daß wenn die Erde sich drehe, so müsse ein Körper, de[unleserliches Material]n man von der Spitze eines Thurmes fallen lasse, nicht am Fuße desselben ankommen, sondern, da die Erde während dessen von West nach Ost fortgerückt sei, er müße er etwas gegen Westen zurückbleiben. Es wurden viele Versuche des- halb gemacht; allein man konnte nichts von dem Zurückbleiben bemerken; bis endlich Newton darthat, daß ein Körper, der von der Spitze eines Thurmes fällt, in dem Augenblick des Abfalls eine größere Wurfkraft habe als wenn er unten am Fuß sich befände; weil er nemlich um die ganze Höhe des Thurms weiter vom Mittelpunkt der Erde entfernt sei. Hieraus folgt, daß er nun nicht mehr nach Westen zurück- bleibe, sondern, wenn der Thurm hoch genug, also die Wurf- kraft stark genug ist, noch um ein geringes von Osten voraus- geschleudert werden muß. Dies bestätigten die Versuche voll- kommen, welche theils von Guglielmini in Bologna am Thurm degl'Asinelli (demselben wo schon Galilei seine Versuche machte) theils von Benzenberg am Michaelisthurm zu Ham- burg und in einigen Kohlengruben in der Grafschaft Mark angestellt wurden. Man fand überall eine Deviation nach Osten, weil die Schwungkraft an der Thurmspitze größer ist, bei 250-260 Fuß Höhe von 4-5 Zoll.
Einen Beweis für die Translation der Erde finden wir in der Aberration des Lichtes der Fixsterne. Da dies aber ein sehr schwieriges Thema ist, so werde ich mich darauf beschränken den Weg des Raisonnements anzugeben, wodurch die Sache am deutlichsten werden wird.
daß wenn die Erde sich drehe, so müsse ein Körper, de[unleserliches Material]n man von der Spitze eines Thurmes fallen lasse, nicht am Fuße desselben ankommen, sondern, da die Erde während dessen von West nach Ost fortgerückt sei, er müße ⎡er etwas gegen Westen zurückbleiben. Es wurden viele Versuche des- halb gemacht; allein man konnte nichts von dem Zurückbleiben bemerken; bis endlich Newton darthat, daß ein Körper, der von der Spitze eines Thurmes fällt, in dem Augenblick des Abfalls eine größere Wurfkraft habe als wenn er unten am Fuß sich befände; weil er nemlich um die ganze Höhe des Thurms weiter vom Mittelpunkt der Erde entfernt sei. Hieraus folgt, daß er nun nicht mehr nach Westen zurück- bleibe, sondern, wenn der Thurm hoch genug, also die Wurf- kraft stark genug ist, noch um ein geringes von Osten voraus- geschleudert werden muß. Dies bestätigten die Versuche voll- kommen, welche theils von Guglielmini in Bologna am Thurm degl’Asinelli (demselben wo schon Galilei seine Versuche machte) theils von Benzenberg am Michaelisthurm zu Ham- burg und in einigen Kohlengruben in der Grafschaft Mark angestellt wurden. Man fand überall eine Deviation nach Osten, weil die Schwungkraft an der Thurmspitze größer ist, bei 250–260 Fuß Höhe von 4–5 Zoll.
Einen Beweis für die Translation der Erde finden wir in der Aberration des Lichtes der Fixsterne. Da dies aber ein sehr schwieriges Thema ist, so werde ich mich darauf beschränken den Weg des Raisonnements anzugeben, wodurch die Sache am deutlichsten werden wird.
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[[96]/0102]
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sei. Hieraus folgt, daß er nun nicht mehr nach Westen zurück-
bleibe, sondern, wenn der Thurm hoch genug, also die Wurf-
kraft stark genug ist, noch um ein geringes von Osten voraus-
geschleudert werden muß. Dies bestätigten die Versuche voll-
kommen, welche theils von Guglielmini in Bologna am Thurm
degl’Asinelli (demselben wo schon Galilei seine Versuche
machte) theils von Benzenberg am Michaelisthurm zu Ham-
burg und in einigen Kohlengruben in der Grafschaft Mark
angestellt wurden. Man fand überall eine Deviation
nach Osten, weil die Schwungkraft an der Thurmspitze größer
ist, bei 250–260 Fuß Höhe von 4–5 Zoll.
Einen Beweis für die Translation der Erde finden
wir in der Aberration des Lichtes der Fixsterne. Da dies
aber ein sehr schwieriges Thema ist, so werde ich mich
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Anonym (Hg.): Alexander von Humboldts Vorlesungen über physikalische
Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin
im Winter von 1827 bis 1828. Berlin, 1934. anhand der Vorlage
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[N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. [96]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827/102>, abgerufen am 25.02.2025.
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