[0437]
Beilage zu Nr. 85 der Neuen Rh. Ztg.
Freitag 25. August 1848.
@typecontents
@facs0437
Uebersicht.
Deutschland. Köln. (Marx). Frankfurt. (Nationalversammlung: §. 3 und 4 der Grundrechte). Berlin. (Die Demolirung des Ministerhotels. — Bekanntmachung des Staatsanwalts. — Vereinbarungssitzung: Erklärungen der Minister über die Unruhen). Wien. (Parade vor'm Kaiser. — Lektion für ihn und den Hof. — Das Journal Grad'aus. — Deutsch-katholische Versammlung. — Sicherheitsausschuß. — Adresse an die Frankfurter Linke. — Gerichtsstyl. — Preßprozesse. — Reichstagssitzung). Hagen. (Preußische Poesie). Schmiedeberg. (Die Arbeiter in Erdmannsdorf). München. (Die Untersuchung wegen der Soldaten-Excesse fallen gelassen). Bruchsal. (Inkompetenzerklärung des Hofgerichts in Sachen Fickler's). Mannheim. (Die Hessen machen den Behörden Schmerz). Prag. (Reorganisation der Nationalgarde). Klagenfurt. (Katzenmusik).
Dalmatien. Zara. (Die Büreaukratie).
Ungarn und Dalmatien. Pesth. (Siege der Ungarn). Hermannstadt. (Cholera).
Italien. (Brescia verödet. — Rocca d'Anfo geräumt. — Das Stilfser Joch von den Oestreichern besetzt). Verona. (Kriegsgerichte in Mailand). Mailand. (Palast Borromeo und Litta. — Verhaftungen). Florenz. (L'Alba über die Freiheit Italiens — Il Contemporaneo und das Pabstthum. — Offizielle Erklärung. — Tommaseo). Palermo. (Vertheidigungsanstalten).
Schweiz. Bern. (Vom Stelvio). Lugano. (Garibaldi, Republikaner bei Como). Genf. (Die Flüchtlinge aus Italien. — Die Sonderbündler). Malta. (Ferretti).
Französische Republik. Paris. (Journalschau. — Die Gefangenen und Cormenin. — Säbeljustiz. — Cavaignac. — Die Arbeiterinnen. — Neue Junigrausamkeiten. — Der Junibericht und die Börse. — Vier Journale unterdrückt. — Bankett in Avignon. — Krieg gegen Rosas. — Tommaseo. — Nationalversammlung).
Belgien. Brüssel. (Gemeinderathswahlen).
Großbritannien. London. (Der Standard über das schlechte Wetter. — Orkan in Schottland. — Kartoffelkrankheit in Irland. — Parlament). Dublin. (Der bevorstehende große Prozeß. — O'Gorman als Matrone. — John Martin. — Der Tod eines Paupers).
Ostindien. (Der Aufstand in Multan unterdrückt. — Die Holländer auf Bali geschlagen).
[Französische Republik]
@xml:id#ar085b_001
@typejArticle
@facs0437
(Schluß der Pariser Nachrichten.)
Zahl der Stimmenden: 714. Absolute Mehrheit: 358. Für die Annahme: 472. Dagegen: 247.
Die Annahme dieses Boudet'schen Anhängsels ist deshalb wichtig, weil sie den Schuldnern selbst in dem Falle die Hände bindet, wenn das Handelsgericht einen Akkord zwischen Gläubiger und Schuldner homologisirt hat.
Robertin stellt einen neuen Zusatz, der jedoch durchfällt.
Schließlich wird darauf angetragen, das so eben genehmigte Konkordatsgesetz auch auf Algerien auszudehnen. Angenommen. Borgad will es auch auf die Kolonieen ausdehnen. Goudchaux bekämpft dies. Freslon im Namen des Gesetzgebungsausschusses desgleichen. Die Kolonieen hätten weniger durch die Februarrevolution als durch die Unvorsichtigkeit der provisorischen Regierung gelitten. Flocon eilt auf die Bühne, um die Regierung zu rechtfertigen. Sein Pathos ruft einigen Spott und Trotz hervor. Cremieux schlägt ein Spezialgesetz vor. Verschoben.
Präsident Marrast zeigt an, daß morgen der 3. Band Aktenstücke vertheilt wird und die Diskussion Freitag beginnen könne. Auch Gueret's Ehrenrettung ist verschoben. Schluß um 6 1/4 Uhr.
Belgien.
@xml:id#ar085b_002
@typejArticle
@facs0437
Brüssel, 24. August.
Aus dem hiesigen Gemeinderath sind jetzt die vier letzten Radikalen climinirt, unter ihnen der Vater der belgischen Unabhabhängkeit, Alexander Gendebien. An die Stelle der vier Radikalen, die zwar keine großen Männer, aber für Brüssel immer noch Notabilitäten waren, sind die unbekanntesten Größen national-belgischer Mittelmäßigkeit getreten, Leute die kein anderes Verdienst haben, als das Echo des Hrn. Verhaagen zu sein. Der Musterstaat Belgien marschirt schnell. Frankreich ist auf seinem reaktionären Marsch erst beim 24. Februar 1848, Morgens gegen 10 Uhr, angekommen; Belgien ist bereits hinter den 25. September 1830 zurückgegangen.
Großbritannien.
@xml:id#ar085b_003
@typejArticle
@facs0437
[ * ]
Die ungünstige Witterung, sagt Standard in seinem City-Artikel, nimmt fortwährend das allgemeine Interesse in Anspruch. Tritt nicht bald eine Aenderung zum Bessern ein, so können wir nur traurigen Resultaten entgegen sehen. Man verhandelt in den Citzy-Kreisen namentlich die Frage, was die Bank von England thun wird. Es herrscht die Ueberzeugung vor, daß eine Erhöhung des Disconto's zur Abwendung befürchteter Ereignisse diesmal weniger nöthig ist, als je in den letzten 50 Jahren. Früher rief der niedrige Discontosatz jedesmal schnell eine ungeheuerliche Spekulation hervor; jetzt ist dies aus einleuchtenden Gründen nicht der Fall. Vielmehr wird auf allen Seiten mit größter Behutsamkeit operirt. Der Standard ist aber gleichwohl dafür, daß die Bank auf Vorschüsse 3 1/2 p. Cent. Interessen festsetze, da dies ihrem niedrigsten Discontosatz gleichkomme. Das werde gleichsam als Warnung für diejenigen dienen, die etwa die Klugheit außer Augen und sich auf zu weitgehende Spekulation einlassen sollten.
