessen Vertretern nicht einmal mehr gestattet werden sollte, einen Entwurf des zu vereinbarenden Vertrages abzufassen, sobald den Volksvertretern selbst nicht einmal das Urtheil darüber zustehen sollte, ob sie frei oder durch äußern Einfluß terrorisirt, ihre Majoritätsbeschlüsse gefaßt hätten.
Daß aber auch, was das öffentliche Ministerium als erwiesen annimmt, in der That die Beschlüsse nicht durch Terrorismus diktirt waren, folgt wohl am unwidersprechlichsten schon aus dem Beschlusse vom 31. Oktober, wo Waldecks von der Berliner Bevölkerung mit allen Mitteln unterstützter Antrag, zum Schutze der in Wien bedrohten Volksfreiheit die Staatskräfte aufzubieten, von der Versammlung verworfen wurde.
Das öffentliche Ministerium bemühte sich ferner, in längerem Vortrage auseinanderzusetzen, daß der aufgelösten Versammlung das Recht der Steuerbewilligung und folgeweise der Verweigerung nicht zugestanden habe. Obschon es nicht schwer fallen dürfte, nach Lage der damaligen Staatsgesetzgebung dieses Recht der Versammlung zu erweisen, so ist dieses für unsern Fall völlig unerheblich; denn nicht als ein durch Verfassung oder Gesetz gegebenes Recht ist in Wahrheit hier die Steuerverweigerung ausgesprochen worden, sondern als ein Akt der Nothwehr gegen ein revolutionäres, anerkannte Rechte des Volkes verletzendes Ministerium. Gerade der von dem öffentlichen Ministerium hervorgehobene Unterschied zwischen einer konstitutionellen und einer konstituirenden Versammlung bedingt auch den Unterschied zwischen der Steuerverweigerung innerhalb der Grenzen der Constitution und der Steuerverweigerung im gegebenen Falle.
Das öffentliche Ministerium legt endlich Gewicht auf den Ausspruch des Landes über den stattgehabten Konflikt zwischen Krone und Volk. Nun wahrlich, die Stimme des Landes hat deutlich genug in den jüngsten Wahlen für die 2. Kammer gesprochen und Ihr Urtheil, meine Herren, deß bin ich überzeugt, wird diesem Ausspruche des Landes durch ein einhelliges „Nichtschuldig“seine Zustimmung geben.
Die Jury sprach nach einer halbstündigen Berathung einstimmig ihr freisprechendes Urtheil aus.
@xml:id#ar233_002
@typejArticle
@facs1282
[ * ] Köln, 21. Febr.
Vorgestern fand zur Feier des Jahrestags der französischen Februarrevolution im Eiser'schen Saale ein Bankett statt. Der große, zwischen 2 und 3000 Menschen fassende Saal war gedrängt gefüllt.
Karl Marr, durch Akklamation zum Präsidenten gewählt, mußte wegen Verhinderung ablehnen. Karl Schapper übernahm hierauf auf allgemeines Verlangen das Präsidium und eröffnete die Sitzung mit einem Trinkspruch auf die Mauen der im Februar und Juni in Paris, und in allen übrigen revolutionären Kämpfen von 1848 gefallenen Opfer.
Der Abg. von Köln, Adv. Schneider, nahm hierauf Abschied von seinen Wählern. Desgleichen sprach bald nachher der Abg. Gladbach einige Worte, kam auf die Ursachen des Gelingens der letzten Contrerevolution zurück, und forderte das Volk von Köln auf, bei etwaigen neuen Gewaltstreichen gegen die Kammer sich zum Schutz seiner Vertreter zu erheben (dies zur Antwort auf die Denunziation in der heutigen Köln. Ztg.)
Die folgenden Trinksprüche wurden noch ausgebracht: Dr. Rittinghausen: der demokratisch-sozialen Republik. ‒ F. Engels, Red. der N. Rh. Ztg.: den kämpfenden Italienern, vor Allem der römischen Republik. ‒ C. Cramer: den Namen Robert Blum's. ‒ Abg. Wöhler zur Frankf. Nationalversammlung: der deutschen Demokratie. ‒ Kaufmann Guffanti: Ledru-Rollin und den französischen Demokraten. ‒ Ex-Bombardier Funk: ein Pereat den Tyrannen. ‒ Dr. Weyl: den anwesenden Frauen. ‒ Dr. Becker: den Demokraten aller Nationen. ‒ Tischler Kurth: Koffuth und den Magyaren. ‒ Schapper: den politischen Gefangenen und Flüchtlingen, namentlich den Deutschen in Besançon. ‒ Carstens, Arbeiter: der zukünftigen sozialen Revolution. ‒ Ferd. Wolff, Red. der N. Rh. Ztg.: dem Recht auf Arbeit. ‒ Arbeiter Hausmann: der Einigkeit. ‒ C. Cramer: Mieroslawski und den polnischen Kämpfern von 1848. ‒ Wirth Kamp von Bonn: der Verbrüderung aller Nationen. ‒ Stud. Blum: den Wupperthaler Demokraten. ‒ Arbeiter Müller: Mellinet, Tedesco und den übrigen 15 Antwerpener Verurtheilten von Risquons-Tout. ‒ Arbeiter Röser: den Manen Robespierre's, Saint-Just's, Marrat's und den andern Helden von 1793.
Die Feier, von Zeit zu Zeit durch Musik, Gesang der Marseillaise, des Girondistenlieds etc. und Vorträge des Arbeiter-Gesangvereins unter Leitung des Herrn Herr belebt, schloß mit einem Hoch auf die „allgemeine demokratische-soziale Republik.“
Eine Kollekte für die deutschen Flüchtlinge in Besançon wurde während der Sitzung abgehalten und lieferte einen nicht unbeträchtlichen Ertrag.
Während des ganzen Abends waren die Truppen konsignirt und starke Patrouillen durchzogen die Straßen, was indeß wohl mehr durch die wiederholten Schlägereien der Soldaten unter sich, als durch das Bankett veranlaßt war.
@xml:id#ar233_003
@typejArticle
@facs1282
[ 103 ]Aus dem Landkreise Köln, 25. Febr.
Es wird Ihnen bekannt sein, daß bei der kürzlichen Nachwahl für den Landkreis Köln und den Kreis Mühlheim die Wahlmänner von 4. Bürgermeistereien nicht eingeladen wurden. Ich will Ihnen das Nähere hierüber mittheilen. Es wäre jammerschade, den Zusammenhang der Sache dem Publikum vorzuenthalten. Der Wahlkommissar, Herr Kempis auf Kemtenich, Rittergutsbesitzer, hatte die Einladungen an sämmtliche Wahlmänner für den Landkreis Köln an den Landrath Simons zu Vogelsang richtig abgesandt. Es scheint dem Herrn Wahlkommissar unbekannt gewesen zu sein, daß jene Einladungen Portofreiheit genießen. Genug, entweder um Porto zu sparen, oder aus irgend einem andern Grunde, ließ er die Einladungsschreiben mit einer Portion Erbsen zusammenpacken und unter der Rubrik „Angelegenheiten des landwirthschaftlichen-Vereins für Rheinpreußen“ an den Landrath Simons, Director gedachten Vereins, abgehen. Die Erbsen gelangten wirklich unversehrt an die landräthliche Adresse, aber die Einladungsschreiben für 4 Bürgermeistereien waren ‒ verschwunden!
@xml:id#ar233_004
@typejArticle
@facs1282
D Bonn, 25. Febr.
