[0445]
Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No 87 Köln, Sonntag 27. August 1848. Nachdem in Folge der von den deutschen Buchdruckergehülfen ergangenen Aufforderung fast alle Zeitungen, welche seither Montags erschienen, an diesem Tage zu erscheinen aufhören, sind auch die Verleger der rheinischen Blätter darin übereingekommen, am Sonntage ihre Druckereien feiern zu lassen, um auch ihrem, im Laufe der Woche so sehr angestrengten Personale den Ruhetag zu verschaffen. Von jetzt ab wird daher die „Neue Rheinische Zeitung“ Montags (Sonntags Abends) nicht mehr ausgegeben. Die verehrlichen Abonnenten werden sicherlich diese Maßregel um so weniger unbillig finden, als ihnen dadurch schwerlich eine geringere Bogenzahl geliefert werden wird, als bisher. Die Geranten der Neuen Rheinischen Zeitung.
Deutschland.
@xml:id#ar087_001_c
@typejArticle
@facs0445
Edition: [Friedrich Engels: Die Kölnische Zeitung über Italien. In: MEGA2 I/7. S. 619.]
[ ** ] Köln, 26. August.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
@xml:id#ar087_002_c
@typejArticle
@facs0445
Edition: [Friedrich Engels: Die Zeitungs-Halle über die Rheinprovinz. In: MEGA2 I/7. S. 622.]
[ ** ] Köln, 26. August.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
@typejFeuilleton
@facs0445
@xml:id#ar087_003
@typejArticle
@facs0445
Das Domfest von 1848.
(Fortsetzung.)
Seit gestern spüre ich plötzlich die entsetzlichsten Gewissensbisse. Ich hatte mir vorgenommen vom Dome zu erzählen und ich lasse mich durch die Menschenzwerge immer wieder davon abbringen. Das ist nicht recht! Man sollte fast sagen, ich liebte unsern alten Dom nicht, unsern guten alten Dom, der am 14. August seinen sechshundertjährigen Geburtstag gefeiert hat, unsern Großvater Dom, dem es nicht geht, wie gewöhnlich alten Leuten, die mit jedem Jahre kümmerlicher und häßlicher werden, nein, der immer noch wächst und immer schöner wird, ganz gegen alle Regel, ganz gegen alle Gewohnheit; der trotz seiner luftigen Lebensstellung auf freiem Platze, hart am Rheine, allem Regen und Wind ausgesetzt, doch noch nicht an Migräne und Rheumatismus leidet, der ungeachtet seines vorgerückten Alters sich den Henker darum schiert, ob ihm im Winter die Schneeflocken um die Nase fliegen, ja, der aller Stürme lacht und immer fröhlicher und vertrauensvoller in die Welt hinausschaut, ja, der mit einem Worte der heiligen Stadt Köln bejahrtester Greis und hoffnungsvollster Jüngling ist! — O, ich liebe den alten Dom, ich liebe ihn gerade wie all die Tausende von Menschenkinder, die neulich zu seinem Geburtstag zusammentrafen, die dem alten Herrn zwischen den großen Säulen-Beinen durchliefen, die ihm auf dem breiten Rücken herumkrabbelten, die ihm mit Hüten und Mützen und Tüchern winkten, die sein ehrwürdiges Haupt mit Fahnen und Guirlanden schmückten, die ihm Lieder sangen und Toaste ausbrachten und die ihm aufs Neue die Versicherung gaben, daß sie ihm gern jedes Jahr ein fünfzig- oder hunderttausend Thaler in die großen Rocktaschen stecken wollen, damit der gute, alte Knabe sich auch ferner seines Lebens freue, und ferner wachse und gedeihe.
Ja, ich liebe den Dom und es freut mich, daß es ihm wohlgeht. Er blüht jetzt schöner als je. Vor einigen Jahren dauerte er mich aufrichtig. Da wurde sein steinernes Zacken- und Spitzenkleid immer schäbiger und schlottriger. Man sah, daß sich Niemand recht um ihn bekümmerte; er war wie ein alter Student, der lange Zeit nicht unter die Hände der Mutter gerieth, dem die Knopflöcher des Sammetrockes ausrissen und dem die Knöpfe abfielen, der ganz aus der Wäsche kam, und der sehr schlechte Stiefeln besaß. Es that mir leid um den Dom. Vergebens war es, daß die kleinen Mitbürger des großen Mannes jährlich einmal ein paar Schoppen Weißen weniger tranken als sonst und das Ersparte mit auswärtigen Beiträgen zusammenthaten und einem klugen Dombauschneider mit seinen Gesellen den Auftrag gaben, wenigstens das Nothdürftigste zu repariren, damit der alte Herr doch nicht ganz unter die Füße komme, und sich wenigstens als ehrlicher und anständiger Bürger Kölns sehen lassen könne — vergebens war dies! Was geschah, es war doch nur halbes Werk, es war kaum der Rede werth und wenn die pfiffigen Franzosen und die stolzen Britten oder die dicken Holländer an ihm vorübergingen, da blieben sie nicht selten stehen und schüttelten mit den Köpfen und sprachen: Seht, wie die Deutschen ihren alten Vater Dom vernachlässigen! Ach, stände er bei uns, wie wollten wir ihn pflegen und wohlauf halten, daß es eine Freude wäre!
So sprachen sie und manchem guten Kölner schmeckte dann der Wein doppelt so sauer als sonst.
Aber die Zeiten haben sich gebessert. Der Dom ist wieder auf den Strumpf, ja, auf einen grünen Zweig gekommen. Er sieht aus wie ein Mensch, der ein Viertel vom großen Loos gewann; wie Jemand, der seine Schulden bezahlte; wie ein Vater, der alle seine schönen und häßlichen Töchter unter die Haube brachte, und es konnte nicht fehlen, daß er sich bei seiner sechshundertjährigen Geburtsfeier im höchsten Grade stattlich und wohlgefällig ausnahm.
Wie meine Leser aus der Ueberschrift sehen, hatte ich mir vorgenommen diesen Geburtstag in seiner ganzen Erhabenheit zu schildern und ich wäre auch gewiß schon längst im besten Zuge, wenn ich nicht über Hrn. v. Gagern, über seinen Sancho, über den herrlichen Dulder Hiob, über die Kölnischen Stadtsänger und über so viele andere Männer des Jahrhunderts gestolpert, und von dem unsterblichen Diner des Gürzenich erst eben wieder mit heiler Haut in die frische Luft hinausgepurzelt wäre.
Die Götter wissen es, nichts ist leichter, als Das zu schildern, was man gesehen hat und ich würde auch die Domfeier beschreiben können, den ganzen Zug, die ganze Fahnen und Blumen geschmückte Kolonne, wenn ich, leider, nicht statt des Schauspieles die Zuschauer, statt der bärtigen Bürgerwehr, der frommen Dombaufreunde, der braven Steinmetze und der betenden Pastöre, die lieblichen Frauen und Mädchen betrachtet hätte, die rechts und links aus den Fenstern und von den Dächern herabnickten mit ihren Vergißmeinnicht-Augen, mit ihren seligen Locken und mit jenem verfluchten Lächeln, das uns arme Männer noch um all unsern Verstand bringen wird, wenn wir sie nicht todtherzen und todtküssen, jene entsetzlichen kleinen Personen, so viele es ihrer gibt, und ihnen ein Grab machen in unsern Armen und sie versenken an unserer liebeklopfenden Brust.
Wenn ich daher meinen Lesern die wirkliche Dombaufeier so ohne Weiteres schildern sollte, so müßte ich sie dichten; aber ich liebe die Wahrheit von ganzer Seele, ich liebe die Göttin der Wahrheit, die so todternst aussieht wie eine egyptische Pyramide, wie ein kahler Apostel oder wie ein lateinischer Schweinslederband, ich liebe sie eben so aufrichtig wie die trügerisch lachende Göttin der Lust, wenn sie uns ihren Lilienbusen zeigt und uns den Champagner in die hohen krystallenen Gläser gießt, auf daß wir lieben und trinken möchten die dämmerige Lenznacht hindurch, bis der Morgen kommt, der fatale Morgen, wo man zu schwarzem Kaffe greift, ohne Zucker und Milch, und wo einem mit Schrecken einfällt, wie doch Alles auf Erden vergänglich ist, Pyramiden und Apostel und Schweinslederbände, ja sogar der Champagner, ein Lilienbusen und die Luft der ambrosischen Lenznacht.
Als ich mich daher gestern hinsetzte, um die Schilderung meiner Dombaufeier fortzusetzen, da langte ich, um ja nicht auf Irrwege zu kommen, nach dem Born aller Wahrheit, nach der Kölnischen Zeitung, die uns schon während des Festes, so stehenden Fußes, [0446] eine Beschreibung alles Vorgefallenen in jenen frommtönenden Worten gab, die zauberisch, wie Glockengeläut in unser Ohr dringen, oder jenen Klängen ähnlich sind, die wir beim Sinken der Sonne vernehmen, wenn der Kuhhirt sein Horn bläst und die sanften Rinder westwärts treibt zu der Heimath.
In der Kölnischen Zeitung las ich denn auch Alles, was ich gesehen und was ich nicht gesehen. Wie dem Domzuge voran ein Musikkorps ritt und eine Abtheilung der Bürgerwehr, wie dann die Sängerchöre der Gymnasien kamen, die Gesangvereine, die Waisenkinder, die Dombauhütte mit ihrer Fahne und ihren Insignien, der Vorstand des Central-Dombauvereins, die auswärtigen Deputirten und zahllose Dombaufreunde, unsere alten, großen Meister darunter, unser ehrwürdiger Sulpiz, unser Cornelius und Kaulbach, und wie der Zug von Straße zu Straße wogend, den Herrn Erzbischof und die andern goldstrahlenden Würdeträger der Kirche in sich aufnahm, um unter feierlich-schönem Gesange sich endlich durch die Pforten des Domes in jene Riesenhalle zu ergießen, aus deren Fläche jene ragenden Säulen sprossen, die schlank, wie die Palmen des Mittags, ihre prächtige Wölbung tragen und den Staunenden fortreißen zu Jubel und Entzücken, daß es Menschen gab, die so Herrliches bauen und thürmen konnten mit ihren weißen winzigen Händen.
Alles dies las ich in der Kölnischen Zeitung und wie ich mich über die Reichhaltigkeit jener Festberichte freute, eben so sehr staunte ich über den Styl, in dem sie abgefaßt waren. Niemals wird es mir wohl gelingen, dergleichen nachzuahmen und zu erreichen. Schon bei dem ersten Worte dieser Skizzen habe ich es versucht, aber alle meine Anstrengungen waren umsonst; es fehlt mir die Weihe, die tieftraurige Frömmigkeit des Gemüthes, der säuselnde verzückte Pathos der Begeisterung und die in ewiger Auflösung begriffene Wehmuth einer unendlich fühlenden und empfindenden schönen Seele, kurz, es fehlt mir Alles. Ich sehe, daß ich „ein flaches modernes Weltkind“ bin und melancholisch stiere ich hinab in mein großes, kohlschwarzes Dintenfaß.