@xml:id#ar085b_004
@typejArticle
@facs0437
[ * ]
— Nachrichten aus Aberdeen bringen Schilderungen von einem Orkan an der Ostküste Schottlands, wie er selbst in jenen Gegenden selten ist. Von 400 Booten, die oben zur Häringsfischerei ausgelaufen, sind 70 zu Grunde gegangen. Am 19. d. früh bot die Küste 1 1/2 Meilen weit einen schrecklichen Anblick, indem Alles mit Wracks und Leichnamen bedeckt war.
Aus Irland trafen heut wieder die traurigsten Nachrichten über die Ausdehnung der Kartoffelkrankheit ein.
@xml:id#ar085b_005
@typejArticle
@facs0437
[ * ] London, 22. Aug.
In der gestrigen Unterhaussitzung versuchte Hr. Hamilton, an die Stelle des seit einiger Zeit in Irland von der Regierung eingerichteten Volksschulensystems ein anderes, das der Hochkirche, das sogenannte biblische Erziehungssystem zu setzen. Sein Antrag wurde jedoch nach langer Diskussion mit (118 gegen 15 Stimmen verworfen und dann weiter über das Budget verhandelt.
@xml:id#ar085b_006
@typejArticle
@facs0437
[ * ] Unterhaus vom 22. Aug.
Die Sitzung beginnt um 12 Uhr Mittags. Auf der Tagesordnung steht die 3te Lesung der Zuckerzollbill.
Lord G. Bentinck beantragt ein Amendement zum Vortheil der englischen Zuckerraffinerien und wird vom Schatzkanzler bekämpft, der gegen eine Bevorzogung einer kleinen Zahl Leute zum Nachtheil der Mehrheit sich ausspricht. Hr. Bernal wünscht spätestens nächstes Jahr eine Bill eingebracht zu sehen, die raffinirten Zucker, komme er nun aus englischen oder fremden Fabriken, auf gleichem Fuß behandle. Was die westindischen Kolonieen anlange, so sei er überzeugt, daß sie auch nicht mehr 3 Jahre lang der Krone erhalten werden können. Lorg G. Bentincks Klausel wird zuletzt mit 70 gegen 40 Stimmen verworfen. (Die Sitzung dauert bei Postschluß fort.)
@xml:id#ar085b_007
@typejArticle
@facs0437
[ * ] Dublin, 21. August.
S. O'Brien, Meagher, Duffy und alle übrigen mit Waffen in der Hand ergriffenen, oder als mit den Vorigen in Verbindung erachteten Gefangenen werden sehr bald vor die Tipperary-Geschwornen gestellt und ihnen dort der Prozeß wegen „Hochverrath“ gemacht worden. Es wird ein abermaliger Monsterprozeß. Die Beweise und Zeugenaussagen sind von erschreckendem Umfang. Die Soldaten, welche in mehreren Theilen des Südens bivouackiren, leiden sehr an Krankheiten, denn das Wetter ist die ganze Zeit über schrecklich gewesen. Namentlich klagen die Truppen, welche in der Nähe von Abbeyfeale stationiren. Das Lager zu Turtulla hat an einen höhern Ort verlegt werden müssen, weil die Nacht zuvor einige Soldaten nahe daran waren, vom Regen fortgeschwemmt zu werden. Ueber das Entkommen O'Gorman's berichtet ein Limericker Journal, wie folgt: Hr. Little hat den O'Gorman durch die Finger oder vielmehr von seinem Arm entschlüpfen lassen. Ehe das Dampfschiff in Kilrusch durchsucht wurde, stand Herr Little nebst mehreren Polizisten am Rande des Quais, wo sie jeden männlichen Passagier mit den Augen zu verschlingen schienen. Warfen sie auch auf ein weibl. Gesicht einen Blick, so thaten sie dies doch am allerwenigsten bei ältlichen Frauen. Da kam nun auch eine Matrone, schwarz gekleidet, die Treppe herauf, wo Hr. Little stand; ihr Schritt schien sehr unsicher und Hr. Little war so gallant, ihr seinen Arm anzubieten und der alten schwächlichen Dame an's Land zu verhelfen. Diese ältliche Dame war Niemand anders, als Richard O'Gorman. Als Hr. Little der Matrone durch den Menschenhaufen geholfen, verbeugte er sich in so höflicher Weise, daß selbst Lord Chesterfield nichts auszusetzen gefunden hätte. Der zu 10 Jahren Deportation verurtheilte John Martin, Herausgeber des „irischen Verbrechers“ ist ein Schulfreund Mitchell's und zugleich einer der wenigen Gutsbesitzer, die vom irischen Landvolk geehrt und geliebt werden. In der Grafschaft Clare fand letzten Donnerstag ein armer alter Mann, der wegen seiner republikanischen Ansichten von der Unterstützungsliste gestrichen worden, einen schrecklichen Tod. Um seinen Hunger zu stillen, begab er sich in den Garten eines Gutsherrn, wo er einige Kartoffeln ausreißen wollte. Der Sohn des Gutsherrn sah es und hetzte einen großen Bulldog auf ihn, der ihn niederwarf, aufriß und ihm im wahren Sinne des Worts die Eingeweide aus dem Leibe fraß.
Ostindien.
@xml:id#ar085b_008
@typejArticle
@facs0437
Die „Singapore Free Preß“ vom 3. Juli meldet nach Berichten aus Batavia vom 14. Juni, daß ein am 8. und 9. Juni von der nach Bali abgesandten holländischen Expedition unternommener Versuch, Dschaga Raga auf Bali zu nehmen fehlgeschlagen ist. Die Holländer wurden nach einem blutigen Gefechte von den stark verschanzten Balinesen gezwungen, sich an die Küste zurückzuziehen. Nach Salu waren im April 2 holländische Kriegsbriggs geschickt worden, um die Auslieferung einer Anzahl von den Seeräubern gefangener Individuen zu verlangen; da dieselbe verweigert wurde, schossen die Schiffe am 23. April die Stadt in Brand.
