Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

hat, so möchte dies Vorgeben nicht anzunehmen seyn. Es giebt übrigens Menschen, welche
sich durch eine unglaubliche Stärke des Gesichtssinns ganz besonders auszeichnen. So ver-
sichert Prof. Benzenberg einen Herrn v. Eschwege in Goettingen gekannt zu haben, der mit
bloßen Augen den Regulus bei Tage sehen, und das Fernrohr darauf richten konnte.
Ebenfalls giebt es Menschen welche die Jupiters Trabanten mit bloßen Augen entdecken.
(Nicht wie jene Dame in Göttingen welche vorgab diese Monde zu erkennen, bei ge-
nauerer Prüfung aber die Stellung derselben nach einem Sternkatalog auswendig
gelernt hatte.) - Das Zeugniß wahrhafter und gründlicher Beobachter setzt dies
factum außer Zweifel, das um so weniger außer dem Reiche der Möglichkeit liegt,
als die Trabanten dem Planeten nicht so nahe stehen, um durch sein Licht verdeckt zu
werden. Der nächste ist um 1/4 einer Mondsbreite entfernt.

Ein sonderbares Beispiel von großer Schärfe der Sinne gewährt ein zu Genf
lebender Herr Chevalier, dem ein so intuitives Gefühl der Zeitdauer einwohnt, daß
er mit der Genauigkeit eines Sekunden-Pendels die Länge eines Zeit-Abschnittes anzu-
geben vermag. Ausgezeichnete Naturforscher haben stets übereinstimmende Ver-
suche mit diesem jetzt schon bejahrten Manne gemacht.

Man giebt die Zahl der Sterne 1ter-6ter Größe, die man mit bloßen
Augen sieht, gewöhnlich auf 5000 an; dies ist aber ungenau. Herschel zählt über 8000. -
Das Sehen beruht aber nicht blos auf der Größe der Himmelskörper, sondern ist hauptsäch-
lich abhängig von der Art des Lichteindrucks. So hat Veja nach Herschel 1/3 Sekunde Durchmesser,
und erscheint uns in einer Größe von 4 Minuten, Uranus dagegen dessen Größe 4 Minuten be-
trägt, erscheint so klein, daß es wenige Menschen giebt, welche ihn mit bloßen Augen ge-
sehen haben. - Merkwürdig ist es, daß die Farben mit denen uns die Gestirne er-

scheinen

hat, so möchte dies Vorgeben nicht anzunehmen seyn. Es giebt übrigens Menschen, welche
sich durch eine unglaubliche Stärke des Gesichtssinns ganz besonders auszeichnen. So ver-
sichert Prof. Benzenberg einen Herrn v. Eschwege in Goettingen gekannt zu haben, der mit
bloßen Augen den Regulus bei Tage sehen, und das Fernrohr darauf richten konnte.
Ebenfalls giebt es Menschen welche die Jupiters Trabanten mit bloßen Augen entdecken.
(Nicht wie jene Dame in Göttingen welche vorgab diese Monde zu erkennen, bei ge-
nauerer Prüfung aber die Stellung derselben nach einem Sternkatalog auswendig
gelernt hatte.) – Das Zeugniß wahrhafter und gründlicher Beobachter setzt dies
factum außer Zweifel, das um so weniger außer dem Reiche der Möglichkeit liegt,
als die Trabanten dem Planeten nicht so nahe stehen, um durch sein Licht verdeckt zu
werden. Der nächste ist um ¼ einer Mondsbreite entfernt.

Ein sonderbares Beispiel von großer Schärfe der Sinne gewährt ein zu Genf
lebender Herr Chevalier, dem ein so intuitives Gefühl der Zeitdauer einwohnt, daß
er mit der Genauigkeit eines Sekunden-Pendels die Länge eines Zeit-Abschnittes anzu-
geben vermag. Ausgezeichnete Naturforscher haben stets übereinstimmende Ver-
suche mit diesem jetzt schon bejahrten Manne gemacht.

