Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

Für ihre Entstehung hat man folgende Hypothesen aufgestellt:

1., daß sie sich in der Atmosph[:]äre bilden könnten, in Folge einer Auf-
lösung [u.]und electrischer Explosionen. Dagegen sprechen viele Gründe.

2., daß sie aus den Mondvulkanen kämen, welche Meinung man
fälschlich Laplace [u.]und Olbers zugeschrieben. Wenn es Vulkane im
Monde gäbe, so würden solche Steine in 21/2 Tagen auf unsre Erde
kommen; aber die größere Menge würde Erdsatelliten werden,
wegen der Umdrehung der Erde. Schon 1660 als in Mailand ein
Franziskaner Mönch von einem solchen Stein getödtet war, hat
Paulo Maria Turzago, ein dortiger Physiker, diese Meinung aufge-
stellt.

3., daß sie aus dem Weltraum kommen was Chladny zuerst behauptet.
Relative Größe giebt es ja im Weltraum gar nicht. Vielleicht mögen
auch aus dem Zerplatzen größerer Planeten kleinere Planeten [u.]und
Meteorsteine entstanden sein wie Le Grange meint.

[54. Vorlesung, 16. April 1828]
Organische Rinde unserer Erde oder Geographie des Organismus.

Im Starren [u.]und Flüßssigen, in der Ebene [u.]und im Weltmeer ist die
Masse das auffallende [u.]und überwiegende. Anders ist es mit dem
Organischen; hier ist die Masse besiegt von der Form. Bei Ocean
[u.]und Continent ist Ordnung kaum aufzufinden; im Organischen ist
überall Gesetzmäßigkeit, allmählige Entwickelung des Ganzen.
Der Geognost der die Wirkung vulkanischer Kräfte erkennt, der
Physiker der im Sturm die Höhe der Meereswellen mißt, wird
von dem plötzlich Eintretenden überrascht; in der Pflanzenwelt
aber wird alles allmählig bedingt.

Wir reden hier nicht von den Pflanzen [u.]und Thieren, sondern von
der mit Pflanzen [u.]und Thieren bedeckten Erdrinde. Organische Stoffe

Für ihre Entstehung hat man folgende Hÿpothesen aufgestellt:

1., daß sie sich in der Atmosph[:]äre bilden könnten, in Folge einer Auf-
lösung [u.]und electrischer Explosionen. Dagegen sprechen viele Gründe.

2., daß sie aus den Mondvulkanen kämen, welche Meinung man
fälschlich Laplace [u.]und Olbers zugeschrieben. Wenn es Vulkane im
Monde gäbe, so würden solche Steine in 2½ Tagen auf unsre Erde
kommen; aber die größere Menge würde Erdsatelliten werden,
wegen der Umdrehung der Erde. Schon 1660 als in Mailand ein
Franziskaner Mönch von einem solchen Stein getödtet war, hat
Paulo Maria Turzago, ein dortiger Phÿsiker, diese Meinung aufge-
stellt.

3., daß sie aus dem Weltraum kommen was Chladnÿ zuerst behauptet.
Relative Größe giebt es ja im Weltraum gar nicht. Vielleicht mögen
auch aus dem Zerplatzen größerer Planeten kleinere Planeten [u.]und
Meteorsteine entstanden sein wie Le Grange meint.

[54. Vorlesung, 16. April 1828]
Organische Rinde unserer Erde oder Geographie des Organismus.

Im Starren [u.]und Flüßssigen, in der Ebene [u.]und im Weltmeer ist die
Masse das auffallende [u.]und überwiegende. Anders ist es mit dem
Organischen; hier ist die Masse besiegt von der Form. Bei Ocean
[u.]und Continent ist Ordnung kaum aufzufinden; im Organischen ist
überall Gesetzmäßigkeit, allmählige Entwickelung des Ganzen.
Der Geognost der die Wirkung vulkanischer Kräfte erkennt, der
Phÿsiker der im Sturm die Höhe der Meereswellen mißt, wird
von dem plötzlich Eintretenden überrascht; in der Pflanzenwelt
aber wird alles allmählig bedingt.