Das gestern mit Pomp gefeierte Studentenbankett, an dem nicht weniger als 3-400 Studenten Theil nahmen, trotzdem daß die durchgängig demokratisch gesinnten Bewohner des Convikts durch ein Verbot ihres Dekans davon abgehalten waren, setzte Stadt und Garnison in große Aufregung. Denn da es Sr. Magnisticenz dem Rektor Löbell und Sr. Gestrengen dem Universitätsrichter von Salomon sit venia verbo ! in ihrer sprichwörtlich gewordenen Weisheit gefallen hatte, den beabsichtigten Aufzug mit Musik und Fahnen zu verbieten, „sintemalen derselbe einer politischen Demonstration gliche und als solche zuviel Anklang und Anhang in der Stadt finden würde “ (siehe Salomon's Denksprüche Buch 5, Kap. 3, Vers 2034: Neu-Jerusalem bei Marcus. 4. Auflage. 1849) und vor jeder Betheiligung am schwarzen Raritätenbrett feuerroth warnten, die Studenten aber die alttestamentarische Sprache nicht zu verstehen schienen, so sahen wir uns seit der Zeit der seligen Steuerverweigerung wieder einmal für einen Abend in kompleten Belagerungszustand versetzt. Piquet's durch die Straßen (!), auf dem Rathhausplatze Truppenevolutionen (!!), Thore besetzt (!!!), Artillerie angespannt (!!!!) u. s. w. Unterdessen setzte sich der polizeiwidrige Zug ganz ruhig durch eine Spießruthengasse von Gensd'armen, Polizeioffizianten und Rebellen in Bewegung und unter dem Lied: „Das Volk steht auf, der Sturm bricht los,“ ging's mit Musik durch Dick und Dünn des rath- und thatlosen Belagerungszustandes hin zu dem vor der Stadt gelegenen großen Wiersberg'schen Festlokale (Sitzungssaal des demokratischen Vereins). Hier unter dem Wehen der sinnig verschlungenen deutschen und französischen Tricolore und rother Gleichheitsfahnen, welche von allen Seiten das transparente, riesenmäßige Standbild der Germania umgaben, begann das schönste Fest, das je in unsern Mauern gefeiert wurde, an dem auch ein Theil unserer Bürgerschaft, soweit es der Raum gestattete, Theil nahm. Reden und Toaste auf „die revolutionäre That, “ „Hecker,“„die Verbrüderung französischer und deutscher Studenten“ u. s. w. wechselten mit Gesang und Klang unter fortwährendem Donner der Böller. Erst spät zog man in geordnetem Zuge wieder zurück in die Stadt. Da endlich versuchten Dunker und Wrangel im Bunde, wenn's nicht anders ginge, mit Kriegslist ihr Verbot und ihren Respekt aufrecht zu erhalten. Die großen Thorflügel waren geschlossen, nur ein Mauspförtchen war offen, durch das man die vorangehenden Musikanten zuerst einließ und ihre Musikantenseelen so ängstigte, daß sie Reißaus nahmen. Der nachströmende Zug durchzog ungehindert das Thor und die Stadt, die noch spät in die Nacht hinein Zeuge des revolutionären Geistes und Gelüstes der von ihr beherbergten akademischen Jugend war.
Bald Näheres über die daraus entstehenden hochnothpeinlichen Halsgerichtsprozesse, nebst Charakterisirung der dabei fungirenden ‒ Salomone.
@xml:id#ar233_005
@typejArticle
@facs1282
[ * ]Koblenz, 25. Febr.
Bei der gestern stattgefundenen Nachwahl sind Wesendonck zu Düsseldorf und Kommunal-Steuer-Empfänger Mallmann zu Simmern zu Abgeordneten nach Berlin ernannt worden.
@xml:id#ar233_006
@typejArticle
@facs1282
Koblenz, 24. Febr.
Wie kürzlich mehrere öffentliche Blätter von Wetzlar berichteten, so waren die Untersuchungsakten gegen mehrere dortige Einwohner wegen in vorigem Frühjahr bei Gelegenheit des in Braunfels gegen den dortigen Fürsten ausgebrochenen Aufstandes verübter Exzesse, auf dem Wege vom Königlichen Justiz-Senat zu Ehrenbreitstein an das Königl. Ober-Landes-Gericht zu Arnsberg, wo das zweite Erkenntniß abgefaßt werden sollte, verschwunden. Die Sache ist faktisch richtig, und jetzt nach vielfältigen Recherchen hat man diese Akten in einer Ecke auf dem landräthlichen Büreau zu Arnsberg aufgefunden! Die Kondemnirten saßen unterdessen hier wohlbehalten im Arreste! Auch nicht übel.
[(D. Z.)]
@xml:id#ar233_007
@typejArticle
@facs1282
[ 24 ]Wien, 23. Februar.
Die durch ihren Oktoberverrath am meisten ausgezeichneten Bourgeoisbestien, namentlich die Verräther in der Hofburg, werden jetzt öffentlich und glänzend belobigt und belohnt. Der Standrechtskaiser hat ihnen „werthvolle Brillantringe“ zustellen lassen, und die übrigen Offiziere, Unteroffiziere und Gemeine der verrätherischen Nationalgarden haben durch besondere Dekrete den Dank für ihre Dienste ausgedrückt erhalten. Das Alles wurde gestern von der „Wiener Zeitung“ dem Publikum zur Beförderung des Verraths bekannt gemacht. Heute kommen weitere Belohnungen mittelst der „kleinen goldenen Civil-Ehren-Medaille“ für „bewiesene loyale und gesinnungstüchtige Haltung.“ Das Volk thut weiter nichts, als es notirt sich die Namen der Dekorirten. Beim Losbruch des nächsten Sturmes weiß es dann ganz sicher, mit welcherlei Zierrathen es seinerseits die verschiedenen Laternenpfähle zu dekoriren hat. Das liebliche offizielle Blättchen theilt auch wieder ein standrechtliches Urtheil mit, Alois Hüffner, 54 Jahre alt, verheirathet, vacirender Tischlergeselle, ist wegen Verheimlichung einer scharfen Waffe ‒ eines Stoßdegens ‒ durch Stimmeneinheit zum Strange verurtheilt, aber zur Todesstrafe durch „Pulver und Blei“ begnadigt und diese gestern früh 8 Uhr an ihm vollzogen worden. Sodann ergeht wiederum an sieben Personen, die flüchtig geworden sind (darunter Haugh, Fenner v. Fenneberg etc.), die Aufforderung, sich binnen 90 Tagen zu stellen, widrigenfalls in contumaciam gegen sie werde verfahren werden.
Endlich meldet die „Wiener Zeitung,“ daß das Ministerium gesonnen sei, Behufs der Umgestaltung Ungarns sich mit Vertrauensmännern der verschiedenen Nationalitäten Ungarns zu umgeben, um ihren Rath, ihre Mitwirkung und ihre Auskünfte in Anspruch zu nehmen. Die erforderlichen Anleitungen hierzu, welche den Ministerrath seit einigen Tagen in Wien zurückgehalten haben, sind bereits getroffen.
@xml:id#ar233_008
@typejArticle
@facs1282
[ 103 ]Kremsier, 21. Febr.
Kaim, ein Bauer und Abgeordneter von Krumau, hatte in der Besoffenheit sich einige zärtliche Redensarten über den nach Prag pensionirten, nächstens in ein deutsches Seebad desertirenden Ferdinand den Gütigen erlaubt, nachdem er schon früher die Czechen-Partei im Reichstage verlassen und sich auf die Linke gesetzt hatte.
Die darübergrimmigen Czechen zeigten ihn bei der Krumauer Behörde als Majestätsbeleidiger an, und die Sache gelangte an's Kriminalgericht zu Budweis. Dieses aber wendete sich an das Appellationsgericht zu Prag, welches sich indessen gegen die Zulassung der Untersuchung aussprach. Das Justiz-Ministerium hob diese Entscheidung wieder auf (man nennt dies bei uns Freiheit des Richterstandes) und brachte die Sache mit dem Antrag auf Auslieferung Kaim's vor den Reichstag. Das war ein gefundenes Fressen für unsern Hans Jörgel, wobei sich die nationalen Bestien zu guter Letzt noch einmal packen konnten. Die Sitzungen waren geheim, allein die Czechen sollen sich darin in ihrer Hussitenart famos ausgezeichnet haben. Kaim wird indessen nicht ausgeliefert, denn die Linke, wie man sich noch ausdrückt, siegte.
