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[N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

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ungewiß wegen des Thieres den man Ourangutang nennt;
jetzt ist erwiesen, daß es nur das Junge eines schlimmen, häßlichen
Affen ist. (Orang heißt verständig utang waldisch, vom Walde,
in der malayischen Sprache.) In neuerer Zeit haben wir sie mehr-
mals lebendig gehabt; man meint, daß sie 3-4' im Vaterlande
erreichen; Tilesius, Cuvier, Rudolphi haben ihn untersucht [u.]und
fast zur Evidenz erwiesen, daß dies liebliche Thier in seinen
alten Jahren ein sehr häßlicher, ungestalter Affe wird; die hohe
Stirn tritt zurück [u.]und er ist der schreckliche Pongo. Ein anderer
menschenähnlicher Affe ist der Jocko: Simia troglodytes diesen
hat man so weit abgerichtet, daß er bei Tische aufwartet, Caffe
[u.]und Thee trinkt etc: doch hat er in seiner Figur weniger men-
schenartiges als d[.]er Urangutang. Die Geschichten von der Klug-
heit der Affen hören immer mehr auf je mehr man sich den
Ländern nähert wo sie häufig sind. Alles dieß zeigt hinläng-
lich, daß man keine Skala von diesen Thieren zu den Wald-
negern machen kann.

Ob es bei dem Menschengeschlecht nur eine species gäbe,
ist eine Untersuchung mit der man sich seit 80 Jahren viel
beschäftigt hat. In früherer Zeit ward sie verwechselt mit
der Untersuchung über die Verwandschaft der Sprachen.
Die letztere ist ein sehr trügliches Zeichen für die Abstammung
der Völker. Wenn Leibnitz schon diese Untersuchungen verwechselt,
so ist dies in neuern Zeiten noch mehr geschehen z. E. in Vaters
Mithridates
u. a. m. Die Griechen [u.]und Römer unterscheiden nur
Eingebohrne [u.]und Eingewanderte. In Afrika gab es vor der Ein-
wandrung der Saracenen saec: 7. schon zu 3 oder 4 malen Einwan-

ungewiß wegen des Thieres den man Ourangutang nennt;
jetzt ist erwiesen, daß es nur das Junge eines schlimmen, häßlichen
Affen ist. (Orang heißt verständig utang waldisch, vom Walde,
in der malaÿischen Sprache.) In neuerer Zeit haben wir sie mehr-
mals lebendig gehabt; man meint, daß sie 3–4′ im Vaterlande
erreichen; Tilesius, Cuvier, Rudolphi haben ihn untersucht [u.]und
fast zur Evidenz erwiesen, daß dies liebliche Thier in seinen
alten Jahren ein sehr häßlicher, ungestalter Affe wird; die hohe
Stirn tritt zurück [u.]und er ist der schreckliche Pongo. Ein anderer
menschenähnlicher Affe ist der Jocko: Simia troglodytes diesen
hat man so weit abgerichtet, daß er bei Tische aufwartet, Caffe
[u.]und Thee trinkt etc: doch hat er in seiner Figur weniger men-
schenartiges als d[.]er Urangutang. Die Geschichten von der Klug-
heit der Affen hören immer mehr auf je mehr man sich den
Ländern nähert wo sie häufig sind. Alles dieß zeigt hinläng-
lich, daß man keine Skala von diesen Thieren zu den Wald-
negern machen kann.

Ob es bei dem Menschengeschlecht nur eine species gäbe,
ist eine Untersuchung mit der man sich seit 80 Jahren viel
beschäftigt hat. In früherer Zeit ward sie verwechselt mit
der Untersuchung über die Verwandschaft der Sprachen.
Die letztere ist ein sehr trügliches Zeichen für die Abstammung
der Völker. Wenn Leibnitz schon diese Untersuchungen verwechselt,
so ist dies in neuern Zeiten noch mehr geschehen z. E. in Vaters
Mithridates
u. a. m. Die Griechen [u.]und Römer unterscheiden nur
Eingebohrne [u.]und Eingewanderte. In Afrika gab es vor der Ein-
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[[308]/0314] ungewiß wegen des Thieres den man Ourangutang nennt; jetzt ist erwiesen, daß es nur das Junge eines schlimmen, häßlichen Affen ist. (Orang heißt verständig utang waldisch, vom Walde, in der malaÿischen Sprache.) In neuerer Zeit haben wir sie mehr- mals lebendig gehabt; man meint, daß sie 3–4′ im Vaterlande erreichen; Tilesius, Cuvier, Rudolphi haben ihn untersucht und fast zur Evidenz erwiesen, daß dies liebliche Thier in seinen alten Jahren ein sehr häßlicher, ungestalter Affe wird; die hohe Stirn tritt zurück und er ist der schreckliche Pongo. Ein anderer menschenähnlicher Affe ist der Jocko: Simia troglodytes diesen hat man so weit abgerichtet, daß er bei Tische aufwartet, Caffe und Thee trinkt etc: doch hat er in seiner Figur weniger men- schenartiges als der Urangutang. Die Geschichten von der Klug- heit der Affen hören immer mehr auf je mehr man sich den Ländern nähert wo sie häufig sind. Alles dieß zeigt hinläng- lich, daß man keine Skala von diesen Thieren zu den Wald- negern machen kann. Ob es bei dem Menschengeschlecht nur eine species gäbe, ist eine Untersuchung mit der man sich seit 80 Jahren viel beschäftigt hat. In früherer Zeit ward sie verwechselt mit der Untersuchung über die Verwandschaft der Sprachen. Die letztere ist ein sehr trügliches Zeichen für die Abstammung der Völker. Wenn Leibnitz schon diese Untersuchungen verwechselt, so ist dies in neuern Zeiten noch mehr geschehen z. E. in Vaters Mithridates u. a. m. Die Griechen und Römer unterscheiden nur Eingebohrne und Eingewanderte. In Afrika gab es vor der Ein- wandrung der Saracenen saec 7. schon zu 3 oder 4 malen Einwan-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

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Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Anonym (Hg.): Alexander von Humboldts Vorlesungen über physikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. Berlin, 1934. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

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Zitationshilfe: [N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. [308]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827/314>, abgerufen am 23.12.2024.