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[N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

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mittlere Temperatur von Lappland.

Sonst meinte man die Schneegränze bezeichne eine Fläche
wo die Temp:eratur = 0 sei. Das ist falsch. Unter dem Aequator ist
sie +11/2° unter 45° B. 6° R. unter 60° B. 9° R. Es kommt
also hierbei auf die Vergleichung der Höhe [u.]und Breitengrade
an. Wenn man die ersten 3000' am Abhange der Alpen ver-
gleicht mit den Breitengraden von 50° an, so correspondiren
jede 600' 15° N. B., es ist also egal ob man 600' steigt oder
15° B. nördlicher geht. (Im Sommer aber nur 10 Meilen?)
Die Kultur der Pflanzen indeß geht höher auf d[.]en Bergen, als
sie gegen Norden sich erstrecken kann, weil sie auf den Bergen sich
in einer dünnern Luft befinden wo sie eine Intensität des Lichts
genießen. Bei 2400' Höhe wird im südlichen Frankreich noch Wein gebaut,
dagegen man 4° nördl[:]ich keinen Weinbau mehr findet. Die Schnee-
gränze ist ein sinnlicher Beweis für die kältere Region über unserm
Kopfe. Sie hat den Menschen schon früh belehrt, welche von den Bergen
die höheren sind, denn schon früh sahen sie, daß diese Schneegränze
wie ein Niveau des Meers immer dieselbe Höhe hält. So wußten
die Indianer schon ehe Condamine den Chimborazo gemessen, daß
er der höchste Berg sei. Die Verschiedenheit der Schneegränze unter den
Tropen beträgt nur 80'. Hingegen in den gemäßigten Klimaten
sind die Berge hierin mehren Perturbationen durch Schluchten etc:
unterworfen. Man muß mit dem Phaenomen der Schneegränze
nicht die Gletscher [u.]und Eisgrotten verwechseln. Mit der Höhe derselben
hängen die Gletscher nur in Hinsicht ihres Ursprunges zusammen.
In Chamouny finden sich bei 3000' schon Gletscher [u.]und sie könnten
bis zur Ebene kommen, wenn sie nur Schnee- [u.]und Wasser-Zufuhr

mittlere Temperatur von Lappland.

Sonst meinte man die Schneegränze bezeichne eine Fläche
wo die Temp:eratur = 0 sei. Das ist falsch. Unter dem Aequator ist
sie +1½° unter 45° B. −6° R. unter 60° B. −9° R. Es kommt
also hierbei auf die Vergleichung der Höhe [u.]und Breitengrade
an. Wenn man die ersten 3000′ am Abhange der Alpen ver-
gleicht mit den Breitengraden von 50° an, so correspondiren
jede 600′ 15° N. B., es ist also egal ob man 600′ steigt oder
15° B. nördlicher geht. (Im Sommer aber nur 10 Meilen?)
Die Kultur der Pflanzen indeß geht höher auf d[.]en Bergen, als
sie gegen Norden sich erstrecken kann, weil sie auf den Bergen sich
in einer dünnern Luft befinden wo sie eine Intensität des Lichts
genießen. Bei 2400′ Höhe wird im südlichen Frankreich noch Wein gebaut,
dagegen man 4° nördl[:]ich keinen Weinbau mehr findet. Die Schnee-
gränze ist ein sinnlicher Beweis für die kältere Region über unserm
Kopfe. Sie hat den Menschen schon früh belehrt, welche von den Bergen
die höheren sind, denn schon früh sahen sie, daß diese Schneegränze
wie ein Niveau des Meers immer dieselbe Höhe hält. So wußten
die Indianer schon ehe Condamine den Chimborazo gemessen, daß
er der höchste Berg sei. Die Verschiedenheit der Schneegränze unter den
Tropen beträgt nur 80′. Hingegen in den gemäßigten Klimaten
sind die Berge hierin mehren Perturbationen durch Schluchten etc:
unterworfen. Man muß mit dem Phaenomen der Schneegränze
nicht die Gletscher [u.]und Eisgrotten verwechseln. Mit der Höhe derselben
hängen die Gletscher nur in Hinsicht ihres Ursprunges zusam̃en.
In Chamounÿ finden sich bei 3000′ schon Gletscher [u.]und sie könnten
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[[274]/0280] mittlere Temperatur von Lappland. Sonst meinte man die Schneegränze bezeichne eine Fläche wo die Temperatur = 0 sei. Das ist falsch. Unter dem Aequator ist sie +1½° unter 45° B. −6° R. unter 60° B. −9° R. Es kommt also hierbei auf die Vergleichung der Höhe und Breitengrade an. Wenn man die ersten 3000′ am Abhange der Alpen ver- gleicht mit den Breitengraden von 50° an, so correspondiren jede 600′ 15° N. B., es ist also egal ob man 600′ steigt oder 15° B. nördlicher geht. (Im Sommer aber nur 10 Meilen?) Die Kultur der Pflanzen indeß geht höher auf den Bergen, als sie gegen Norden sich erstrecken kann, weil sie auf den Bergen sich in einer dünnern Luft befinden wo sie eine Intensität des Lichts genießen. Bei 2400′ Höhe wird im südl: Frankreich noch Wein gebaut, dagegen man 4° nördlich keinen Weinbau mehr findet. Die Schnee- gränze ist ein sinnlicher Beweis für die kältere Region über unserm Kopfe. Sie hat den Menschen schon früh belehrt, welche von den Bergen die höheren sind, denn schon früh sahen sie, daß diese Schneegränze wie ein Niveau des Meers immer dieselbe Höhe hält. So wußten die Indianer schon ehe Condamine den Chimborazo gemessen, daß er der höchste Berg sei. Die Verschiedenheit der Schneegränze unter den Tropen beträgt nur 80′. Hingegen in den gemäßigten Klimaten sind die Berge hierin mehren Perturbationen durch Schluchten etc: unterworfen. Man muß mit dem Phaenomen der Schneegränze nicht die Gletscher und Eisgrotten verwechseln. Mit der Höhe derselben hängen die Gletscher nur in Hinsicht ihres Ursprunges zusam̃en. In Chamounÿ finden sich bei 3000′ schon Gletscher und sie könnten bis zur Ebene kommen, wenn sie nur Schnee- und Wasser-Zufuhr

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Anonym (Hg.): Alexander von Humboldts Vorlesungen über physikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. Berlin, 1934. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

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Zitationshilfe: [N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. [274]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827/280>, abgerufen am 23.12.2024.