Zum Schluß wünschte ich Ihnen noch einige Referate aus unsern Standrechtsblättern über die Note vom 4ten zu machen, wenn ich nicht befürchten müßte, Sie standrechtlich zu langweilen. Ich möchte sie sämmtlich in standrechtliche, d. h. im Geiste der Note geschriebene, in ultrabestialische Bemerkungen, und in abgeschmackte Saucen eintheilen. Von den Bourgeoissaucen nur eine Probe. Die Ostdeutsche Post vom 20. , nachdem sie über die Note schon 10 gottsjämmerliche Spalten im Heulerton geliefert, sagt ferner: Als die Märzsonne des verflossenen Jahres die Völker vom Rhein bis an den Dniester (ein weiter Gedanke für eine Ostdeutsche Post) aus langem Winterschlaf erweckte (ei! ei!), da erscholl fast gleichzeitig der Ruf nach einem einigen freien Deutschland ‒ und (jetzt kommt das Standrecht) nach einem großen, freien Oestreich.“
Von der Heuchelfeindschaft zwischen Oestreich und Preußen weiß man hier selbst in den ultrabestialischen Standrechtsblätter kein Wort; man weiß nur, daß Metternich den Befehl nach Potsdam geschickt hat, die deutschen Ochsen in Frankfurt u. s. w. so lange mit diesem und dem kaiserlich-preußischen Popanz zu unterhalten, bis Oestreich wieder stark genug sein wird, statt mit dem gegenwärtigen Leierkasten mit Münch-Bellinghausen in Frankfurt zu präsidiren.
@xml:id#ar233_009
@typejArticle
@facs1282
Dresden, 24. Februar.
Der Klub der Linken hat in seiner heutigen Nachmittagssitzung beschlossen, einen Rechenschaftsbericht an das Volk zu erlassen, und über das dem neuen Ministerium gegenüber einzuhaltende Verfahren ist man insoweit einig, auf ein von ihm zu erlassendes Programm zu bringen und nach Maßgabe dessen ihm entweder ein entschiedenes Mistrauensvotum entgegenzuhalten oder so lange als möglich mit ihm zu gehen. Ein rein bureaukratisches Ministerium, wie das neue ist, hat, Kammern mit so bestimmt ausgesprochenen Tendenzen gegenüber, einen schweren Stand und wenigstens steht eine Auflösung der Kammern in allernächster Zeit bevor, wie Alles hier annimmt. Ueber den Rücktritt der Minister erfährt man so viel, daß die Grundrechte hierbei allerdings bedeutend mit ins Spiel kommen. Man vergesse namentlich den Umstand nicht, daß Oberländer als Abgeordneter der 1. Kammer heute bei der Abstimmung über die Grundrechte ebenfalls seine Stimme abzugeben hatte und daß er für unbedingte Publikation gestimmt hat. Die Auflösung der Kammern war vor einigen Tagen in Rede, Oberländer soll dagegen gewesen sein. Die Bezirksversammlungen des Vaterlandsvereins waren heute äußerst zahlreich besucht und es sprachen mehre Abgeordnete in denselben. Der Vaterlandsverein hierselbst wird eine Protestaktion gegen die das allgemeine Wahlrecht beschränkenden Bestimmungen des Reichswahlgesetzentwurfs nach Frankfurt abgehen lassen.
[(D. A. Z.)]
@xml:id#ar233_010
@typejArticle
@facs1282
[ 213 ]Leipzig, 25. Februar.
Gestern, zwischen Licht und Dunkel, wurde hier bekannt, daß unser 1815 zwischen Wien und Berlin ostroyirtes Vizekönigthümchen mit einem königlich preußischen Ministerium Brandenburg-Manteuffel en miniature beglückt worden sei. ‒ Die entschiedene Reaktion Olmütz, Petersburg und Berlin hat endlich auch in Sachsen Posto gefaßt; sie hat ein achselträgerisches, charakterloses, feiges Ministerium über'n Haufen geworfen und ein büreaukratisches eingesetzt. Während das italienische Florenz sich frei macht, wird das deutsche Florenz wieder unterthänig. Als Blum in Wien ermordet, vielmehr getödtet wurde, wie man sich hier ausdrückt, sagte man in Sachsen: Was können wir machen gegen das mächtig-(ohnmächtige) Oesterreich? und strafte die paar entrüsteten Seelen, welche in Leipzig das Wappen des in Blut schwimmenden Standrechtskaisers herabgerissen, mit sechsjährigem Zuchthaus; das Sachsenvolk wird jetzt ebenso gebildet-schlapp ausrufen: „Was können wir machen? preußische Soldaten werden kommen, wenn wir uns rühren.“ „Was können wir machen?“ ist überhaupt deutsche Parole, während der Italiener und Magyare der vereinigten Gewalt von ganz Europa trotzen, obwohl sie wissen, daß sie nicht nur Armeen von 800,000 Oestreichern, 600,000 Russen, 600,000 verpreußten Deutschen, eben so vielen enkannaillirten Franzosen, 100,000 Italienern gegenüberstehen, sondern es obendrein noch mit wider sie aussanatisirten Nationalitäten zu thun haben. Der Deutsche, namentlich der Centraldeutsche, ohne Leidenschaft, ohne Blut, ohne Energie, hält fest an der Parole seiner demokratischen Thomasprediger:„Was können wir machen?“, entrüstet sich sogar wider solche, die Leidenschaft, Blut, Energie, Muth von ihm verlangen, und wird in seinem unheilbaren christlich-germanischen Blödsinn ihr entschiedener Feind. Man muß, um Glück zu machen, die Demokratie hier durchaus predigerweise treiben, wie z. B. der Wiener Flüchtling Eckard, dessen segensreiches theologisch-demokratisches Wirken sogar von Blättern gepriesen wird, die sich für rothe halten. Eckard, einer jener Süßholz-, Sammt-und Phrasen-Demokraten, hält in seiner Weise nämlich zuweilen demokratische Frauengesellschaften, die er durch Skizzen über Wien's Oktobertage demokratisch elekrisirt, indem er im gottgebenedeiten Tone eines heulenden Predigers eine ganze Litanei hohler, thränenreicher Phrasen herabweint und dann ‒ zum Entzücken der deutschen Schafe ‒ mit einem deutsch-katholisch-christlich-germanischen Gebet, sage und schreibe, Gebet, endet. ‒ Das ist doch die klassischste Eruption unseres deutschen Revolutions-Vulkans! Herr, erbarme Dich des deutschen Verstandes! ‒ Doch wieder zu unsern Ministern. Sie heißen: Held, Weinlig, von Ehrenstein, von Beust (direkt von Potsdam gekommen), von Buttlar (kroatischen Ursprungs, Adoptivsohn von Windischgrätz und Wrangel). Der Exminister Braun log der zweiten Kammer, bona fide vielleicht, vor, derselbe Grund, welcher vor 4 Wochen das Ministerium bestimmt habe, seine Entlassung einzureichen, habe auch diesmal den Abtritt veranlaßt; das Ministerium habe sich nämlich nicht der Majorität der Kammer zu erfreuen. Der Exminister Oberländer sprach in der ersten Kammer indessen wörtlich also: „Ich gebe zu, daß die Majorität nicht den Abtritt des Ministeriums wollte, es kommt aber nicht auf die Tendenz, sondern auf die Thatsache an, (seit wann ist die Majorität denn keine Thatsache, sondern eine Tendenz?) ob das Ministerium auf eine feste Majorität rechnen könne.“ Ist das nicht kurios-dumm und dumm-kurios? Hinterher stammelte Oberländer unter Thränenbächen, er habe ein deutsches Herz. Ich bestreite ihm diesen Vorzug durchaus nicht, im Gegentheil. ‒ Vor 4 Wochen nahm der König das Entlassungsgesuch der sogenannten demokratischen Minister nicht an, und bekam darüber von Olmütz und Potsdam her tüchtige Nasenstüber zugesendet, so daß er mit seinem Höfchen nun wieder die plebeischen Minister eifrig zu intriguiren begann, bis diese ihm den Gefallen thaten, noch einmal die Entlassung einzureichen. Die Ernennungsbulle wurde bei der Hitze des Verfahrens längst in petto gehalten, so daß Held schon damit hervorstürzte, bevor noch die Exminister ihr Entlassungsgesuch ordentlich vorgebracht hatten. ‒ Zum Schluß thaten die, wie man hier sagt, ultrademokratischen Exminister dem Hofe noch den Gefallen, den Kammern etwas von mangelnder Majorität vorzuplaudern, ihren höflichen Abtritt jedoch zu verschweigen. ‒ Nur Schaffrath hatte den Geist, sich darüber zu verwundern, daß keiner der Exminister, sondern konstitutionswidrig schon der neue Minister Held die Erneungsbulle kontrasignirt habe, und Tschirner forderte ein Programm von dem neuen Ministerium, oder ein Mißtrauensvotum der Kammer. ‒ Unterdessen unterhält man sich in den Kneipen bereits von der Auflösung der Kammern, vom Einmarsch der Preußen und vom Belagerungszustand à la Berlin.