— Privatbriefe aus Batavia vom 27. Juni bestätigen das Fehlschlagen der Expedition nach Bali und geben den Verlust der Holländer allein an Todten auf 35 Ober- und Unteroffiziere und 280 Soldaten an; die Zahl der Schwerverwundeten soll sehr groß sein. Die ganze Truppenmacht der Holländer bestand nur aus 2000 Mann, die gegen 30,000 Balinesen zu fechten hatten.
Der Hafen Menado auf Celebes., ist von den Holländern dem Handelsverkehr freigegeben worden.
Die Dänen haben ihre Niederlassung auf den Nicobaren aufgegeben. Die im Dienste der Regierung befindlichen Kulihs sind von der Kriegsslopp „Valkyrien“ am 16. Juni nach Pinang gebracht worden. Die „Pinang Gazette“ will wissen, daß auch die danische Factorei auf Pinang alsbald aufgegeben werden soll.
In Singapore hatte man Bericht aus Hongkong vom 24. Juni; sie scheinen unbedeutend zu sein.
[(H. B.-H.)]
@xml:id#ar085b_009
@typejArticle
@facs0437
[ * ]
Die Truppenmacht des Molraj ist vollständig geschlagen und damit der Aufstand in Multan unterdrückt. Lieutenant Edwards wars gelungen über den Indus und Chenab zu setzen und sich mit den Truppen des Radschah von Bhawulpoor zu vereinigen. So verstärkt lieferte er am 18. Juni der Armee des Molraj eine Schlacht, die 9 Stunden dauerte und äußerst blutig war, aber mit der gänzlichen Niederlage des Feindes endigte, der von seinen 10 Kanonen 6 in den Händen der Engländer zurücklassen mußte.
Handels-Nachrichten.
gap: insignificant
@typejReadersLetters
@facs0437
@xml:id#ar085b_010
@typejArticle
@facs0437
Zur Beruhigung.
Ich muß das „allgemeine Vertrauen“ und die „allgemeine Sicherheit“ in Bezug auf eine „Warnung“ des Hrn. F. Lassalle beruhigen. Wie die in dem dritten Kassettendiebstahl-Prozesse producirten Briefe des Herrn Lassalle an mich, in die Hände der Staatsbehörde gelangt sind, war mir seit dem ersten Tage der Procedur ein Räthsel, welches ich jedoch ohne weitere Provokation mit den übrigen Mysterien dieser Angelegenheit hätte auf sich beruhen lassen. Da aber Herr Lassalle jetzt plötzlich auf meine Kosten das „allgemeine Vertrauen“ und die „allgemeine Sicherheit“ im preußischen Staate herstellen will, so erkläre ich, „daß ich Niemanden und nie einen Buchstaben des Hrn Lassalle ausgeliefert habe, und daß ich mich noch heute an den Hrn. Staats-Prokurator v. Ammon wende, mit der Bitte, mir den zu nennen, der ihm jene Briefe zugestellt, eventuell eine öffentliche Erklärung sofort abzugeben.“ Den Erfolg dieses Schrittes muß ich abwarten; doch hätte Herr Lassalle schon vorläufig am Besten wissen können, daß man in der Hatzfeldschen Affaire Briefe besitzen kann, die durchaus nicht ausgeliefert wurden. Hat etwa Hr. Heine auch die Briefe des Hrn. Lassalle ausgeliefert? Was die mir von Hrn. Lassalle erwiesenen Dienste betrifft, so hat mich der Casus lachen gemacht, was auch sicherlich im Geheimen bei Hrn. Lassalle der Fall ist, dessen klassische Dreistigkeit alle Anerkennung verdient.
Trier, den 19. August 1848.
Karl Grün.
[Gerichtsprotokoll]
@xml:id#ar085b_011
@typejArticle
@facs0437
Kriminal-Prozedur gegen Ferdinand Lassalle wegen Verleitung zum Diebstahl.
(Fortsetzung.)
Von Koblenz reiste ich der Gräfin nach Deutz nach; hier brachte ich die Exemplare der Prodigalitätsbroschüre zur Post, welche an Max Hatzfeldt in Paris, Graf Nostiz in Berlin und Freiherr von Landsberg zu Steinfurt adressirt waren. Um diese Zeit sagte mir Lassalle unter vier Augen: „wenn man ihnen trauen könnte, wäre jetzt ein gutes Geschäft zu machen.“ Tags darauf stellte er mir den Antrag, ich solle in Kalkum, wo der Graf erwartet würde, versuchen, die Kassette desselben zu entwenden, zugleich versprach er mir die Hälfte des Geldes, welches sich in der Kassette befinden werde.
Präsid. Wer sollte denn die andre Hälfte haben? — Zeuge. Das weiß ich nicht. Scheinbar willigte ich in sein Vorhaben ein und begab mich nach Kalkum, wo ich bis zu dem Tage, an welchem der Graf von dort abreiste, wartete, dann der Gräfin schrieb, ihr obiger Plan mittheilte, zugleich aber die Bedingung stellte, daß Lassalle selber komme und die Kassette abhole. Dann schrieb ich einen zweiten Brief und berichtete: daß der Graf abgereist und so der Plan unausführbar geworden sei. Inzwischen wurde mir mein Verhältniß, der Diener zweier Herrn zu sein, immer peinlicher und ich drang wiederholt in die Gräfin, mich in die Lage zu versetzen, daß ich dem Grafen den Dienst kündigen könne. Ich erhielt endlich einen Brief von ihr mit 20 Thalern und dem Versprechen, daß ich von ihr nicht verlassen würde. Ich bin so dumm gewesen, diesen Brief nebst einem andern später dem Pastor Rochum zu übergeben, der ihn im Namen der Gräfin abforderte. Hätte ich das nicht gethan, so hätte ich die Gräfin wohl kriegen wollen.
