Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

des westlichen und östlichen Europa. Die milde Temperatur des glücklichen
Italien, des vieleingeschnittenen Griechenlandes, verändert sich, wird käl-
ter und kälter, je weiter gegen Osten der minder getheilte Kontinent sich
dem compacteren Asien nähert, das da, wo es nicht gewissermaßen durch
Flüsse aufgeschlossen ist, auf seinen weiten Steppen auch der Kulturverbrei-
tung hemmende Gränzen gesetzt hat.

Zu interressanten Bemerkungen veranlaßen die Beobachtungen über
die Flexibilität der menschlichen Organisation, welche die verschiedenartig-
sten klimatischen Verhältnisse zu ertragen fähig ist. - Fröhliche Esquim[unleserliches Material - 3 Zeichen fehlen]aux
leben unter den Polarkreisen in niedrigen Erdhütten, deren Fenster aus Eis
bestehen, und verfolgen Stundenlang ihre Beschäftigungen im Freien, bei einer
Temperatur von 0/40°. Captain Parry hat mit eigens dazu vorgerichteten
Alkoholthermometern, Monate lang hintereinander, in der Nähe der Hudson's
und Baffin's Bay diesen Grad der Kälte beobachtet, und aus seinen mündlichen
Mittheilungen weiß ich, daß in mäßig warmer Bekleidung, er sowohl als
seine Begleiter bei 0/37° Kälte sich im Freien, ohne Unbequemlichkeit bewe-
gen konnten, freilich aber nur wenn nicht durch Winde stets neue erkältende
Luftschichten herbeigeführt wurden. - Welch ein Kontrast von diesen eisigen
Klimaten, bis zum rothen Meere, an dessen Ufern die Nähe eines dürren
Continents wohl beinahe die höchste Temperatur hervorbringt, welche man beo-
bachtet hat. Capt. Tuckey, derselbe welcher die Mündung des Niger erforschte,
fand am rothen Meere den Stand des Thermometers nicht unter +28°/0, und
um 2 Uhr Nachmittags im Schatten stets +32°/0. - Zu Murzuk in der Oasis

von

des westlichen und östlichen Europa. Die milde Temperatur des glücklichen
Italien, des vieleingeschnittenen Griechenlandes, verändert sich, wird käl-
ter und kälter, je weiter gegen Osten der minder getheilte Kontinent sich
dem compacteren Asien nähert, das da, wo es nicht gewissermaßen durch
Flüsse aufgeschlossen ist, auf seinen weiten Steppen auch der Kulturverbrei-
tung hemmende Gränzen gesetzt hat.

Zu interressanten Bemerkungen veranlaßen die Beobachtungen über
die Flexibilität der menschlichen Organisation, welche die verschiedenartig-
sten klimatischen Verhältnisse zu ertragen fähig ist. – Fröhliche Esquim[unleserliches Material – 3 Zeichen fehlen]aux
leben unter den Polarkreisen in niedrigen Erdhütten, deren Fenster aus Eis
bestehen, und verfolgen Stundenlang ihre Beschäftigungen im Freien, bei einer
Temperatur von −0/40°. Captain Parry hat mit eigens dazu vorgerichteten
Alkoholthermometern, Monate lang hintereinander, in der Nähe der Hudson’s
und Baffin’s Bay diesen Grad der Kälte beobachtet, und aus seinen mündlichen
Mittheilungen weiß ich, daß in mäßig warmer Bekleidung, er sowohl als
seine Begleiter bei −0/37° Kälte sich im Freien, ohne Unbequemlichkeit bewe-
gen konnten, freilich aber nur wenn nicht durch Winde stets neue erkältende
Luftschichten herbeigeführt wurden. – Welch ein Kontrast von diesen eisigen
Klimaten, bis zum rothen Meere, an dessen Ufern die Nähe eines dürren
Continents wohl beinahe die höchste Temperatur hervorbringt, welche man beo-
bachtet hat. Capt. Tuckey, derselbe welcher die Mündung des Niger erforschte,
fand am rothen Meere den Stand des Thermometers nicht unter +28°/0, und
um 2 Uhr Nachmittags im Schatten stets +32°/0. – Zu Murzuk in der Oasis