@xml:id#ar233_011
@typejArticle
@facs1282
[ 114 ]Frankfurt, 25. Febr.
Gestern gab's wieder einmal eine Verhandlung zwischen dem sogenannten Reichsministerium und den Bevollmächtigten der verschiedenen deutschen Landesväter. Der deutsche Bund ist beinah seit einem Jahre formell schlafen gegangen, es ist hohe Zeit, daß er auch formell wieder hergestellt wird. Es ist weiter nichts nöthig, als daß der Name „Bevollmächtigte“ in „Bundestagsgesandte“ umgeändert werden. Alle Tugenden und Personagen, wie sie der alt-neue Bundestag braucht, sind in Hülle und Fülle vorhanden; es fehlt weder an Volksverräthern, Hofintriganten, gottbegnadeten Rittern, noch an dem besten Willen [1283] die 36 deutschen Nationen und Natiönchen, Vaterländer und Vaterländchen so zu maulkorben und mit metternich'schen Zwangsnetzen zu überspannen, daß die erste Periode des Bundestags noch wie Tag vor der nachfolgenden Nacht dastehen soll. Die Leute haben zwar nichts vergessen, aber gar manches gelernt; sie kennen jetzt den lieben Michel besser und gründlicher als früher und richten danach ihre Schritte ein. Sie fallen nicht mit der Thüre ins Haus, hoffen aber um so besser und sicherer hineinzukommen.
Der „Edle“ präsidirte dem erwachten Bundestag. Es handelte sich um die auf das Cirkularschreiben vom 28. Jan. eingelaufenen Erklärungen der Herren Bundestags-Väter. Da waren Erklärungen eingetroffen von Lippe, Sachsen-Weimar, Schleswig-Holstein, Frankfurt, den drei Anhaltinern, aus Baden, Limburg, den beiden Hohenzollern und wie die Legion der deutschen Vaterländer und die Sitze unserer geliebten Landesväter weiter heißen. Baiern hatte außer seinem gewöhnlichen Bevollmächtigten auch noch den Herrn Lerchenfeld hergeschickt. Hannover hat noch keine Instruktion; Baiern auch noch nichts, wird aber bald eine Note ausarbeiten. Oestreich hört zu und erklärt, es habe die abgegebenen Bemerkungen „mit großem Interesse“ vernommen. Hr. Schmerling wird das Protokoll seiner Regierung einsenden, Preußen verheißt einen Nachtrag zu seinen Bemerkungen, i. e. Noten. So ist die Vereinbarung im schönsten Gange und Michel wird bald etwas von den Früchten merken, die jetzt in dem bundestaglichen Treibhause für ihn gezeitigt werden.
@xml:id#ar233_012
@typejArticle
@facs1283
Mannheim, 23. Febr.
Ein schönes Stückchen von unserem Minister Bekk, dem Manne der „Ehrenmänner,“ dem Manne der Bassermänner, dem Trost und Hort der vaterländischen Vereine, ist in diesen Tagen in der würtembergischen Ständekammer wieder enthüllt worden. Der Abgeordnete Zwerger interpellirt das Ministerium wegen der noch in Baden stehenden würtembergischen Truppen, und verlangt in Anbetracht der großen Kosten, welche dadurch dem Staate sowohl als den Angehörigen der Soldaten erwachsen, deren Abberufung. Der Staatsrath Römer entgegnet, daß die würtembergische Regierung schon mehrmals bei der Centralgewalt um Zurückziehung der Truppen Schritte gethan, es sei aber erst auf die letzte Verwendung hin von Baden die Nachricht eingelaufen, die badische Regierung müsse eher um Vermehrung, als Zurückziehung der Truppen bitten, da auf den 24. Februar ein neuer Putsch erwartet werde.
[(M. Abd. Z.)]
Ungarn.
@xml:id#ar233_013_c
@typejArticle
@facs1283
Edition: [Friedrich Engels: Die russische Invasion – Die Serben, vorgesehen für: MEGA2, I/8. ]
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
@xml:id#ar233_014_c
@typejArticle
@facs1283
Edition: [Friedrich Engels: Die russische Invasion – Die Serben, vorgesehen für: MEGA2, I/8. ]
Wir lassen nun den Bericht der Breslauer Zeitung folgen:
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Italien.
@xml:id#ar233_015
@typejArticle
@facs1283
[ * ] In Paris trafen am 25. Febr. endlich die amtlichen Berichte über die Ereignisse in Florenz, Livorno etc. vom 19. und 20. Febr. ein. Die Republik ist am 19. in Florenz proklamirt worden. In dem disfälligen Akte heißt es: „Es wird eine Italienische Central-Republik constituirt, deren Hauptstadt Rom ist.“ Dem Gerücht einer Intervention Piemonts zu Gunsten des Ex.-Großherzogs Leopold wird vom General-Consulat in Livorno amtlich widersprochen. Das ganze diplomatische Corps war dem Ex-. Großherzog nach Porto San Stefano gefolgt, ist aber zum Theil wieder nach Florenz zurückgekehrt, um dem Schauplatz der Begebenheiten näher zu sein. Ueberall die rothe Cocarde.
@xml:id#ar233_016
@typejArticle
@facs1283
[ * ] Rom, 15. Febr.
Wie die Römer sich schnell in revolutionäre Franzosen umgewandelt haben! Wie Alles bei ihnen eine revolutionäre Form annimmt! Die nationalen Ateliers sind in den Händen des Arbeitsministers Sterbini eine wahre Armee geworden. Die Konfiskation der geistlichen Güter geht mit raschen Schritten vorwärts, und trotz aller Verläumdung der Ultramontanen, wie wir jetzt die reaktionären Bourgeois-Franzosen nennen, beobachtet man dabei die größte Mäßigung. Allerdings war vor einigen Tagen Tagen eine Affiche an den Mauern, worin die Geistlichen aufgefordert wurden, nicht mehr in priesterlichem Anzug auszugehen, überhaupt alle äußern Auszeichnungen, die an die Periode des Obskurantismus erinnern könnte, einzustellen. Aber diese Affiche hatte keinen offiziellen Charakter; sie ging von Privatpersonen aus. Der Polizeipräfekt hat heute eine andere Affiche anheften lassen, worin er die erstere mißbilligt, und jeden Akt von sich weist, der als eine moralische Gewaltmaßregel angesehen werden könnte. Ihrerseits sind die Geistlichen weit entfernt, dieselbe Mäßigung zu beobachten. So haben sie sich fast ohne Ausnahme enthalten, bei dem Te Deum zu figuriren.
Von Tag zu Tag wird es hier im Lande klarer, daß zwischen den Privilegien der Bank und den Rechten des Volkes keine Vermittlung möglich ist. Die Privilegien der Bank treten hier in der Form des göttlichen Rechtes auf; wir verheimlichen uns nicht den Kampf, den das sogenannte göttliche Recht mit dem Völkerrecht zu bestehen hat. Jedenfalls ist es ausgemacht, daß einer Junischlacht nur durch revolutionäre Maßregeln vorgebeugt werden kann.
Dem Bürger Carlo Emanuel Muzzarelli, Minister des Unterrichts, ist der Vorsitz im Ministerrathe von seinen Kollegen und der Exekutivkommission eingeräumt worden.
Carlo Rusconi hat das gestern noch unbesetzte Portefeuille des Auswärtigen erhalten und angenommen.
Mazzini, das bekannte Haupt Jungitalien's, ist in Rom eingetroffen. Er will eine allgemeine Verschmelzung herbeiführen.
Aus Genua hört man vom 20. Februar, daß der Exgroßherzog Leopold sich nach Viareggio begeben, wo ihn ein Häuflein getreuer Unterthanen, namentlich Offiziere, erwarten, um sich an die Spitze einer Reaktion zu stellen.
@xml:id#ar233_017
@typejArticle
@facs1283
[ * ] Gaëta, 15. Febr.