Präsid. Aber die 20 Thaler behielten Sie? —
Zeuge. Ja. — Ich kündigte also dem Grafen und blieb in Kalkum bis Mai 1847, reiste jedoch öfters nach Deutz, um über das Verhalten des Grafen Bericht zu geben. Ende April beredete mich die Gräfin und Lassalle zu v. Stockum nach Düsseldorf zu gehen, mir den Schein zu geben, als ob ich wieder zum Grafen übertreten wolle und zu versuchen, ob v. Stockum nicht etwa darauf eingehen werde, mich zu einem falschen Zeugnisse gegen die Gräfin zu verleiten.
Angekl. erklärt, er habe bei Ertheilung dieses Auftrags nicht zugegen sein können, da er sich damals in Haft befunden.
Zeuge. Er habe sich geirrt und dieses schon bei seiner Vernehmung vor dem Instruktionsrichter nachträglich erklärt, diese nachträgliche Erklärung findet sich wirklich in dem Protokoll des Untersuchungsrichters.
Zeuge. Ich erhielt 7 oder 10 Thaler und begab mich zunächst zu Frau Kurz, um Zutritt zu Stockum zu erhalten. Um die Kurz, welche zur Sache des Grafen hielt, zu gewinnen, erzählte ich ihr theils Wahres, theils Erdichtetes über Lassalle. Frau Kurz versprach mir Zutritt zu v. Stockum zu verschaffen und bemerkte: daß ich wohl einige Hundert Thaler von Stockum erhalten würde, wenn ich wiederholte, was ich ihr über Lassalle mitgetheilt. — Ich ging nicht gleich zu Stockum, sondern erst, nachdem ich mich von Gladbach hatte instruiren lassen.
Pr. Es ist der als Zeuge geladene ehemalige Lehrer, jetzt Abgeordneter zur Nationalversammlung.
Z. Gladbach trug mir insbesondere auf, den Stockum zu veranlassen, daß er mir dasjenige, was ich gegen die Gräfin und Lassalle fälschlich aussagen solle, aufschreibe und einhändige. So habe er es auch Schaafhausen machen lassen. Ich theilte dem v. Stockum die mißliche Lage mit, in der ich mich befände. Stockum versprach meine Lage zu verbessern und bat mich ihm anzugeben, was ich über L. wisse. Als ich ihm hierauf erwiederte, ich würde mich hierüber nur vor Gericht aussprechen, gab er mir 20 Thlr. und bemerkte dabei, er gebe mir das Geld nur meiner Lage wegen und verlange nur, daß ich die Wahrheit sage. Gladbach suchte mich nachher zu bereden, weiter zu erzählen, daß Stockum mich zu einem falschen Zeugnisse habe verleiten wollen; ich ging hierauf nicht ein, ließ mir jedoch von ihm einen Brief an die Gräfin diktiren, dessen Inhalt mir durchaus nicht mehr erinnerlich ist. Nur soviel weiß ich, daß ich hinein schreiben mußte, ich habe Gelegenheit den Brief nach Mülheim zu befördern. Dort wollte Gladbach den Brief auf die Post geben. Vorher hatte ich aber schon einen andern Brief an die Gräfin geschrieben und ihr den wahren Verlauf der Unterredung mit Stockum brrichtet.
Präsid. Ist in dem Briefe von Gladbach eine falsche Nachricht über die Unterredung gewesen? —
Zeuge. Das weiß ich nicht mehr.
Präsid. Hat Lassalle Sie sonst zu falschem Zeugniß verleiten wollen?
Zeuge. Ja, ich sollte sagen, eine gewisse Scharfenbach, welche auf Kalkum als Magd diente und dort schwanger geworden war, habe mit dem Grafen vertrauten Umgang gehabt. Ich verweigerte dies.
Präsid. Sie haben von der Gräfin Geld erhalten? —
Zeuge. Ja.
Pr. Hat Hoppe sie einmal zu einer falschen Angabe verleiten wollen?
Z. Das weiß ich nicht; ich lernte Hoppe in Deutz auf der Brücke kennen, wo er mir von Joh. Kurz vorgestellt wurde.
Pr. Hat die Gräfin Ihnen gesagt, daß Hoppe in Aachen als Spion gebraucht worden sei, um über das Verhältniß zur Meyendorf auszukundschaften?
Z. Weiß ich nicht.
Pr. Was wissen Sie von Schaafhausen?
Z. Sch. erzählte mir in der Trunkenheit er habe an die Gräfin einen Brief geschrieben, worin er sich beschwert, daß er nicht so viel Geld bekomme als die übrigen Zeugen. Diesen Brief habe ein gewisser Dolleschall zu Bilk unterschlagen.
[0438]
Pr. Hat L. Ihnen nicht geschrieben, Sie sollten sich fortmachen?
Z. Ja, ich sollte angeben, ich ging nach Ungarn oder Amerika, weil ich hier nichts zu leben hätte, und mir darauf in Kaiserswerth einen Paß geben lassen.
Pr. verliest den Brief L.'s, der dahin lautet, F. solle sich auf die Bürgermeisterei begeben, dort erklären, daß er vor April ins Ausland wolle, um Dienst zu suchen, und um nachher nicht Störungen ausgesetzt zu sein, vor der Abreise noch über sein Zeugniß in der Prozeßsache der Gräfin H. vernommen zu werden wünsche. Diese Erklärung solle er vom Bürgermeister bescheinigen lassen und in 2 bis 3 Tagen ihm schicken. Von einem Passe ist darin keine Rede.
Pr. Haben Sie auch von Lassalle Geld bekommen?
