[0665]
Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 132. Köln, Donnerstag den 2. November. 1848.
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Uebersicht.
Deutschland. Wien. (Nachrichten des „Pr. St.-A.,“ der „Dtsch. Ref.,“ der „Bresl. Ztg.“ und der „Const. Bl. a. B.“) Olmütz. (Kaisl. Manifest). Prag. (Die Börse). Frankfurt. (National-Versammlung). Berlin. (Vereinbarungssitzung. ‒ Vermischtes. ‒ Die Elbinger Affaire. ‒ Demokratischer Kongreß). Posen. (Dankadresse). Triest. (Unruhen).
Italien. Livorno. (Die Bewegung).
Schweiz. Bern. (Das Freiburger Pfaffenkomplott).
Franz. Republik. Paris. (Die Kandidatur Louis Napoleons. ‒ Vermischtes. ‒ National-Versammlung).
Spanien. Madrid. (Vista Hermosa. ‒ Moptanos arretirt. ‒ Die Insurgenten. ‒ Cabrera).
Großbritannien. London. (Handel. ‒ Politik. ‒ Die Seeschlange. Die „Post“ über Deutschland). Dublin. (Die Prozesse der Insurgenten).
Amerika. Rio. (Montevideo. ‒ Colonia in den Händen der Blancas).
Deutschland.
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Wien.
Zeitungen und Briefe aus Wien sind uns immer noch nicht zugekommen. Die Nachrichten, die wir mittheilen, sind dem „Preußischen Staatsanzeiger“, der „Deutschen Reform“, der „Breslauer Zeitung“ und den „Prager Constitutionellen Blättern“ entnommen. Diese Blätter sind sämmtlich gleich verdächtig. Die „Neue Preußische Zeitung“ weiß sogar aus zuverlässiger Quelle“, daß die Führer der akademischen Legion „feige“ geflüchtet sind. Sobald uns unsere gewöhnlichen Berichte zugehen, werden wir sie sofort mittheilen.
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Wien.
Aus zuverlässigen Nachrichten steht so viel fest, daß die Beschießung und der Angriff der Stadt am 28. Morgens bald nach 10 Uhr begonnen hatte. Ueber die derselben vorhergegangenen letzten Ereignisse, gehen uns aus der Umgegend Wiens noch folgende Nachrichten zu: Der Fürst Windischgrätz hatte die Bedenkzeit zweimal verlängert; die letzte Frist war am 27. Abends abgelaufen. An diesem Tage hatte fast vollständige Waffenruhe stattgefunden. Man sah zwei Feuersbrünste in der Stadt oder der unmittelbaren Nähe derselben. Der Fürst hatte dem Gemeinderathe angezeigt, er werde ihn für allen Schaden, der der Stadt aus den nothwendig werdenden Gewaltmaßregeln erwachse, verantwortlich machen. Einzelne Personen, denen es mit großer Mühe gelungen, die Stadt zu verlassen, erzählten, daß daselbst das bewaffnete Volk selbst in die Gasthäuser dringe und die Fremden zur Theilnahme am Kampfe zwinge.
Die Ungarn standen am 27. mit angeblich 40-50,000 Mann jenseits der Leitha, und über ihre Absichten herrschte vollständige Ungewißheit. Seitdem das erste Dampfschiff mit 700 Ungarn in Grund geschossen worden, ist kein weiterer Versuch von ihnen gemacht worden, der Stadt zu Hülfe zu kommen.
[(Pr. St. A.)]
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Wien.
Die „Deutsche Reform,“ das Journal des Herrn Milde, läßt sich aus Wien vom 28. Oktober berichten:
Das Bombardement der Stadt hat am 28. Oktbr. Morgens begonnen.
Windischgrätz hatte die Entwaffnung der Arbeiter und des Restes der akademischen Legion gefordert. Darauf hatten die Deputationen der verschiedensten Korporationen Wiens erklärt, daß sie außer Stande seien, diese Entwaffnung auszuführen, und ihn aufgefordert, in die Stadt, die sie ihm freiwillig überliefern wollten, einzuziehen und die Entwaffnung selbst vorzunehmen. Windischgrätz erwiederte, daß er keinen Straßenkampf eingehen werde. ‒ Schon am 27. d. M. wurden einige Bomben in die Stadt geworfen, die einige Häuser in Brand steckten. Dann trat bis zum 28. d. M. Stille ein; die Entwaffnung ward nicht angekündigt. Darauf begann am Morgen des 28. das Bombardement.
Ein Breslauer Brief vom 29. Oktbr. 4 Uhr Nachmittags enthält Folgendes: Durch das Fahrpersonal der Wiener Bahn ist Abschrift folgender gestern nach Ollmütz telegraphirten Depesche angelangt:
„General Wias an den Minister v. Wessenberg in Ollmütz. Gestern (den 28. Okt.) 11 Uhr, hat Feldmarschall Windischgrätz von allen Seiten angegriffen. Das Bataillon Schönhals, welches am Eingange der Jägerzeil die erste mit zwölf Kanonen besetzte Barrikade erstürmt hatte, ist aufgerieben worden. Die Barrikade wurde später von den Jägern und Grenadieren genommen. Das Militär ist bis an das Karlstheater vorgedrungen. Die Vorstädte Louisenstraße und Franz-Allee stehen in Flammen. Die Anführer der Studenten flüchten.“
Von allen diesen Nachrichten ist nur die eine glaublich, daß das Bataillon Schönhals aufgerieben und ein allgemeiner Angriff auf Wien versucht worden ist.
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Wien.
Die Prager Zeitung verkündet durch den Gubernialpräsidenten Mecsery Folgendes aus Wien:
Ueber meine Anfrage kam mir heute um 7 Uhr Abends vom Minister Wessenberg folgende telegraphische Depesche zu:
„Gestern um 11 Uhr Morgens fand ein Angriff auf die Truppen in der Leopoldstadt statt, dessen Resultat unbedeutend. Fürst Windischgrätz hat einen neuen Termin von 24 Stunden gegeben. Morgen hoffe ich Näheres zu liefern.
Prag, am 27. Oktober.
Mecsery.“
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Wien.
Eine der Bresl. Ztg. „auf außergewöhnlichem Wege“zugekommene Mittheilung ist von Lundenburg, 26. Oct., Nachts 11 Uhr datirt, und lautet:
„Es ist unmöglich und nicht der Augenblick erlaubt es mir, Ihnen Alles im Detail mittheilen zu können, was ich in größter Hast und Eile hier und da von verschiedenen Gruppen der auf dem Stationsplatze versammelten Menschenmassen erhaschen konnte. Doch aus dem Munde einiger Eisenbahnbediensteter, welche den heutigen Tag über in Florisdorf und Augen- und Ohrenzeugen waren, erfahre ich folgende Hauptsachen: Die tapferen Wiener sind und waren noch überall Sieger! Sie unterhalten ein wahrhaft mörderisches Feuer, welches selbst den kaiserl. Offizieren das Geständniß erpreßte: „Wenn das so fort geht, so haben wir nicht Leute genug.“ ‒ Von dem 5ten Jäger-Bataillon, welches durch den Prater der Stadt sich näherte, blieben c. 150-160 Mann übrig, die andern sind alle gefallen. ‒ Das Merkwürdigste ist, daß gestern Nachmittag zwischen 4 und 5 Uhr Windischgrätz das Feuer einstellen mußte wegen gänzlichen Mangel an Munition ‒ und von den Wienern einen Waffenstillstand verlangte, worauf jedoch diese antworteten, sie brauchen keinen Waffenstillstand, sondern sie werden kämpfen, bis sich die Sache entschieden hat. ‒ Windischgrätz dachte bei der Nußdorfer Linie ohne Mühe und großen Widerstand einzudringen, stieß aber hier auf einen harten Stein, denn diese soll die meisten Schanzen und stärksten Barrikaden haben. ‒ Der Wiener Nordbahnhof einzig und allein ist von dem Militär besetzt, und dies ist auch alles, was sie seit drei Tagen erreicht haben. ‒ Nun fehlt es ihnen gänzlich an Munition, und Augenzeugen sagen aus, daß die Patronen des schweren Geschützes und Alles herhalten muß, um den Mangel zu ersetzen. ‒ Uebrigens hört man, daß Morgen, den 27sten, ein Separat-Train von Olmütz mit Munition abgehen soll. Auch sind heute 2 Briefe an das Verpflegungs-Magazin in Brünn abgegangen, wahrscheinlich um Brod, auch fehlt es an Geld und Fleisch. Das Feuer hat Abends neuerdings begonnen, und man erwartet eine schreckliche Nacht. Windischgrätz soll fortwährend Brandraketen werfen lassen, woran wohl der Mangel an sonstiger Munition Schuld sein mag. Feuer sieht man an verschiedenen Orten, des Tages unbedeutend, so wie aber die Nacht einbricht, überzieht sich der Himmel mit einem blutrothen Schleier. ‒ Abgebrannt sind die große Dampfmühle an der Donau, die sogenannte Schweizerfabrik am Nordbahnhofe, das Jägerhaus gegenüber. Die braven Wiener werden nicht unterliegen; denn sie kämpfen löwenmuthig und sind auf Alles gefaßt. Die Burg, die National-Bank, das Zeughaus und die Universität, ja selbst der Stephans-Dom soll unterminirt sein, um im Falle der Noth sich und das Militär unter dem Schutte zu begraben. ‒ ‒ Jellachich hat sich zurückgezogen. ‒ Die kaiserl. Pioniere wollten bei Florisdorf eine kleine Schanze aufwerfen. Als sie drei Schuh hoch war, fingen die Wiener darauf zu feuern an, so zwar, daß binnen wenigen Minuten Alles in Fetzen herumflog. Die Pionier-Offiziere gestehen offen, daß die Wiener sich sehr fest gesetzt haben, was sie nie glaubten.“
Abends 11 Uhr. So eben, berichtet die Bresl. Ztg., kommt uns noch ein mährisches Blatt vom 26. Oct. zu Händen, welches, obgleich älter als obige Mittheilung, doch im Allgemeinen mit derselben übereinstimmt. Dasselbe meldet nämlich: „Die Truppen des Fürsten Windischgrätz sollen eine Uebergangsbrücke geschlagen und den Angriff begonnen haben; wahrscheinlich hat Wien die Friedensbedingungen des Prager Imperators, nämlich die Entwaffnung der Proletarier und die Auflösung der Legion entrüstet zurückgewiesen. In dem Tumulte des Kampfes soll ein Grenadier-Bataillon, dann Pioniere und 18 Artilleristen zu den Wienern übergegangen sein. Die Kanonen des Volkes schossen die Uebergangsbrücke in Brand, namentlich war das Feuer von der Bastei lebhaft und von siegender Wirkung. Man erzählt, es habe das bei diesem Angriffe betheiligte Militär sehr lau und mehr mit Unwillen die Waffen gegen das Volk gebraucht. Man schildert die Arbeiter als löwenkühn: sie sollen sich furchtlos in den Bereich der feindlichen Geschütze gewagt, die militärische Bedeckung derselben aber auf sie nicht mehr gefeuert haben. Die Kanonade begann um 4 Uhr Nachmittags, und um 8 Uhr Abends, als die Reisenden abgingen, spielten noch immer die Geschütze von beiden Seiten. Zwei Häuser der Leopoldstadt geriethen in Brand; er wurde jedoch bald gelöscht.“
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Lemberg, 22. Okt.
In der Sitzung, welche die hier versammelten Russinen am 19. l. M. im Gebäude des griechisch-katholischen Seminars abhielten, debattirte man vornehmlich über Sicherung der russinischen Nationalität, Hebung und Ausbildung ihrer Sprache, und Hervorrufung des nationalen Bewußtseins beim Landvolke. Auch die Errichtung einer besondern russinischen Nationalgarde wurde in der Session berührt. Schon vor geraumer Zeit gelangten an das galizische Landespräsidium zahlreiche Bitten um die Bewilligung einer besondern russinischen Nationalgarde, Bitten, die von der Voraussetzung ausgegangen sein mochten, die hierlands bestehende Garde sei ein rein polnisches militärisches Institut. Deshalb projektirten die Gesuchsteller für die neue Garde eine besondere Einrichtung und eine eigene Adjustirung mit dem Beisatze, daß das Kommando der russinischen Nationalgarde nicht in polnischer Sprache geführt werden solle. ‒ Das Landespräsidium verwarf alle Anträge zur Errichtung eines Sonderkorps mit der Begründung, daß es hier zu Lande weder eine besondere polnische noch eine eigene russinische, sondern nur eine galizische Nationalgarde gebe, deren Reglement innerhalb der Schranken des Gesetzes dem Uebereinkommen des Korps selbst anheimgestellt bleibt. ‒ Bei dem Allen scheinen schon früher in den russinischen Kreisen Vorbereitungen zur Errichtung dieser Garde gemacht, und zu diesem Zwecke Religion und Fanatismus ausgebeutet worden zu sein, denn hier und da kam es zu störenden Auftritten. In dem Orte Konotopy namentlich, hat der Dorfpfarrer die Einigung der Bewohner in ein selbstständiges russinisches Korps mit allen Mitteln durchsetzen wollen, und als er bei dem Grundherrn Widerstand fand, bewaffnete er die Bauern mit Dreschflegeln, Sensen und Aexten, und nahm auf dem Hofe eine drohende Stellung so lange an, bis ein Kreiskommissär einschritt.