Der Pabst hat eine neue Protestation ergehen lassen; sie hat einen offiziellen Charakter, da sie in Gegenwart des diplomatischen Corps gemacht worden. Wir theilen sie hier wörtlich mit:
„Die ununterbrochene Reihefolge von Attentaten auf die weltliche Herrschaft über den Kirchenstaat, Attentate, die durch die Verblendung Einzelner vorbereitet, von denjenigen ausgeführt worden, deren List und Bosheit lange und langsam die Blinden zur blinden Folgsamkeit herangebildet haben ‒ hat endlich den höchsten Grad aller Bosheit erreicht in einem Dekret der sogenannten konstituirenden Versammlung vom 9. Febr., wo man das Pabstthum rechtlich und thatsächlich der weltlichen Regierung des Kirchenstaates für verlustig erklärt, und eine neue angeblich reindemokratische Regierung unter dem Namen der römischen Republik aufstellt.“
„Wir sind abermals in der Nothwendigkeit, unsere Stimme auf's Neue zu erheben gegen einen Akt, der sich der Welt kund gibt mit allen Kennzeichen der Ungerechtigkeit, der Undankbarkeit, der Tollheit und der Gottlosigkeit. Umgeben von dem heiligen Kollegium, und in Eurer Gegenwart, Ihr würdigen Repräsentanten der dem heiligen Stuhle befreundeten Regierungen und Mächte, protestiren wir in den feierlichsten Ausdrücken gegen dieses Dekret und erklären es für null und nichtig, wie wir es mit den frühern Dekreten und Akten gethan haben.“
„Ihr waret Zeugen, meinen Herren, der auf ewig bejammernswerthen Ereignisse vom 15. und 16. November vorigen Jahres; Ihr habt sie, wie wir, bejammert und verdammt. Ihr habt unsern Geist gestärkt in diesen traurigen Tagen; Ihr seid uns hierher gefolgt in dies Land, wo uns Gottes Hand geleitet hat, der erheben und erniedrigen kann, aber der niemals den Menschen verläßt, welcher auf ihn vertraut. In diesem Augenblicke noch umgebt Ihr uns hier mit Eurem edlen Beistande. An Euch also wenden wir uns, damit Ihr Euren resp. Höfen und Regierungen Kunde gebet von unsern Gefühlen und unserer Protestation.“
„Die Unterthanen des Kirchenstaates werden durch die verwegenen Manövers einer der menschlichen Gesellschaft feindlichen Partei in den Abgrund des tiefsten Elends geschleudert. Wir legen daher als weltlicher Fürst und mehr noch als oberster Priester der katholischen Religion die Klagen und Bitten des größten Theiles der Unterthanen vor, welche die Ketten, mit denen sie niedergehalten werden, zerbrochen wissen wollen.“
„Wir verlangen zu gleicher Zeit, daß man dem heiligen Stuhle das heilige Recht auf die weltliche Herrschaft bewahre, von dem er seit so vielen Jahrhunderten der rechtmäßige, allgemein anerkannte Besitzer ist; es ist dies ein Recht, welches in der gegenwärtigen Ordnung der Vorsehung nothwendig und unentbehrlich geworden für die freie Ausübung des katholischen Apostolats dieses heiligen Stuhls.“
„Das lebhafte Interesse, welches sich in der ganzen Welt zu Gunsten unserer Sache kund gegeben, ist ein eklatanter Beweis, daß sie die Sache der Gerechtigkeit ist; deßhalb dürfen wir auch keinen Augenblick zweifeln, daß sie mit aller Sympathie und allem Wohlwollen von den ehrenwerthen Nationen, die Ihr vertretet, aufgenommen werde.“ ‒
@xml:id#ar233_018
@typejArticle
@facs1283
[ * ] Florenz, 16. Febr.
Die provisorische Regierung von Florenz hat folgende Proklamation erlassen:
„Unser schönes Land ist unwiederbringlich verloren, wenn nicht sofort alle diejenigen, in deren Busen ein italienisches Herz klopft, sich erheben, um das Vaterland zu retten.
Räuberbanden, unter dem Vorwande, daß der Herzog geflohen, oder gar ohne Vorwände, durchziehen das Land und plündern und brennen. Die Regierung hat einige gefaßt, und die Strafe wird nicht ausbleiben.
Einige Soldaten haben ihre Fahne; andere, welche die Entwürdigung alles Heiligen noch weiter treiben, haben das Land verlassen. Nur Eins ist tröstend dabei: das ist der Gedanke, daß bei Einigen die Reue dem Fehltritte auf dem Fuße gefolgt ist. Möge bald die Taufe des Feuers ihnen in ganzer Fülle die Ehre wiedergeben, die sie niemals hätte verlieren sollen.
Der feierliche Augenblick ist da: ein Augenblick ewigen Ruhmes oder ewiger Schmach. Sollten wir weiter nichts zu finden wissen, als eitle Thränen und feiges Wettjagen?
Das Uebel ist groß, aber es ist nicht größer als der Muth eines guten Bürgers! Es ist nie erlaubt, an dem Heil des Vaterlandes zu verzweifeln.
Muth! das Gesetz über die Frewilligen ist kund gemacht worden; es lautet: Engagement auf ein Jahr und einen Tag; Belohnung und Ruhm folgen den Freiwilligen.
Keine Worte mehr, Thaten! Wenn nicht 30,000 Toskanische [1284] Freiwillige zu den Waffen greifen, so spreche man nicht mehr von Freiheit!
Wenn das Volk sein Versprechen hält, so wird die Regierung ihren Pflichten nachzukommen wissen.
Sie wird die Anarchie im Innern bekämpfen, und die Vertheidigung zu führen wissen gegen die fremde Invasion: sie wird thun, was Gott und das Gewissen ihr befehlen.
Man rege an die Lauen, Gleichgültigen und Widerspenstigen; wie wir jetzt stehn, ist es besser vorwärts zu schreiten, als auf dem Platze stehn zu bleiben; das schlimmste aller Uebel ist die Trägheit, die Bewegungslosigkeit.
Ihr bleibt ruhig zu Hause? und wer wird Euch vor Brandstiftung schützen?
Ihr verberget Euer Geld, und verweigert es dem Vaterlande, welches es verlangt! Aber wer wird Euch vertheidigen gegen den Kroaten, der es Euch mit dem Stocke in der Hand abverlangen kann? Ihr verderbt das Herz des Bauern! Ihr macht ihn abwendig vom Kriege, aber wer wird Eure Erndten schützen gegen die Ausfälle der feindlichen Cavallerie?
Zweifelt Ihr noch? Seht die Lombardei an, und seht, ob es nicht die Wahrheit ist.
Florenz, den 16. Februar 1849.
Die provisorische Regierung:
F. D. Guerazzi, O. Mazzoni, G. Montanelli.
@xml:id#ar233_019
@typejArticle
@facs1284
Venedig.
Die allgemeine Stimmung ist entschieden für Krieg mit Oestreich und einen italienischen Verfassungsrath. General Olivero aus Piemont ist hier, um sich mit General Pepe über die Kriegsfrage zu berathen. Die venezianisch-sardinische Flotte soll nächstens den Triestinern einen Besuch abstatten. Die Blokade soll vom Festlande aus strenger gehandhabt werden, doch spürt man bis jetzt noch wenig davon. Konscriptionspflichtige Lombarden kommen in Menge hier an. Glücklicher Weise sind wir mit Lebensmitteln hinreichend versehen, nur an Holz fehlt es. ‒ Das Fort O hat den Namen Manin erhalten. ‒ Die Schweizerkompagnie des Hauptmann Debrunner trägt jetzt rothe Tschakkos. ‒ Eine Adresse der hiesigen Schweizer an den Nationalrath, in Betreff der Kapitulationen, erhält viele Unterschriften. ‒ Am 22. März wird ein Erinnerungsfest an die vorjährige Proklamation der Republik Venedig, stattfinden. ‒ Von der Regierung wurden vom 16. Sept. v. J. bis zum 31. Jan. d. J. 5,253,200 Lire Papiergeld in Umlauf gesetzt, von welchen indessen seither 315,000 amortisirt worden sind; für den Rest obiger Summe haften 2110 Accepte hiesiger Kaufleute, etc. Von den votirten 12 Mill. Municipal-Papiergeld ist bereits die Hälfte in Umlauf.
Großbritannien.