Man giebt die Zahl der Sterne 1ter–6ter Größe, die man mit bloßen
Augen sieht, gewöhnlich auf 5000 an; dies ist aber ungenau. Herschel zählt über 8000. –
Das Sehen beruht aber nicht blos auf der Größe der Himmelskörper, sondern ist hauptsäch-
lich abhängig von der Art des Lichteindrucks. So hat Veja nach HerschelSekunde Durchmesser,
und erscheint uns in einer Größe von 4 Minuten, Uranus dagegen dessen Größe 4 Minuten be-
trägt, erscheint so klein, daß es wenige Menschen giebt, welche ihn mit bloßen Augen ge-
sehen haben. – Merkwürdig ist es, daß die Farben mit denen uns die Gestirne er-

scheinen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="15">
        <p><pb facs="#f0148" n="72v"/>
hat, so möchte dies Vorgeben nicht anzunehmen seyn. Es giebt übrigens Menschen, welche<lb/>
sich durch eine unglaubliche Stärke des Gesichtssinns ganz besonders auszeichnen. So ver-<lb/>
sichert Prof. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-119019930 http://d-nb.info/gnd/119019930">Benzenberg</persName></hi> einen <choice><abbr>H&#xFFFC;.</abbr><expan resp="#CT">Herrn</expan></choice> <hi rendition="#aq"><persName resp="#CT" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-116569611 http://d-nb.info/gnd/116569611">v. Eschwege</persName></hi> in <hi rendition="#aq">Goettingen</hi> gekannt zu haben, der mit<lb/>
bloßen Augen den <hi rendition="#aq">Regulus</hi> bei Tage sehen, <choice><abbr>u.</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> das Fernrohr darauf richten konnte.<lb/>
Ebenfalls giebt es Menschen welche die Jupiters Trabanten mit bloßen Augen entdecken<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 193: "entdeckten".</note>.<lb/>
(Nicht wie jene Dame in Göttingen<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 193: Durch Kursivierung Wechsel von deutscher in lateinische Schrift gekennzeichnet, im Manuskript jedoch kein Wechsel erkennbar.</note> welche vorgab diese Monde zu erkennen, bei ge-<lb/>
nauerer Prüfung aber die Stellung derselben nach einem Sternkatalog auswendig<lb/>
gelernt hatte.) &#x2013; Das Zeugniß wahrhafter und gründlicher Beobachter setzt dies<lb/><hi rendition="#aq">factum</hi> außer Zweifel, das um so weniger außer dem Reiche der Möglichkeit liegt,<lb/>
als die Trabanten dem Planeten nicht so nahe stehen, um durch sein Licht verdeckt zu<lb/>
werden. Der nächste ist um ¼ einer Mondsbreite entfernt.</p><lb/>
        <p>Ein sonderbares Beispiel von großer Schärfe der Sinne gewährt ein zu <hi rendition="#aq">Genf</hi><lb/>
lebender <choice><abbr>H&#xFFFC;.</abbr><expan resp="#CT">Herr</expan></choice> <hi rendition="#aq"><persName>Chevalier</persName></hi>, dem ein so intuitives Gefühl der Zeitdauer einwohnt, daß<lb/>
er mit der Genauigkeit eines <choice><orig>SekundenPendels</orig><reg resp="#CT">Sekunden-Pendels</reg></choice><note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 194: "Sekunden Pendels".</note> die Länge eines <choice><orig>ZeitAbschnittes</orig><reg resp="#CT">Zeit-Abschnittes</reg></choice><note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 194: "Zeit Abschnittes".</note> anzu-<lb/>
geben vermag. Ausgezeichnete Naturforscher haben stets übereinstimmende Ver-<lb/>
suche mit diesem jetzt schon bejahrten Manne gemacht.</p><lb/>
        <p>Man giebt die Zahl der Sterne 1<choice><abbr><hi rendition="#sup #u">t&#xFFFC;</hi></abbr><expan resp="#CT"><hi rendition="#sup #u">ter</hi></expan></choice>&#x2013;6<choice><abbr><hi rendition="#sup #u">t&#xFFFC;</hi></abbr><expan resp="#CT"><hi rendition="#sup #u">ter</hi></expan></choice> Größe, die man mit bloßen<lb/>