Die hiesige Deputation, die vor einiger Zeit nach Pest abgegangen war, um den Ungarn die Hülfe der Polen anzubieten, kehrte am 18. d. M. von dort zurück. Sie wurde sehr gut aufgenommen, und Kossuth soll der künftigen magyarisch-polnischen Legion sehr vortheilhafte Bedingungen angeboten haben. In Folge des Anerbietens sind in der That mehrere junge Leute nach Preßburg abgegangen; der letzte Transport verließ Lemberg am 20. dieses Monats.
[(Cst. Bl. a. B.)]
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Olmütz, 28. Oktober.
So eben ist folgendes Manifest erschienen:
„Wir Ferdinand der Erste, konstitutioneller Kaiser von Oestreich, König von Ungarn etc. etc. Die Unserm Herzen so schmerzlichen Ereignisse in der Hauptstadt der Monarchie, und die Fortdauer des anarchischen Zustandes daselbst haben Uns zur Wahrung des Thrones und des Glückes unserer Völker in die traurige Nothwendigkeit versetzt, die offene Empörung durch die Gewalt der Waffen zu unterdrücken, wie Wir dieses in Unsern Manifesten vom 16. und 19. Oktober l. J. Unsern Völkern verkündigt haben. ‒ Bei dem gestörten Zustande der gesetzlichen Ordnung in der Hauptstadt und bei dem bevorstehenden Eintritt militärischer Maßregeln ist es für den Reichstag unmöglich geworden, daselbst seine Berathungen fortzusetzen. Wir finden Uns daher bewogen, anzuordnen, daß der Reichstag seine Sitzungen in Wien alsobald unterbreche, und Wir berufen denselben auf den 15. November l. J. nach der Stadt Kremsier, wo er in der Lage sein wird, sich ungestört und ununterbrochen seiner großen Aufgabe der Ausarbeitung einer den Interessen Unserer Staaten entsprechenden Verfassung ausschließlich widmen zu können. ‒ Es werden demnach alle zum konstituirenden Reichstage erwählten Volksvertreter aufgefordert, sich bis zum 15. November in der Stadt Kremsier zuverlässig einzufinden, um daselbst die unterbrochenen Berathungen in Beziehung auf die Verfassung fortzuführen und solche mit Beseitigung aller Nebenrücksichten in Bälde einem gedeihlichen Ende zuzuführen. ‒ Wir versehen uns, daß alle zum konstituirenden Reichstage gewählten Vertreter des Volkes ihrer Pflichten gegen das Vaterland eingedenk, sich angelegen sein lassen werden, pünktlich zur oben bestimmten Zeit an dem bezeichneten, zeitweiligen Sitze des Reichstages zu erscheinen, um sich daselbst ungesäumt mit der baldigen Lösung der ihm gewordenen großen Aufgabe ernstlich zu beschäftigen.
Olmütz am 22. Oktober 1848.
Ferdinand m. p. Wessenberg m. p.“
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Prag, 26. Oktober.
Sie werden erwarten, daß hier in Prag die Gemüther gespannt sind auf den Ausgang der Wiener Wirren und ängstlich die Ankunft der Bahnzüge erwarten; ‒ o Sie irren sich, die Prager sind ganz ruhig, sie sind des Ausganges gewiß. Was glauben sie? Windischgrätz's Granaten sollen helfen. Die Stockjobbers geben 8 pCt. auf das schwere Belagerungsgeschütz, das man von Theresienstadt in das Lager bei Wien geführt hat. Die Herren müssen ihres Sieges sehr gewiß sein; woher sonst die Steigerung der Metalliques von 66 auf 74 pCt. ? Nicht einmal das haben die schlauen Spekulanten aus der Märzepoche behalten, daß mit Bajonnetten und Kartätschen die Course sich nicht halten lassen, wenn ein einiges Volk sich erhebt zum Schutze der unverletzlichen Freiheit. ‒ Die Börse und der Banquier haben seit dem 6. Oktober eine Stellung, mit nichts Anderem vergleichbar, als mit den Tauben und den gesäeten Erbsen, von denen das Wortspiel gilt, wenn sie kommen, kommen sie nicht, kommen sie nicht, so kommen sie. Die Verfallzeit der Wechsel ist über den erst bestimmten Termin bis zum 1. November hinausgeschoben und die Börsenbourgeoisie schreit Hosiannah der provisorischen Regierung von Wien. ‒ Diese Unruhe übertäubt jede andere Betrachtung, die sonst anzustellen wäre. Sie wissen die Verlegenheit der österreichischen Bank, als von allen Seiten Leute herbeiströmten, welche statt der Banknoten die zugesicherten Zwanziger haben wollten. Die Bank verweigerte die Auswechselung größerer Summen, und um dem Verkehr im Lande zu helfen, creirte man Papiere zu 1 und 2 Gulden. Trotzdem drängten die Leute in die Auswechselungsbureaux, und bald zahlte man 3, ja auch 5 pCt. Agio im Umtausch des Papiers gegen Silber. Die Bank mußte Rath schaffen, Silber zu bekommen, man kam auf den famosen Gedanken des Silberausfuhrverbotes, und da man bald sah, daß dies nichts half, so hob man diese verkehrte Maßregel nicht auf, nein, die Bank alliirte sich mit Herrn Salomon Heine in Hamburg, welcher gegen ein gewisses Agio Silber nach Wien lieferte; das waren die geheimen Geldsendungen, von denen die Breslauer Zeitungen immer berichteten. Aber Heine sandte den Wienern keine englische Silberbarren, nein, ihre eigenen, aus dem Lande herausgeschmuggelten Zwanziger, sandte er ihnen zurück, und kein Anderer als Salomon Heine hat das Vaterland gerettet, denn wer hätte sonst den Wienern das Silber geschafft, wenn nicht er? ‒ Halten Sie aber die Wiener Bankdirektion ja nicht für dumm, das sind schlaue Köpfe, der Ausfuhr zu steuern fabriziren sie jetzt Sechs-Kreuzerstücke mit einem Silberwerth von nur 3 3/4 Kreuzer. Sie kennen die Karrikatur von dem Adler, welcher Silber frißt und Papier.
[(A. D.-Z.)]
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@facs0665
[ !!! ] Frankfurt, 30. Oktober.
Sitzung der National-Versammlung.
[0666]
Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung über die Verfassung (§. 4.). ‒ Ergänzungswahlen. ‒ Anfang 9 1/2 Uhr. Es sind etwa 100 Abgeordnete und 20 Zuschauer da. Präsident Gagern. Vor der Tagesordnung.
Präsident theilt mit, daß der Abgeordnete Wiethaus aus Westphalen ausgetreten; dagegen neu eingetreten Werner für Offenburg. (S. unten, es ist der steckbrieflich verfolgte.) Heimbrodt für Breslau, Richter aus Mähren. ‒ Unter andern Flottenbeiträgen wird angezeigt: Eine Obligation des ehemaligen Königreichs Westphalen (Gelächter) und ein paar Ohrringe von einem deutschen Mädchen (Bravo).
Der Abgeordnete Stein aus Oesterreich erklärt schriftlich, daß er sich der Abstimmungen bei dem Verfassungsentwurf enthalten wird. (Dieses Unglück.) Mehrere Berichte werden zum Druck angekündigt.
Plathner (im Namen des Central-Legitimationsausschusses). Bericht wegen der Wahl des steckbrieflich verfolgten Advokat Werner für Offenburg (S. oben) in Baden.
Der Ausschuß beantragt: da der formellen Wahlberechtigung des Herrn Werner nichts entgegensteht, eine Commission niederzusetzen, welche über den Antrag der badischen Regierung (den Werner zu verhaften) der Nationalversammlung ihr Gutachten vorlegt. Man geht auf diesen Gegenstand sofort ein.
Rösler (Oels) protestirt dagegen, weil Werner nicht anwesend ist Trotzdem stimmt man ab, und der Antrag des Ausschusses wird angenommen.
Die Angelegenheit wird dem Blum-, Günther-, Simon-, Zitz-, Schlöffel-, Löw-, Bernhardy-, Jürgens'schen (Polizei)-Ausschuß zugewiesen.
Zachariä (vom internationalen Ausschuß) theilt mit den Bericht über die „Schaumburg-Lippe'sche“ Petition, resp. Protestation gegen jeden Eingriff in ihre politische Selbstständigkeit (Mediatisirung!) (Gelächter.)
Der Antrag des Ausschusses geht dahin, die Petition ad acta zu legen.
Wiegard, Jucho, Adams u. a reden einige Worte über diesen Gegenstand, die beiden ersteren wollen die Petition nicht ad acta, sondern dieselbe in Erwägung ziehen, wenn von den Mediatisirungen (§. 5. der Verfassung) überhaupt gesprochen werden wird.
Schierenberg will sie an den Verfassungsausschuß. Das Letztere wird angenommen.
Fernerer Bericht über den Antrag von Zimmermann aus Spandau, betreffend die deutschen Juni-Gefangenen in Paris. Antrag des Ausschusses: Tagesordnung! (Bravo links!)
Wegen der Junigefangenen streiten die Herren Zimmermann aus Spandau und Zachariä sich etwas herum, worauf man beschließt, diesen Gegenstand heut nicht zu berathen, sondern auf eine der nächsten Tagesordnungen zu setzen, wie es Hrn. Zimmermann's Wunsch ist.
Jetzt folgt ein Berg von Interpellationen!
Joseph (Sachsen) fragt das Reichs-Justizministerium, ob es bekannt mit der scheußlichen Ermordung von wiener Studenten durch Auersperg'sches Militär, und ob es dem Mord an dem Reichsverräther Latour mehr Sympathien widmet als der Ermordung jener Kämpfer für Freiheit und Ordnung Ferner, ob demselben Ministerium bekannt, daß die am 18. September in Frankfurt Gefangenen viele Mißhandlungen von den Soldaten haben erleiden müssen?
Demel. Das gesetzliche Organ Oesterreich's (der Reichstag) habe das von Windischgrätz angekündigte Bombardement Wiens für ungesetzlich erklärt ‒ ob in Folge dessen von den Reichskommissären Welker und Mosle hierüber berichtet, und wenn dies nicht geschehen, was vom Reichsministerium gethan, um dem wiener Reichstag Kraft zu verschaffen, dem Windischgrätz die Spitze zu bieten?
Nauwerk. Welche Schritte haben die Commissäre Welker und Mosle gethan, um ihrem Auftrag zu genügen, und welchen Erfolg haben ihre Schritte gehabt?
Förster von Hünfeld. Wie es mit dem längstversprochenen Minister-Programm aussieht?
Beseler (interpellirt zum erstenmal). Nach vorherigen Erwägungen, welche über 15 Minuten Zeit wegnehmen, fragt er das Ministerium, ob es nicht möglich, daß den mit Einquartirung belasteten Staatsbürgern eine sofortige Entschädigung gegeben werde?
Joseph Frank. Welche Mittheilungen sind von den Reichskommissären in Oesterreich eingegangen? ‒ Ob das Ministerium gegen die ungesetzliche Betretung des deutschen Bodens von Seiten Jellachich's, und zu friedlicher Lösung des österreichischen Bürgerkrieges Schritte gethan?
Justizminister von Mohl: (auf Joseph's Interpellation, s. oben). Von den Mißhandlungen der am 18. September Gefangenen ist ihm nichts bekannt. Wegen der Ermordung der österreichischen Studenten hat er sich an die österreichische Regierung gewendet, noch keine Antwort erhalten, es ist aber an die Reichskommissäre die Weisung ergangen, auf alle Art zuzusehen, daß dieser Bürgerkrieg menschlich geführt werde. Auf Untersuchung und Bestrafung der Mörder der wiener Studenten sei angetragen. Ob bei einer solchen Untersuchung das Justizministerium einen Rangunterschied mache, überläßt er der Beurtheilung der Nationalversammlung. (Diese Beurtheilung erfolgt sofort durch heftiges Bravo der Centren und Rechten.)