@xml:id#ar233_020
@typejArticle
@facs1284
[ * ] London, 24. Febr.
Der Vollziehungs-Ausschuß der Chartisten wendet sich wegen energischer Agitation zur Durchsetzung der Finanzreform und der Volkscharter in nachstehender Zuschrift an die Chartisten von Großbritannien:
„Landsleute!
Wir haben beschlossen, die große Frage wegen durchgreifender Reform des Unterhauses abermals vor's Parlament zu bringen ‒ die große Frage, ob eine kleine usurpatorische Fraction noch länger anmaßend die Geschicke dieses Landes entscheiden soll, oder ob jene Pflicht nicht eine heilige Obliegenheit des ganzen Volkes ist?
Daß die Lösung dieses wichtigen Problems vom Volke selbst abhängt, ist die von den Weisen der Welt in jeder Epoche ihrer Geschichte verfochtene Ansicht. Seit Anfang der Freiheitsbewegungen in diesem Lande, waren die Umstände für den Fortschritt niemals günstiger als eben jetzt. Nur einen großen und beklagenswerthen Mangel muß abgeholfen werden, eh' diese Umstände eine irgend günstige Wirkung äußern können: das Volk muß sich aus dem schlimmer als verbrecherischen Schlafe erheben, in den es versunken ist. Seine Unthätigkeit ist die Wonne der Unterdrücker und zugleich der Schmerz des Vaterlandsfreundes.
Mit Kummer, doch nicht mit Verzweiflung, blicken wir auf seine Passivität bei dem vielfachen Unrecht, das es erduldet. Wir hegen den lebendigen Glauben an die Wahrheit und den schließlichen Erfolg der Prinzipien der Demokratie und nähren zugleich die starke Hoffnung, daß jene dem Menschengeschlecht inwohnende Freiheitsliebe sich in den Herzen und Gemüthern der bisher trägen Massen Großbritanniens noch fruchtbar erweisen wird.
Es kommt uns ziemlich seltsam vor, Landsleute, daß das Volk hier, gleich wie vom Opium erfüllt, still und ruhig dasteht, während der Donner der Revolution die Nationen der Erde aus hundertjährigem Schlaf erweckt und den Herzen ihrer jämmerlichen Tyrannen eine heilsame Furcht einjagt. Wenige Völker in Europa giebt's, die nicht während des ereignißvollen Jahres 1848 irgend ein Gut, sei's durch Verminderung von Uebelständen und Beschwerden sei's durch Erweiterung ihrer Freiheit, gewonnen hätten. Einige haben ihre Despoten auf unfreiwillige Pilgerfahrten in die Welt hinausgeschickt und die Leitung ihrer Angelegenheiten in die eigenen Hände genommen. Was fragen wir uns hier: Welchen Fortschritt auf der Bahn der Freiheit hat England gemacht? Welche Konzession ist den politischgefesselten und social herabgewürdigten Millionen zu Theil geworden? Welche Verbesserung in der elenden Lage der großen Masse unsrer Arbeiterbevölkerung ist zu Stande gekommen? Ach! die Antwort ist allzu notorisch, um der Wiederholung zu bedürfen.
Wäre es nöthig, Landsleute, Euch einen Beweggrund zur Thätigkeit zu liefern, um schleunig zur Erschaffung eines ehrenhaften Unterhauses die erforderliche Macht zu erlangen: so findet Ihr ihn in dem Umstande, daß das Parlament während ein paar Monaten des vorigen Jahres auf den Antrieb jener schönen Klicke, des Russell'schen Kabinets, vier monströse Zwangsgesetze annahm.
Ihr findet den Beweggrund ferner in der Thatsache, daß die erste Handlung der jetzigen Session darin bestand, Irland, dieser nationalen Bastille, dem schrecklichen Golgatha, dem Lande entnervter Invaliden, eine neue Schmach anzuthun, ein neues grausames Unrecht auf dasselbe zu häufen. Whigs, Torics und Liberal-Reformer scheinen in ihren Anstrengungen zu wetteifern, um die Scorpionen-Geißel der Unterdrückung in die Hände seiner Beherrscher zu legen. Wir erinnern Euch an dieses tyrannische Verfahren in der Absicht, Euch anzustacheln zur Befreiung der entwürdigten Menschheit von der auszehrenden Herrschaft einer angemaßten, unverantwortlichen Gewalt.
Wir haben mit unserm Kollegen, O'Connor, über den Zeitpunkt, die Gesinnung des Parlaments in Betreff der Charter zu erforschen, Berathung gepflogen. O'Connor hat zugesagt, den Gegenstand Mitte nächsten Mai's in aller Form zur Kenntniß des Unterhauses zu bringen. Seine Bemühungen werden, wenn nicht vom Volk mit Energie unterstützt, von geringem Nutzen sein. Ihr habt hinreichende Zeit, die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Gegenstand zu lenken und Eure Petitionen angemessen und zahlreich unterzeichnen zu lassen. Ein Petitionsformular wird in der nächsten Nr. des „Northern-Star“ erscheinen und kann, je nach den Wünschen der einzelnen Lokalitäten, in dieser Form angenommen oder im Ausdruck verändert werden. Die Petitionen jeder Stadt oder jeden Distriktes müssen dann nach sorgfältiger Durchmusterung, damit alle Ungehörigkeiten wegfallen, dem Repräsentanten der Lokalität zur Ueberreichung an's Parlament zugestellt werden.
Landsleute, wir bezeichnen Euch diese Arbeit mit dem vollen Vertrauen, daß Ihr sie nicht vernachlässigen werdet. Wir bitten Euch inständig, alle Trägheit von Euch zu werfen und so Eure Feinde des Grundes, daß Ihr gegen Eure Rechte gleichgültig wäret, zu berauben. Auf denn, Chartisten, und an's Werk! Strengt Euch an, den bisher leeren Ruhm, daß „Briten niemals Sklaven sein werden“ zur Wirklichkeit zu machen!
T. Clark, W. Diron, P. M'Grath, E. Stallwood, G. Julian Harney.
@xml:id#ar233_021
@typejArticle
@facs1284
[ * ] London, 24. Febr.
Unter den zahlreichen Meetings, die besonders seit Eröffnung der diesjährigen Parlamentssession hier abgehalten wurden, verdient das von dem chartistischen Vollziehungs-Ausschusse zusammenberufene spezielle Erwähnung. Es fand am verflossenen Dienstage statt und war massenhaft besucht. Clark beantragte die erste Resolution, zu deren Begründung er u. A. sagte:
Die Resolution behauptet zwei bestimmte Prinzipien, von denen das eine sich auf die Art der Steuererhebung, das andere auf eine gesunde wahrhafte Vertretung des Volkes im Parlamente bezieht. Ersteres erklärt die direkte Besteuerung für die einzige ehrliche Weise zur Unterstützung der Nationalinstitutionen die erforderlichen Staatseinnahmen zu realisiren. Die, welche von dem jetzigen Schwindelsystem der Besteuerung Nutzen ziehen, mögen dies als eine Neuerung betrachten. Gleichwohl besteht diese direkte Besteuerung in unserem Lande bereits in allen auf Lokalverhältnisse bezüglichen Fällen, so die Armen-, Straßen- und Polizeisteuern. Der Zweck, zu welchem jede Lokalsteuer verwandt werden soll, wird genau hingestellt. In Betreff der allgemeinen oder Staatssteuern sind dagegen 9/10 der Zahlenden eben so über die Zwecke wofür, als über den Betrag, den sie zahlen, im Dunkeln. Indem der Staat Steuern auflegt tritt er als Gläubiger denen gegenüber, welche zahlen. Den steuernden Personen, die Kenntniß des von ihnen gezahlten Betrages entziehen, ist, ich wiederhole es, eine Schwindelei, eine Betrügerei. Wüßte jeder genau, wie viel er an den Staat zahlt ‒ und dies kann er bei der jetzigen indirekten Besteuerung niemals wissen ‒ so würden gewiß einerseits die Staatslasten mehr auf die Schultern derer gewälzt werden, die sie zu tragen vermögen, und andrerseits würde eine bedeutende Verminderung der Abgaben schnell erfolgen müssen. Denn Niemand würde dann noch zu den tausenderlei unnützen Ausgaben und Verschleuderungen beitragen wollen. Die hierauf einstimmig angenommene Resolution lautete:
„Nach der Ansicht dieses Meetings sind die fiskalischen Einrichtungen dieses Landes ungerecht und äußerst bedrückerisch, da die Staatseinnahmen hauptsächlich aus den Abgaben von den nothwendigsten Lebensbedürfnissen gezogen werden. Das Meeting hält es für die gebieterische Pflicht des Parlaments, unser ganzes Steuersystem zu revidiren, alle indirekte Besteuerung abzuschaffen und die Ausgaben für die Verwaltung dem Eigenthum aufzuerlegen. Auch ist das Meeting der Ansicht, daß das gegenwärtige Repräsentativ-System höchst fehlerhaft ist, und so bleiben wird, bis durch eine Reform desselben jeder erwachsene geistesgesunde Britte (mit Ausnahme der während der Wahlzeit im Gefängniß befindlichen Personen) zur Ausübung jenes Wahlrechts zugezogen wird, das bisher ungerechter Weise das Monopol einer unbedeutenden Minderheit der Bürger dieses Landes war.“ Auf Grund dieser Resolution wurde sodann eine energische Adresse an's Parlament entworfen, in welcher die beiden Punkte: vollständige Revision des bisherigen Steuer-Systems und Reform der Volksvertretung auf breitester Grundlage, weitläufiger auseinander gesetzt werden. Nach ihrer Unterzeichnung wird sie Feargus O'Connor zugesandt, und von ihm dem Parlament vorgelegt werden.