Wir reden hier nicht von den Pflanzen [u.]und Thieren, sondern von
der mit Pflanzen [u.]und Thieren bedeckten Erdrinde. Organische Stoffe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="53">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0288" n="[282]"/>
              <p>Für ihre Entstehung hat man folgende Hÿpothesen aufgestellt:<lb/><list><item>1., daß sie sich in der Atmosph<subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">:</supplied></del><add place="sublinear">äre</add></subst> bilden könnten, in Folge einer Auf-<lb/>
lösung <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> electrischer Explosionen. Dagegen sprechen viele Gründe.</item><lb/><item>2., daß sie aus den Mondvulkanen kämen, welche Meinung man<lb/>
fälschlich<note resp="#BF" type="editorial">In Anonym 1934 geändert zu: tatsächlich.</note> <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118726536 http://d-nb.info/gnd/118726536">Laplace</persName></hi> <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-11858975X http://d-nb.info/gnd/11858975X">Olbers</persName></hi> zugeschrieben. Wenn es Vulkane im<lb/>
Monde gäbe, so würden solche Steine in 2½ Tagen auf unsre Erde<lb/>
kommen; aber die größere Menge <choice><sic>würden</sic><corr resp="#BF">würde</corr></choice> Erdsatelliten werden,<lb/>
wegen der Umdrehung der Erde. Schon 1660 als in Mailand ein<lb/>
Franziskaner Mönch von einem solchen Stein getödtet war, hat<lb/><hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-117616214 http://d-nb.info/gnd/117616214">Paulo Maria Turzago</persName></hi>, ein dortiger Phÿsiker, diese Meinung aufge-<lb/>
stellt.<note resp="#BF" type="editorial">Vgl. <bibl>Terzago, Paolo Maria: Musaeum Septalianum Manfredi Septalae: Patritii Mediolanensis Industrioso Labore constructum. Tortona 1664, insbesondere Kapitel XVIII (S. 43&#x2013;48).</bibl> Online verfügbar: <ref target="http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10051296_00075.html">MDZ München, abgerufen am 29.02.2016</ref>.</note></item><lb/><item>3., daß sie aus dem Weltraum kommen was <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118520490 http://d-nb.info/gnd/118520490">Chladnÿ</persName></hi> zuerst behauptet.<lb/>
Relative Größe giebt es ja im Weltraum gar nicht. Vielleicht mögen<lb/>
auch aus dem Zerplatzen größerer Planeten kleinere Planeten <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst><lb/>
Meteorsteine entstanden sein wie <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118568698 http://d-nb.info/gnd/118568698">Le Grange</persName></hi> meint.</item></list></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div><lb/>
      <div type="session" n="54">
        <head>
          <supplied resp="#BF">54. Vorlesung, <ref target="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/gliederung"><date when="1828-04-16">16. April 1828</date></ref></supplied>
        </head><lb/>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <head><hi rendition="#u">Organische Rinde unserer Erde oder Geographie des Organismus</hi>.</head><lb/>
            <p>Im Starren <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> Flü<subst><del rendition="#ow">ß</del><add place="across">ss</add></subst>igen, in der Ebene <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> im Weltmeer ist die<lb/>
Masse das auffallende <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> überwiegende. Anders ist es mit dem<lb/>
Organischen; hier ist die Masse besiegt von der Form. Bei Ocean<lb/><subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> Continent ist Ordnung kaum aufzufinden; im Organischen ist<lb/>
überall Gesetzmäßigkeit, allmählige Entwickelung des Ganzen.<lb/>
Der Geognost der die Wirkung vulkanischer Kräfte erkennt, der<lb/>
Phÿsiker der im Sturm die Höhe der Meereswellen mißt, wird<lb/>
von dem plötzlich Eintretenden überrascht; in der Pflanzenwelt<lb/>
aber wird alles allmählig bedingt.</p><lb/>
            <p>Wir reden hier nicht von den Pflanzen <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> Thieren, sondern von<lb/>
der mit Pflanzen <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> Thieren bedeckten Erdrinde. Organische Stoffe<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[282]/0288] Für ihre Entstehung hat man folgende Hÿpothesen aufgestellt: 1., daß sie sich in der Atmosphäre bilden könnten, in Folge einer Auf- lösung und electrischer Explosionen. Dagegen sprechen viele Gründe. 2., daß sie aus den Mondvulkanen kämen, welche Meinung man fälschlich Laplace und Olbers zugeschrieben. Wenn es Vulkane im Monde gäbe, so würden solche Steine in 2½ Tagen auf unsre Erde kommen; aber die größere Menge würde Erdsatelliten werden, wegen der Umdrehung der Erde. Schon 1660 als in Mailand ein Franziskaner Mönch von einem solchen Stein getödtet war, hat Paulo Maria Turzago, ein dortiger Phÿsiker, diese Meinung aufge- stellt. 3., daß sie aus dem Weltraum kommen was Chladnÿ zuerst behauptet. Relative Größe giebt es ja im Weltraum gar nicht. Vielleicht mögen auch aus dem Zerplatzen größerer Planeten kleinere Planeten und Meteorsteine entstanden sein wie Le Grange meint. 54. Vorlesung, 16. April 1828 Organische Rinde unserer Erde oder Geographie des Organismus. Im Starren und Flüssigen, in der Ebene und im Weltmeer ist die Masse das auffallende und überwiegende. Anders ist es mit dem Organischen; hier ist die Masse besiegt von der Form. Bei Ocean und Continent ist Ordnung kaum aufzufinden; im Organischen ist überall Gesetzmäßigkeit, allmählige Entwickelung des Ganzen. Der Geognost der die Wirkung vulkanischer Kräfte erkennt, der Phÿsiker der im Sturm die Höhe der Meereswellen mißt, wird von dem plötzlich Eintretenden überrascht; in der Pflanzenwelt aber wird alles allmählig bedingt. Wir reden hier nicht von den Pflanzen und Thieren, sondern von der mit Pflanzen und Thieren bedeckten Erdrinde. Organische Stoffe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Anonym (Hg.): Alexander von Humboldts Vorlesungen über physikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. Berlin, 1934. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Kustoden: nicht erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827/288
Zitationshilfe: [N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. [282]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827/288>, abgerufen am 23.12.2024.