Minister Schmerling nimmt sich die Aehre (Ehre) verschiedene Interpellationen zu beantworten. Ad 1. auf die Interpellation Försters von Hünfeld wegen eines Ministerprogramms. Der Minister weiß nicht, was mit einem solchen Programm gemeint sei. (Links hört!) Der Geschäftskreis der Minister sei ja der Versammlung bekannt. ‒ Es könne bloß ein Programm der auswärtigen Politik gemeint sein. Dies würde sich erst mit dem Definitivum der Centralgewalt genau feststellen lassen. Aber einiges ließe sich schon bemerken. ‒ Folgen einige längstbekannte Bemerkungen über Schleswig und Italien (voilà ein Programm der auswärtigen Politik). Links ruft man: Und die Schweiz! (Bleibt unberücksichtigt).
Auf Interpellationen wegen Oesterreich (Nauwerk, Frank, Demel) erwidert der Minister: Die Absendung von Reichkommissären und das Benehmen des Reichsministeriums in der österreichischen Angelegenheit sei von der Nationalversammlung gebilligt worden. (Das ist wahr!) Die Reichskommissäre (Welker und Mosle) theilen aus Ollmütz (!) mit, sie haben sich über den Zustand in Kenntniß gesetzt (eheu!) und demnächst ihre Vermittelung begonnen. In Wien war ihnen zu viel Unordnung, deßhalb haben sie von Ollmütz aus an Kraus, Smolka und Windischgrätz Erklärungen abgegeben, jedes Zusammentreffen mit den Waffen solle vorerst vermieden werden. In Ollmütz bei dem verantwortlichen Wessenberg und dem Kaiser sind sie sehr gut aufgenommen worden. ‒ Uebrigens (fährt Schmerling fort) ist es Thatsache, daß bis jetzt kein Angriff auf Wien stattgefunden, vielmehr Windischgrätz nach Ollmütz berufen. Die Vermittelung werde begonnen.
Schmerling macht darauf aufmerksam, daß er in einem Schreiben an die vielgenannten Reichskommissäre, denselben empfohlen, so wie jeder Anarchie, auch jeder Reaktion entgegenzuarbeiten, und sie angewiesen, die militärischen Führer aufzufordern, die erbitterte Stimmung ihrer Soldaten nicht zu benutzen. (Links oh! Gelächter ‒ Bravo und Zischen.) Auf Beselers Interpellation; (S. oben.) es liegt in den Händen der Versammlung, Fonds anzuweisen, um dem von Herrn Beseler ausgesprochenen Wunsche zu genügen.
Bezüglich Jahn's Interpellation (Wegen Blum's u. a. Reise nach Wien S. früheren Bericht) macht der Minister von der Erlaubniß Gebrauch, nicht antworten zu dürfen, und glaubt, daß das Haus nichts dawider haben wird. ‒ (Gelächter und Zischen.)
Schneer interpellirt das Handelsministerium, ob von demselben ein statistisches Büreau für Deutschland errichtet werde?
Dukwitz (Handelsminister): Das Ministerium sei damit beschäftigt, zur Errichtung eines solchen Büreaus bedeutende Persönlichkeiten zu gewinnen, bis Anfang nächsten Jahres wird dasselbe wohl zu Stande kommen. Förster von Hünfeld, Zimmermann von Spandau und Beseler erklären sich mit der Antwort des Ministers auf ihre Interpellationen nicht zufrieden, und behalten sich Anträge vor. ‒
Nauwerk stellt den dringlichen Antrag: Das Reichsministerium solle sofort den Befehl zur Einstellung des Belagerungszustandes von Wien, und zur Zurückziehung der Truppen erlassen; ‒ Nöthigenfalls Reichstruppen zur Ausführung dieses Befehls verwenden. ‒ Welker und Mosle seien mit Durchführung dieses Auftrages zu betrauen. ‒ Die Dringlichkeit wird verworfen. (Tumult.)
Frank stellt einen ähnlichen Antrag, welchem es ebenso ergeht.
Nauwerk beantragt, den Ausschuß welchem sein Antrag übergeben wird, mindestens zur Berichterstattung bis Morgen aufzufordern. Wird verworfen. Die Centren rufen: Tagesordnung! ‒
Vogt. Der Minister hat von einem Recht gesprochen, welches ihn der Antwort auf gewisse Interpellationen enthebt. ‒ Nach der Geschäftsordnung sind für eine solche Nichtbeantwortung die Gründe anzugeben. Dies soll im vorliegenden Falle bei Jahn geschehn. ‒ (Bravo!)
Präsident: glaubt (!) daß nur Jahn hierüber sich zu erklären habe. (Links: und das Gesetz! Wo bleibt das Gesetz!)
Frank bemerkt, er habe über die Dringlichkeit seines Antrags vom Prüsidenten namentliche Abstimmung verlangt. Dieser habe sie verweigert.
Präsident (Sehr kurz.) Meine Herren ich habe dies gethan, und wir gehen zur Tagesordnung über. (Tumult!)
Zimmermann aus Spandau protestirt gegen dies Verfahren. (Wiederholter Tumult. Reh ruft sehr laut vom Platze: „Sie dürfen gar nicht präsidiren in dieser Sache.“ ‒ Der Präsident erklärt, er habe dazu das Recht, und werde weiter präsidiren.
Wiesner und Berger beantragen dringlich: die Reichskommissäre zurückzurufen, und durch bessere zu ersetzen.
Der Antrag wird nicht als dringlich erachtet, und (um 3/4 12 Uhr) zur Tagesordnung übergegangen.
Tagesordnung. (s. oben).
§. 4 des Entwurfs lautet: „Das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes, welches mit einem nicht deutschen Lande in dem Verhältniß der Personalunion steht, muß entweder in seinem deutschen Lande residiren, oder in demselben eine Regentschaft auf verfassungsmäßigem Wege nach Rappard's Amendement niedersetzen, zu welcher nur Deutsche berufen werden dürfen.“
Zusatz der Minorität: „Das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes, welches mit einem nicht deutschen Lande durch die Personalunion verbunden ist, darf nicht deutsche Truppen in seine Länder verlegen, außer in Veranlassung von Reichskriegen auf Anordnung der Reichsgewalt. (Schüler, Blum, Wigard.)
Rösler von Oels erklärt sich gegen den Paragraphen. Das Minoritätsvotum geht ihm nicht weit genug, er beantragt den Zusatz: „wie überhaupt keine Ausländer als Beamte angestellt werden können, außer mit Zustimmung der Volksvertretung des betreffenden deutschen Staates.“ Unterstützt ist der Antrag von 25 Mitgliedern der Linken.
Linde aus Mainz (der langweiligste aller Staatsräthe) spricht für den Paragraphen in obiger Fassung.
Kolb aus Speyer (ist frühstücken.)
Vogt. Gegen den §. des Entwurfs. Wir haben nur zu bestimmen, was unsere Verfassung angeht. Der Vorredner hat gesagt, wir seien hier um einen deutschen Kaiser zu machen, dies scheint mir gar nicht unsere Aufgabe, sondern ein deutsches Reich wollen wir machen, (wollen wir!) Vogt erklärt sich für das Minoritätserachten und den Zusatz Röslers von Oels, und spricht sich besonders gegen das Truppensenden aus fremden Provinzen in wiederum fremde Provinzen. Die ganze Debatte ist matt und theilnahmlos.
Herr von Soiron der frühere Vicepräsident, vertheidigt den Paragraphen des Entwurfs. Man ruft Schluß! Vor dem Schluße gestattet die Versammlung, auf Bitten(!) des Präsidenten, Herrn Schüler noch das Wort zur Vertheidigung des Minoritätserachtens. Der Berichterstatter des Ausschusses (Riesser) spricht für den Paragraphen 4. Abstimmung: §. 4 (s. oben) wird angenommen. Dazu ein Amendement von Rappard, „daß die Regentschaft auf verfassungsmäßigem Wege eingerichtet werden muß.“
Ein Zusatz zum Minoritätserachten von Rösler aus Oels („daß auch keine deutschen Truppen in nicht deutsche Länder zu verlegen seien“) wird durch Zettelabstimmung mit 138 Stimmen gegen 224 verworfen.
Das Minoritätsvotum (s. oben) wird durch gleiche Abstimmung mit 108 Stimmen gegen 187 verworfen.
Es sollen die Zettel zu den Ergänzungswahlen eingesammelt werden. Hierbei erklären Benedey und Schaffrath, daß sie und viele anderen nicht mehr mit wählen werden, weil von ihrer Partei nie ein Wahlkandidat vorgeschlagen oder gar genehmigt wird. (Dies ist wahr!)
Michelsen meint, in gewissen Ausschüssen käme es gar nicht darauf an, aus allen Parteien zu wählen. (Wird furchtbar ausgelacht und von links höhnisch beklatscht.)
Man geht zu §. 5. des Verfassungs-Entwurfs:
§. 5.
„Abgesehen von den bereits bestehenden Verbindungen deutscher und nicht deutscher Länder soll kein Staatsoberhaupt eines nicht deutschen Landes zugleich zur Regierung eines deutschen Landes gelangen, noch darf ein in Deutschland regierender Fürst, ohne seine deutsche Regierung abzutreten, eine fremde Krone annehmen. Wird ohne Diskussion angenommen. Hingegen werden Alle Amendements zu diesem Paragraphen und das Minoritätserachten, (welche sämmtlich sich auf die Mediatisirung der kleineren Fürsten beziehen) nach einem Antrage von Ziegert zur Begutachtung und nochmaligen Berichterstattung an den Verfassungsausschuß zurückgewiesen. Das Minoritätserachten zu 5 lautet: „Kleinere deutsche Staaten können sich zu einem größeren deutschen Staate vereinigen, oder einem bereits bestehenden größeren deutschen Staate einverleiben.
Doch darf mit keinem deutschen Lande, welches bereits über 5 Millionen Einwohner hat, ein anderes deutsches Land verbunden werden.
Eine Ausnahme von letzterer Bestimmung machen nur solche kleine Staaten, deren Gebiet innerhalb der größeren über 5 Millionen Einwohner zählenden deutschen Staates liegen.“ (Schüler, Wigard, Blum.)
(Artikel 3.) §. 6. soll dran kommen, da aber auf die Diskussion nicht Verzicht geleistet wird, vertagt man die Debatte über denselben bis Morgen. (Den Wortlaut des §. Morgen.) Hierbei ereignet sich eine höchst spaßhafte Scene.
Der Abgeordnete Wedekind erhält nämlich das Wort vom Präsidenten, zur Begründung eines Antrags auf Vertagung, weil seiner Ansicht nach §. 6. nicht mehr auf der Tagesordnung steht. Furchbarer Schlußruf läßt ihn jedoch nicht zum Wort kommen. Er verbietet sich die Roheit, und spricht unter unauslöschlichem Gelächter immer mit den Händen gestikulierend wohl 10 Minuten, ohne daß man ein Wort versteht. Simson zeigt ihm endlich nach langen vergeblichen Beruhigungs-Anstrengungen, daß er sich geirrt hat.
Vor Schluß der Sitzung beklagt sich noch Vogt und sehr viele Mitglieder der Linken in einem dringenden Antrage gegen den Präsidenten (v. Gagern) wegen seiner selbstwilligen Wortverweigerungen im Beginn der heutigen Sitzung (s. oben) sie wollen: „die Nationalversammlung soll dem Präsidenten ihre Mißbilligung aussprechen.“ Der Antrag wird, unter äußerster Mißbilligung der Centren als nichtdringlich, an den Geschäftsordnungs-Ausschuß verwiesen. Schluß um 2 Uhr. Morgen um 9 Uhr Fortsetzung der Verfassung.
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@facs0666
[ 103 ] Berlin, 30. Okt.
Sitzung der Vereinbarerversammlung.
Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung des Artikel 4 des Entwurfs der Verfassungsurkunde, welcher lautet:
„Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Es giebt im Staate weder Standesunterschiede, noch Standesvorrechte, noch einen besonderen Adelsstand. Die öffentlichen Aemter sind für alle dazu befähigte gleich zugänglich.“
Hierzu sind folgende Amendements eingereicht:
1. Berends: Statt der Worte: „noch einen besonderen Adelsstand,“ zu setzen: „Der Adel ist abgeschafft.“
2. Borchard, Matthaei: Zusatz: Der Gebrauch adeliger Titel und Prädikate in öffentlichen Urkunden ist untersagt.“
3. Sommer: nach „noch einen besondern Adelsstand“ zu setzen: „mit politischen Vorrechten.“
4. Jung: Zusatz: „Orden, so wie Titel, die nicht blos das Amt bezeichnen, können nicht mehr ertheilt werden.“
5. v. Lisinki: Zusatz: „Der Adel und alle damit verbundenen Titel und Prädikate sind abgeschafft.“
6. Kunth: Der 2. und 3. Satz des Artikels 4 ist zu streichen und statt dessen zu setzen: „Es giebt im Staate weder gesetzliche Standesunterschiede noch Standesvorrechte.“
7. Walter: Der erste Satz: „Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich,“ ist ganz zu streichen. Er ist in dieser Allgemeinheit unausführbar. Es hat noch nie einen Staat gegeben und kann keinen geben, wo für alle Kategorien der Einwohner volle Gleichheit gegolten hätte. Selbst der Entwurf der Verfassungsurkunde enthält Ausnahmen. Es muß aber jeder Satz in unserer Verfassung eine Wahrheit sein.