Französische Republik.
@xml:id#ar233_022
@typejArticle
@facs1284
[ 17 ] Paris, 26. Febr.
Die Demokraten des Herault-Departement erklären im „Independant“ von Montpellier: „Da laut der Verfassungsurkunde die französische Republik Angesichts der Welt proklamirt hat, fremde Nationalitäten zu respektiren und nicht Eroberungen zu machen, wie sie ihrerseits respektirt zu werden erwartet, so würde der vom Ministerium und Präsidenten projektirte, von der Kammer zu votirende, und vom Heer auszuführende Feldzug gegen die römische Republik eine Verletzung der Verfassung sein.“ Der „Independant“ druckt seit einer Woche den bezüglichen Paragraphen der Konstitution als Motto vor jede seiner Nummern. Unsere Freunde Leon Faucher und Odilon-Barrot würden sich freilich im Vertretungsfall dadurch herauszuwickeln versuchen, daß dieser „heilige“ Feldzug (wie der Jesuitendeputirte Montalembert ihn nennt) keine Eroberungen beabsichtigt, sondern nur einfach eine Freiheitsabwürgung. Das berüchtigte Legitimistenblatt „Courrier de la Gironde“ in Bordeaux sagt am 17. Februar: „Präsident Bonaparte! will man sie nicht mehr als Präsident, wohlan, so handeln Sie als Fürst, und proklamiren sich als solchen“ Das heißt wenigstens klar sprechen und bündig. Der „Republicain des Ardennes“ in Sedan citirt mit Ironie die am 15. dieses von dem genialen Leon Faucher auf der Tribüne ausgestoßenen Worte: „die Februarrevolution hat Prinzip wie Form der Regierung geändert; auf diesem neuen Pfade ist nunmehr fortzuwandeln; das Land hat dies Resultat, welches durch ein Gefecht von nur einigen Stunden erreicht worden war, fast ohne allen Widerspruch angenommen“ ‒ und er stellt gegenüber das Wort des sublimen Generals Bugeaud, des „gallischen Windischgrätz“ vor der Versammlung der Lyoner Kaufleute: „Meine Herren! Glauben Sie ja nicht, Paris habe Ihnen die vielen Revolutionen geschickt, nein, nur der verderbte Theil von Paris war es.“ Und daneben citirt dies boshafte Blatt das aphoristische Wort des Philosophen Odilon Barrot (vielleicht das beste, was diesem je entfahren): „die besagte Rede des Generals Bugeaud ist stupide, und wenn es sich mit ihr ganz so, wie berichtet wird, verhält, dann hat er gleichsam seine eigene Absetzung damit ausgesprochen.“
Das spitzbübische feingeschniegelte Jüngelchen, Falloux genannt, welches den Jesuitismus ins Unterrichtsministerium einführt soviel es ihm möglich, läßt von allen 86 Präfekten Listen der Abonnenten demokratischer Journale anfertigen. Der „Republicain de la Moselle“ in Metz sagt: „Nur ein Loyolist kann es gewesen sein, der ihm diese Inquisitionsmaßregel eingab, die ihre Muster in den ältern Annalen der röm. Priesterherrschaft hat. Jetzt braucht die Reaktion nur durchzudringen mit ihren blutgierigen Gelüsten, und diese Abonnentenlisten, die schon Listen von Verdächtigen sind, werden auf einmal Aechtungslisten. Inzwischen wird durch die frisch eingesetzten Ministerialbeamten, lauter Jesuiten und Königliche, in allen 86 Präfekturen der Wahlakt für die legislative Kammer des Maimonats vorbereitet, und zwar in einer Manier, gegen welche die weiland Duchatel'sche unter dem vertriebenen Könige gar ein Kinderspiel war. Jeder demokratische Kandidat wird jetzt schon von den Wahlagenten als Kommunist bei dem Landmanne verketzert. Wir erklären somit, das Ministerium, indem es solcherlei anordnet und einem Bugeaud das Oberkommando läßt, ist nicht nur mitschuldig, sondern ist Anstifter des Bürgerkriegs. Voll Freuden konstatiren wir unserseits die Agitation der Bauern Bezugs der von den sich restaurirenden Edelleuten 1825 am 27. April dem Lande gestohlenen 1000 Mill. Franken. Das Nähere hievon ist: durch das an jenem unseligen Tage votirte Gesetz wurden 30 Mill. 3pCt. Rente, von einer Milliarde Kapital, zur Liquidation bestimmt. Und zwar laut Art. 5 dieses Gesetzes wurden die Renten fünftelweise, von Jahr zu Jahr, vom 22. Juni 1825 ab, eingetragen; mit Ausnahme der unter 250 Fr. Rente betragenden Entschädigungen, welche nämlich vollständig und auf einmal eingeschrieben wurden.
Am 31. Decbr. 1831 waren die Operationen der Liquidation beendet, und die Summe der Renten belief sich auf 25,995,310 Fr. oder auf 866,510,333 Kapital; was also ein Minus von 133,489,657 Fr. Kapital von jenen 1000 Mill. anzeigt. Das Gesetz vom 5. Januar 1831 tilgte die Verfügung des Aprilgesetzes, nach der die freigebliebenen Gelder ein gemeinsamer Fonds werden sollten, um die beim Vertheilen etwa entstandenen Versehen auszugleichen. Mithin hat Frankreichs Republik ein Anrecht auf 866 1/2 Mill. Fr. mindestens, die Zinsen ungerechnet. Die Nationalversammlung wird zu entscheiden haben, nur sagen wir ihr mit Vergnügen vorher, daß das Volk nicht aufhören wird, Vergütung für die Vergangenheit, Garantieen für die Zukunft zu fordern. Die Dürftigen haben einsehen gelernt, daß sie nur deshalb so zahlreich sind, weil man sie bestohlen, und weil das monarchische Büdget einige Leute auf Kosten Aller reich macht. Diese gefährliche Büdgetmaschine ist nunmehr zu zerbrechen, so daß die Reactionäre am Tage nach der von ihnen beabsichtigten abermaligen Restauration, sich ihrer nicht ferner bedienen können.“
Diese Moselblätter führen einen scharfen, ehrenvollen Kampf gegen dies Ministerial- oder Präfekturblatt, welches wiederum das beliebte Steckenpferd der pfäffischen Königthümler besteigt und sagt: „nichts ist stupider als diese anarchischen Journale, wenn sie sagen, man solle die Bauern auch dies Mal wieder im Hauptort des Kantons votiren lassen, um sie dem Einflusse des Grundherrn und Dorfgeistlichen dadurch zu entrücken.“
Ein anderes mordbrennerisches Messiner, d. h. Moselanerjournal, „Le Voeu National“ nennt die Republikaner „Diebe und Todschläger.“ Während dies in der Provinz vor sich geht, verschwören sich in Paris, Straße du Regard Nr. 18, seit 3 Wochen die Abgeordneten der Provinzialrebellen, fast lauter Priester, zur Leitung der großen legitimistischen Insurrection; bei 500 Arbeiter wohnen diesen vom Ministerium begünstigten Zusammenkünften bei, empfangen für sich und ihre Familien Geld- und Naturalienunterstützungen, werden auf die katholisch-apostolisch-römische Kirche und gegen die Republik vereidigt; auch befindet sich ein großer Waffenvorrath ebendaselbst. Die Pariser Demokratenpresse interpellirte bis jetzt den biedern Leon Faucher vergebens über diese Vorgänge.