Z. Ich erhielt monatlich 15 Thlr., bald von der Gräfin, bald von Lassalle.
Angekl. Der Hr. Präsident hat Sie bereits darauf aufmerksam gemacht, daß Fowinkel bei seiner Vernehmung vor dem Instruktionsrichter mich beschuldigt hat, ihn Ende April 1847 zu einem falschen Zeugnisse gegen von Stockum gemeinschaftlich mit der Gräfin haben verleiten zu wollen, daß aber F. schon am Schlusse seiner schriftlichen Vernehmung meine Betheiligung an diesem angeblichen Versuche widerrufen habe. Seine desfallsige Angabe in der schriftlichen Vernehmung ist aber viel zu bestimmt, zu detaillirt, zu ausdrücklich, als daß sich erklären ließe, wie der Zeuge dazu gekommen sein sollte, sie irrthümlich zu machen. Erlauben Sie, daß ich die betreffende Stelle aus dem Protokolle verlese. Es heißt: „Ende April beredeten mich die Gräfin und Lassalle mich zu von Stockum in Düsseldorf unter dem Scheine, daß ich gesonnen sei, mich wieder zur Sache des Grafen zu schlagen, zu begeben und zu versuchen, ob der v. Stockum alsdann nicht etwa darauf eingehen würde, mich zu einem falschen Zeugniß gegen die Gräfin zu verleiten. Lassalle sagte mir noch unter vier Augen, ich möchte diesen Versuch als von mir ersonnen brieflich der Gräfin angeben, er selbst müsse sich deshalb sicher stellen; ich empfing zugleich von ihm 7 oder 10 Thaler und verfügte mich zunächst zur Frau Kurz etc.“ — Nach dieser so bestimmten Auslassung muß es unerklärlich sein, entweder wie Fowinkel dazu kam sie zu machen, oder sie zu widerrufen. Doch in seinem Widerrufe selbst findet sich der Schlüssel. Es heißt am Ende der Vernehmung: „Ich muß meine frühere Aussage dahin berichtigen, daß ich, als ich von der Gräfin beredet wurde zu v. Stockum zu gehen, mit L., der damals hier verhaftet war, über jenes Vorhaben gar nicht gesprochen habe. Meine frühere Aussage beruhte in dieser Beziehung auf einem Irrthum.“ — Also nur weil dem Zeugen einfällt, daß ich damals verhaftet war, daß ich also das schlagendste Alibi beweisen könne — in war von März bis Mai in Haft — widerruft er diese Beschuldigung gegen mich.
Pr. Es ist richtig, der Angekl. war vom 25. März 1847 bis gegen Ende Mai verhaftet.
Angekl. Nunmehr schob der Zeuge diese Anschuldigung gänzlich auf die Gräfin, indem er seine Aussage dahin modifizirte, sie habe ihn zwar nicht zu einem falschen Zeugniß gegen Stockum, wohl aber dazu verleiten wollen, dem v. Stockum eine Schlinge zu legen, damit dieser darauf einginge, ihn, Fowinkel, zu einem falschen Zeugniß zu verleiten. Ich werde nun durch einen Brief Fowinkels v. 9. April 1847 — das Original befindet sich bei den Akten — darthun, daß die Gräfin nicht im geringsten an ein derartiges Beginnen gedacht hat, daß vielmehr v. Stockum wirklich den Fowinkel zu einem falschen Zeugniß gegen mich bestechen wollte, und Fowinkel diesen Bestechungsversuch als vollkommen wahr und ganz von selbst der Gräfin brieflich berichtet hat. Hören Sie den Brief, meine Herren:
„Erlauchte Frau Gräfin! — Die Kurzen war bei mir in Calkum mit der Nachricht, daß von Stockum bereit sei, mir diese fordernde Summe von 100 Thlr. zu geben, sobald ich dieses Zeugniß gegen Hrn. Lassalle ablegen werde und noch dazu meine Aussage vom Grafen zurücknehmen werde, ich müsse in folgender Art sprechen: Hr. Lassalle hat mir ein leeres Stück Papier hingelegt und mir gesagt, ich solle da meinen Namen aufschreiben, und das was ich früher wohl schon einmal zu Kurzen gesprochen habe vom Grafen, was Jener mir entlockt hat, er (Kurz) dem Lassalle ad privatum erzählt habe und Lassalle seine Aussage auf das von mir leer unterschriebene Papier gesetzt habe, als wie wenn ich selbst es hätte protokolliren lassen und sodann unterschrieben. Das sind die Kniffe der Kurzischen Brut und von Stockums Politik. Ferner sagte die Kurze, daß sie von 1841 pro Monat 6 Thlr. rückständigen Gehalt zu fordern habe, und sie bediente sich solche Ausdrücke gegen Ihre Höchstgeborne in der Art, daß ich es mir für Sünde rechne sie hier zu bezeichnen. — Nachdem ich nun noch keine Antwort von Ihrer Höchstgeb. auf mein gestriges Schreiben erhalten habe, so hatte ich mich nicht augenblicklich entschlossen, mit dem Weib zu gehen, ich machte einen Vorwand und habe versprochen heute Abend zu kommen. Das Weib selbst will mich zu von Stockum führen, ich will mich nun die Sache noch reiflich überlegen, damit kein Bock geschossen wird. — Erlauchte Fr. Gräfin können auf meine Treue und Zuversicht rechnen. — Ergebenster Knecht W. Fowinkel.“
Pr. (unwillig, nachdem er den Brief nochmals verlesen) Ja das ist wahr. Wie kommen Sie dazu, F., der Gräfin so etwas zur Last zu legen, da dieser Brief vielmehr beweist, daß Sie ihr unaufgefordert diesen Bestechungsversuch als wirklich vorgefallen berichteten?
Z. Nein, die Gräfin wollte mich dazu verleiten.
Pr. Das ist nicht wahr, davon steht im Briefe nichts, der Brief ergiebt das Gegentheil davon.
Angekl. Ich werde nun ferner durch eine andern Brief Fowinkels beweisen, daß die Gräfin, welche dieser Mensch beschuldigt, dem v. Stockum und der Kurz eine Schlinge haben legen zu wollen, ihm vielmehr ausdrücklich verboten hat, sich mit jenen Personen in irgend eine Berührung einzulassen, auch nur mit ihnen zu sprechen, und daß Fow., als er bei jener Gelegenheit zu Kurz und Stockum ging, die Gräfin ausdrücklich um Verzeihung bat, ihrem Verbote zuwidergehandelt zu haben. Hier ist ein andrer Brief von ihm der also lautet: (Verliest den Brief, worin es heißt: „der Joh. Kurz schrieb mir einen Brief, ich möchte zu ihm kommen, da er Wichtiges mit mir zu sprechen habe. Verzeihen mir Ihro Höchstgeb. nun, wenn ich gegen den ausdrücklichen Befehl Ew. Höchstgeb. mit allen diesen Menschen gar nicht zu sprechen, dennoch zu der Kurzen ging. Aber es geschah, weil ich etwas zu erfahren glaubte.“ (Bravo im Publikum.)