Im zweiten Satze sind die Worte: „weder Standesunterschiede“ auch zu streichen. Sie enthalten ebenfalls eine Unwahrheit. Die Natur der Sache selbst bringt im Staate sowohl faktische als rechtliche Standesunterschiede hervor. Sie sind nach dem Geiste der Zeit möglichst zu mildern; allein ganz zu vertilgen sind sie nicht. Ferner sind im zweiten Satze die Worte: „noch einen besondern Adelsstand“ ebenfalls zu streichen; sie sind überflüssig. Denn wenn alle Standesvorrechte aufgehoben sind, so ist auch der Adel in der bürgerlichen und politischen Sphäre, was uns allein angeht, abgeschafft.
Statt des ersten und zweiten Satzes ist zu setzen:
„Es giebt vor dem Gesetze keine Vorrechte der Geburt, des Ranges oder Standes.“
Bevor die Debatte eröffnet wird, zeigt der Präsident an, daß eine Aenderung der Abendsitzungen, welche auf Mittwoch und Freitag festgesetzt worden, von einigen Seiten gewünsch werde. Die Versammlung beschließt jedoch diese Tage beizubehalten.
Da auf nächsten Mittwoch das Allerheiligenfest fällt, ist gewünscht worden, daß an diesem Tage weder Vormittags- noch Abendsitzung stattfinde. Es erhebt sich kein Widerspruch dagegen.
Die Prioritätskommission zeigt an, daß ein dringender Antrag eingereicht sei, welcher in einer heute Abend anzusetzenden Sitzung berathen werden solle. Es erhebt sich eine Diskussion darüber, da die Rechte heute Abend keine Sitzung halten will. Von der Linken wird das Recht in Anspruch genommen, zu jeder Zeit eine Abendsitzung anzusetzen. Der Antrag betrifft die Wiener Angelegenheiten und ist als sehr schleunig eingebracht; er wird im Laufe der Sitzung vertheilt werden. Er lautet ungefähr dahin:
„Die Versammlung möge das Ministerium auffordern, zum Schutz der in Wien gefährdeten Volksfreiheit die nöthigen Maßregeln zu treffen.“
Der Präsident stellt endlich die Frage, ob heute Abend eine Sitzung zur Berathung dieses Antrages stattfinden soll, welche mit 181 gegen 168 Stimmen verneint wird.
Die zweite Frage: ob statt der Mittwoch ausfallenden Abendsitzung dieselbe morgen Abend (Dienstag) angesetzt werden soll, wird mit Majorität angenommen.
Ueber Artikel 3 der Verfassungsurkunde wird nochmals abgestimmt und mit großer Majorität angenommen. Man geht zur Diskussion des Artikels 4 über.
Schulz (Wanzleben): Ich will gegen den Entwurf der Centralabtheilung, aber für den Entwurf der Verfassungskommission sprechen, weil der letztere viel präciser ist; denn er lautet:
„Es giebt im Staate weder Standesunterschiede noch Standesvorrechte. Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Der Adel ist abgeschafft.“
Es würde mich zu weit führen, wenn ich alle die Gründe für Abschaffung des Adels, die schon so oft gehört sind, wieder vorbringen wollte. Die, welche einen Werth auf den alten Standesunterschied legen und nicht vielmehr durch ihre Bildung oder Kenntnisse sich über andere erheben wollen, sind noch in einem Vorurtheile befangen. Man wollte die alten Erinnerungen der berühmten Geschlechter als Grund für die Beibehaltung der Adelstitel beibringen. Aber liegt denn die Erinnerung an die Thaten der berühmten Namen, in den Adelstiteln oder in den Geschlechtsnamen. Jeder nennt die berühmten Namen: Blücher, Scharnhorst, Schiller u. s. w. ohne ihre Adelstitel und ihre Nachkommen können sich mit Recht Enkel des großen Blücher nennen, ohne den Fürstentitel zu erwähnen, da sehr wenigen dieser Adelstitel kaum bekannt ist.
Berends: Wenn uns eine Verfassung auf breitester Grundlage versprochen ist, so versteht man doch wohl darunter, demokratische Grundlage, und in einem demokratischen Staate darf es keinen Adelsstand geben. Weder die Verschiedenheit des Besitzes oder der Geburt darf einen besondern Stand feststellen. Nicht blos der Adelsstand, sondern der Adel muß abgeschafft werden.
Sommer spricht für den Kommissionsantrag: Es wird mir nicht einfallen, für die Standesvorrechte zu kämpfen; sind wir aber berechtigt, die Familienrechte aufzuheben? Den angeerbten Namen abzusprechen? Er geht hierauf in geschichtliche Untersuchungen über den Adel ein, welcher von der Zeit, wo das Pulver erfunden wurde, immer mehr an Ansehen und Macht verlor.
Jacoby: Ich halte den Gegenstand, über den wir gegenwärtig berathen, für eine Sache, die keine große Wichtigkeit hat. Eine Erklärung der Rechte kann das Volk vor einer Verletzung dieser Rechte keinesfalls sicher stellen. Erstarkt die Volksherrschaft, so wird es Niemand wagen, die Rechte des Volkes anzugreifen. Machen wir aber einen Rückschritt, so wird es der Fürstenpartei bald gelingen, die Rechte illusorisch zu machen. Was den vorliegenden Fall anbetrifft, so glaube ich, daß es wenig auf die Fassung des Entwurfs ankommt, denn über das Prinzip werden wir Alle einig sein. Mag doch ferner auch noch derjenige, der Gefallen daran findet, seinem Namen das „von“ oder andere Titel vorsetzen. Durch die Gesetzgebung wird der Adel faktisch abgeschafft. Es kann daher ganz gleich sein, welche Grabschrift wir dem Adel setzen.
Reichensperger: Ich bin mit dem vorigen Redner darin einverstanden, daß wir alle über das Prinzip gleich gesinnt sein werden Wir befinden uns in demselben verhängnißvollen Augenblick, wie unsere westlichen Nachbarn in jener denkwürdigen Nacht des 4. August 1791. Aber unsre Verhältnisse sind verschieden von den dortigen. Dort galt es Opfer zu bringen von Seiten der Berechtigten, welche in dieser Versammlung sehr schwach vertreten sind. Daher sind unsere Verhältnisse auch verschieden von den damaligen. Er spricht ferner über den Grundadel und Papieradel; über Marschälle und Truchseß, Erbgraf u. s. w. Man solle den Leuten nicht wehren, diese Titel zu führen.
v. Daniels will die Beibehaltung des Regierungsentwurfs und Verwerfung aller andern.
Es wird noch ein Amendement des Abg. Weichsel verlesen, welches aber nicht unterstützt wird. Hierauf beginnt die Debatte über die einzelnen Sätze des Art. 4
Abg. Elsner. Es gibt Dinge, über die man eigentlich gar nicht sprechen dürfe. Wenn Sie sich über den vorliegenden Artikel noch länger auslassen, so geben Sie der Versammlung ein Armuthszeugniß.
Die Debatte wird geschlossen und die Abstimmung beginnt. Der erste Satz: „Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich,“ wird fast einstimmig angenommen.
Ueber die anderen Sätze wird sehr langweilig debattirt. Auch der Minister des Innern, Eichmann, nimmt das Wort: er macht darauf aufmerksam, daß man in der Frankfurter Versammlung nicht so weit gegangen sei. Dort hat man den Adel nicht abgesprochen. Der Adel ist auch ein Institut, das ganz Deutschland berührt. Die alten Familien wären in ganz Deutschland verbreitet; wenn dann in dem einen Staate der Adel aufgehoben würde und in dem andern beibehalten? was dem einen recht ist, ist dem andern billig. Er empfiehlt daher das Walter'sche Amendement.
Endlich kommt man zur Abstimmung. Der Abgeordnete Schneider hat noch folgendes Amendement gestellt: „Es gibt im Staate weder Standesunterschiede, noch Standesvorrechte; der Adel mit seinen Titeln und Bezeichnungen ist abgeschafft.“ Dies Amendement wird nach namentlicher Abstimmung mit 193 gegen 159 Stimmen verworfen. ‒ Die Abstimmung wird morgen fortgesetzt werden. Schluß der Sitzung 2 ein halb Uhr.
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@facs0666
[ 103 ] Berlin, 30. Okt.
Die Abgeordneten zum demokratischen Kongreß, Senin von Dresden und Silberstein von Wien sind heute Vormittag in Folge eines richterlichen Befehls verhaftet worden. Auch auf Braklow aus Schleswig-Holstein hat die Polizei gefahndet, derselbe ist aber auch zeitig genug verschwunden, da er schon im Sitzungssaale des Kongresses anwesend war, als ihn die Konstabler verhaften wollten. Im Verhaftsbefehl ist erklärt, daß die Genannten beschuldigt seien, des Versuchs, in der gestrigen Volksversammlung, Mißtrauen und Verachtung gegen die deutsche Centralgewalt in Frankfurt erregt zu haben.
Der Abg. Otto von Trier erhielt heute vom Justizminister Kisker ein Schreiben, worin dieser anzeigt, daß der König durch eine Kabinetsordre vom gestrigen Tage den Theilnehmern der Vorfälle in Trier vom 2. u. 3. Mai d. J. und allen damit in Verbindung stehenden Verbrechen und Vergehen vollständige Amnestie ertheilt hat. Der Justizminister hat dem Gemeinderath in Trier und dem Staatsprokurator Deuster bereits hiervon Anzeige gemacht.
Die Fach-Kommission für Justizreform hat auf den Antrag der Abgeordneten Jakoby, Temme und D'Ester folgenden Gesetzentwurf vorgelegt:
§. 1. Die Ehehindernisse wegen Verschiedenheit der Religion und des Standes werden in allen Landestheilen, wo deren noch bestehen, hierdurch aufgehoben. Alle entgegenstehenden allgemeinen und besondern gesetzlichen Bestimmungen treten außer Kraft.
§. 2. Das gegenwärtige Gesetz findet auf diejenigen noch bestehenden ehelichen Verbindungen Anwendung, welche im Widerspruch mit den bisherigen, vorstehend aufgehobenen Bestimmungen, jedoch in gesetzlicher Form abgeschlossen worden sind.
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@facs0666
Berlin, 28. Okt.
Die Regierung hat einen Kommissarius nach Elbing geschickt. Wie in diesen Blättern schon mitgetheilt, war bald nach dem blutigen Tage der Regierungspräsident von Blumenthal dort erschienen. Wir müssen noch einmal darauf zurückkommen, weil wir einen interessanten Beitrag liefern können zu den Personalakten der hohen Beamten, durch die unsere konstitutionelle Regierung sich bedienen läßt. Hr. v. B. ist durch Hrn. v. Rochow (unseligen Andenkens) zu seiner jetzigen Stellung befördert. Dies allein schon mußte das Ministerium zu sorgfältiger Ueberwachung seines politischen Einflusses mahnen. Sein Auftreten in Elbing läßt keinen Zweifel mehr, daß er außer Stande ist, einer Regierung zu dienen, die es mit der Volksfreiheit irgend redlich meint. Nachdem Hr. v. B. von den Anstiftern des Aufruhrs sich über die Veranlassungen desselben belehren lassen, äußerte er gegen einen Herrn der bedrängten Partei, der ihn aufsuchte, um doch einigermaßen auch das Recht der altera pars zu vertreten:
„Es zeige dieser ganze Vorfall, daß die große Mehrheit des Volkes mit Liebe an den alten Zuständen hange; das Ausbleiben so vieler Bürgerwehrleute beweise auch, daß selbst der Kern der Bürgerschaft weder auf dieses Institut, noch überhaupt auf die Neuerungen in unserer Verfassung Werth lege; in den Angriffen gegen die Nationalversammlung, die von der Elbinger Tagesliteratur ausgegangen, liege doch viel Wahres, habe die Nationalversammlung doch neuerlich erst die unentgeldliche Aufhebung der Jagdberechtigung votirt und dgl. mehr.“
[0667]
Auf solche Weise erklärt der Hr. Regierungspräsident den brutalen Exzeß eines durch falsche Einreden irregeleiteten, fanatisirten Haufens!