Außer der Beschreibung des Festzuges las ich auch noch die Rede des Hrn. Dr. Everhard v. Groote, der im Namen des Vorstandes die ehrwürdigen Prälaten und die Vertreter Deutschlands und Preußens, so wie alle Genossen deutscher Stämme und Bewohner aller Gaue des Vaterlandes tausendmal willkommen hieß. Ich muß gestehen, ich habe ein Vorurtheil gegen jede Rede, die mit: „Genossen deutscher Stämme“ und: „Gaue des deutschen Vaterlandes“ anfängt; namentlich seit jener Rede auf dem Gürzenich, jener einfachen Rede eines einfachen Mannes, von allgemeiner Brüderlichkeit, bis an die äußersten Gränzen.
Nichtsdestoweniger las ich die Rede des Hrn. v. Groote mit Pietät. Ich las von „der Riesenschöpfung,“ wie Hr. Groote sagt, „bald nach jener Zeit als der Hohenstaufe Friedrich I. Europa durch seine Thaten erschütterte und der Erzbischof von Köln, den Raugrafen Reinold von Dassell an seiner Seite, — ganz wie es jetzt Radetzky macht — die italienischen Städte züchtigte und dem treulosen Mailand seinen Schatz entriß, über welchen der Dom sich wölbte.“ Alles dies las ich und wie dann am 14. August 1248 der erste Stein zu dem Baue gelegt wurde, und wie die Arbeit raschen Schrittes vorwärts ging und je weiter ich kam und je mehr sich die Beredsamkeit des Hrn. v. Groote entwickelte, desto ernster und tiefsinniger wurde ich, bis mir zuletzt, war es vor lauter Tiefsinn oder durch den Duft der Druckerschwärze, die Augen zufielen, ja, bis ich leise einschlief und auf den Sopha sank, die Kölnische Zeitung fromm gefalten in beiden Händen‥‥
Selig schlummernd träumte ich die Groote'sche Rede zu Ende und ich bin fest überzeugt, daß ich sie tausendmal schöner träumte, als sie wirklich gehalten wurde und ich träumte auch noch den Fortgang und den Schluß der ganzen Feier, bis sich alles Volk wieder verlaufen hatte und bis ich gegen Abend mutterseelen allein unter den immer grauer und unheimlicher werdenden Pfeilern stand.
Weiß der Teufel, der Küster hatte mich eingeschlossen! Aengstlich wie eine Kirchenmaus polterte ich über Stühle und Bänke, durch alle Ecken und Winkel. Umsonst! Ich war gefangen.
Gottergeben setzte ich mich daher in einen alten harten Betstuhl und bildete mir ein, ich läge in den weichsten Kissen. Rings war Alles so märchenhaft still; ich sah die Säulen hinan und es war mir, als läge ich in einem alten nordamerikanischen Urwalde. Bald ging der Mond auf und zitternd fiel sein bleiches Licht durch die farbigen Scheiben. Das Laubgewinde des Chores blitzte von Gold und Smaragden; es war ein wunderschöner Anblick und in meinem Leben ist es mir nie wohler um's Herz gewesen. Schnell schwanden die Stunden; es schlug zehn und es schlug elf Uhr — immer feierlicher und stiller wurde es. Da tönte es Mitternacht und es bebte der Dom bis hinab in den letzten Basaltblock. Ein Rauschen und Flüstern begann in dem Laubgewinde der Säulen, in den Bogen der riesigen Fenster, in dem heiligen Düster der Kapellen — die Gräber öffneten sich und heraufstiegen in prangender Rüstung die todten Fürsten und Ritter verschollener Zeit und in langen, weihrauchduftenden Chorgewändern die Heroen der Kirche und weithin wogte der geisterhafte Zug, der graberstandene, und ihm voran schwebte eine himmlische Frau, ein stolzes, königliches Weib, rollende Welten ihre Augen, rollende Meerfluth ihr Diadem geschmücktes Haar und im Nu erkannte ich, daß es Niemand anderes sei, als die göttliche Maria von Medicis.
(Fortsetzung folgt.)
@xml:id#ar087_004
@typejArticle
@facs0446
Zum Beweise, daß es noch Sklaven gibt:
Steckbrief.
Am 8. d. Vormittags sind die beiden Sklaven Christian Hansen und Hermann Jacob Axel Siewike aus der Festung entwichen und bis jetzt nicht wieder aufgegriffen worden.
Alle Militär- und Civilbehörden werden hiemittelst ersucht, auf die unten näher signalisirten Sklaven Christian Hansen und Herrmann Jacob Axel Siewike vigiliren und im Betretungsfalle dieselben gegen Erstattung der Kosten anher transportiren zu lassen.
Rendsburg, den 10. August 1848.
v. Abercron, Major und Platzkommandant.
[Deutschland]
@xml:id#ar087_005
@typejArticle
@facs0446
gentheil. Je freisinniger die Institutionen, desto freier werden sich die heterogenen Elemente auseinander scheiden, desto mehr wird sich zeigen, wie nothwendiger die Trennung ist, desto mehr wird die Unfähigkeit der Berliner Politiker aller Parteien an den Tag kommen.
Wir wiederholen: Innerhalb Deutschlands mit den altpreußischen Provinzen zusammenzubleiben, dagegen hat die Rheinprovinz nichts einzuwenden; aber sie zwingen wollen, ewig innerhalb Preußens, gleichviel ob eines absolutistischen, eines konstitutionellen oder eines demokratischen Preußens zu bleiben, das hieße Deutschlands Einheit unmöglich machen, das hieße vielleicht sogar — wir sprechen die allgemeine Stimmung des Volks aus, ein großes, schönes Gebiet für Deutschland verloren machen, während man es für Preußen erhalten will.
@xml:id#ar087_006
@typejArticle
@facs0446
[ 61 ] Wien, 21. August.
9 Uhr Abends. Die Stadt ist in drohender Aufregung; die Läden wurden früh geschlossen, je mehr Arbeiter in die Stadt geströmt kamen. Auf dem Graben, Kohlmarkt, unter den Tieflauben und fast in allen Straßen stehen Arbeiterklubs. Ich habe mich unter die Leute begeben und hörte die ärgsten Drohungen. „Wozu Fackelzüge, Beleuchtungen für den Kaiser, sagte man? Wir lassen uns keine Lohnherabsetzung gefallen.“ Das Wort „hängen“ wurde dabei mit den bedeutendsten Personen in Verbindung gebracht. „Jetzt werden wir sie nicht mehr mit dem Gelde abziehen lassen, wir werden den Kerls zeigen, daß wir mächtig sind“, hörte ich an vielen Stellen. Namentlich zeichneten sich die Frauen in dergleichen Reden aus. — Die Nationalgarde ist überall in Bereitschaft und ich hörte manche sich äußern, man müsse der Sache ein Ende machen. Indessen dürfte dies nicht so leicht sein; unter den Wiener Arbeitern steckt die ganze österreichische Bevölkerung, d. h. Böhmen, Ungarn, Deutsche, Italiener, Croaten, Czekler, Illyrier, Serben u. s. w. Sie sind entschiedene, thatkräftige Leute. Die akademische Legion ist auf ihrer Seite; an Führern fehlts also nicht. — Nach Schönbrunn konnte ich nicht gelangen; das Burgthor war gesperrt, die Wagen fuhren nicht mehr. — Die ganze Aufregung ist durch einen Entschluß des Ministeriums vom 18. entstanden, wonach der Tagelohn von 20 auf 15 Kr. herabgesetzt worden ist, um die Geldmittel des Staats nicht zu erschöpfen. Durch ein am Abend angeheftetes, von dem Minister Schwarzer unterzeichnetes, durch die Arbeiter indessen überall herabgerissenes Plakat wird nun erklärt, daß das Ministerium bei der Herabsetzung des Lohns verharren müsse.
Nachdem Mittags die Aufregung begonnen, ließ der Gemeindeausschuß dem Oberkommandanten der Nationalgarde bedeuten, die Garde unter die Waffen zu rufen. Daher der Generalmarsch, daher aber auch die erhöhte Aufregung. — Der Sicherheitsausschuß, durch das Ministerium wiederum mit voller Macht bekleidet, hat in seiner Permanenz, die ich eben verlasse, den Beschluß gefaßt, den Oberkommandanten vorfordern zu lassen, um Rechenschaft von ihm zu verlangen über das Verhalten der Garde und ihm zu bedeuten, daß er den Befehl zum Generalmarsch künftig von niemand anderem mehr zu empfangen habe, als vom Sicherheitausschuß; daß er nur allein unter diesem stehe. Ebenso wurde der Beschluß gefaßt, daß Militär sich nur auf ausdrücklichen Befehl des Sicherheitsausschusses der Stadt nähern dürfe. Der Gemeindeausschuß ist vernichtet; Sicherheitsausschuß und Reichstag werden künftig nunmehr allein in Wien herrschen; jede andere Gewalt ist durch den heutigen Tag annullirt, wenn die Kamarilla kein Kabinetsstückchen wagt. — Wie ich eben höre, ist der Fackelzug unterblieben; alle Straßen sind wie gekehrt von Kavaleiren, man sieht nur Arbeiter, Studenten und Nationalgarden. Der Reichstag hält noch Sitzung, die Berichterstattung über die Finanzlage ward so eben abgethan. Ich werde Morgen das Nähere mittheilen.
Eine Arbeiter-Deputation hat den Minister Schwarzer aufgesucht, um von ihm die Zurücknahme des Beschlusses vom 18. und dessen heutige Bestätigung zu erlangen. Bis jetzt ist aber Schwarzer nirgends zu finden gewesen.
@xml:id#ar087_007
@typejArticle
@facs0446
[ 61 ] Wien, 21. Aug.
In der gestrigen Sitzung des Sicherheitsausschusses entwickelten sich unter den Anwesenden eine äußerst anziehende, höchst stürmische Debatte darüber, ob der Beschluß des Ausschusses, eine Adresse an die äußerste Frankfurter Linke zu senden aufrecht zu erhalten oder zu annulliren sei. Die vielen Anfeindungen des Ausschusses, die Frage, ob der Ausschuß dadurch nicht im Volke den Boden verlieren würde, hatte diese Debatte hervorgerufen.
In einer feurig-geistreichen Rede bewies Wessely, daß, obgleich die Adresse vom demokratischen Vereine dem Ausschusse vorgelegt worden, man, wie gesagt werde, durch ihre Annahme dennoch nicht im Schlepptau dieses Vereines gehe, weil es überhaupt nicht darauf ankomme, woher die guten Vorschläge und Thaten kämen, sondern nur darauf, daß sie ausgeführt würden.