von
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="8">
        <p><pb facs="#f0068" n="32v"/>
des westlichen und östlichen Europa. Die milde Temperatur des glücklichen<lb/>
Italien, des vieleingeschnittenen Griechenlandes, verändert sich, wird käl-<lb/>
ter und kälter, je weiter gegen Osten der minder getheilte Kontinent sich<lb/>
dem compacteren Asien nähert, das da, wo es nicht gewissermaßen durch<lb/>
Flüsse aufgeschlossen ist, auf seinen weiten Steppen auch der Kulturverbrei-<lb/>
tung hemmende Gränzen gesetzt hat.</p><lb/>
        <p>Zu interressanten<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 106: "interessanten".</note> Bemerkungen veranlaßen die Beobachtungen<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 106: "Betrachtungen".</note> über<lb/>
die Flexibilität der menschlichen Organisation, welche die verschiedenartig-<lb/>
sten klimatischen Verhältnisse zu ertragen fähig ist. &#x2013; Fröhliche <hi rendition="#aq">Esquim<subst><del rendition="#ow"><gap reason="illegible" unit="chars" quantity="3"/></del><add place="across">aux</add></subst></hi><lb/>
leben unter den Polarkreisen in niedrigen Erdhütten, deren Fenster aus Eis<lb/>
bestehen, und verfolgen Stundenlang ihre Beschäftigungen im Freien, bei einer<lb/>
Temperatur von &#x2212;<hi rendition="#sup">0</hi>/<hi rendition="#sub">40°</hi>. <hi rendition="#aq">Captain <persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-116048166 http://d-nb.info/gnd/116048166">Parry</persName></hi> hat mit eigens dazu vorgerichteten<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 106: "vorgerichtheten".</note><lb/>
Alkoholthermometern, Monate lang hintereinander, in der Nähe der <hi rendition="#aq">Hudson</hi>&#x2019;s<lb/>
und <hi rendition="#aq">Baffin</hi>&#x2019;s Bay diesen Grad der Kälte beobachtet, und aus seinen mündlichen<lb/>
Mittheilungen weiß ich, daß in mäßig warmer Bekleidung, er sowohl als<lb/>
seine Begleiter bei &#x2212;<hi rendition="#sup">0</hi>/<hi rendition="#sub">37°</hi> Kälte sich im Freien, ohne Unbequemlichkeit bewe-<lb/>
gen konnten, freilich aber nur wenn nicht durch Winde stets neue erkältende<lb/>
Luftschichten herbeigeführt wurden. &#x2013; Welch ein Kontrast von diesen eisigen<lb/>
Klimaten,<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 107: Komma fehlt.</note> bis zum rothen Meere, an dessen Ufern die Nähe eines dürren<lb/>
Continents wohl beinahe die höchste Temperatur hervorbringt, welche man beo-<lb/>
bachtet hat. <hi rendition="#aq">Capt. <persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-100648282 http://d-nb.info/gnd/100648282">Tuckey</persName></hi>, derselbe welcher die Mündung des <hi rendition="#aq">Niger</hi> erforschte,<lb/>
fand am rothen Meere den Stand des Thermometers nicht unter<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 107: "meist über".</note> +<hi rendition="#sup">28°</hi>/<hi rendition="#sub">0</hi>, und<lb/>
um 2 Uhr Nachmittags im Schatten stets +<hi rendition="#sup">32°</hi>/<hi rendition="#sub">0</hi>. &#x2013; Zu <hi rendition="#aq">Murzuk</hi> in der <hi rendition="#aq">Oasis</hi><lb/>
<fw type="catch" place="bottom">von</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32v/0068] des westlichen und östlichen Europa. Die milde Temperatur des glücklichen Italien, des vieleingeschnittenen Griechenlandes, verändert sich, wird käl- ter und kälter, je weiter gegen Osten der minder getheilte Kontinent sich dem compacteren Asien nähert, das da, wo es nicht gewissermaßen durch Flüsse aufgeschlossen ist, auf seinen weiten Steppen auch der Kulturverbrei- tung hemmende Gränzen gesetzt hat. Zu interressanten Bemerkungen veranlaßen die Beobachtungen über die Flexibilität der menschlichen Organisation, welche die verschiedenartig- sten klimatischen Verhältnisse zu ertragen fähig ist. – Fröhliche Esquimaux leben unter den Polarkreisen in niedrigen Erdhütten, deren Fenster aus Eis bestehen, und verfolgen Stundenlang ihre Beschäftigungen im Freien, bei einer Temperatur von −0/40°. Captain Parry hat mit eigens dazu vorgerichteten Alkoholthermometern, Monate lang hintereinander, in der Nähe der Hudson’s und Baffin’s Bay diesen Grad der Kälte beobachtet, und aus seinen mündlichen Mittheilungen weiß ich, daß in mäßig warmer Bekleidung, er sowohl als seine Begleiter bei −0/37° Kälte sich im Freien, ohne Unbequemlichkeit bewe- gen konnten, freilich aber nur wenn nicht durch Winde stets neue erkältende Luftschichten herbeigeführt wurden. – Welch ein Kontrast von diesen eisigen Klimaten, bis zum rothen Meere, an dessen Ufern die Nähe eines dürren Continents wohl beinahe die höchste Temperatur hervorbringt, welche man beo- bachtet hat. Capt. Tuckey, derselbe welcher die Mündung des Niger erforschte, fand am rothen Meere den Stand des Thermometers nicht unter +28°/0, und um 2 Uhr Nachmittags im Schatten stets +32°/0. – Zu Murzuk in der Oasis von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen dieser Druckedition von der Manuskriptvorlage werden im Text an der entsprechenden Stelle in editorischen Kommentaren ausgewiesen.

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • I/J: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/68
Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 32v. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/68>, abgerufen am 23.12.2024.