Augen sieht, gewöhnlich auf 5000 an; dies ist aber ungenau. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118841920 http://d-nb.info/gnd/118841920">Herschel</persName></hi> zählt über 8000. &#x2013;<lb/>
Das Sehen beruht aber nicht blos auf der Größe der Himmelskörper, sondern ist hauptsäch-<lb/>
lich abhängig von der Art des Lichteindrucks. So hat <hi rendition="#aq">Veja</hi> nach <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118841920 http://d-nb.info/gnd/118841920">Herschel</persName></hi> &#x2153; <choice><abbr>Sek.</abbr><expan resp="#BF">Sekunde</expan></choice> Durchmesser,<lb/><choice><abbr>u.</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> erscheint uns in einer Größe von 4 <choice><abbr>Min.</abbr><expan resp="#CT">Minuten</expan></choice><choice><orig/><reg resp="#CT">,</reg></choice> <hi rendition="#aq">Uranus</hi> dagegen dessen Größe 4 <choice><abbr>Min.</abbr><expan resp="#CT">Minuten</expan></choice> be-<lb/>
trägt, erscheint so klein, daß es wenige Menschen giebt, welche ihn mit bloßen Augen ge-<lb/>
sehen haben. &#x2013; Merkwürdig ist es, daß die Farben mit denen uns die Gestirne er-<lb/>
<fw type="catch" place="bottom">scheinen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72v/0148] hat, so möchte dies Vorgeben nicht anzunehmen seyn. Es giebt übrigens Menschen, welche sich durch eine unglaubliche Stärke des Gesichtssinns ganz besonders auszeichnen. So ver- sichert Prof. Benzenberg einen H. v. Eschwege in Goettingen gekannt zu haben, der mit bloßen Augen den Regulus bei Tage sehen, u. das Fernrohr darauf richten konnte. Ebenfalls giebt es Menschen welche die Jupiters Trabanten mit bloßen Augen entdecken. (Nicht wie jene Dame in Göttingen welche vorgab diese Monde zu erkennen, bei ge- nauerer Prüfung aber die Stellung derselben nach einem Sternkatalog auswendig gelernt hatte.) – Das Zeugniß wahrhafter und gründlicher Beobachter setzt dies factum außer Zweifel, das um so weniger außer dem Reiche der Möglichkeit liegt, als die Trabanten dem Planeten nicht so nahe stehen, um durch sein Licht verdeckt zu werden. Der nächste ist um ¼ einer Mondsbreite entfernt. Ein sonderbares Beispiel von großer Schärfe der Sinne gewährt ein zu Genf lebender H. Chevalier, dem ein so intuitives Gefühl der Zeitdauer einwohnt, daß er mit der Genauigkeit eines SekundenPendels die Länge eines ZeitAbschnittes anzu- geben vermag. Ausgezeichnete Naturforscher haben stets übereinstimmende Ver- suche mit diesem jetzt schon bejahrten Manne gemacht. Man giebt die Zahl der Sterne 1t–6t Größe, die man mit bloßen Augen sieht, gewöhnlich auf 5000 an; dies ist aber ungenau. Herschel zählt über 8000. – Das Sehen beruht aber nicht blos auf der Größe der Himmelskörper, sondern ist hauptsäch- lich abhängig von der Art des Lichteindrucks. So hat Veja nach Herschel ⅓ Sek. Durchmesser, u. erscheint uns in einer Größe von 4 Min. Uranus dagegen dessen Größe 4 Min. be- trägt, erscheint so klein, daß es wenige Menschen giebt, welche ihn mit bloßen Augen ge- sehen haben. – Merkwürdig ist es, daß die Farben mit denen uns die Gestirne er- scheinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen dieser Druckedition von der Manuskriptvorlage werden im Text an der entsprechenden Stelle in editorischen Kommentaren ausgewiesen.

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • I/J: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/148
Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 72v. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/148>, abgerufen am 23.12.2024.