Das Frankfurter Parlament habe leider gezeigt, daß es kein demokratisches sei, es habe durch die Mißhandlung Brentano's bewiesen, daß es nichts verdiene, als die Entrüstung aller edlen deutschen Herzen und diese Entrüstung müsse der Ausschuß aussprechen, weil er als ein demokratisches Institut Deutschlands solchen unwürdigen Thaten mit Gleichgültigkeit nicht zusehen dürfe, ohne an der Demokratie Verräther zu werden. Auf die Worte der Adresse komme es übrigens weniger an, als darauf, daß sie selbst abgehe. Was die Zuständigkeit des Ausschusses betreffe, so könne darüber kein Zweifel sein. Der Ausschuß sei ein Kind der Revolution, hervorgegangen aus dem 26. Mai, wo er allein ein obrigkeitliches Ansehen zu erringen gewußt. Der Ausschuß müsse eine permanente Revolution bleiben, so lange er bestehe; er habe Minister gestürzt und neue erhoben, er müsse auf der Warte der Freiheit stehen und von dieser Warte herab sähe er auch dem Schauspiel in Frankfurt zu. (Ungeheurer, nicht enden wollender Beifall im Saale und von den Galerien.)
Lichtenstern spricht gegen die Adresse, weil man gegen eine oberste Behörde, als welche man das Frankfurter Parlament zu betrachten habe, nicht auftreten könne.
Freund: Die Frage sei wichtig; es sei zwar eine Einfältigkeit zu sagen, der Ausschuß lasse sich vom demokratischen Vereine ins Schlepptau nehmen, allein der Ausschuß könne sich seines Erachtens doch nicht als Partei hinstellen und müsse qua Ausschuß die Adresse vermeiden. Wenn der Wiener Ausschuß eine Adresse erlasse, so bedeute dies etwas mehr, als die Adressen bloßer Vereine, denn es ständen 50,000 bewaffnete Nationalgarden hinter dieser Wiener Adresse, vor welcher das Frankfurter Parlament doch einigen Respekt haben müsse und auf welche sich diejenigen, welche ihn zu sprengen Luft trügen, wohl berufen könnten.
Willner, Abgesandter der akademischen Legion: Bei dem Erstreben der Freiheit komme es auf Verstand und Herz an, nicht blos auf den Verstand, wie ein Vorgänger gemeint. Auch die Kamarilla habe Verstand und das größte Unglück Deutschlands sei es eben, daß die Frankfurter lauter herzlose Theoretiker seien, lederne Pergamente. Durch eine kräftige Einsprache aller demokratischen Körper Deutschlands werde dessen Einheit keineswegs geschwächt, sondern nur verwirklicht; das Frankfurter Parlament aber stelle diese Einheit durchaus nicht dar. Wien stehe über Frankfurt, denn es bewahre die Demokratie, während Frankfurt sie mit Füßen trete; auf etwas Anderes komme es dabei nicht an; Wien müsse daher sein Augenmerk auf Frankfurt richten, ihm die ernste Miene zeigen. Nur die Linke befördere die Einheit Deutschlands; die Rechte gewähren lassen, würde auch Deutschlands Oesterreich erdrosseln machen, wie Brentano. (Ungeheurer, viele Minuten dauernder Beifall.) Ob Wien nicht Verwahrung einlegen würde, wenn in seinem Reichstag Deputirte geprügelt würden? (Ungeheurer Beifall.) — Das ganze Volk von Wien würde diese Adresse unterschreiben; der Ausschuß habe bei seiner Gründung auf das Recht, Adressen zu entsenden, niemals verzichtet. Die heute vorgelegte Adresse enthalte eine Perfidie, weil in der Ueberschrift das Wort äußerste vor Linke weggelassen sei. Wenn dieser Tag des Ausschusses Ende bestimmen sollte, so ende er mit Ruhm, denn er nehme dann ein demokratisches Ende. (Ungeheurer Beifall.) Eine Deputation der Mariahilfer Nationalgarde (Vorstadt) betritt den Saal und es entsteht, da auch draußen große Menschenmassen die Straßen sperren, eine gewaltige Aufregung. Der Ausschuß will die Deputation anfangs nicht hören, gibt dann aber nach. Sie ist vom 8ten Bezirke und sagt: Obgleich die Republik unser Ideal ist, können wir jetzt doch noch keine wollen, aber das Frankfurter Parlament hat unsere Errungenschaften verrathen. Wir müssen es tadeln, zurechtweisen, indem wir Diejenigen anerkennen, die sich Deutschlands Freiheit würdig bezeigen. Es muß also jedenfalls eine Adresse an die Linke erlassen werden, nicht aber an die äußerste Linke, weil wir vorläufig noch nicht mit den Fäusten zu reden gedenken. Keine Republik mit der Faust, bis nichts anderes mehr übrig bleibt. (Großer Beifall.)
Sylvester: Das Wort äußerste müsse dabei bleiben. Auch eine Behörde könne Adressen erlassen und dies dürfe hier nicht als Auflehnung ausgelegt werden.
Nach der Reihe treten noch mehrere Redner pro und contra auf, bis zuletzt abgestimmt und der Beschluß, eine Adresse an die Frankfurter äußerste Linke zu senden nur mit der Modifikation aufrecht erhalten wird, das Wort äußerste zu vermeiden. Die Adresse wird den 230 Kompagnieen der Nationalgarde zur Unterschrift vorgelegt und ein großer Theil des Reichstags wird sie ebenfalls unterzeichnen. — Die Kamarilla ist über diese Vorgänge in Verzweiflung und sucht nun den Spießbürger aufzuhetzen.
In der heutigen Morgensitzung kam der Fortbestand des Ausschusses zur stürmischen Berathung. Auf Anstiften der Kamarilla ward der Arbeitslohn um 5 Cr. herabgesetzt; die Arbeiter dringen von allen Seiten in die Stadt. Der Sicherheitsausschuß, ohne dessen Bewilligung ein solcher Beschluß nicht zur Ausführung gebracht werden konnte, nimmt sich ihrer an, sieht aber in seiner Uebergehung eine Verletzung seiner Stellung. Er erklärt sich in Permanenz. Eine Deputation wird abgesendet und überbringt nach kurzer Zeit folgenden Entscheid Dobblhoff's:
„Der Minister des Innern hat heute auf die an ihn gestellte Frage über die Stellung und Mission des Vereinigten Ausschusses der abgesendeten Deputation eröffnet: daß seiner Ansicht nach der Vereinigte Ausschuß weder in seiner bisherigen Stellung noch in seiner ihm übertragenen Aufgabe irgend welche Modification erlitten habe, er müsse daher an die Bürgerpflicht des Ausschusses die Forderung stellen, daß derselbe seine Aufgabe so wie bisher auch fortan und namentlich in der bestehenden jetzigen schwierigen Lage mit der Aufopferung erfülle, wie er es bisher gethan hat.“
Dobblhoff mochte einsehen, daß auch er falle, wenn er den Ausschuß fallen lasse.
Ich theile Ihnen zum Schluß die oben besprochene Adresse mit; sie lautet:
„An die Vorfechter deutscher Freiheit,
an die Deputirten der Linken
im Frankfurter-Parlamente!
„Die Demokraten Wiens, entrüstet über die mannichfachen Anfeindungen und terroristischen Angriffe, welche die Vertreter der wirklichen und wahren Volksfreiheit von Seite der dinastischen Partei in der Nationalversammlung sowohl als außer derselben zu erleiden hatten, und noch haben, — und in der Ueberzeugung, daß die von der äußersten Linken in Frankfurt vertretenen und standhaft verfochtenen Principien die einzige mögliche Grundlage für Deutschlands Freiheit und Einheit seien, fühlen sich gedrungen diesen edlen, wahren Volksvertretern öffentlich vor ganz Deutschland den Ausdruck ihrer wärmsten Sympathieen hierdurch mit aller Entschiedenheit freier Männer auszudrücken.“
Wien am 16. August 1848.
@xml:id#ar087_008
@typejArticle
@facs0446
[ 61 ] Wien, 21. Aug.
27. Sitzung des Reichstags. Anfang 9 1/4 Uhr. Vorsitz: Strobach. Tagesordnung: Ablesung des Protokolls der vorhergehenden Sitzung; Berichte des Petitionsausschusses; Verhandlung über den Antrag Kudlich's u. s. w.
Petranowich interpellirt den Minister des Innern, ob nicht-ungarische Truppen an dem Kampfe wider die Kroaten Theil nähmen, wie es verlaute, und ob das Ministerium solche Truppen nicht zurückzuziehen gedenke.
Dobblhoff: Es sei ihm nicht bekannt, daß in Syrmien deutsche Regimenter stehen; wegen Rückberufung deutscher Offiziere in der ungarischen Armee sei aber das Nöthige bereits eingeleitet.
Ein Abgeorneter: Nach einem Vertrage beziehen Preußen und Rußland jährlich ein halb Million Centner Salz zu dem Preise von 3 Fl. 40 Kr., während der Oestreicher 6 Fl. 48 Kr. dafür bezahlen müsse. Er frage darum an, wie lange dieser Vertrag noch dauere, ob das Ministerium dies auffallende Mißverhältniß nicht sofort ändern wolle und ob es die gesättigten der Weichsel in gedeckten Kanälen zufließenden Salinen nicht freizugeben gesonnen sei.
Finanzminister Kraus: Er müsse wegen des Vertrags erst die Akten nachsehen; es würde eine Verminderung des Salzpreises bald eingeführt werden, damit werde die Frage über Freigebung des Salzwassers erledigt werden.
Bei der nun folgenden Berichterstattung des Petitionsausschusses nimmt eine Eingabe die Aufmerksamkeit der Versammlung hoch in Anspruch, in welcher mehrere Einwohner von Prag und Umgebung den Minister Doblhoff und das Gesammtministerium in Anklagestand versetzen, indem sie es des Hochverraths für schuldig erklären. (Allgemeine Aufregung. Ruf: Noch einmal lesen.) Es geschieht. Die Gründe der Anklage sind: Doblhoff habe das Ministerium ohne Rücksicht auf die Provinzen gebildet, weil er Schwarzer darin aufgenommen, weil er ohne Genehmigung einen Unterstaatssekretär ernannt, weil er sich um die Gunst der Journale bewerbe, weil er den Grafen Leo Thun abgesetzt und die Stelle eines niederöstreichischen Regierungspräsidenten noch nicht besetzt habe, weil es den Grafen Rothkirch zum Gouverneur in Böhmen ernannt und die Güter Metternichs zu Gunsten des Staats noch nicht sequestrirt habe. Diese Petition wird ad acta gelegt. In einer andern Eingabe bitten die Maschinenarbeiter, ein abgesondertes Korps der Nationalgarde bilden zu dürfen. Der Petitionsausschuß trägt auf Verweisung an den Minister des Innern an. Auf den Antrag Brauners weist die Versammlung dieselbe dem Konstitutionsausschusse zu.
Pillersdorff sucht als Berichterstatter der Finanzkommission den in einer frühern Sitzung gegebenen Bericht des Finanzausschusses zu begründen. Er will, da die Nothwendigkeit es erheische, daß dem Minister Kraus bewilligt werde, einstweilen 6 Millionen bei der Bank zu leihen; er will ferner die Errichtung eines permanenten Finanzausschusses, um die Vorarbeiten für das künftig zu befolgende System zu liefern.