Elbing genießt gegenwärtig unter dem Schutze von Bajonetten und Spitzkugeln Ruhe. Doch wagen es nur Wenige, eine deutsche Kokarde zu tragen. Wer es thut, wird auf der Straße und aus den Fenstern gehöhnt. Ja, man erzählt sich, das Volk habe es darauf abgesehen, drei der Bedeutenderen unter den Freisinnigen bei Nacht und Nebel zu überfallen und zu erschlagen, als Revanche für ‒ ‒ Latour!! Unter solchen Umständen glauben, die Feindschaft gegen die freie Richtung der neuen Zeit habe im Volke selbst seinen Ursprung ‒ ist nur ein Regierungspräsident der alten Zeit im Stande, der mit der gleichen Feindschaft im Herzen den Ort des Verbrechens betritt.
[(Nat. Z.)]
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@facs0667
[ 15 ] Berlin, 30. Okt.
In der gestrigen Abendsitzung des „demokratischen Kongresses“ wird ein von A. Ruge verfaßter „Aufruf an das deutsche Volk“ trotz oder vielleicht wegen seiner matten Inhaltslosigkeit fast einstimmig angenommen. Der Hauptgrund zum Accept dieses von A. Ruge auf das deutsche Volk gezogenen Wechsels war ‒ man errathe! ‒ daß der Aufruf bereits unter der Presse sich befinde. Schrecklich, aber wahr.
Eine Reihe mehr oder minder umfangreicher Austrittserklärungen liegt vor. Nach längerer Debatte wird der Antrag gestellt, solche Erklärungen nicht mehr zum Vortrage bringen zu lassen. Ein Redner erklärt dies für Terrorismus und hielt über diesen erquicklichen Gegendstand ein langes und langweiliges Deklamatorium, häufig unterbrochen durch „Bravo,“ „Klatschen“ und Rufen nach „Schluß.“ Nachdem dieser Redner geendet, legt Vizepräsident Asch in sittlicher Entrüstung sein Amt nieder und erklärt seinen Austritt aus der Versammlung. Ihm folgen die schlesischen Deputirten Hoyoll und Engelmann. Der Antragsteller bemerkt, es sei Terrorismus gegen die Versammlung, wolle man sie zwingen, Erklärungen von Leuten zu hören, die nach ihrem Austritt nicht mehr zur Versammlung gehören.
Fast die ganze Rechte geht fort. Die Versammlung beschließt, keine Erklärung mehr zu hören und geht über diese Angelegenheit zur Tagesordnung über.
Es wird beschlossen, die „Menschenrechte“ von Oppenheim-Robespierre im Namen des Kongresses den einzelnen Vereinen zu übermachen, damit sie in diesen besprochen und Bericht darüber erstattet werde. Die Vereine werden so jedenfalls um einen erklecklichen Gegenstand der Diskussion reicher.
Ebenso werden vom Kongresse Grundrechte, die Bürger Hexamer dem deutschen Volke zugedacht, akklamirt und der Schluß der Revolution bis zur Verwirklichung dieser Grundrechte vertagt. Die revolutionäre Bewegung hat so ein handgreifliches Ziel gewonnen.
Bürger Everbeck aus Paris trägt eine Adresse des demokratischen Polencomite's zu Paris und eine andere des Vereins italienischer Demokraten an den Kongreß vor. Antwort auf beide wird beschlossen, ebenso der Abdruck sämmtlicher Protokolle, Anträge und Proteste.
In den Centralausschuß werden gewählt: D'Ester (aus Köln), Reichenbach (aus Schlesien) und Hexamer (aus Berlin); zu Stellvertretern: Gottschalk und Anneke I. (aus Köln), Bayrhofer (aus Hessen), Schramm (aus Berlin) Schnake (aus Westphalen), und Erbe (aus Altenburg).
In derselben Sitzung wird ein Aufsatz vom Berichterstatter über die Lösung der socialen Frage verlesen und auf Beschluß des Kongresses sämmtlichen Vereinen zur Berichterstattung empfohlen. Die Vereine sollen überhaupt die Resultate ihrer Diskussionen über die sociale Frage dem Centralausschuß einschicken.
Mehre Anträge gegen die Frankfurter Versammlung, die auf Auflösung, Säuberung derselben u. s. w. dringen, werden durch die Bemerkung beseitigt, daß diese Versammlung an ihrer eigenen Erbärmlichkeit zu Grunde gehen werde.
In der heutigen Sitzung erregten die Verhaftungen Senins, Silbersteins und der Verhaftungsversuch gegen Braklow (aus Schleswig-Holstein) große Aufregung. Eine zum Staatsprokurator geschickte Deputation bringt die Nachricht, die Verhaftung sei auf Grund einer Denunziation von einem Polizisten verfolgt. Der Kongreß schickt eine zweite Deputation an das Richterkollegium, um die sofortige Freilassung der Gefangenen zu verlangen. Ein Plakat theilt dem Berliner Publikum diese Thatsache mit und macht es darauf aufmerksam, daß zwar die Form beobachtet sei, diese aber nie gegen Willkür schütze, so lange die alten Bureaukraten noch in Amt und Stelle. Jetzt sei zwar noch die Zeit des Duldens; bald werde die Zeit der Abrechnung kommen. *) Die Redaktion der „N. Rh. Ztg.“ behält sich die Kritik der Verhandlungen des demokratischen Kongresses für den Augenblick vor, wo seine Protokolle offiziell veröffentlicht sind.
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@facs0667
Posen, 27. Okt.
Die polnischen Bürger Posens haben dem früheren Deputirten an der Nationalversammlung in Frankfurt, dem Geistlichen Janiczewski, folgende Dankadresse überreichen lassen:
„Verehrter Mitbürger! Gestatte es, daß Deine dankbaren Landsleute Dir, den eifrigen und kräftigen Vertreter ihrer theuersten Rechte auf der Frankfurter Nationalversammlung ihre innigsten und aufrichtigsten Dankgefühle aussprechen. Je mehr uns die Schwierigkeit der Dir gewordenen Aufgabe und das Bittere Deiner Stellung bekannt war, um so höher wissen wir Deine Thatkraft zu schätzen; ja! schwierig war Deine Aufgabe, die polnische Nationalsache so kräftig, so würdevoll vor einer Versammlung zu vertheidigen, die, dem durch die Revolution zur Geltung gebrachten Grundsatze der Brüderlichkeit aller Völker entgegen, leider jetzt noch dem Systeme der Eroberung huldigt. Bitter war Deine Stellung dadurch, daß Du die heiligste und gerechteste Sache erst noch vertheigen mußtest, und zwar vor einer Versammlung, die nicht nur laut und offen die macchiavelistischen Grundsätze der Uebermacht verbreitet, sondern es sogar gewagt hat, auf die Unglücklichen und Unterdrückten die niedrigsten Verläumdungen zu werfen. Würdig hast Du Deine Aufgabe gelöst; männlich hast Du allen Widerwärtigkeiten die kühne Stirn dargeboten! Dies hat die Welt bereits anerkannt und selbst unsere Widersacher haben es zugestehen müssen, und Deine Bemühungen können nicht ohne die schönsten Früchte bleiben. Dir ist es nicht nur gelungen, durch eine würdige Verfechtung mit gewandter Beredtsamkeit den Beweis zu führen, daß noch die Polen vorhanden sind, deren Vorfahren bei Wien die Freiheit und die Civilisation im Kampfe gerettet haben, sondern Du hast es auch kühn verkündet, daß wir auch jetzt noch unvertilgbar sind. Mit Recht rühmen sich daher die Einwohner des Buker- und Samterschen Kreises, daß sie Dich zum Vertheidiger ihrer bedrohten Nationalität gewählt haben; mit Recht sind die Polen stolz darauf, Dich ihren Landsmann zu nennen, und gewiß mit vollem Rechte freut sich das Vaterland seines thatkräftigen Sohnes, dem ewiger Ruhm und die unbegränzte Dankbarkeit seiner Mitbürger gebührt, die wir jetzt mit voller Ueberzeugung ausrufen können:
noch ist Polen nicht verloren, so lange es noch solche Söhne besitzt, wie Dich.
Posen, den 14. Oktober 1848.
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@facs0667
Triest, 24. Okt.
Gestern Abend hatten wir eine kleine Ruhestörung, doch kann man ihr keine ernste Bedeutung beilegen. Schon seit einigen Tagen fanden kleine Krawalle in Folge der Ausstellung von dreifarbigen (italienischen) Tüchern in einigen Läden am Corso Statt, die das Volk nicht sehen wollte. Sie endigten meistens mit Fenstereinschlagen, oder damit, daß man die Tücher auf Verlangen des Volkes wieder hineinthat. Gestern fand das Nämliche Statt, als einige (18-20) bezahlte Leute hinzukamen, die zwar nicht die Wiederausstellung der Tücher verlangten, wohl aber Rufe wie: Morte ai gamberi (gewöhnliche Bezeichnung der Reaktionäre, die, wie die radikalen Straßenzeitungen behaupten, auch hier in Menge sein sollen); Abasso il Diavoletto (ebenfalls eine Straßenzeitung, die jedoch streng konstitutionell ist und mit beißendem Humor die radikalen Collegen züchtigt). So lange bloß solche Rufe ertönten, ließ man sie gewähren; als man aber anfing, einige Fenster einzuwerfen, nahm man mehrere Verhaftungen vor, worauf sich die Leute vor die Nationalgardehauptwache begaben, wo sie die Freilassung der Gefangenen verlangten, zugleich sich aber zurückzogen, um nicht selbst gefangen zu werden. Bald war der Börsenplatz voll von Leuten, und um frei wirken zu können, ließ die Nationalgarde Platz machen, während starke Patrouillen den Platz und die Straßen in der Nähe durchstreiften. Bald gelang es den im Dienste befindlichen zwei Compagnieen Nationalgarde die Ordnung herzustellen, ohne der Hülfe des bereits in der Nähe befindlichen Militärs zu bedürfen. Die ganze Bewegung, welche im Anfange anarchisch zu werden schien, da ein paarmal sogar: viva la repubblica, viva i Viennesi geschrieen wurde, endete im entgegengesetzten Sinne mit Rufen wie: viva Ferdinando, viva l' Austria, abasso i tre colori, morte ai Veneziani, morte ai repubblicani etc. Heute ist alles ruhig.
[(A. A. Ztg.)]
Italien.
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@facs0667
[ * ] Livorno, 21. Oct.
Montanelli's Rückkehr wird ängstlich erwartet. Aus Pisa, Lukka und den benachbarten Maremmen treffen bewaffnete Haufen ein, zum Theil aus Deserteurs bestehend und, wie man sagt, nur den Vortrab eines größeren Zuzuges von mehr als 6000 Mann bildend, den Carrara und die äußerste Maremme schicken wollen. Livorno ist entschlossen, nach Florenz zu marschiren, um den Großherzog zur Wahl eines demokratischen Ministeriums zu zwingen.
Schweiz.
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@facs0667
[ * ] Bern, 26. Okt.
Der Aufstand zu Freiburg, ebenso rasch unterdrückt als eklatirt, war nicht mehr und nicht weniger als ein sonderbündlerisches Pfaffenkomplott, das die bestehende Regierung zu stürzen und die ultramontane Partei wieder ans Ruder zu bringen beabsichtigte. Die Geschichte ist auf dem Sitze der Familie Maillardoz zu Rue ausgeheckt worden, und zu Chatel-Saint-Denis, einem drei Stunden von der waadtländischen Gränze entfernten Städtchen, kam sie zum Ausbruch. Hier war es, wo der Bruder und die Neffen des Bischofs Marilley 1000 Mann auf die Beine gebracht hatten, mit welchen sie von Romont und Rue aus einen Angriff auf Freiburg versuchen wollten. Der Präfekt von Chatel-Saint-Denis wurde 4 Uhr früh am 24. Okt. von den Insurgenten gefangen genommen, der Unterpräfekt entkam jedoch nach Vevey, bat den dortigen Präfekten um schleunige Hülfe, und dieser, von den Vollmachten Gebrauch machend, welche ihm der waadtländische Staatsrath, in Voraussicht eines ähnlichen Falles, vor mehreren Wochen gegeben hatte, entwickelte eine solche Thätigkeit, daß zwei waadtländische Bataillone noch am nämlichen Tage in Freiburg einrückten. Gleichzeitig ließ auch die Freiburger Regierung ihre Truppen zusammentreten, und erbat sich außerdem den Beistand des Vororts, welcher augenblicklich ein Berner Bataillon nach Freiburg schickte und Herrn Ochsenbein als eidgenössischen Kommissar ebendahin abgehen ließ. Der Bischof Marilley wurde noch in der Nacht vom 24. auf den 25. Okt. auf Befehl des Freiburger Staatsrathes gefangen genommen und nach Lausanne gebracht.