Pr. (der sich den Brief hat überreichen lassen, mit steigendem Unwillen:) Auch das ist wahr. Fowinkel, die Gräfin hatte Ihnen ausdrücklich verboten, Sie schreiben es selbst, sich mit jenen Personen in Berührung einzulassen. Und statt dessen haben Sie heute gesagt, die Kurz zu jenem Versuche im Auftrage der Gräfin aufgesucht zu haben.
Z. Hr. Präsident, diese Personen sind mir zu listig.
Präs. Sie sind ein ganz schlechtes Subjekt, gehen Sie.
Angekl. Ich bitte noch eins konstatiren zu dürfen. Am 20. November 1847 schreibt Fowinkel folgenden Brief an die Gräfin: (verliest den Brief, der etwa so anfängt: „Gnädigste Frau, ich habe nicht von heute bis morgen zu leben, meine Frau friert, meine Kinder hungern, meine Noth ist so groß, daß ich nicht weiß, wovon ich mir Feuer im Ofen anstecken und einen Bissen hernehmen soll“ etc.) Sie sehen also, m. H., am 20. November 1847 noch ist Fowinkel in der bittersten Armuth. Als er aber in meiner Untersuchung vernommen wird, im März oder April 1848, also 5 Monate darauf, gibt er selbst an, er habe sich eben eine Restauration in Düsseldorf eingerichtet. Er ist also plötzlich ein kleiner Kapitalist geworden. Kann uns der Zeuge über diesen plötzlichen Umschwung in seinen Vermögensverhältnissen Aufschluß geben. (Donnerndes Bravo im Publikum).
Präs. Hat den Brief in Empfang genommen. Fowinkel will auf ihn zu und überreicht ihm Papiere, aus denen hervorgehen soll, daß er 200 Thlr. besitze oder schulde. (Nicht genau verstanden wegen des Lärms in der Versammlung).
Präs. Gehen Sie, Fowinkel, gehen Sie! (Zu den Geschwornen): Ich überlasse Ihnen, m. H., sich zu sagen, was Sie unter diesen Umständen von der Aussage dieses Menschen zu halten haben.
Angekl. Noch will ich Fowinkel fragen, ob ihm nicht die Frau Kurz mitgetheilt, daß ihr Mann einen schriftlichen Kontrakt über eine Rente von monatlich 40 Thlr. mit dem Grafen Hatzfeld geschlossen. Zeuge hat dies schon in der Instruktion gestanden.
Zeuge. Ja, direkt hat sie es mir nicht gesagt, aber indirekt auf meine Frage sagte sie: „Wir haben es, wir haben es.“
Zeugin Susanne Majunke, 32 Jahre alt, früher Kammerjungfer der Gräfin Hatzfeld, von Anfang Juni 1846 bis zum Jan. 1848. Lassalle besuchte in Berlin täglich die Gräfin und blieb bis in die Nacht bei ihr; auch Mendelssohn und Oppenheim sah sie dort. Sie reiste mit der Gräfin an den Rhein; als sie in Köln im „Königl. Hofe“ waren, kam Lassalle verkleidet, als Baron v. Landsberg, dorthin. In Aachen stiegen sie bei Kosteletzki ab und trafen daselbst Lassalle; auch Oppenheim und Mendelssohn waren dort, letzterer aber in einem andern Gasthofe. Lassalle war in den Angelegenheiten der Gräfin und namentlich bei den Vergleichsversuchen, welche in Aachen gemacht wurden, der Hauptleiter und Rathgeber der Gräfin, mit welcher er in vertraulichem Umgange stand; Oppenheim hatte keinen gleichen Einfluß; er war ein reicher Mann. Mendelssohn dagegen hatte niemals Geld und es war zu vermuthen, daß er von den Mitteln der Gräfin lebe.
Präs. Haben Sie von Anschlägen auf das Leben des Grafen gehört?
Z. Eines Tages rief mich Hoppe in die Stube Lassalle's und sagte: „Sehen Sie, hier ist die Vorbereitung zum Empfang des Grafen; er ist nicht gekommen, wer weiß, was sonst vorgefallen wäre. Gut, daß er nicht gekommen ist! Ich sah jetzt in Lassall's Zimmer zwei Teller mit Cigarren und drei geladne Pistolen auf einem kleinen Tische in der Ecke.
Pr. Woher wissen Sie, daß die Pistolen geladeen waren. — Z. „Ich habe hineingesehen. — Als Hoppe im vorigen Jahre von Deutz wegreisen wollte, zeigte er mir eine runde Holzschachtel, worin sich sechs Cigarren befanden, und bemerkte dabei, es seien dies vergiftete Cigarren, dieselben, welche in Aachen damals auf einem der beiden Teller gelegen. Später nahm ich wahr, daß der Boden der Schachtel gelb und röthlich gefärbt war.
Pr. Haben sie etwas über die Anschläge auf der Kassete gehört? — Z. Nein, ich war gewöhnlich auf der Hausflur, um zu verhindern, daß Jemand unangemeldet zur Gräfin kam. An dem Tage, wo, wie ich erfuhr, der Kassettendiebstahl stattfand, kam Oppenheim zur Gräfin und sagte: „Die Kassette haben wir!“ Die Gräfin erwiderte: Die Kassette kann ich mit vollem Rechte behalten, denn ich bin überzeugt, Alles, was darin ist, ist vom Grafen.
Angekl. In ihrer Vernehmung vor dem Instruktionsrichter hat die Zeugin ausgesagt, sie habe gleich nach den Worten Oppenheim's die Stube verlassen und den weiteren Verlauf des Gesprächs nicht gehört. Jetzt will sie wissen, was die Gräfin erwidert hat.
St. Prok. So etwas kann man auch im Herrausgehen noch hören.
Z. Ueber die Entwendung des Briefes an die Meyendorf hat mir P. Kurz erzählt, Lassalle habe ihn zur Post geschickt, um nach einem Briefe an die M. zu fragen; er, Kurz, sei aber klüger gewesen, als alle; er habe sich als Bedienter verkleidet für den Kammerdiener der M. ausgegeben und den Brief sich gleich geben lassen. Als die Gräfin den Brief empfing, war sie ganz außer sich und sagte: Das kommt ja Schlag auf Schlag!