Schuselka: Er spreche für den Antrag, weil Roth kein Gebot kenne.(!) Doch sei weder der Bericht des Finanzministers, noch der der Kommission den Zeitbedürfnissen entsprechend, weil beide sich im alten Systeme bewegten und keiner einen energischen, sozialen Gedanken enthielten. Aber wenn die Nothwendigkeit gebiete, müßten alle Rücksichten schweigen, obwohl der Reichstag sich mit Bewilligung eines Kredits nicht überrumpeln lassen solle u. s. w. Die Rede ist wie die aller Stellenjäger, die den Mund voller Völkerbeglückung haben, die entgegengesetzten Thaten aber genehmigen und damit die große Masse der dummen Schafe für sich zu ködern meinen.
Gobbi (Triest) will den Anspruch, daß der Reichstag die Staatsschuld für unantastbar erkläre und die Bank ehestens in die Lage versetzt werde, ihre Noten wieder einzulösen. Der 7. Punkt im Berichte des Ausschusses sei unbillig und ungerecht, da nur Karl Albert die Millionen zu zahlen habe, die der Krieg gekostet, nicht die Lombardei. Die Schuld des Landes reiche nur bis zum Eintritte Karl Alberts und müsse von da an auf ihn gewälzt werden, weil Karl Albert nur mit despotischen Gelüsten in die Lombardei getreten und dadurch, und weil er verrätherische Vorspiegelungen gemacht, es verhindert habe, daß Italien sich der Wiener Revolution angeschlossen u. s. w.
Bilieski findet es sonderbar, daß die Kommission sich für Benutzung der Bank ausspreche, nachdem sie vor wenigen Tagen sich erst dagegen erklärt habe; er spreche sich für eine Spezial-Hypothek auf die Staats- und geistlichen Güter aus, weil Karl Alberts Belastung mit den Kriegskosten nicht viel und namentlich nicht alsogleich etwas einbringen würde, die italienischen Provinzen aber mit dieser Last nicht besteuert werden dürften.
Faschonk: Man müsse schon von Frankreich, nicht vom wucherischen Albion gelernt haben den Menschenwerth zu achten; er will kein Geld, er will Boden, Produkte und Personen als Münze. Er theile die Meinung, daß die Gefahr eines Staatsbankerotts bevorstehe, es sei aber auch bisher nur eine Finanzwirthschaft, und keine Finanzwissenschaft betrieben worden und bei der letzten handle es sich vor Allem, wie man die Menschen von ihren Abgaben befreie. Daß der Ausschuß Ersatz von Italien verlange, müsse er als eine Barbarei ansehen und es stimme schlecht mit der Angabe überein, Oesterreich werde Befreier Italiens sein. Den Staatskredit benützen, erscheine ihm lächerlich, wenn man damit wieder die Bank oder die Stockjoberei Einzelner meine Es freue ihn zwar, daß man den Kredit nur in dem Vertrauen auf die Nation Oesterreichs suche, aber Vertrauen fordere Thaten. Er ist gegen die Pläne des Ausschusses und will andere entwickeln. Der Präsident entzieht ihm unter dem Vorgeben das Wort, es handle sich heute nur um den Antrag der Kommission.
Bressel: Wenn die Versammlung heute schon die Staatsschuld anerkenne, so seien Italien und Ungarn, weil sie hier nicht vertreten, davon entbunden Dies gehe also nicht. Aber die Versammlung müsse auf Mittel denken, augenblicklich Geld zu schaffen; es handle sich vorläufig noch gar nicht um ein neues Finanzsystem, nicht um Regelung des Staatshaushalts; es handle sich davon, den Staatshaushalt nicht in's Stocken gerathen zu lassen.
@xml:id#ar087_009
@typejArticle
@facs0446
[ 61 ] Wien, 22. August.
Die Hauptstadt ist noch einmal vor einem blutigen Geschick bewahrt worden, sie hat noch einmal einen großen demokratischen Sieg errungen und diesen Sieg verdankt sie der Besonnenheit, dem tüchtigen Freisinn ihrer revolutionären Bürger, vor allem dem Ausschuß der Bürger, Nationalgarden und Studenten zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Volksfreiheit. Ich habe einen großen Theil der Nacht und des heutigen Morgens im Ausschusse zugebracht und die Ueberzeugung gewonnen, daß Wiens Freiheit geschirmt ist. Während die Frankfurter Gesinnungsritter sich bei Ihnen mit dem Königthum in einem Dombau-Essen festlich verbrüdert und die Fabrik- und [0447] Quadratfüßlerseelen des Rheines sich dabei die behaglichen Wänste füllen, nachdem sie den Säckel des Volks in den ihrigen hineinspekulirt, bringt Wien die schönsten Opfer zur Festhaltung der Freiheit. Wir lächeln darum auch mitleidig, wenn uns ein Herwegh zuruft, (Gedicht v. 9. Aug.) wir seien: „Eine Schöpfung ohne Leben und ein Chaos ohne Geist“ — Wien kann sich nur freuen, wenn angeliche Genies, welche die von deutschen Plattköpfen angeglotzte Dummheit ausgerufen: „O Volk von 40 Millionen, das 40 Menschen unterthan!“ es verhöhnen. Ich wenigstens habe das deutsche Volk immer gerade darum allein nur noch entschuldbar gefunden, weil es 40 einige Tyrannen im Nacken sitzen hatte und nicht etwa einen.
Ich glaube Sie versichern zu können, daß mit dem einfachen Herzen und mit dem einfachen, sehr begabten Naturverstande des Wieners sich keiner benommen haben würde, wie Herwegh, wenn es hier einmal auf einen republikanischen Kampf angekommen wäre. Schon längst zuckt daher der Wiener die Achsel über die sogenannten politisch-großen Geister und Charaktere Deutschlands, denn er sieht, daß es im Grunde ziemlich arme Schlucker sind, die man bemitleiden muß.
Die Thätigkeit der Kamerilla hat mit der Rückkehr nach Schönbrunn keineswegs aufgehört, sie ist durch ihre Niederlagen zur äußersten Wuth getrieben. Das Rückfordern, die kalte Aufnahme des Kaisers; das Durchfallen des Selinger'schen Antrags; die Parade mit dem ça ira, welche man als eine Verhöhnung des Kaisers auslegte; das demokratische Benehmen des Reichstag[e]s, der seinen schwarz-gelb-zuckersüßen Präsidenten Schmitt, nachdem er Salbader in Schönbrunn gesprochen, sogleich abgesetzt hat; das Fortbestehen des Sicherheitsausschusses und der akademischen Legion, überhaupt die fortwährend demokratische Haltung Wien's, geboten äußerste Mittel der List. Man bemühte sich, die demokratisch genannten Mitglieder des Ministeriums zu fangen und zu kompromittiren. Dazu taugte Niemand besser, als Schwarzer, den ich Ihnen schon früher als politischen Charlatan bezeichnet habe. Schwarzer wurde veranlaßt, den Arbeitslohn um 5 Kr. herabzusetzen; man wußte wohl, daß dadurch ein Arbeitersturm heraufbeschworen würde. Der Minister ging in die Falle, denn man zeigte ihm darin einen vortrefflichen Speck. Er erließ also schon am Samstag eine Verordnung, wodurch der Arbeitslohn herabgesetzt wurde. — Diesen Beschluß theilte er, wie die erste Pflicht gebot, nicht etwa dem Sicherheitsausschusse mit, sondern ließ ihn durch das Komité für die Arbeiter der Stadthauptmannschaft (früher Polizei-Oberdirektion) dem verhaßten Gemeindeausschusse mit dem Bedeuten zugehen, den Oberkommandant der Nationalgarde, Streffleur, aufzufordern, die sämmtlichen Kompagnieen der Garde in Bereitschaft zu halten, weil am Montag, wo er, der Minister, seinen Beschluß veröffentlichen würde, ein Arbeiteraufstand zu befürchten stehe. Zugleich war der Gemeindeausschuß autorisirt, das Militär zu requiriren. Dem Sicherheitsausschuß wurde davon keine Silbe mitgetheilt. Am Montag erscheint nun Schwarzer's Verordnung und macht auf die Arbeiter den gehörigen Effekt. Sie strömen mit Frau und Kindern zu Haufen in die Stadt und vor das Rathhaus, vor den Sicherheitsausschuß und zur Aula, indem sie die Aufhebung des Beschlusses verlangen. Augenblicklich wird der Generalmarsch geschlagen, Gerüchte verbreiten sich, die Arbeiter sollten von der Nationalgarde zu Paaren getrieben werden und man wolle dann in den Sicherheitsausschuß dringen, um denselben zu sprengen, worauf die Auflösung der akademischen Legion erfolgen müsse. — Durch tausend Verleumdungen, die seit der Rückkehr des Kaisers ausgesprengt worden, war es gelungen, die Nationalgarde theilweise sowohl gegen die Legion, als auch gegen den Sicherheitsausschuß einzunehmen und dieselbe ging sogar schon so weit, daß einzelne Kompagnieen ihre Abgeordneten zurückberiefen, ohne neue zu ernennen. Dies widerfuhr namentlich den freisinnigsten Mitgliedern des Ausschusses, welche für die an die Frankfurter Linke zu sendende Adresse gestimmt hatten. Der Sicherheitsausschuß glaubte, mit der öffentlichen Meinung nicht mehr in Einklang zu stehen; es erhoben sich viele Stimmen für freiwillige Auflösung. Da erschienen die Arbeitermassen, die Verordnung wurde bekannt, man fühlte sogleich die hinterlistige Gewalt, welche im Verborgenen wirkte und sich durch Uebergehen des Sicherheitsausschusses bei allen genommenen Maßregeln, nur zu deutlich zu erkennen gegeben hatte. Die beredtsten Mitglieder überzeugten Alle alsbald von der vorhandenen Gefahr und man beschloß, eine Deputation an den Minister Dobblhof zu senden, deren Resutat ich Ihnen gestern mitgetheilt habe und welches in einem Nu den Sicherheitsausschuß wieder über jede andere in Wien vorhandene Exekutivbehörde erhob.
Jetzt schritt der Sicherheitsausschuß während des Nachmittags und in der Nacht zu den energischsten Maßregeln. Er erklärte, daß keine Behörde in Wien mehr eine von ihm unabhängige Exekutivgewalt habe. Daß auch der Gemeindeausschuß und die Stadthauptmannschaft (Polizei) sich seinen Befehlen zu fügen habe. Er forderte den Oberkommandanten der Nationalgarde vor seine Schranken und ließ sich von ihm erklären, woher er die Weisung zum Schlagen des Generalmarsches erhalten, und als derselbe darauf den Gemeindeausschuß und die Stadthauptmannschaft als solche bezeichnete, die ihn benachrichtigt, die Arbeiter in den Vorstädten seien gegen die Stadt im Anzuge, wurde die Stadthauptmannschaft ebenfalls vorgefordert. Glieder des Gemeindeausschusses wurden vernommen. So kam man auf die Quelle des Verraths — das Ministerium.
