Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

Die Araber nennen diese Erscheinung aber nicht Sonnenflecke, sondern haben
die schwarze Merkurscheibe vor der Sonne zu sehen geglaubt. Dies wäre aber
gar nicht möglich, wegen der Kleinheit des Mercur, den man überdies mit
bloßen Augen nicht zu sehen vermag. Abulfaradsch, Averroes, und selbst Keppler
haben diese irrige Meinung getheilt. - Obgleich nun seit Jahrtausenden
die Existenz der Sonnenflecken gekannt scheint, so sind doch erst im 17ten Jahrhundert
genaue Beobachtungen darüber angestellt worden. Dem Jesuiten Scheiler
in Ingolstadt wird insgemein die Entdeckung derselben zugeschrieben. Galilei
beobachtete sie gleichzeitig, und machte in den Gärten des Quirinal den Cardi-
nal Bambini darauf aufmerksam. Als der Pater Scheiler mit dieser Beobach-
tung auftrat, glaubte Galilei, daß seine Entdeckung ihm von den Jesuiten verra-
then sey. Dem Pater Scheiler kam aber seine Scharfsicht keinesweges zu Gute.
Sein Prior Thed. Busaeus befahl ihm nämlich dergleichen alberne Meinungen
künftig zurückzuhalten. Die Flecken wären nicht in der Sonne, sondern in
seinen Augen. Wenn sie sich in der Sonne befänden, so müßte Aristoteles
sie auch gesehen haben. - Der Sohn eines ostfriesischen Predigers Johann
Fabricius
hatte sich 1610 ein neuerfundenes Fernglas angeschafft, und entdeckte
die Sonnenflecken, indem er mit diesem Instrument, und zwar ohne Blendglas
seine Augen gewaltig zerquälte. Nach den Untersuchungen des Herrn v. Zach
war der Engländer Harriot der erste, welcher sie als wirkliche Flecken er-
kannte, am 8ten October 1610. - Diese Flecken sind durchgehend kohlschwarz
mit aschfarbnem, scharfbegränztem Rande. Sie entfernen sich nicht über 30-40°
nördlich und südlich vom Sonnenäquator, und sind gegen die Pole zu niemals

sichtbar.

Die Araber nennen diese Erscheinung aber nicht Sonnenflecke, sondern haben
die schwarze Merkurscheibe vor der Sonne zu sehen geglaubt. Dies wäre aber
gar nicht möglich, wegen der Kleinheit des Mercur, den man überdies mit
bloßen Augen nicht zu sehen vermag. Abulfaradsch, Averroës, und selbst Keppler
haben diese irrige Meinung getheilt. – Obgleich nun seit Jahrtausenden
die Existenz der Sonnenflecken gekannt scheint, so sind doch erst im 17ten Jahrhundert
genaue Beobachtungen darüber angestellt worden. Dem Jesuiten Scheiler
in Ingolstadt wird insgemein die Entdeckung derselben zugeschrieben. Galilei
beobachtete sie gleichzeitig, und machte in den Gärten des Quirinal den Cardi-
nal Bambini darauf aufmerksam. Als der Pater Scheiler mit dieser Beobach-
tung auftrat, glaubte Galilei, daß seine Entdeckung ihm von den Jesuiten verra-
then sey. Dem Pater Scheiler kam aber seine Scharfsicht keinesweges zu Gute.
Sein Prior Thed. Busaeus befahl ihm nämlich dergleichen alberne Meinungen
künftig zurückzuhalten. Die Flecken wären nicht in der Sonne, sondern in
seinen Augen. Wenn sie sich in der Sonne befänden, so müßte Aristoteles
sie auch gesehen haben. – Der Sohn eines ostfriesischen Predigers Johann
Fabricius
hatte sich 1610 ein neuerfundenes Fernglas angeschafft, und entdeckte
die Sonnenflecken, indem er mit diesem Instrument, und zwar ohne Blendglas
seine Augen gewaltig zerquälte. Nach den Untersuchungen des Herrn v. Zach
war der Engländer Harriot der erste, welcher sie als wirkliche Flecken er-
kannte, am 8ten October 1610. – Diese Flecken sind durchgehend kohlschwarz
mit aschfarbnem, scharfbegränztem Rande. Sie entfernen sich nicht über 30–40°
nördlich und südlich vom Sonnenäquator, und sind gegen die Pole zu niemals