Pr. Hat die Gräfin in Deutz, als sie dort wohnte, mit vielen Personen verkehrt? — Z. Ja, ich meine darunter die Frau Gianella, Karl Gianella, den Barbier Schaafhausen und seine Frau und den Referendar Meyer.
Pr. Haben sie gesehen, daß diese Leute von der Gräfin Geld erhielten? — Z. Ja, ich habe mitunter wechseln lassen und auch wohl selbst gegeben.
Pr. Haben Sie Hoppe gekannt und war er treu? — Z. Ja, Hoppe war immer ein treuer Diener.
Pr. Hat man Bestechungsversuche bei Ihnen gemacht?
Z. Ja, um die Zeit als der bekannte Kalumnieprozeß gegen die Gräfin schwebte, ersuchte mich v. Stockum ihm einige Exemplare der bekannten Broschüre zu verschaffen und versprach mir 200 Thaler, wenn ich aus dem Dienste der Gräfin treten wollte. Ich habe aber nichts angenommen.
Pr. Konnten Sie denn etwas erwarten?
Z. Ich blieb der Gräfin treu, trotz schlechter Behandlung. Einmal hat mir v. Stockum zwei Friedrichsdor gegeben; ich habe aber sogleich der Gräfin Anzeige davon gemacht.
Pr. In welchem Verhältniß stand der alte Kurz zur Gräfin? War er treu?
Z. Ja, aber die Gräfin macht alle Leute schlecht.
Pr. Wer hat Ihnen gekündigt?
Z. Der Generalbevollmächtigste, Hr. Lassalle.
Pr. Auf welche Veranlassung?
Z. Er sagte, ich sei unhöflich gegen die Gräfin gewesen. Er war Abends spät gekommen und in das Schlafzimmer der Gräfin gegangen; ich wartete bis 1 Uhr, er kam nicht zurück. Am andern Morgen räumte ich im Zimmer der Gräfin den vor dem Bette stehenden Tisch ab, worauf die Reste des Nachtessens und eine leere Champagnerflasche standen. Bei dieser Arbeit war ich versteinert und verwirrt, und soll der Gräfin die Frühstückstasse zu hart aufgesetzt haben. Ich hatte früher selbst oft gekündigt und man wollte mich nicht gehen lassen. Auch jetzt nicht, als ich die Wohnung der Gräfin in der Mohrenstraße hier verlassen wollte, sperrte man mich in meine Stube, und ich wurde hierdurch genöthigt heimlich über eine Mauer zu entfliehen. Ich ließ meine Effekten zurück, welche die Gräfin mir noch vorenthält, und kehrte bei Rener in Deutz ein, da ich Niemand sonst hier kannte.
Staatsprok. Ist Hoppe ein ehrlicher Mann? Lassalle hat ihn ja in Berlin verfolgt.
Z. Ja, Lassalle sagte bei seiner Abreise nach Berlin: „ich werde den Kerl für die Zukunft unschädlich machen.“
Ein Geschworner. Ob Lassalle über die Gräfin eine Gewalt ausgeübt habe?
Z. Ja, mitunter zankten sie sich sehr, und ich habe die Gräfin wohl zehnmal sagen hören: „Sie sind allein an meinem Unglück Schuld!“
Angeklagter. Ob nicht im December 1846 Hr. v. Stockum mit Arnold Gödsche die Z. in Deutz aufgesucht habe und ihr folgendes Anerbieten gemacht: er wolle einen dreijährigen Contract mit ihr machen, wodurch er ihr das Doppelte des Lohnes sichere, den sie bei der Gräfin genösse, und ihr außerdem 200 Thlr. baar geben, wenn sie bezeugen wolle, daß die Gräfin in einem unerlaubten Verhältniß zu mir stände; ob er nicht, obgleich sie ihm versichert, sie könne das nicht mit gutem Gewissen sagen, mehrmals mit diesem Anerbieten in sie gedrungen sei?
Z. Ja, das ist wahr, aber ich habe es ausgeschlagen.
Angekl. Ob nicht aber Herr von Stockum ihr dabei die zwei Louisdor in die Hand gedrückt und sie dieselben behalten habe.
Z. dreht sich gegen den Angeklagten und ergießt sich in eine Fluth heftiger Vorwürfe gegen ihn.
Angekl. (zum Präsidenten, der unterdeß, die Akten blätternd, der Scene keine Aufmerksamkeit geschenkt hat). Es ist mir unangenehm, daß die Zeugin mich direkt apostrophirt; ich bitte mich dagegen zu schützen.
St.-Prok. Nun ich glaube, daß die Zeugen wohl eher Schutz gegen sie bedürfen als umgekehrt.
Pr. (zur Zeugin). Ruhe, Sie haben den Angeklagten nicht anzureden, sprechen Sie zu mir.
Angekl. Ich habe noch keine Antwort auf die Frage über die zwei Louisd'or, ob die Zeugin sie angenommen.
Pr. wiederholt die Frage.
Z. Ja, er drückte mir zwei Louisd'or in die Hand, ich wollte sie nicht nehmen, aber er war zu schnell fort.
Angekl. Gut, weiter. Ob nicht, als die Gräfin im Oktober 1847 mit ihr nach Paris gereist, Stockum ihr auch dort ähnliche Anerbietungen habe machen lassen?
Z. Ja, er schickte einen Kommissionär, einen Landsmann zu mir.
Pr. Was, war denn der Stockum auch in Paris.
Z. Wenige Tage nach der Ankunft der Gräfin kam er auch nach Paris und wohnte in demselben Hotel. Das war der Gräfin unangenehm und sie bezog deshalb ein Privatlogis.
Angekl. Worin die Anerbieten bestanden, welche ihr dort Stockum machen ließ.
Z. Er ließ mir 2000 Thlr. bieten, wenn ich ein unerlaubtes Verhältniß zwischen der Gräfin und Lassalle bekunde; ich aber schlug es aus.
Angekl. Im Januar 1848 aber entsprang heimlich und bei Nacht die Z. aus dem Dienste der Gräfin?
Pr. Die Zeugin hat bereits darüber bekundet.