Weil der Ausschuß kein Recht hatte, Minister zur Verantwortung zu ziehen, so wurde einstweilen nur das Kabinet des Arbeits-Ministers vorgeladen. Urkunden mußten vorgelegt werden, die Räthe wurden aus den Betten geholt und mußten in der Nacht Verhöre bestehen, die vollends ergaben, daß es auf einen Konflikt abgesehen war, den die Kamarilla für sich ausbeuten wollte. — Die Arbeiter wollten gestern Abend den Minister Schwarzer, der indessen entflohen war, aufhängen, ja, sie drohten, nach Schönbrunn zu ziehen, um, wie sie sagten, das ganze Nest dort im Park an die Bäume zu knüpfen. Schönbrunn war darum gestern Abend mit Militär und Nationalgarden ganz umstellt und ist es noch. Der Zorn des Volks wendet sich, je klarer es sieht, immer mehr gegen Schönbrunn, dessen Streich abermals mißlungen ist. Die Untersuchung im Sicherheitsausschusse dauert fort, man ist unermüdlich und entdeckt nach und nach Intriguen, die gesponnen wurden und noch gesponnen werden, die Bevölkerung aneinanderzuhetzen, um dann mit dem Militär dazwischen zu fahren. — Der Hof ist verloren, ich glaube nicht, daß er bleiben wird; entflieht er aber, so wird's ihm schlimm ergehen; es wird allen schlimm ergehen, die es mit ihm halten. Das Wort schwarz-gelb ist heute Nacht zu einer Bezeichnung geworden, die jeden verdirbt, dem das Volk sie beilegt.
Während der Nacht waren alle Basteien mit Nationalgarde und ihrer Artillerie besetzt. Die akademische Legion und der Ausschuß wußten die Arbeiter einstweilen zu besänftigen; so eben heißt es aber, es seien 40,000 Arbeiter in den Vorstädten versammelt, um in der Aula mit den Studenten Brüderschaft zu machen. Es ist nicht möglich in die Aula zu kommen und ich war daher einige Zeit im Sicherheitsausschuß, dessen Permanenz noch fortdauert. Die Behörden sind angewiesen worden, jede Stunde über den Zustand der Stadt Bericht zu erstatten; der Befehl über die Nationalgarbe ist dem Ministerium des Innern entzogen worden, indem der Oberkommandant einstweilen unter den Ausschuß gestellt ist. Die Nationalgarde sieht die aristokratisch-spießbürgerliche Wühlerei immer mehr ein; die meisten Kompagnien senden Ergebenheitsadressen an den Ausschuß. Das Ministerium wird vom Reichstag in Anklagezustand versetzt werden. — Um ihre Intriguen durchzusetzen, hat die Camarilla gewöhnliche Jungen in akademische Uniform kleiden und dieselben im Verlaufe des Tages überall Unordnungen stiften lassen. Auf diese Weise sind von der Nationalgarde viele falsche Akademiker verhaftet worden und es gelang, den Bürgerstand, der ohnehin die Legion nicht recht leiden mag, noch mehr dagegen einzunehmen. Die Studenten entdeckten aber auch diese List und verfügten sich in der Nacht zum Ausschuß, um eine Untersuchung zu beantragen. — Die akademische Legion hat sich gestern vorzüglich dadurch die Zuneigung der Arbeiter gewonnen, daß sie die Bajonnette von den Gewehren genommen und sich bei der Vertreibung der Arbeiter aus der innern Stadt mit weit mehr Milde benommen hat, als die aufgehetzte Nationalgarde. An dem Sicherheitsausschusse, an der Legion, hängt das Herz Wiens und aller deutschen Provinzen. Die Freiheit Oestreichs hängt daran, weil sie der Spießbürger hier eben so wenig zu vertheidigen vermag, als anderwärts.
Ein gewisser Viennet hatte sich dazu hergegeben, eine Adresse an das Ministerium zu verfassen, worin die Universität republikanischer Tendenzen beschuldigt und deshalb ihre Auflösung vom Ministerium verlangt wird, wenn sich dasselbe nicht der Uebereinstimmung mit diesen Tendenzen schuldig machen wolle. „Sollte sich das Ministerium zu schwach fühlen, so heißt es perfiderweise in dieser Adresse, so würden die unterzeichneten Bürger und Nationalgarden im Vereine mit dem Militäre für seine kräftigste Unterstützung Sorge tragen!“ Sie sehen, wo man hinaus wollte; man wollte eine Pariser Juni-Schlächterei. Leider finden die absolutistischen Wühlereien schon zu viel Halt in dem Kommißbrod der Freiheit, dem Bürgerthum, obgleich das wiener Bürgerthum von der klassischen Gemeinheit des westeuropäischen noch himmelweit entfernt ist. — Das Benehmen der Nationalgarde gegen die Arbeiter war hie und da schon sehr schroff und man hört von mancherlei Ex[z]essen, die vorgefallen sein sollen. Vor allem aber empörte das Benehmen des Gemeindeausschusses, der in einem Plakate die gutgesinnten Einwohner Wiens aufforderte, nach Hause zu gehen, da er, der Gemeindeausschuß, schon die nöthigen Anstalten zur Aufrechthaltung der gefährdeten Ruhe der Hauptstadt getroffen habe. Man ersah daraus, daß Alles zum Sturze der freisinnigen Körper verabredet war und ein 26. Mai mit Gewalt heraufbeschworen werden sollte. Hecker kann ohne Umstände hieher kommen, Plakate verkünden heute seine baldige Ankunft.
@xml:id#ar087_010
@typejArticle
@facs0447
[ 15 ] Wien, 22. August.
Unsere Stellung zu Ungarn hat sich nicht geändert, die beiden Ministerien werden immer gereizter, ihre Schritte immer feindseliger. Ungarn beharrt auf seiner mit den kaiserlichen Worten verbrieften und versiegelten Unabhängigkeit als auf sein gutes, altes, in Zeitenstürmen verlorenes, nun wieder errungenes Recht, und die Ueberzeugung gewimmt immer mehr Raum, daß nur das Schwerdt entscheiden werde.
Der Kaiser hat alle Preßvergehen, welche nach dem provisorischen Preßgesetze gegen seine Person begangen worden, amnestirt, und es frägt sich nun, in wie weit der Staatsanwalt und die Jury die kaiserliche Amnestie erweitern oder einschränken werden, da sich so ziemlich alle bisher obschwebenden Preßprozesse auf den berührten Paragraphen reduciren ließen. Uebermorgen, den 24., sitzt das erste Geschwornengericht über die Preßklage gegen den „Studenten-Kourier.“ Justizminister Bach ist von den Betreffenden angegangen worden, eine der geräumigsten Lokalitäten der Residenz zum Sitzungssaale einrichten zu lassen, und er willfahrte diesem Wunsche. Ganz Wien sieht mit der gespanntesten Erwartung diesen ersten Anfängen der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit im Gerichtsverfahren entgegen, die sich nur der zu erklären vermag, der den frühern Gang der österreichischen Justizpflege zu kennen Gelegenheit hatte.
@xml:id#ar087_011
@typejArticle
@facs0447
[ 103 ] Berlin, 24. August.
Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Frage über den Modus der Berathung des vom Ministerium vorgelegten Gesetzes über unerlaubte Volksversammlungen und Zusammenrottungen.
Auf den Wunsch des Ministeriums hatte der Präsident Grabow die Berathung dieses Gesetzes im Sturmschritt beschlossen. Dienstag Abend um 6 Uhr erhielt derselbe die Königliche Botschaft mit dem Gesetze, beförderte sie sogleich zum Druck, und ließ sie gestern Morgen an alle Abtheilungen vertheilen, und ertheilte deren Vorsitzenden den Auftrag die Berathung und die Wahl eines Mitgliedes zum Berichterstatter sogleich vorzunehmen. Die Central-Abtheilung sollte noch gestern Nachmittag zusammenkommen und ihren Bericht zur heutigen Sitzung erstatten. — Eine solche übereilte Berathung fand jedoch in verschiedenen Abtheilungen entschiedene Mißbilligung und besonders die zweite Abtheilung fand sich veranlaßt eine Deputation zum Präsidenten Grabow zu senden um gegen die sofortige Berathung zu protestiren. Die erste und dritte Abtheilung theilen dieselbe Ansicht, nahmen aber eventuell die Wahl eines Berichterstatters vor, um in der Central-Abtheilung, wenn sie wirklich zusammentreten sollte, nicht unvertreten zu sein. Die fünfte und sechste Abtheilung konnten mit der Berathung im Laufe des gestrigen Tages nicht zu Ende kommen und obgleich die andern vier Abtheilungen ihre Berichterstatter gewählt, zog es der Vice-Präsident Phiipps doch vor, dieselbe noch nicht zusammentreten zu lassen. —
Nachdem sich dieser Thatbestand aus den verschiedenen Mittheilungen des Präsidiums herausgestellt, wird die Debatte darüber eröffnet, wie man ferner mit dem eingereichten Gesetz-Entwurf zu verfahren habe.
Vice-Präsid. Kosch Vorsitzender der zweiten Abtheilung will einige vorgekommene Mißverständnisse widerlegen. Er erzählt den Hergang der ganzen Berathung, wie sie in seiner Abtheilung startgefunden und schließt mit folgenden Worten: Das vorgelegte Gesetz ist jedenfalls ein sehr bedeutendes, denn es soll eins, der durch die Märzrevolution errungenen Rechte, die Fre[i]heit des Versammlungsrechts, aufs Engste beschränkt werden. Das Gesetz ist unter dem Einfluß des Schreckens der Montag-Ereignisse eingebracht, und unter solchen Umständen trägt es einen terroristischen Karakter. Lassen wir diesen Einfluß erst verschwinden und gehen dann mit ruhiger Ueberlegung an die Berathung des Gesetzentwurfs. —
Abg. von Berg schlägt vor, daß man ganz nach Vorschrift der Geschäftsordnung über den Antrag des Ministerpräsidenten, ob die sofortige Berathung vor allen anderen Vorlagen stattfinden solle, abstimmen möge und wird dieser Antrag verworfen, so tritt der gewöhnliche Geschäftsgang ein, daß diese Gesetzvorlage in der Reihe ihrer Nummer in den Abtheilungen berathen werde. (vielseitige Beistimmung.)
Abg. Behnsch. Der Herr Präsident glaubte, daß die Versammlung stillschweigend den Antrag des Ministerpräsidenten auf sofortige Berathung angenommen habe, wobei er jedenfalls im Irrthum ist. Es gibt keine stillschweigende Beschlüsse, keine stillschweigende Zustimmung noch Verwerfung. Der Herr Präsident erinnere sich seines eigenen Ausspruchs bei Gelegenheit der Fragestellungen über die Befugnisse der zur Untersuchung der Posenschen Angelegenheiten niedergesetzten Kommission. Es muß demnach noch ein Beschluß der Versammlung nachgesucht werden.