sichtbar.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="16">
        <p><pb facs="#f0161" n="79r"/>
Die Araber nennen diese Erscheinung aber nicht Sonnenflecke, sondern haben<lb/>
die schwarze Merkurscheibe vor der Sonne zu sehen geglaubt. Dies wäre aber<lb/>
gar nicht möglich, wegen der Kleinheit des Mercur, den man überdies mit<lb/>
bloßen Augen nicht zu sehen vermag. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118500341 http://d-nb.info/gnd/118500341">Abulfaradsch</persName></hi>, <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118505238 http://d-nb.info/gnd/118505238">Averroës</persName></hi>, und selbst <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118561448 http://d-nb.info/gnd/118561448">Keppler</persName></hi><lb/>
haben diese irrige Meinung getheilt. &#x2013; Obgleich nun seit Jahrtausenden<lb/>
die Existenz der Sonnenflecken gekannt scheint, so sind doch erst im 17<choice><abbr><hi rendition="#sup #u">t&#xFFFC;</hi></abbr><expan resp="#CT"><hi rendition="#sup #u">ten</hi></expan></choice> <choice><abbr>Jahrh.</abbr><expan resp="#BF">Jahrhundert</expan></choice><lb/>
genaue Beobachtungen darüber angestellt worden. Dem Jesuiten <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118794949 http://d-nb.info/gnd/118794949">Scheiler</persName></hi><lb/>
in <hi rendition="#aq">Ingolstadt</hi> wird insgemein die Entdeckung derselben zugeschrieben<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 208: "zugesprochen".</note>. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118537229 http://d-nb.info/gnd/118537229">Galilei</persName></hi><lb/>
beobachtete sie gleichzeitig, und machte in den Gärten des <hi rendition="#aq">Quirinal</hi> den Cardi-<lb/>
nal<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 208: "Kardinal".</note> <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-100013376 http://d-nb.info/gnd/100013376">Bambini</persName><note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 208: "Barberini".</note></hi> darauf aufmerksam. Als der Pater <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118794949 http://d-nb.info/gnd/118794949">Scheiler</persName></hi> mit dieser Beobach-<lb/>
tung auftrat, glaubte <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118537229 http://d-nb.info/gnd/118537229">Galilei</persName></hi>, daß seine Entdeckung ihm von den Jesuiten verra-<lb/>
then sey. Dem Pater <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118794949 http://d-nb.info/gnd/118794949">Scheiler</persName></hi> kam aber seine Scharfsicht keinesweges zu Gute.<lb/>
Sein Prior <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-119634236 http://d-nb.info/gnd/119634236">Thed. Busaeus</persName></hi> befahl ihm nämlich dergleichen alberne Meinungen<lb/>
künftig zurückzuhalten. Die Flecken wären nicht in der Sonne, sondern in<lb/>
seinen Augen. Wenn sie sich in der Sonne befänden, so müßte <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118650130 http://d-nb.info/gnd/118650130">Aristoteles</persName></hi><lb/>
sie auch gesehen haben. &#x2013; Der Sohn eines ostfriesischen Predigers <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-128593628 http://d-nb.info/gnd/128593628">Johann<lb/>
Fabricius</persName></hi> hatte sich 1610 ein neuerfundenes Fernglas angeschafft, und entdeckte<lb/>
die Sonnenflecken, indem er mit diesem Instrument, <choice><abbr>u.</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> zwar ohne Blendglas<lb/>
seine Augen gewaltig zerquälte. Nach den Untersuchungen des <choice><abbr>H&#xFFFC;.</abbr><expan resp="#CT">Herrn</expan></choice> <persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-119151456 http://d-nb.info/gnd/119151456">v. <hi rendition="#aq">Zach</hi></persName><lb/>
war der Engländer <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118720473 http://d-nb.info/gnd/118720473">Harriot</persName></hi> der erste, welcher sie als wirkliche Flecken er-<lb/>
kannte, am 8<choice><abbr><hi rendition="#sup #u">t&#xFFFC;</hi></abbr><expan resp="#CT"><hi rendition="#sup #u">ten</hi></expan></choice> <choice><abbr>Octbr.</abbr><expan resp="#BF">October</expan></choice> 1610. &#x2013; Diese Flecken sind durchgehend kohlschwarz<lb/>
mit <choice><orig>aschfarbnen</orig><reg resp="#CT">aschfarbnem</reg></choice>, <choice><orig>scharfbegränzten</orig><reg resp="#CT">scharfbegränztem</reg></choice> Rande. Sie entfernen sich nicht über 30&#x2013;40°<lb/>
nördlich und südlich vom Sonnenäquator, und sind gegen die Pole zu niemals<lb/>
<fw type="catch" place="bottom">sichtbar.</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79r/0161] Die Araber nennen diese Erscheinung aber nicht Sonnenflecke, sondern haben die schwarze Merkurscheibe vor der Sonne zu sehen geglaubt. Dies wäre aber gar nicht möglich, wegen der Kleinheit des Mercur, den man überdies mit bloßen Augen nicht zu sehen vermag. Abulfaradsch, Averroës, und selbst Keppler haben diese irrige Meinung getheilt. – Obgleich nun seit Jahrtausenden die Existenz der Sonnenflecken gekannt scheint, so sind doch erst im 17t Jahrh. genaue Beobachtungen darüber angestellt worden. Dem Jesuiten Scheiler in Ingolstadt wird insgemein die Entdeckung derselben zugeschrieben. Galilei beobachtete sie gleichzeitig, und machte in den Gärten des Quirinal den Cardi- nal Bambini darauf aufmerksam. Als der Pater Scheiler mit dieser Beobach- tung auftrat, glaubte Galilei, daß seine Entdeckung ihm von den Jesuiten verra- then sey. Dem Pater Scheiler kam aber seine Scharfsicht keinesweges zu Gute. Sein Prior Thed. Busaeus befahl ihm nämlich dergleichen alberne Meinungen künftig zurückzuhalten. Die Flecken wären nicht in der Sonne, sondern in seinen Augen. Wenn sie sich in der Sonne befänden, so müßte Aristoteles sie auch gesehen haben. – Der Sohn eines ostfriesischen Predigers Johann Fabricius hatte sich 1610 ein neuerfundenes Fernglas angeschafft, und entdeckte die Sonnenflecken, indem er mit diesem Instrument, u. zwar ohne Blendglas seine Augen gewaltig zerquälte. Nach den Untersuchungen des H. v. Zach war der Engländer Harriot der erste, welcher sie als wirkliche Flecken er- kannte, am 8t Octbr. 1610. – Diese Flecken sind durchgehend kohlschwarz mit aschfarbnen, scharfbegränzten Rande. Sie entfernen sich nicht über 30–40° nördlich und südlich vom Sonnenäquator, und sind gegen die Pole zu niemals sichtbar.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen dieser Druckedition von der Manuskriptvorlage werden im Text an der entsprechenden Stelle in editorischen Kommentaren ausgewiesen.

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • I/J: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/161
Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 79r. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/161>, abgerufen am 03.12.2024.