Angekl. Die Zeugin hat mich vorhin, wenn mir recht ist, eines verbotenen Verhältnisses zur Gräfin beschuldigt. Die Zeugin hat nun aber schon in der Zuchtpolizeigerichtssitzung vom 6. April 1847 als sie jenen ersten Bestechungsversuch Stockums auf sich bekundete, ausdrücklich hinzugefügt, daß kein unerlaubtes Verhältniß zwischen mir und der Gräfin bestehe, daß sie, obwohl sie es in ihrer Stellung wissen müsse, nie das geringste hierauf Bezügliche wahrgenommen habe.
Z. Nun, Küssen und bis 1 Uhr im Schlafzimmer weilen kann man doch so nennen. Es wird eine Zeit kommen, wo ich darüber noch mehr aussagen werde.
St.-Pr. Ich denke Hr. Lassalle, Sie werden besser thun, auf dies Verhältniß nicht näher einzugehen.
Angekl. Bitte, Hr. Staats-Prokurator, Sie sehen, daß ich eben im Begriff bin, sehr ernstlich darauf einzugehen.
Pr. (hat in den Akten nachgesehen.) Im Audienz-Protokoll v. 6. April 1847 findet sich nichts davon, daß die Zeugin gesagt habe, was Sie behaupten. Warum halten Sie die Verhandlungen auf, da Sie doch die Akten so genau kennen?
Angekl. Ich habe mich nicht im geringsten auf das Audienz-Protokoll für meine Behauptung bezogen. Der Gerichtsschreiber hat, wie sehr natürlich, jene Aeußerungen der Majunke, als nicht eigentlich zur Sache gehörig, nicht mitverzeichnet. Daß sie dies aber damals gesagt hat, würde ich durch eine Masse von Zeugen beweisen können, ja sie hat selbst in ihrer instruktionsrichterlichen Vernehmung in der jetzigen Prozedur diesen Umstand in Erwähnung gebracht und ihre heute widersprechende Aussage damit in Uebereinstimmung zu bringen gesucht. Ich bitte nur die Zeugin selbst deßhalb zu befragen.
Pr. zur Zeugin. Haben Sie in ihrer Gerichtssitzung unter dem Eide ausgesagt, was der Angeklagte behauptet, daß er in keinem unerlaubten Verhältniß zur Gräfin stände?
Z. Ja, Hr. Präsident, aber ich wußte es auch nicht anders. Erst später habe ich Dinge bemerkt.
Angekl. Ich bitte Sie, meine Herren, dies festzuhalten. Im Juni 1846 ist die Kammerjungfer zur Gräfin gekommen. Bis zum 6. April 1847, eilf volle Monate hindurch, merkt sie nichts, behauptet sogar mit Bestimmtheit das Gegentheil. Erst in der Zeit vom 6. April ab gehen ihr die Augen auf. — Ich bitte nun, die Zeugin über folgendes zu fragen. Sie hat ausgesagt, Hoppe habe sie einst in Aachen in mein Zimmer gerufen, ihr Pistolen und Cigarren gezeigt u. s. w. Nach der Aussage der Zeugin muß das am nämlichen Tage stattgefunden haben, an welchem mir der Graf einen Besuch abstatten wollte, ohne mich zu treffen. Ist dem so?
Z. Ja, es war an demselben Tage, unmittelbar nachdem der Graf da gewesen. Wenn ich nicht sehr irre, habe ich ihn noch fortreiten sehen.
Angekl. Gut, ich werde später darthun, daß die Zeugin erst 8 Tage oder länger nach jenem Besuche des Grafen nach Aachen gekommen ist. Nun bitte ich die Zeugin zu fragen, ob sie, nachdem sie heimlich aus dem Hause der Gräfin entsprungen, in keiner Beziehung zum Grafen Hatzfeld gestanden hat?
Zeugin. Nein.
Angekl. In keiner?
Zeugin. Nun Sie hören doch in keiner!
Angekl. Ich habe meine Gründe zu fragen. Ich wiederhole, hat die Zeugin den Grafen nicht gesprochen, ihm nicht geschrieben, kurz hat sie in keiner Beziehung zu ihm gestanden?
Zeugin. Nein, in keiner.
Angekl. Nun denn, hier ist der amtliche Beweis. Als die Majunke der Gräfin entsprungen war, nahm diese bei der Polizei den Antrag, ihre Kammerjungfer polizeilich zu ihr zurückzuführen, da ihre Dienstzeit noch nicht abgelaufen war. Der Polizei-Direktor antwortete, es könne diesem Verlangen aus dem Grunde nicht deferirt werden, weil es dem Ehemanne freistehe, über die Dienstboten der Ehefrau zu verfügen. (Lautes Bravo im Publikum).
Pr. Haben sie sich denn zum Grafen begeben, als Sie den Dienst der Gräfin verließen oder der Polizei derartiges angezeigt.
Z. leugnet dies beharrlich.
Ein Geschw. Die Gräfin habe von der Polizei die die Rückführung der Majunke beantragt. Vielleicht habe sie selbst dabei angegeben, daß die Majunke zum Grafen gegangen, so daß sich der amtliche Bescheid des Polizei-Direktors nur auf ihre eigene Angabe stütze.
Z. Ja, so ist es.
Pr. findet dies ebenfalls wahrscheinlich und verordnet für den folgenden Tag die discretionäre Vernehmung des Polizeiraths Dolleschall und des Polizeikommissars Dobler.
Zeuge Karl Diezmann, Gastwirth im Königl. Hof in Köln, 33 J. alt. Die Gräfin ist am 21. Juli 1846 mit Oppenheim bei ihm eingekehrt; Mendelsohn wahrscheinlich auch da gewesen; im Fremdenbuche steht unter demselben Datum Dr. Benda aus Berlin. Ob L. die Gräfin besucht, weiß er nicht. Im Okt. v. J. ist die Gräfin wieder bei ihm abgestiegen; L hat sie mehrmals dort besucht; einmal hat er ihn selbst zur Thür hinausgehen sehn.
(Fortsetzung folgt.)
@typeimprint
@facs0438
Der Gerant, Korff.
Druck von Wilhelm Clouth in Köln.