Der Präsident Grabow erkennt an, daß er die Geschäftsordnung verletzt und einen Formfehler begangen habe. —
Abg. Zachariä, bekannt durch seine ministeriellen Vermittlungsvorschläge, stellt das Amendement, daß die Gesetzesvorlage nächsten Montag in der Plenarversammlung zur Berathung kommen solle. Bis dahin mögen die Abtheilungen und Central-Abtheilungen das Gesetz berathen und sollte der Bericht bis Montag nicht abgestattet werden können, so soll die Berathung nach dem Eingang des Berichts angesetzt werden. —
Minister-Präsident Auerswald. Er habe in der letzten Sitzung nur den Wunsch ausgesprochen, daß die Berathung über das vorgelegte Gesetz so schnell wie möglich geschehe; die Regierung sei weit entfernt eine Uebereilung bei der Berathung herbeizuführen. Die Regierung ist durchdrungen von der Wichtigkeit der Gesetzes-Vorlage, deren baldige Erlassung zum Schutze der Ordnung und Ruhe und zur Herstellung der Sicherheit und des Vertrauens nothwendig sei, hat jedoch keine Interesse daran, ob die Berathung einige Tage früher oder später stattfinde und überläßt der Versammlung die desfallsige Bestimmung. — (Bravo zur Rechten. Zischen zur Linken.)
Abg. Wachsmuth bedauert die letzten Vorfälle, zu welchen das Volk durch schamlose Plakate, wie diejenigen von deren der Herr Minister des Innern in letzter Sitzung eins verlas, verleitet worden sei.
Nachdem noch eine kurze Debatte stattgefunden, wird das Amendement Zachariä angenommen und die Berathung findet demnach Montag statt. —
Der Abg. Jung erhält hierauf das Wort. Er habe in einer der ersten Sitzungen dieser Versammlung den Antrag gestellt auf Pensionirung der in der März-Revolution verwundeten Kämpfer und der Hinterbliebenen der Gefallenen. Obgleich nun schon die Central-Abtheilung über Berathung dieses Antrages vor länger als zehn Wochen zusammengetreten, so sei doch bis jetzt noch kein Bericht darüber erstattet worden. Man hat ihn von vielen Seiten deshalb um Erklärung dieser Hinschleppung ersucht, da man von mancher Seite der Versammlung selbst Schuld gab, daß dieselbe diesen Antrag vorsätzlich unterdrücken wolle; bei einer deshalb von ihm angestellten Untersuchung hat sich aber ergeben, daß die Verzögerung von einer Seite herrühre, von welcher man es am Wenigsten erwarten sollte, nämlich vom Berliner Magistrat. Er bittet den Vorsitzenden der Central-Abtheilung um die nähern Mittheilung. —
Dieser, der Vicepräsident Kosch, berichtet, daß die Central-Abtheilung geglaubt hätte, vom Berliner Magistrat einen Ausweis über die Anzahl der zu Pensionirenden und über die zur Unterstützung derselben eingegangenen Fonds zu erhalten. Der Magistrat hat aber dieses Gesuch unberücksichtigt gelassen und deshalb hat die Abtheilung vor ungefähr vier Wochen den Minister des Innern ersucht, den Magistrat zur Ertheilung des verlangten Nachweises aufzufordern.
Hierauf Tagesordnung über §. 3. des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit.
Abgeordneter von Daniels stellt folgendes Amendement:
„Personen, welche ohne gerichtlichen Befehl zu ihrem eigenen Schutze, oder während sie die Ruhe, die Sittlichkeit oder die Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten gefährden, oder auf den Grund einer besonderen gesetzlichen Befugniß festgenommen worden sind, müssen in vier und zwanzig Stunden in Freiheit gesetzt, oder dem geeigneten Verfahren überwiesen werden.
Die Vorschriften der rheinischen Strafprozeß-Ordnung At. 615-617. werden auf den ganzen Umfang des Staats ausgedehnt, mit er Maaßgabe, daß an die Stelle der in Art 615. benannten Beamten die Ortsrichter, die Directoren der Inquisitoriate, die Präsidenten der vorgesetzten Obergerichte und die Beamten der Staatsanwaltschaft des Gerichtsbezirks treten.“
Abg. Harrassowitz will den §. kurz fassen und schlägt folgendes Amendement vor:
„Eine Verhaftung, die lediglich zu polizeilichen Zwecken erfolgt ist, darf in keinem Falle die Dauer von vier und zwanzig Stunden überschreiten.“
Abgeordneter Borchardt. Wer die Ruhe, Sittlichkeit oder Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten wirklich verletzt, begeht ein Verbrechen oder Vergehen, und kann, wenn er auf frischer That betroffen wird, sofort verhaftet werden. — Eine bloße Besorgniß, daß Jemand die Ruhe und Sittlichkeit verletzen werde, kann aber weder eine Verhaftung noch eine sogenannte polizeiliche Verwahrung, die dasselbe ist, rechtfertigen. Die persönliche Freiheit würde sonst der polizeilichen Willkür, die überall Gefahr wittert, völlig preisgegeben sein. — Er schlägt demnach das Amendement vor, daß im § 3. des Kommissionsentwurfs die Worte: „oder während sie die Ruhe, die Sittlichkeit oder die Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten gefährden, polizeilich verwahrt werden“ — gestrichen werden. —
Nachdem noch viele Redner für und gegen den Kommissions-Entwurf gesprochen, erklärt sich der Minister des Innern, Kühlwetter, in einer längern weitschweifigen Rede für den Kommissionsentwurf ohne alle Aenderung und Zusätze. —
Berichterstatter Waldeck. Die §§. 1. und 2. beziehen sich nur auf die Fälle eigentlicher Verhaftungen, diejenigen nämlich, welche sich auf die Anschuldigung einer strafbaren Handlung gründen. Die Polizei der Straßen und öffentlichen Plätze macht es jedoch unerläßlich, daß mitunter, namentlich zur Nachtzeit, zeitweise polizeiliche Verwahrungen vorgenommen werden müssen, theils zum Schutze der in Verwahr genommenen Personen selbst, z. B. der Trunkenen, Wahnsinnigen, Kinder, theils bei Störungen der Ruhe, der Sittlichkeit oder der Sicherheit der Plätze. Es konnte nicht die Absicht sein, der Polizeigewalt diese Befugniß, deren Grenzen sich aus Vorstehendem von selbst ergeben, zu entziehen. Entsprechend dem bloß vorsorglichen Charakter derartiger Maaßregeln ist es jedoch nothwendig, eine möglichst kurze Dauer derselben allgemein vorzuschreiben. — Er, für seine Person, erklärt sich jedoch aus den von andern Rednern schon mitgetheilten Gründen gegen den §. 3. des Kommissions-Entwurfs.
Abstimmung: Alle oben angegebenen Amendements werden verworfen. —
Das Amendement des Abg. v. Lisiecki: Statt des Wortes „wenigstens“ das Wort „spätestens“ zu setzen, wird angenommen. Demnach wird der ganze §. 3. mit kleiner Majorität angenommen, welcher nun folgendermaßen lautet:
„Diese Bestimmungen (§§. 1. 2.) bleiben außer Anwendung auf Personen, welche zu ihrem eigenen Schutze oder während sie die Ruhe, die Sittlichkeit oder die Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten gefährden, polizeilich in Verwahrung genommen werden. Diese Personen müssen jedoch spätestens binnen vierundzwanzig Stunden entweder in Freiheit gesetzt, oder dem gewöhnlichen Verfahren überwiesen werden.“
Abg. Walter hat noch folgenden Zusatz gestellt, welcher angenommen wird.
§. 3. a. „Jeder Verhaftete muß binnen 24 Stunden nach seiner Vorführung vor den zuständigen Richter von demselben so vernommen werden, daß ihm die Anschuldigungsgründe mitgetheilt, und ihm die Möglichkeit zur Aufklärung eines Mißverständnisses gegeben wird.“
Ein von Demselben gestellter zweiter Zusatz wird jedoch mit kleiner Majorität verworfen; er lautete:
„Der Beamte, welchem die Aufsicht über das Gefängniß zusteht, ist verpflichtet, den Verwandten und Freunden des Verhafteten zu gestatten, sich denselben vorstellen zu lassen, und der Gefangenwärter ist verpflichtet, dieser Weisung Folge zu leisten, wenn er nicht einen richterlichen Befehl vorzeigt, der ihm vorschreibt, den Verhafteten in geheimer Haft zu halten. Der Beamte oder Gefangenwärter, welcher jener Verfügung zuwider handelt, ist des Vergehens willkürlicher Verhaftung schuldig.“
Hierauf kommt man zum §. 4, worüber nur eine kurze Debatte stattfindet.
§. 4. lautet: „Niemand darf vor einen andern als den im Gesetz bezeichneten Richter gestellt werden.
Ausnahmsgerichte und außerordentliche Kommissionen sind unstatthaft.
Keine Strafe kann angedroht oder verhängt werden, als in Gemäßheit des Gesetzes“
Wird ohne Aenderung angenommen. Schluß der Sitzung. Nächste Sitzung Sonnabend.
@xml:id#ar087_012
@typejArticle
@facs0447
[ 103 ] Berlin, 24. August.
Die von den 6 vereinigten Clubs gestern Abend vor den Zelten abgehaltene Volksversammlung war unstreitig die bedeutendste, die je hier Statt gefunden, (was nicht viel sagen will. Nächst einem Protest an die Vereinbarer-Versammlung gegen den Gesetzentwurf der Minister, welcher mit vielen Tausend Unterschriften bedeckt wurde, ward auch eine Proklamation des demokratischen Clubs an die Bürgerwehr verlesen.
Der letzte Redner schloß die Versammlung mit einer Aufforderung zur Bildung eines großen Nationalbundes zum Schutz der Freiheit und verlas folgendes Programm, welches jeder Beitretende unterschreiben sollte:
„Wir, deren Namen hier unterschrieben sind, verpflichten und verpfänden uns feierlichst mit unserer Ehre und bei dem Andenken an unsere große (!) und glorreiche (!!) März-Revolution, für die öffentliche Wohlfahrt und für die Freiheit der Nation, für einander und für unser Vaterland zu stehen und zusammenzuhalten wie Ein Mann, um die durch die Revolution errungene (!!!) und seitdem zu Recht bestehende (!!) Freiheit vor jedem verbrecherischem und heimtückischen Angriff und vor jeder schimpflichen Beschränkung zu schützen und zu wahren. —
Wir hoffen, daß alle guten und ehrenhaften Staatsbürger, daß insbesondere die erwählten Vertreter der Nation, welche nicht Verräther sein wollen, unsere Bestrebungen kräftigst unterstützen werden; wir beschließen, daß unser Ausschuß befugt und berechtigt ist, in unserm Namen alle Schritte zu thun, welche er zur Erhaltung und zum Schutz unserer eroberten Freiheit für nothwendig hält; wir schwören endlich mit Gut und Blut für diese Freiheit der Nation einstehen zu wollen.“
Ehe der Redner den letzten Satz verlas, frug er die Versammlung ob sie diesen „Schwur“ leisten wollten, in diesem Falle sollten sie seine Worte wiederholen und die ganze Versammlung, über 10,000 Männer, leisteten diesen Eid. (Schönes Schauspiel! Märkischer Rütlibund!) Der Moment war erhebend! Wie läppisch erscheint die Metropole der norddeutschen Intelligenz neben dem „gemüthlichen“ Wien!