Französische Republik.
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@facs0667
[ * ] Paris, 30. Okt.
Ueber Louis Napoleons Kandidatur bemerkt die Reforme:
Man muß sich nicht darüber täuschen: Louis Napoleon ist nicht nur der Kandidat derjenigen, welche mit geschlossenen Augen vor dem Genie seines Onkels auf die Knie sinken; er wird selbst getragen durch die, welche diesen großen Namen besudelt haben und ihn während 15 Jahren mit Vorwürfen überhäuft haben. Es war Sr. kaiserlichen Hoheit vorbehalten, die disparatesten Meinungen zu ralliiren, einbegriffen die unversöhnlichsten Feinde des einzigen Titels, den sie anruft, die Feinde ihres Familienruhmes.
Der Prinz Louis ist der Kandidat aller dynastischen Hoffnungen. Aus Haß gegen die Republik, werden für ihn stimmen die Henricinquisten und Philippisten, die Royalisten der ältern und der jüngern Linie. Alle diese Rivalitäten, vereinigt in diesem Augenblicke, betrachten ihn als ihren Uebergangsbalken und sie rekrutiren für diesen Kandidaten unter dem Vorbehalte, im günstigen Moment sich den Uebergang streitig zu machen.
Uebrigens gibt es nichts Unklugeres, als die Art und Weise, wie diese Kandidatur sich anmeldet. Während man sich z. B. dagegen vertheidigt, sie zu suchen und sie höchstens als Beweis von Nachgiebigkeit gegen die öffentliche Meinung acceptirt, hat man gleichzeitig in allen Departementen Diener, welche auf alle Weise das Eisen schmieden. Gelegenheitszeitungen werden, so sagt man, an allen vier Hauptpunkten des Landes und in einigen großen Centren geschaffen. Man nennt schon die ergebenen Federn, die Paris verlassen, um diese Zeitungen zu dirigiren. Andere Chronik! Liebe Getreue der Restauration und der Quasirestauration sollen bei Herrn Louis gesehen worden sein.
Man sagt uns, daß Louis Napoleon sich durch seine Nichtigkeit empfiehlt. Weil er nichts gethan hat, hält man ihn für geeignet, alles zu thun. Louis Napoleon, der eben so wenig „Geist als Muth“ in den Augen der „Presse“ von 1840 besaß. Louis Napoleon, der damals „keine Partei, sondern nur eine schlechte Karikatur“ war, Louis Napoleon ist 1348 der unentbehrliche Mann: „Louis Napoleon, das ist die Zukunft.“
Aber wie kann man sagen, daß er nichts gethan hat, dieser universelle Kandidat, der so bescheiden ist, daß er seine ganze Vergangenheit vergißt und sich nur an seinen Namen erinnert. O Straßburg! O Boulogne! O tapfere Palatine von Egliton! O Dandy's von Drury-Lane! O Konstabler von London, die ihr die Ruthe in seine Hande gegeben habt, kommt her und zeugt von seinen Heldenthaten! Und ihr,„liebenswürdige Faubourgs“ Louis Philipp's, „revolutionärer Auswurf,“ könnt noch einmal die Komödie spielen sehn! Die Bonaparte's haben nichts mit den Insurgenten zu thun; sie haben es auch von der Tribüne herab gesagt und sie haben ohne Zweifel Recht, obgleich eine Insurrektion uns sie wiedergegeben hat. Und ihr braven Landleute stimmt durch Akklamation! Herr Louis, wir haben es gesagt, hat erst zwei Vota abgegeben, indem er die Hypothekenbons verwarf, hat er euch dem Wucher als Beute überlassen; indem er für das alte militärische Ersatzwesen stimmte, hat er auch ein Privilegium erhalten, das Privilegium der Steuer des Blutes.
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@facs0667
Paris, 30. Oktober.
Der Moniteur theilt auf seinen ersten drei Folioseiten Ehrenmünzen an diejenigen Bürger aller Departements aus, die sich im Laufe der letztverflossenen drei Monate durch irgend eine muthige und ehrenvolle Civilhandlung auszeichneten. Wir sehen auf den langen Listen meistens Bauern, Soldaten und Arbeiter, die bei Feuer- oder Wassergefahren ihr eigenes Leben, zur Rettung Anderer, in die Schanze schlugen.
‒ Die „Breslauer Zeitung“ hatte angezeigt, daß ein Franzose, Namens Marchand, in Warschau zu Tausend Knutenhieben verurtheilt worden und während der Duldung dieser Strafe gestorben sei. Der französische Konsul in Warschau habe jede Vermittelung zu Gunsten dieses Unglücklichen verweigert etc. Die Regierung der französischen Republik beeilte sich, von diesem Konsul über jenes Ereigniß Rechenschaft zu fordern, und hat von demselben jetzt Aufklärungen erhalten, welche die Thatsache klarer darstellen. Laut dieser Aufklärungen ist Marchand an seinen Wunden nicht gestorben; er hat erst die Hälfte der ihm zugesprochenen 1000 Knutenhiebe erduldet; die andere Hälfte ist ihm erlassen worden. Marchand ist angeklagt gewesen, republikanische Propaganda unter dem russischen Militär gemacht zu haben. Die Untersuchung gegen ihn wurde geheim gehalten, und der französische Konsul erfuhr die Thatsachen erst, nachdem schon die Hälfte des Urtels vollstreckt war. Marchand wurde übrigens in Rußland, obgleich von französischen Eltern, geboren, und that nie die nöthigen Schritte, um seinen französischen Ursprung zu konstatiren. Er befindet sich daher auch nicht in den Stammlisten des französischen Konsulats zu Warschau eingeschrieben. Der Konsul hatte von seiner Gegenwart in Warschau durchaus keine Kenntniß. Wie dem aber auch sei, Konsul Theis beeilte sich sofort, sobald ihm die Thatsachen bekannt worden waren, bei dem Fürsten Paskewitsch die der Wichtigkeit der Sache angemessenen Schritte zu thun und durch ein Gnadengesuch die Umwandelung der lebenswierigen Verbannungsstrafe nach Sibirien zu erwirken, zu welcher der unglückliche Marchand noch außer den 1000 Knutenhieben verurtheilt worden war.
(Moniteur vom 30. Okt.)
‒ Unser Konsul Theis in Warschau wird nach Tiflis versetzt. Einem früheren Beamten, den Bastide in die Hauptstadt Georgiens schickte, hat die russische Regierung das Cxequatur verweigert, „weil er ein rother Republikaner sei.“
‒ Eine Post aus den La Platastaaten bringt uns Berichte bis zum 13. August, welche melden, daß dort am 9. desselben Monats fürchterliche Erdstöße verspürt wurden, die von unterirdischem Getöse, gleich dem Donner, begleitet waren.
Die politische Lage der Dinge ist immer noch die alte. Man erwartete aus Paris und London endlich die diplomatische Beilegung unserer kommerziellen Händel.
‒ Heute erscheint der Gerant des legitimistisch-philippistischen Schmähblattes, Lampion, vor den Assisen, wegen eines Artikels, der zu einer Zeit erschien, wo die Nadelstiche dieses Blattes dem Herrn Senard noch gefährlich dünkten.
Für den 8. November ist die alte grauhärige Gazette de France wegen ähnlicher Nadelstiche gegen die Republik vor die Schranken derselben Assisen geladen.
‒ Die Bürgerwehr von Bar sur Aube ist durch ein Dekret der Vollziehungsgewalt aufgelös't. Diese Bürgerwehr hatte ihren antirepublikanischen Geist durch gar zu grobe Injurien gegen den dortigen Präfekten bekundet.
‒ Dem philippistischen Blatte „Assemblee Nationale“ wird aus Caen vom 28. Okt. geschrieben, daß Guizot als Kandidat für die Nationalversammlung im Departement Calvados auftrete und die gegründetste Aussicht auf Erfolg habe. Dieses Departement hat im Laufe des künftigen Monats in der That zur Ersatzwahl eines Volksvertreters an des verstorbenen Durands Stelle zu schreiten. Caen ist bekanntlich die Hauptstadt des Departements Calvados.
‒ Das bonapartistische Blatt „Le petit Caporal“ ist aus Mangel an Kaution eingegangen.
‒ Am nächsten Montag werden sich, wie man hört, unter Ledru-Rollins Vorsitz, die sämmtlichen hier anwesenden deutschen, polnischen, italienischen und spanischen Demokraten in einem Bankett am Mont-Parnasse vereinigen, um gemeinschaftlich über allgemeine Verbrüderung der Völker und Errichtung einer Universalrepublik zu berathen. Ledru-Rollin befindet sich zwar in diesem Augenblick abwesend, wird aber bis zum nächsten Montag hier in Paris zurückerwartet.
‒ Changarnier, Befehlshaber der Pariser Bürgerwehr, läßt die Namen derjenigen Nationalgardisten aufschreiben, die den neulich von uns gemeldeten Ausflug von London nach Clarendon zu ihrem „unglücklichen Freunde Louis Philipp“ machten, um ihm die Beileidsadresse zu überreichen. Die Beileidsbezeugungen gehören, wie man sagt, der 1. und 3. Legion an, die gestern mäuschenstill im Tuilerienhofe vorbeimarschirte, während die 5. Legion aus vollem Halse rief: „Es lebe die demokratische Republik!“
‒ Die Nationalversammlung berührt jetzt einen überaus delikaten Punkt, nämlich das sogenannte rektifizirte Budget von 1848, das über 1,800,000,000 Fr. beträgt und manche lehrreiche Aufschlüsse enthält. So vermehrte sich das Beamtenheer unter Louis Philipp seit 1832 um 3500 Mann, die nahe an 63 Mill. Fr. verzehrten, darunter 12,000 Offiziere oder Militärbeamte mit 30,000,000 Fr. Aussteuer. Aus diesem einzigen Posten sieht man: wer eigentlich in der Julimonarchie mit den schärfsten Zähnen an den Produktionskräften unseres braven Stadt- und Land-Proletariats nagte? Ein Generalstab von Faulenzern mit einem Budget von 63,000,000 außer dem übrigen unübersehbaren Heere von Beamten.
‒ Die Journalpolemik wird allmälig leidenschaftlicher. Die Presse tritt offen für den Exprinzen Louis Bonaparte auf und das Journal des Debats beschwört seine Leser in einem etwas mystischen Artikel ihre Stimme dem Marschall Bugeaud zu geben. Oder ist der Artikel eine Reklame für Cavaignac?
Nationalversammlung. Sitzung vom 30. Oktober. Anfang 1 Uhr. Pagnerre präsidirt.
An der Tagesordnung befindet sich zunächst die Wahl einer Aufsichts-Kommission für die Amortissements-, Depositen- und Consignations-Kasse, der Goudchaux noch in seinen letzten ministeriellen Tagen die Gratisverwaltung der aus Failliten entspringende, Baarbestände übertrug, was den Wirkungskreis derselben bedeutend erweitert.
Es stimmten im Ganzen 642.
Also absolute Mehrheit 322.
Davon erhielten a) Goudchaux 484. b) Duclerc 335. c) Berryer 316. und d) Dupont (aus Bussac) 197 Stimmen.
Goudchaux und Duclerc werden als Glieder jenes Aufsichtsraths proklamirt, wegen des dritten Glieds muß morgen das Skrutin erneuert werden da weder Berryer noch Dupont die erforderliche Majorität erreichte.
Vizepräsident Pagnerre liest 20 bis 25 Briefe vor, die um Urlaub ersuchen. (Viele Stimmen rufen: Man gebe Allen oder Keinem mehr Urlaub!)
Buchey schlägt einen Ausschuß zur Prüfung dieser Urlaubsgesuche vor.
Nach einigem Tumult werden alle Urlaube bewilligt.
Sarraus legt ein Gutachten nieder, das einen Kredit von 670,000 Fr. für das auswärtige Ministerium billigt.
Bastide verlangt schleunige Erledigung.
Sie soll am Donnerstag erfolgen.
Freslon, der neue Unterrichtsminister bittet ebenfalls um schleunige Erledigung eines Kredits von 12500 Fr. für Einrichtung der Louvrebibliothek etc. etc.
Ohne Widerstreit bewilligt.
Die Versammlung geht nun zum Gegenstande ihrer eigentlichen Tagesordnung, zu dem rektifizirten Büdjet für das heillose Jahr 1848 über.