Wie dem auch sei, die Legitimisten selber werden scheitern an der Finanzklippe, und der „Republicain de Lot et Garone“ in Agen hat Recht, wenn er in einem durch den ganzen Süden Aufsehn erregenden Artikel vom 21. Febr. sagt: „Unser Finanzsystem wankt seit zehn Jahren dem Abgrunde zu. In unserm Lande mit dem vielzersplitterten Bodenbesitz ist, bei der Theuerheit des Geldes, die Steuernsumme schnell von 1100 auf 1800 Millionen gestiegen. Im Jahre 93 liquidirte die Republik mit Assignatenpapier und ruinirte den Handel durch das Maximum. Damals schätzte man das Mobilvermögen auf 4000 Mill., das Immobil auf 42,000. Die offizielle Angabe des Nettoeinkommens des letztern dient als Basis der Steuern, und nach diesem Verhältniß muß das Immobilvermögen heute 53,100 Mill. betragen; nämlich das Nettoeinkommen beträgt 1593 Millionen, die zu 3% kapitalisirt, eben 53,100 Mill. geben. Andrerseits weiß man heute, daß die Hypothekenschuld Frankreichs 14,000 Millionen nächstens überschreiten wird, sage vierzehn Milliarden! Ferner die sogenannte handschriftliche Schuld, welche nach dem verkauften Papier abgeschätzt werden kann, besteht in 1) einregistrirten Obligationen; 2) garantirten aber nicht einregistrirten Obligationen, wozu die Uebertragungen: Summa 19 Milliarden. Man muß bedenken, daß beim Besitz der Schuldner nur Zweifünftel genießt, und Dreifünftel der Gläubiger. Wäre diese grausame Schuldenmasse gleichmäßig vertheilt, so hätte das Eigenthum bei uns schon seine Bilanz abgelegt. Aber dem ist nicht so: Paris ausgenommen variirt die Schuld in den Departementen von 48 auf 120%. In 76 Departementen ist das Eigenthum zu Grunde; nur in den übrigen 10 Departementen hält es sich, das heißt, es ist dort nur mit 48% belastet. Das Einkommen des Immobils taxirten wir oben auf 1593 Millionen; wir sahen die darauf gewälzte Hypothekenschuld von 14,000 Mill. und die sogenannte chirographische von 19,000 Mill. Summa 33,000 Mill. Schulden.
Nun beträgt der Antheil des Gläubigers bekanntlich 3/5 des Eigenthums, oder 31,240 Millionen. Diese Zahl wird aber von der Schuld (33,000,000) noch um 2000 Mill. überragt; die Schuld ist also über ihren Gipfel, so zu sagen, hinausgedrungen. Unser Immobil ist ausgequetscht, ausgepreßt, ausgesogen, ausgekeltert ‒ man gestatte uns dies Bild ‒ und es hat in sich selber seine Hübfsquellen aufgezehrt. Man bedenke auch, daß die Hypothekenschuld zu 5 pCt., die chirographische zu 6, ja zu 7 pCt. verzinst steht, ganz unter der Fuchtel des Wuchers, des stets freßgierigen Kapitals; während das Einkommen des Immobils 1593 Mill. ist; diese beiden Schuldenklassen machen aber, zu 6 pCt. im Durchschnitte, 1980 Mill. aus. Folglich sagen wir: unser gallischer Grund und Boden zehrt nicht blos sein Einkommen rein auf, sondern verschuldet sich alljährlich um 287 Millionen. Auf der andern Seite ist das Mobileigenthum kräftig gediehen. Unsre Proletarier verkaufen ihre Felder, um Mobilien dafür zu kaufen. Wir fluchen dem Lügensatze: Luxus ist Staatsreichthum. Wir fordern endlich, daß die Republik aus diesem alten Geleise trete, welches sie unrettbar in den Bankrutt führt. Die hohe Finanzokratie aber thront wieder und verhindert den Austritt. Und unsere Minister sind gefesselt und traben der prassenden, ausbeutelnden Finanzokratie nach‥‥ Gott sei Frankreich gnädig!“
@xml:id#ar233_023
@typejArticle
@facs1284
[ 220 ] Paris, 25. Febr.
Einen neuen Beweis der Perfidie des Ministeriums Barrot liefert folgende Thatsache. Bekanntlich flüchtete ein Theil Derjenigen, welche an dem Struve'schen Zuge thätig gewesen waren nach Frankreich und wurde diesen in Besanonçon der Aufenthalt angewiesen. Das damalige Ministerium räumte diesem Korps ein kasernenartiges Gebäude ein und zahlte einem Jeden täglich 10 Sous. Das Korps unter Führung des frühern Premierlieutenant Willich, jetzt etwa 150 Mann stark, war wegen seiner demokratischen Ansichten dem Ministerium Barrot bald ein Dorn im Auge. Barrot wünschte sich desselben möglichst schnell zu entledigen und da es dies nicht offen wagte, nahm es zu folgendem Mittel seine Zuflucht. Er schloß mit dem badischen Gouvernement einen Vertrag dahin ab, daß dem Korps Amnestie gewährt werden solle, wenn es: 1) sich verpflichte, nie wieder an politischen Dingen Theil zu nehmen; 2) daß die Einzelnen unter polizeiliche Aufsicht gestellt würden. Das Korps weigerte sich, einen solchen schändlichen Vertrag einzugehen, und was dekretirt das Ministerium Barrot? „Da das Korps die bewilligte Amnestie nicht annehme, so hört die oben gedachte Unterstützung vom 1. März an auf, auch muß das Korps das Gebäude räumen! Die Flüchtlinge werde durch diese Maßregeln in die schrecklichste Lage versetzt, was freilich den Herren Barrot, Bekk und Konsorten grade zu großer Freude gereicht.
@xml:id#ar233_024
@typejArticle
@facs1284
[ 12 ] Paris. 25. Februar.
Das Amendement von Pierre Leroux hat seine Früchte getragen; gestern ging es durch in der Kammer und heute fand es schon seine Anwendung im Correctionell. Wir haben uns in unserer Auffassungsweise der bürgerlichen Ehe nicht getäuscht: die bürgerliche Justiz hat sie schon heute sanktionirt. Die bürgerliche Ehe hat nur eine Bedeutung, wenn hinter ihr das bürgerliche Eigenthum steht. Die Proletarier-Ehe im bürgerlichen Sinne ist ein Unsinn geworden. Das konstitutionelle Blatt Papier, welches in diesem speziellen Falle zwischen Mann und Weib gestellt ist, kann dem Einen oder dem Andern nur dann zu Gute kommen, wenn wirkliche Güter da sind, die beschützt werden sollen. Ist aber kein anderes Gut da, als die eheliche Treue, und werden Richter und Gensd'armen zur Bewahrung der Treue und zur Bestrafung der Untreue angerufen, dann zeigt sich der bürgerliche Unsinn in seiner ganzen Fülle. Das Amendement von Pierre Leroux hat diesen Unsinn auf die sinnreichste Weise anschaulich gemacht, und der heutige Prozeß, welcher mit Berufung auf das Amendement von Pierre Leroux endete, ist, wie gesagt, die erste praktische Anwendung dieses Gesetzes. Es handelte sich von einer Anklage auf Ehebruch. Der Kläger, Herr Sorret, ist Buchhalter. Wie es in der Art Geschichten zu gehen pflegt, hatte er durch Anzeichen aller Art angefangen, Verdacht zu schöpfen auf seine Frau; er ließ sie bewachen und war so glücklich, das flagrante Vergehen durch den Kommissär konstatiren lassen zu können. Der Polizei Hierzu eine Beilage.