[0448]
Die vielen Tausenden begaben sich nach ihrem grausen Schwur voll Gesinnungsernst in die Bierhäuser, um allgemeine Fragen des Tages zu besprechen.
@xml:id#ar087_013
@typejArticle
@facs0448
Berlin, 24. Aug.
Der Finanzminister hat Nachstehendes an die Königlichen Regierungen erlassen:
„Aus dem Berichte der Königlichen Regierung vom 2. d. M. habe ich ungern ersehen, daß seit dem Erlaß der Allerhöchsten Ordre vom 26. Juni d. J., welche für alle bis zu diesem Tage verübten Forstfrevel Amnestie bewilligte, eine maßlose Vermehrung der Holzdiebstähle eingetreten ist.
Da diese Besorgniß erregende Erscheinung nach den Ermittelungen der Lokal-Behörden aus der im Publikum verbreiteten Meinung hervorgegangen sein soll,
daß bei dem Erscheinen des neuen Staatsgrundgesetzes eine abermalige Amnestie für Forst- und Jagdfrevel eintreten werde, so muß der Königlichen Regierung zur Pflicht gemacht werden, die öffentliche Meinung über die Unrichtigkeit dieser durchaus unbegründeten Voraussetzung zu belehren.
Die neue Verfassung wird dem Volke die errungene Freiheit verbriefen, zugleich aber den Gesetzen die ihnen gebührende Achtung und Geltung sichern.
Berlin, den 23. August 1848.
Der Finanz-Minister.
(gez.) Hansemann.
@xml:id#ar087_014
@typejArticle
@facs0448
Berlin.
Die Hausvoigtei wird, obwohl der eximirte Gerichtsstand in Kriminalsachen am 1. September aufhört, noch nicht völlig aufgelöst werden, sondern vorläufig noch Schuldgefängniß für die eximirten Personen und Gefängniß zur Vollstreckung von Disciplinarstrafen gegen die Beamten bleiben.
[(B. Z.)]
— Bis zum 22. Mittags waren an der Cholera als erkrankt gemeldet 104, bis zum 23. Mittags wurden als neu erkrankt gemeldet 16, zusammen 120 Erkrankte, davon sind gestorben 81, genesen 11, in Behandlung blieben 28.
[(B. Z.)]
@xml:id#ar087_015
@typejArticle
@facs0448
Berlin.
Die „Berl. Nachr.“ melden Folgendes: Der General-Steuer-Direktor Kühne, dessen Ansichten mit dem bei uns einzuführenden neuen Finanzsystem nicht übereinstimmen sollen, hat um seinen Abschied nachgesucht und diesen auch bereits erhalten. Er wird am 1. Oktober aus dem Staatsdienste scheiden.
@xml:id#ar087_016
@typejArticle
@facs0448
Kassel, 23. Aug.
In der Ständesitzung hat Deputirter Henkel einen Antrag wegen Verminderung der kurfürstl. Einkünfte gestellt, dahin, derselbe möge entweder auf die Civilliste oder auf die Einkünfte des Hausschatzes verzichten, aus diesen beiden Quellen fließen dem Hof jährlich an 700,000 Rthlr. zu ein allerdings großes Einkommen für den Fürst unsres etwas mehr als 700,000 Einwohner zählenden Landes, wenn man dasselbe mit anderm Hof dotationen vergl[e]icht.
[(Fr. J.)]
@xml:id#ar087_017
@typejArticle
@facs0448
[ * ] München, 22. Aug.
Der Bekanntmachung, die Erklärung des Ministers des Innern enthaltend, folgte diesen Nachmittag eine zweite, von Seiten des Oberhofmeisterstabes, also lautend: „Mit Bezugnahme auf die seit einiger Zeit verbreiteten Gerüchte, zur Wahrung ihrer eigenen dienstlichen Ehre und zur Beruhigung aller Wohlgesinnten, erklären die Unterzeichneten hiermit, daß sich der Hausschatz ganz und unversehrt in allen seinen Theilen hier in der Residenz aufbewahrt befindet und sie mit ihrer Dienstpflicht hierfür einstehen und haften. Graf Sandizell, Oberhofmeister. Frhr. v. Gumppenberg, Schatzmeister. Weichselbaumer, Stabsrath.“ Hätte man auch diese Erklärung, wie die vorgenannte, gestern veröffentlicht, wir hätten die beklagenswerthen Vorfälle nicht erlebt.
@xml:id#ar087_018
@typejArticle
@facs0448
Triest, 19. Aug.
Durch die Weigerung Albinis die abgeschlossene Konvention anzuerkennen, hätten wir einen Fingerzeig, daß die Sache Italiens, wenigstens in den Augen der Italiener, nicht mit Karl Albert fallen soll, und zugleich eine Andeutung, daß die Krone des Sardenkönigs auf seinem Haupte wankt. Das vereinigte sardinisch-venezianische Geschwader steht fortwährend in den Gewässern von Venedig, wohin die uns zeitweise verlassenden englischen und französischen Kriegsschiffe, sich gleichsam ablösend, Ausflüge machen.
[(Ob. Oestr. Z.)]
Italien.
@xml:id#ar087_019_c
@typejArticle
@facs0448
Edition: [Friedrich Engels: Italien. 27. August 1848. In: MEGA2 I/7. S. 625.]
Mailand, 20. August.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
@xml:id#ar087_020_c
@typejArticle
@facs0448
Edition: [Friedrich Engels: Italien. 27. August 1848. In: MEGA2 I/7. S. 625.]
[ * ] Turin, 19. August.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
@xml:id#ar087_021_c
@typejArticle
@facs0448
Edition: [Friedrich Engels: Italien. 27. August 1848. In: MEGA2 I/7. S. 625.]
[ * ] Neapel, 14. Aug.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
@xml:id#ar087_022_c
@typejArticle
@facs0448
Edition: [Friedrich Engels: Italien. 27. August 1848. In: MEGA2 I/7. S. 625.]
[ * ]
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
@xml:id#ar087_023_c
@typejArticle
@facs0448
Edition: [Friedrich Engels: Italien. 27. August 1848. In: MEGA2 I/7. S. 625.]
[ * ] Siracusa, 8. Aug.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Ungarn.
@xml:id#ar087_024
@typejArticle
@facs0448
[ 101 ] Pesth, 15. Aug.
Heute erscheint vom Ministerpräsidenten (Ludwig Batthyany) eine Verordnung an die Behörden zwischen Donau und Drau. „Baron Jellachich“, heißt es darin, „der mir in Gegenwart Sr. k. k. H. des Erzherzogs Johann das Versprechen gegeben, unter der Bedingung, wenn die ungarische Regierung ihre Wehrkraft von der kroatischen Gränze zurückziehe dasselbe zu thun, koncentirt jetzt in Croatien, besonders um Warasdin herum, eine beträchtliche Heeresmacht, obgleich wir unserm gegebenen Versprechen nachkommend, einen großen Theil unseres Heeres von der kroatischen Gränze zurückgezogen, und an die Donau verlegt haben.“
Es werden demnach die dortigen Behörden aufgefordert, mobile Nationalgardencorps aufzustellen und alle Vorbereitungen zu treffen, daß für den Fall des Einrückens der Croaten sofort eine allgemeine Volkserhebung stattfinden könne. Die Verordnung schließt:
„Die Leute der Reaction sollen von den Behörden mit wachsamem Auge verfolgt werden. — Wir wollen Niemand angreifen, aber zum Schutze unserer Freiheit, unserer Unabhängigkeit und unserer Rechte, werden wir bis zum letzten Mann bereit stehen.
@xml:id#ar087_025
@typejArticle
@facs0448
[ * ] Pesth, 19. August.
Die Ofener-Pesther Ztg. enthält heut die offiziellen Berichte über die drei siegreichen Gefechte unserer Truppen bei Tarek, Neusina und O-Verbaß. Dem „Kossuth Hirlapja“ wird aus Szegedin berichtet, daß das siebenburger zweite Regiment, welches am 10. dort eingerückt war, in der Nacht vom 12. zum 13. in vollkommener Rüstung desertirt ist. Auf dem nahe gelegenen Dorfe Szöreg standen Wagen in Bereitschaft, welche die rasche Flucht beförderten. In Folge der neuen Verrätherei des Banus Jelachich, welcher, nachdem er dem Minister-Präsidenten Batthyani in Gegenwart des Erzherzogs Johann das Versprechen gegeben hatte, wenn die ungarische Regierung ihre Streitkräfte von der kroatischen Grenze zurückzöge, dasselbe zu thun, — jetzt eine beträchtliche Heeresmacht um Warasdin zusammenzieht; ruft der Minister-Präsident die Behörden zwischen der Donau und Drau auf, freiwillige mobile Nationalgarden-Corps in möglichst großer Zahl und gut bewaffnet, aufzustellen und alle Vorbereitungen zu treffen, um ein Aufgebot en masse bewerkstelligen zu können.
@xml:id#ar087_026
@typejArticle
@facs0448
Pesth, 19. August.
Wir befinden uns hier wiederum in einer Ministerkrisis. Der Kriegminister Meßaros hat nunmehr seinen Rekrutirungsgesetzentwurf dem Repräsentantenhause vorgelegt und an die Annahme desselben sein Portefeulle geknüpft. Diese Annahme würde aber die ungarische Selbstständigkeit vollends aufheben. Der Fall des Kriegsministers erscheint bis jetztunzweifelhaft. Mit ihm werden auch die Aristokraten Esterhazy, Batthyanyi und Szechenyi aus dem Ministerium treten. Kossuth hat sich noch immer bei diesen Verhandlungen nicht blicken lassen: Er ist gegen den Entwurf, welchen er aber seinem Schicksal überlassen will; wird er verworfen, so wird wahrscheinlich Kossuth an die Spitze eines neuen Ministeriums treten.
[(D. A. Z.)]
Portugal.
@xml:id#ar087_027
@typejArticle
@facs0448
[ * ] Lissabon, 19. Aug.
Die Cortes wurden am 15. d. von der Königin in Person geschlossen. Dona Maria machte den Herrn bedeutende Complimente, daß sie die vielen „höchst ernstlichen Schwierigkeiten“ zu bestehen und die Ruhe im Lande zu erhalten gewußt. Besonders lobt sie die Abstimmungen über das Budget. Das begreift sich. Was das Bestehen der Schwierigkeiten und die Ruhe im Lande angeht, so wird es sich vielleicht noch in diesem Jahre zeigen, was es mit dergleichen offiziellen Versicherungen für ein Bewandniß hat.
Französische Republik.
@xml:id#ar087_028
@typejArticle
@facs0448
Paris, 24. August.