Trouve-Chauvel, der neue Finanzminister, hält seine Jungfern-Rede. Er bittet die Versammlung, ihm sowohl in Gegenwart als Zukunft Nachsicht zu schenken. Plötzlich berufen, ein so wichtiges Amt zu erfüllen, habe er sich aufgeopfert und sich den Männern beigesellt, die er schon seit lange kenne (Beifall zur Rechten, bescheidenes Lächeln auf einigen Bänken der hohen Linken.) Im Verlaufe seiner Rede erklärt der Minister, daß den Trägern der Tresorbons (meistens Millionäre!) und der ehemalige Sparkassenbüchel (meistens Dienstboten!) eine angemessene Entschädigung nachgezahlt werden solle. (Starker Beifall zur Rechten.)
[0668]
Nach dieser ernsten Erklärung tritt er in eine Beleuchtung der finanziellen Zustände Frankreichs vor und nach dem 24. Febr. und schließt mit der Versicherung, daß keine Gefahr vorhanden, wenn das Vertrauen und mit ihm die Arbeit wiederkehre. (Das alte Lied vom Gesetze der Nachfrage und Zuführ!)
Diese Rede geendet, verliest er sogleich den Text der beiden Gesetzentwürfe zum Besten der Tresorbons und Sparkassenbüchel, der für das Ausland nicht das geringste Interesse hat.
Die allgemeine Diskussion wird als eröffnet erklärt.
Sauvaire Barthelemy erhält zuerst das Wort. Er dringt auf ökonomische Reformen, natürlich vom antisozialistischen Standpunkte aus.
Billault. das alte Kammerglied predigt nach ihm zwei Stunden über dasselbe Kapitel.
Ihm (Billault) zufolge sind die Versprechungen Goudchaux's rücksichtlich eines Gleichgewichts im Budget nichts als Seifenblasen. Seit 50 Jahren hätten alle Minister mit solchen hohlen Versprechungen debüttirt. Er glaubt nicht daran und sieht die Zukunft mit düsteren Augen hereinbrechen. Als einziges Mittel schlägt er Verringerung der Abgaben vor. Die Steuer, dieser Staatsthermometer müsse verringert werden. Um diese Verringerung zu bewerkstelligen, schlägt er Ersparnisse vor, namentlich im Heere und im Kriegsdepartement etc.
Julien Lacroix sieht den Himmel nicht mit düsterem Auge und bekämpft die Ersparnisse im Heere, sowie die sonstigen Conklusionen des Redners.
Portalis theilt nicht nur die Befürchtungen Billault's, sondern sieht die Gefahren noch näher. Er schlägt ein neues Steuersystem, z. B. Liebessteuern, Einkommensteuern, Erbschaftssteuern, Konsumtionssteuern und ein halbes Schock andere Dinge vor, welche die Versammlung lachen machen. Diese sogenannte Liebes- oder freiwillige Steuer trifft Tabak, Celibataire u. s. w. Der Redner zieht fürchterlich gegen das Beamtenheer los. Die Büreaukratie sei der wahre Blutsauger der Gesellschaft. Ihr müsse der Hals gebrochen werden (Gelächter). Die Sucht, auf Staatskosten zu wohnen und zu leben, greife wie die Pest um sich. Selbst die Zahl der Ministen solle von 9 oder 10 auf 5 herabgesetzt werden. Auch die Gesandtenstellen müßten abgeschafft werden. (Das war zu arg; von allen Bänken schrie man: Genug für heute! Schluß, Schluß!)
Goudchaux beweis't der Versammlung, daß, wenn man seinem Ent-Entwurfe folge, das künftige Büdget auf 1500 Millionen herabsinke.
Achilles Fould, der künftige Finanzminister, hält seine Jungfernrede, erklärt sich als Gegner der Einkommensteuer, und räth zu Dekonomien.
Die Fortsetzung der Debatte wird auf Dienstag vertagt.
Spanien.
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@facs0668
[ * ] Madrid, 22. Oktbr.
Die Ernennung des Grafen Vista Hermosa zum Intendanten des Palastes scheint sicher zu sein. Mariano Montanes, Deputirter von Saragossa, der zur Partei der Exaltados gehört, wurde die vorige Nacht im Palaste, hart neben dem Bette der Königin arretirt. Als man ihn fragte, was er von der Königin wünsche, erklärte er, daß er gekommen sei, um sie zu heirathen. Montanes war erst eben von Saragossa angekommen und man hielt ihn für verrückt. ‒ Die Nachrichten aus den Provinzen lauten günstig für die Regierung. In Catalonien und Valentia hatten mehrere Insurgentenbanden die Waffen gestreckt. Andere vereinigten sich unter dem Kommando Gamundis und suchten in Ternel Schutz. Cabrera hielt sich in der Umgegend von Solsona auf, stand aber nur an der Spitze von 300 Mann.
Großbritannien.
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@facs0668
[ * ] London, 30. Okt.
Der hiesige Geld- und Waaren-Markt ist in Folge der Ungewißheit über das schließliche Resultat der Wiener Ereignisse, noch immer sehr gedrückt. In den Manufakturdistrikten hat sich dagegen das Geschäft etwas gebessert, was wohl am meisten in den aus Indien und China eingetroffenen günstigen Nachrichten und in dem Aufschwunge des Eisenbahn-Aktien-Marktes seinen Grund hat. In Manchester wurde ziemlich viel umgesetzt, jedoch nur zu den niedrigsten Preisen. In Bradford, Leeds und Huddersfield blieb die Frage für das Inland gut; Exporteure hielten aber noch mit Einkäufen zurück. In Leicester und Nottingham war der Umsatz so groß wie gewöhnlich um diese Jahreszeit.
Politische Ereignisse gehören bei uns fortwährend zu den Seltenheiten. Die Journale beschäftigen sich fast ausschließlich mit den Bewegungen andrer Länder, und namentlich mit denen von Deutschland und Frankreich. Nur bisweilen tauchen auch einige interessante Details aus den Kolonien auf, aus dem Bereich der Kaffern oder der Indier. Jedenfalls spielt aber die große Seeschlange, die neulich ein Matrose des Dädalus im Meere bemerkt haben will, noch immer eine große Rolle bei den Engländern. Seit vier Wochen schon windet sich dieses fabelhafte Ungeheuer durch die ganze britische Journalistik, und gibt allen müßigen alten Kapitänen und Naturforschern Gelegenheit, in Briefen an die „Times“, an die „Post“ und an andre Blätter, einige Fetzen Weisheit auszukramen.
Mehr als die Briefe der „Post“ über die große Seeschlange, amüsiren aber die Mittheilungen und Urtheile dieses guten Blattes über die Vorgänge des Kontinents.
So hieß es z. B. neulich darin: „Während wir dieses schreiben, hat die Kanone Jellachich's vielleicht schon den frohen Lärm des Prater übertönt, jene Banden eines Strauß und Lanner und alle Studentenlieder; vielleicht ist Wien schon zerstört und ein Aschenhaufen und gut wird es für Deutschland sein, wenn es so ist! Man sieht, die Urtheile der „Morning Post“ und des „Standard,“ den wir neulich bereits citirten, gleichen sich durchaus. Beide Blätter sind Organe der Hoch-Tory's.
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@facs0668
[ * ] Dublin, 28. Okt.
Die Sache von Smitt O'Brien, Mc. Manus, Meagher und O'Donohoe, die bekanntlich zum Tode verurtheilt wurden, wird eines Formfehlers wegen noch einmal vor den Gerichten verhandelt werden. Sollte dann das Resultat noch ungünstig bleiben, so wird man den Prozeß vor das Haus der Lords bringen. Die Gefangenen befinden sich noch immer in dem Kerker von Clonmel. Smitt O'Brien sitzt allein und wird fortwährend von seiner Frau besucht. Mc. Manus, Meagher und O'Donohoe wohnen zusammen in einem andern Raume und sollen wohlauf sein. Der Prozeß Duffy's ist aufgeschoben und dürfte schwerlich vor Januar zur Verhandlung kommen.
Amerika.
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@facs0668
[ * ] In Falmouth trafen Briefe von Rio de Janeiro ein vom 13. Sept., Pernambuco, 29. Sept. In der Politik gab es nicht viel Neues. Das Geschäft war flau in Rio. Aus Montevideo berichtete ein Brief vom 22. Aug., daß Colonia, die zweite Stadt der Republik, die beim Beginn der Intervention von den Engländern und Franzosen gemeinschaftlich bombardirt und eingenommen wurde, abermals durch Verrath von innen in die Hände der Blanca's fiel. Genaueres ist noch nicht bekannt; man weiß aber, daß viele Einwohner, indem sie sich auf die französischen Schiffe retten wollten, ihr Leben verloren. Colonia wurde seiner Zeit von Sir Thomas Herbert geräumt; er hat jetzt zwei Kriegsschiffe hingesandt, um die britischen Bewohner der Stadt zu schützen, deren Eigenthum indeß schon geplündert wurde.
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@facs0668
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@facs0668
Zur Beachtung!
Unter dem heutigen Tage wurde von dem hiesigen Bürger-Vereine, nachstehende, von circa 600 Bürgern unterzeichnete Petition, dem Abgeordneten Herrn D. D'Ester in Berlin zur Besorgung an die Nationalversammlung zugeschickt.
Indem wir dieses zur Kenntniß aller Gemeinden der Rheinprovinz bringen, fordern wir dieselben dringend auf, unverzüglich in demselben Sinne an die Nationalversammlung zu petitioniren, damit der allseitig sich kundgebende Wunsch, daß alle jetzt bestehenden Steuern aufgehoben, und an deren Stelle die einzige auf der Basis des Rechtes und der Billigkeit gegründete Steuer, die Einkommen- oder Vermögenssteuer, eingeführt werde, recht bald in Erfüllung gehen möge.
Hohe National-Versammlung!
Als sich vor Monaten das deutsche Volk erhob, um im Gefühle seiner eigenen Kraft und Selbstständigkeit Hand anzulegen, zum Aufbau eines neuen, großen Vaterlandes; als es sich versammelte, um durch allgemeine Wahlen die Männer seines Vertrauens herauszufinden, denen das große Mandat ward, eine neue Verfassung zu gründen, welche, die Rechte jedes Staatsbürgers gleichmäßig wahrend, geeignet ist, einen dauernden Wohlstand herbeizuführen, da hofften auch wir, daß unser Rheinland, welches so lange Jahre, durch ein unbilliges und ungerechtes Steuersystem, den übrigen Provinzen des Staates gegenüber bedrückt und übervortheilt worden ist, endlich einmal zu seinem Rechte gelangen werde.
Ja, wir erwarteten von dem Billigkeitsgefühle unserer Vertreter, daß sie es als ihre erste Aufgabe betrachten würden, diese schmähliche Bedrückung, welche wir für die Hauptursache der Verarmung unserer Provinz ansehen, aufzuheben.
Leider haben wir uns in unseren Erwartungen getäuscht gesehen, denn noch immer harren wir vergebens der Erfüllung unserer Hoffnungen und die nächste Zukunft gibt noch keineswegs Aussichten dazu.
Wir fühlen uns daher veranlaßt, an eine Hohe Nationalversammlung den dringenden Antrag zu stellen. Hochdieselbe wolle:
In Erwägung, deß
a) die Rheinprovinz, durch die gegenwärtigen Steuergesetze unverhältnißmäßig mehr, wie die übrigen Provinzen des Staates, zu den öffentlichen Lasten desselben beitragen muß.
b) durch eben diese Gesetze überall eine bedeutende Uebervortheilung der mittlern und untern Klassen des Volkes, den Reichen und Besitzenden gegenüber erfolgt;
Beschließen:
Bis zum 1. Januar 1849 eine allgemeine progessive Einkommensteuer, für den ganzen Umfang der Monarchie einzuführen und schleunigst eine Kommission zu ernennrn, welche sich mit der Ausarbeitung eines hierauf bezüglichen Gesetz-Entwurfes beschäftigt.
Indem wir es für unnöthig halten, einer Hohen Nationalversammlung gegenüber auf die Motive dieses Antrags näher einzugehen, fordern wir insbesondere. unsere rheinischen Abgeordneten auf, sämmtlich diesen Antrag zu dem Ihrigen zu machen und mit allen Kräften zu unterstützen.
Geldern, den 10. October 1848.
(Folgen die Unterschriften.)
(Die verehrlichen Redaktionen aller rheinischen Blätter werden ersucht, vorstehenden Aufsatz in die Spalten derselben aufzunehmen.)
@typejReadersLetters
@facs0668
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@typejArticle
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Erklärung.
Ungeachtet aller entgegenstehenden Erklärungen der löbl. Exped. der N. Rh. Ztg. ist es die Wahrheit, daß die Neue Rheinische Zeitung im Laufe dieses Quartals abermals öfters, statt mit der direkten Trierschen Post, erst Abends über Aachen hier eingegangen ist. Wenn die löbl. Exped. diese Thatsache nicht bezweifelt, so mußte sie die Schuld früherer Unregelmäßigkeiten nicht in Prüm, sondern in Cöln suchen, entweder in ihrer eigenen Expedition oder im dortigen Ober-Postamte und es war daher voreilig, vor Ermittelung des schuldigen Theils den Post-Anstalten allein alle Schuld zuzuschieben, die bei genauer Untersuchung nicht unwahrscheinlich in vielen Fällen auf der Exped. der Ztg. selhst sitzen bleiben dürfte. Es ist leichter, ohne Gründe beim Publikum zu verdächtigen, als einmal ausgestreute Vorurtheile wieder zu beseitigen.
Wir verlangen, daß Sie obige Bemerkung zu unserer Rechtfertigung in Ihre Zeitung aufnehmen und versichern, daß wir von jetzt an von jeder Unregelmäßigkeit, mag solche die löbl. Exped. der Ztg. oder das Ober-Postamt in Cöln treffen, auf das strengste Notiz nehmen werden, um eines Theils den Schuldigen zu ermitteln und andern Theils den Verdächtigungen der Postbeamten soviel an uns ist, entgegen zu wirken.
Prüm, den 30. October 1848.
Post-Amts-Zeitungs-Expedition.
Dieckmann. Weilandt
Wir bemerken, zu obiger Rechtfertigung, daß die Zeitungen nach Prüm nie mit der Aachener Post, sondern stets mit der Trierschen expedirt worden sind. Für uns ist es gleichgültig, auf welcher Post die Nachläßigkeiten geschehen; das Factum, daß sie unzählige Male vorgekommen sind, ist für uns hinreichend, gegen die Post-Anstalten zu klagen.
D. Exped. d. N. Rh. Ztg.
Handels-Nachrichten
gap: insignificant
Fruchtpreise zu Neuß am 31. Oktbr.
gap: insignificant
@typejAnnouncements
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Bekanntmachung.
Mittelst Allerhöchster Kabinets-Ordre vom 8. April d. J. (Gesetz-Sammlung Nr. 14) ist vorgeschrieben worden, daß für Sendungen, deren Werth angegeben ist, außer dem Porto für das Gewicht, noch eine Assekuranz-Gebühr für den angegebenen Werth erhoben werden soll. Ferner bestimmt die gedachte Allerhöchste Kabinets-Ordre, daß ein Deklarationszwang nicht mehr Statt findet, daß aber im Falle des Verlustes einer nicht deklarirten Geldsendung oder einer Werthsendung, welche bisher dem Deklarationszwange unterworfen war, kein Ersatz geleistet wird. Nach dieser gesetzlichen Vorschrift hat die Post beim Verluste nicht deklarirter Sendungen nur dann Ersatz zu leisten, wenn der Werth derselben, die Tara abgerechnet, weniger beträgt, als zehn Thlr. pro Pfund. In solchen Fällen wird eine Assekuranz-Gebühr nicht erhoben, der Absender hat aber den Werth des Inhaltes glaubhaft nachzuweisen, bevor Ersatz geleistet werden kann. Werden Sendungen von geringerem Werthe als 10 Thlr. pro Pfund von dem Absender freiwillig deklarirt, so wird die Assekuranz-Gebühr von dem deklarirten Werthe erhoben und im Verlustfalle nur letzterer von der Post erstattet, in so fern von dieser nicht nachgewiesen werden kann, daß der deklarirte Werth den gemeinen Werth der Sache übersteigt.
Berlin, 21. Oktober 1848.
General-Post-Amt.
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Bonn-Kölner Eisenbahn.
Vom 15. Oktober 1848 ab fahren die Züge täglich:
Von Köln nach Bonn:
6 1/2,10,11 1/2 Uhr Vormittags.
2 1/2,5 Uhr 10 Minuten,7 1/2 Uhr Nachmittags.
Von Bonn nach Köln:
7,8 3/4,12 Uhr Vormittags.
2 Uhr 20 Min. 5,7 Uhr 20 Min. Nachm.
Die Direktion.
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Bonn-Kölner Eisenbahn.
Vom 1. November d. J. ab werden versuchsweise Billets zur 1. Wagen-Klasse, für Hin- und Rückfahrt zwischen Bonn und Köln an demselben Tage gültig, zum Preise von 25 Sgr. per Billet verkauft.
Die Direktion.
@typejAn
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Ein kräftiger gesunder Mann sucht irgendwie Beschäftigung, um sich und seine Familie zu ernähren. Näheres Kostgaße Nr. 15.
@typejAn
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Belohnung für Wahrheit.
Derjenige, der mir einen von nachstehenden Punkten beweisen und wahrmachen kann, erhält 500 Thaler Belohnung.
Nämlich:
1. Daß ich einen Steuermann bestellt haben soll, der dem Peter Ernsdorf von St. Barbara sein Schiff nach Kesselheim gefahren hat. Den 5. Jan. 1847,
2. Daß ich mit Ernsdorf gesprochen haben soll, daß Ernsdorf die Kohlen nach Kesselheim fahren soll.
3. Oder, daß ich das Schiff selbst nach Kesselheim gefahren habe.
4. Oder, daß ich in Koblenz war, wie das Schiff von dorten nach Kesselheim gefahren worden ist.
5. Oder, ob ich in Kesselheim war, wie das Schiff dorten angekommen ist.
6. Oder, ob ich in Kesselheim war, wie das Schiff dorten gesunken ist.
7. Oder, ob ich Schuld gewesen bin, daß ein Eissaum in Neuendorf weggetrieben ist, der das Schiff in Kesselheim gedrückt hat, wodurch dasselbe dort gesunken ist.
8. Oder, ob die Kohlen, die noch im Schiff waren, mir gehörten.
9. Oder, ob ich die Kohlen nach Kesselheim liefern mußte.
Auch derjenige erhält noch 500 Thlr. Belohnung, der einen andern Weg weiß, aber ein richtiger, wodurch ich Schuld gewesen sein sollte, daß dem Ernsdorf sein Schiff in Kesselheim gesunken ist.
P. Pisbach.
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Bei G. Tonger, Pauluswache ist zu haben:
Frint, Geist des Christenthums, 3 Bde. (Ladenpr. 1 1/8 Thlr.) nur 5 Sgr. Jdem, die Weihe des Priesters, 2 Bde. (Ladenpr. 1 2/3 Thlr.) nur 7 1/2 Sgr. Jdem, Standeswahl, (Ladenpr. 22 1/2 Sgr.) nur 3 Sgr. Die 3 Werke zusammen 15 Sgr.
Veronius, Richtschnur des Glaubens, Lateinisch mit deutscher Uebersetzung von Smets (Ladenpr. 22 1/2 Sgr.) nur 7 1/2 Sgr.
Raphael's Leben, in 12 Bildern, dargestellt von Riepenhausen, gestochen von Barth. Rist etc. 12 große Foliobl. (Ladenpr. 5 2/3 Thlr.) nur 25 Sgr.
Napoleon's Leben. 12 kleine feine Bildchen in elegantem Etui, 2 1/2 Sgr.
Bilder und Bildchen aller Art, bunt und schwarz. Religiöse Genredilder, Landschaften, Spiele, Zeichnungen, Blumen, Thiere, Portraits in größter Abwechselung. Reste aus einer Kunsthandlung, die um rasch damit aufzuräumen, in Päckchen von circa 30 Stück zu dem unerhört geringen Preise von 5 Sgr. und 7 Päckchen 1 Thlr. erlassen werden.
Händler, welche sich eine Partie anschaffen, sie sortiren, und einzeln verkaufen, können dabei ein gutes Geschäft machen.
Ein kleines Bilderbüchlein.
Zwölf Bildchen Kinderspiele, 1 Sgr.
Robinson Crusoe. Erzählung für die Jugend 2 1/2 Sgr.
Rhein. Sagen- u. Liederschatz. Volksgeschichten, Legenden, Mythen etc. von den besten deutschen Schriftstenern, 2 Bde. in Taschenformat, 556 Seiten stark, sauber broch. (Ladenpr. 25 Sgr.) jetzt nur 5 Sgr.
Unterhaltungs-Bibliothek. Erzählungen, Novellen, Gedichte, etc. von Gutzkow, Börne, Heine, Hoffmann von Fallersleben, Herwegh, etc. Eine der interessantesten Unterhaltungsschriften der neuesten Zeit. Beide 456 Seiten starke Bände (im Ladenpr. 25 Sgr.) für nur 5 Sgr.
Ein lustiges Büchlein ohne Titel. Mährchen von 3 Schneidern und andere Schwänke etc. 1 1/2 Sgr.
Tod, Grab, Unsterblichkeit, Wiedersehen. Aufsätze der besten Schriftsteller aller Zeiten und Völker. Schöngedruckter Band von 406 Seiten. (Ladenpr. 25 Sgr) für nur 5 Sgr.
Sonnenberg, Kunden und Sagen, von Dräxler-Manfred, Elegante Ausgabe, geb. (Ladenpr. 1 1/3 Thlr.) für nur 6 Sgr.
Die deutsche Freiheit, v. Bleibtreu. Geschichtserzählung. Was wir erlangt haben. Was von den Volksvertretern zu hoffen. Kath. Verhältniß Deutschlands zu den auswärtigen Mächten. (Nach Zuccalmaglio's Werkchen) unstreitig die beste Schrift dieser Art, welche in letzterer Zeit erschienen, nur 1 1/2 Sgr.
Winterabende. Nützliches, Erbauliches, Unterhaltendes für Bürger und Landmann, 148 Seiten stark, nur 2 1/2 Sgr.
Die elf gefangenen Ritter zu Altenahr. Historische Erzählung; auch unter dem Titel: Kölns blutige Schaubühne, oder der Freiheitskampf der Kölner im 13. Jahrhundert. 108 Seiten stark, nur 2 1/2 Sgr.
Schauspiele v. Taxel. (Ladenpreis 20 Sgr.) für nur 2 1/2 Sgr.
Aphorismen über Religion u. Dogmatismus, von Dr. Rave. (Ladenpr. 22 1/3 Sgr.) für nur 3 Sgr.
Handbuch für Reisende in Schweden. Schilderungen der verschiedenen Provinzen und deren Eigenheiten in geograph. und ökonom. Hinsicht nebst Beschreibung der Kanäle, Städte, Bergwerke, Gruben, Güter, Merkwürdigkeiten etc. von Possart, 448 Seiten. (Ladenpr. 1 Thlr. 22 1/2 Sgr.) für nur 7 1/2 Sgr.
Die angezeigten Artikel sind sämmtlich neu und wo kein Einband angegeben, sauber geheftet und in Mehrzahl vorräthig.
Auswärtigen die Anschaffung zu erleichtern, sende ich trotz der geringen Preise, jede Bestellung von mindestens 2 Thlr. das Paket portofrei zu, und lege außerdem noch jeder Bestellung von mindestens 4 Thlrn. ein Loos zur Gemälde-Verloosung, worauf ein Gemälde von 30 bis 200 Thlr. Werth gewonnen werden kann, gratis bei, so bei Bestellungen von wenigstens 8 Thlrn. 2 u.s.w. Jeder Bestellung muß aber der Betrag portofrei beigefügt werden.
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Sehr gute irdene Kochgeschirre und steinerne Einmachstöpfe sind billig zu haben, bei Paul Jos. Bungartz, unter Hutmacher Nr. 18.
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Römischer Circus.
Von Alexandro Guerra.
Letzte Woche.
Heute den 2. November 1848, zum Erstenmale Ostrolenka und das Zusammentreffen zweier Freunde, große Pantomime mit mehreren Gefechten zu Pferd und Tadellau, ausgeführt von sämmtlichen Herren der Gesellschaft, vorher Produktion der höhern Reitkunst und Pferde-Dressur.
Freitag den 3. November große Benefiz-Vorstellung der Mlk. Louise Lettard. Das Nähere der Tageszettel.
Alexandro Guerra.
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Theater-Anzeige.
Donnerstag den 2. November:
Neunte Gastdarstellung des Balletmeisters Hrn. Martin, und der Solotänzerin Frau Martin-Zimmann, vom kön. Hoftheater zu Lissabon.
„Der Gott und die Bajadere.“
Große Oper mit Ballet in 2 Akten von Auber.
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Der Gerant: Korff.
Druck von J. W. Dietz, unter Hutmacher 17.