Der „Spektateur Republicain“ zeigt sich über die Langsamkeit des Wiener Kabinets sehr ungeduldig. Nachdem er dem Patriotismus der Italiener, namentlich Venedig's, eine Lobrede gehalten, fahrt er fort:
„Die Zeiten sind vorüber, wo die östreichischen Kaiser ihre habsüchtigen Blicke nach der italischen Halbinsel wandten. Nach den Mündungen der Donau hin mögen sie ihre Blicke richten. Dort stoßen sie auf keinen andern Widerstand, als den Rußland's, gegen welches sie nicht nur Deutschland, sondern fast alle westlichen Staaten für oder selbst mit sich haben würden. In heutiger Zeit ist es mit den einseitigen politischen Bestrebungen aus. Wir glauben daher Oestreich wiederholt zur Annahme der ihm im Namen der Republik und England's gemachten Mediationsvorschläge ermuntern zu müssen. Wenn es die Negotiation nicht offen und redlich annimmt, wenn sein Ehrgeiz durch die jüngsten leichten Siege vielleicht zu hoch geschraubt sein dürfte, wenn es zu den tausend und abermal tausend Hülfsmitteln seine Zuflucht nehmen würde, welche die Diplomatik bietet, um eine Sache in die Länge zu treiben, dann ladet Oestreich eine schwere Verantwortlichkeit auf sich. Man werfe einen Blick auf Europa. Die Lage Frankreich's und England's ist eine solche, daß sie gar keinen Zweifel an der Ehrlichkeit der Mediation zuläßt. Beiden Staaten liegt die Erhaltung des Friedens am Herzen.“
— Der Moniteur ruft für den 17. Sept. die Wahlkollegien derjenigen fünfzehn Repräsentanten zusammen, welche durch Tod oder Doppelwahl bisher ledig blieben. Auf das Seinedepartement kommen deren drei.
— Der päbstliche Nuntius hatte gestern die Ehre, durch Hrn. Bastide dem General Cavaignac vorgestellt zu werden, und die Akkreditive zu überreichen, welche ihn als Gesandten des päbstlichen Stuhles bei der französischen Republik bevollmächtigen.
— Auch Kisseleff, sagt man, habe gestern die Vollmachten aus Petersburg erhalten, welche ihn bei der Republik als Geschäftsträger beglaubigen.
— Heute Mittag findet der Journalistenkongreß in der Richelieustraße bei Lemardelay Statt.
Die auf Anregung Girardin's zu berathenden Fragen lauten:
1) Sollen die Journale zu erscheinen aufhören?
2) Sollen sie fortfahren, sich lediglich auf Erzählung der Thatsachen beschränken?
3) Sollen sie eine gemeinschaftliche Protestation unterzeichnen?
4) Sollen sie eine Kollektivpetition an die Nationalversammlung richten, in welcher sie ihr auseinandersetzen, daß es bei Abstimmung ihres Gesetzes vom 11. August unmöglich in ihrer Absicht gelegen haben könne, die Presse unter einem Joche zu lassen, das noch schlimmer als die Censur ist?
— Herr Goudchaux hat uns gestern Nachmittag 4 1/2 Uhr mit der Einstommensteuer beglückt. Für 1849 werden folgende Posten mit einem Ueberschuß von 5 Centimen per Franken besteuert:
1) Der Reinertag (benefices) des Ackerbaues. 2) Der Reinertrag des Handels und der Industrie, nach Abzug der Patentsteuer. 3) Der Verdienst von Ministerialbeamten, Künstlern und Advokaten (professions libérales). 4) Pensionen, Staats- und Privat-Gchalte aller Art. 5) Renten, Dividenden, Jahres-Antheile bei industriellen und anderen Unternehmungen, Zinserträge von Obligationen, kurz, die beweglichen Einkünfte aller Erwerbszweige u. s. w. u. s. w.
Paris ist außer sich vor Unwillen. Die Steuer soll 60 Millionen bringen.
— Die beiden Repräsentantenklubs des Palais Exroyal und der Rue Tait-bout hielten gestern Abend eine Sitzung, in Folge deren die Bürger David (Angers), Aug. Mie und Germain Sarrut als Kommissarien zu den Ministern des Innern und des Unterrichts geschickt wurden, um sie freundschaftlichst zu ersuchen, die Gründe anzugeben, aus welchen in jüngster Zeit gewisse, in den Tuilerien gefundene Papiere verschwunden seien?
— Für morgen sind eingeschrieben:
1) Admiral Casy, 2) Ceyras, 3) Edgar Quinet über Persönliches.
Für Unterstützung des Untersuchungsberichts: Denjoy, v. Charencey, Pascal Duprat.
Den Anfang sollen bilden die Vorträge Ledru Rollin's, Caussidière's und Louis Blanc's.
— Drei und sechszig Redaktoren haben sich heute Mittag bei Lemardelay eingefunden und eine Protestation gegen die Preßwillkür für des Generals Cavaignac unterzeichnet.
National-Versammlung. Sitzung vom 24. August. Anfang 1 1/2 Uhr. Präsident Marrast.
An der Tagesordnung befand sich zunächst die Ermunterung des Stockfischfangs. Ein Gesetz vom 25. Juni 1841 bewilligt der Ausfuhr dieses starken Handelszweiges 14 Franken Ausfuhr-Prämie per Zentner. Diese 14 Fr. werden nach einiger Diskussion auf 18 Fr. erhöht.
Lignier legt seinen Bericht über die beantragte Aenderung der Bedingungen vor, unter welchen die Stadt Paris ein Anlehen von 25. Millionen Franken kontrahiren dürfe. Der Gegenstand dränge und die Versammlung solle sofort diskutiren.
Dies geschieht ohne Weiteres und die beantragten Modifikationen, des schon unter Louis Philipp diskutirten Anlehens gehen durch. Sie bestehen in freiwilliger Unterzeichnung von Obligationen statt öffentlichem Ausgebot. Neuer Beweis von Kreditabnahme.
Germain Sarrut macht die Versammlung auf die fatale Lage aufmerksam, in welche eine Menge Familien durch die Juni-Ereignisse versetzt worden seien. Viele Chefs d'Atelier seien transportirt, eine Menge Verkehrsverhältnisse zwischen Schuldnern und Gläubigern abgebrochen. Dies zu reguliren überreiche er hiermit einen Gesetzentwurf.
An die Büreaux gewiesen.
Grandez legt einen Gesetzentwurf rücksichtlich einer neuen Grundsteuer im Namen des Handels- und Ackerbauausschusses vor.
Präsident Marrast zeigt an, daß ein Antrag auf gerichtliche Verfolgung eines Repräsentanten eingelaufen sei, und daß er ihn zur Prüfung an die Abtheilungen überwiesen habe.
Die Versammlung schreitet zur Berathung des Portogesetzes.
Deslongrais bekämpft den ganzen Entwurf.
Finanzminister Goudchaux sucht die Befürchtungen seines Gegners rücksichtlich eines Ausfalls von 10 Millionen zu beschwichtigen.
Die Versammlung schritt zur Diskussion der Artikel.
Artikel I. Vom 1. Januar 1849 wird jeder Brief von 7 1/2 Grammen im Umfang der Republik mit 20 Centimen taxirt. Inbegriffen die Briefe von und nach Corsika und Algerien. Angenommen.
Artikel II. Briefe von 7 1/2 bis 15 Grammen sind zu 40 Centimen zu taxiren. Angenommen.
Artikel III. Briefe und Pakete von 15 bis 100 Grammen kosten einen Franken. Briefe und Pakete über 100 Grammen werden von der Post nicht angenommen. Angenommen.
Artikel IV. Rekommandirte Briefe zahlen die doppelte Taxe und müssen frankirt werden. Angenommen.
Artikel V. Die Postverwaltung ist zum Vorausverkauf von Frankostempeln zu 20 und 40 Centimen und einem Frank ermächtigt. Angenommen.
Artikel VI. Verbietet jedem Postbeamten Briefe und Pakete zu versenden, die der Postkontrolle fremd sind. In solchen Fällen werden die Strafen des Gesetzes vom 27. Prairial, Jahr IX, für dergleichen Unterschleife beibehalten. Angenommen.
Artikel VII. Briefe, welche sich der Adresse von Personen bedienen, die Portofreiheit genießen, aber an Dritte gerichtet sind, zahlen das gesetzliche Porto. Angenommen.
Artikel VIII. Der von den Geldversendungen handelt, gab zu einigem Lärmen Veranlassung. Wolowski und noch ein anderer berühmter Oekonom aus der Freihandelsschule drangen auf Herabsetzung der Speditionsprozente auf einen Franken oder gar einen halben Franken; diese Herabsetzung sei der erste Schritt zu einer Nationalbank. (Furchtbares Gelächter.) Beide Redner wurden heruntergetrommelt.
Artikel IX. angenommen.
Das Gesammtgesetz angenommen.
Marrast zeigt an, daß die morgige Sitzung pünktlich um 12 Uhr beginne und die Diskussion dem Rapport Bauchart gewidmet sei.
Die Versammlung geht um 6 Uhr auseinander.
@xml:id#ar087_029
@typejArticle
@facs0448
[ 27 ] Paris, 24. Aug.
Die mit dem zweiten Convoi zur Deportation abgesandten Insurgenten zerfallen nach Stand und Beschäftigung in folgende Kategorien:
57 Schreiner und Ebenisten; 41 Tagelöhner und Erdarbeiter; 21 deren Gewerbe unbekannt; 19 Schuhmacher; 17 Maurer; 17 Weinschenkwirthe; 14 Steinmetzen; 13 Dienstboten; 13 Klempner; 12 Mechaniker; 11 Staatsbeamte; 11 Zimmerleute; 10 Uhrmacher; 10 Maler; 10 Schlosser; 10 Bäcker; 9 Stubenmaler; 9 Eisen- oder Kupferdreher; 8 Schneider; 8 Trödler; 7 Fuhrleute; 7 Schmelzer; 7 Obsthändler; 6 Ciselire; 6 Kommissionäre; 5 Feilenhauer; 5 Gerber; 5 Hutmacher; 5 Pförtner; 4 Wollspinner; 4 Säger; 4 Posamentiere; 4 Vergolder; 4 Architekten; 4 Korbmacher; 3 Lithographen; 4 Mobilgarden, darunter 1 Lieutenant des 2. Bataillons; 3 Matrosen; 2 Hauseigenthümer; 2 Stadtwächter; 2 Instrumentenbauer; 2 Pensionatsvorsteher; 2 Nego[z]ianten; 2 Gelehrte (Terson und Leroy); 2 Fleischermeister; 1 Omnibuskutscher; 1 Accisebeamter. Unter diesen sind 16 Ausländer: Baiern, Hessen, Belgier etc.
Was das Alter der Deportirten anlangt, so findet folgendes Verhältniß statt:
1war 14 Jahr alt.
34waren 15-20 Jahr alt.
70waren 20-25 Jahr alt.
86waren 25-30 Jahr alt.
76waren 30-35 Jahr alt.
66waren 35-40 Jahr alt.
63waren 40-45 Jahr alt.
42waren 45-50 Jahr alt.
24waren 50-55 Jahr alt.
8waren 55-60 Jahr alt.
4waren 60-65 Jahr alt.
2waren -66 Jahr alt.
1waren -65 Jahr alt.
1waren -68 Jahr alt.
19deren Alter unbekannt.
(Siehe den Verfolg in der Beilage.)
@typeimprint
@facs0448
Der Gerant, Korff.
Druck von Wilhelm Clouth in Köln.
(Hierzu eine Beilage.)