Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

ge Bewegung, die aber doch hauptsächlich dadurch möglich wurde, daß der Affe einen
Daumen hatte, und wenn ich nicht eben behaupten will, daß die Civilisation des
Menschen auf der Existenz des Daumens beruhe, so ist doch nicht zu läugnen, daß
die Art der Bildung unserer Hände den entschiedensten Einfluß auf die Entwicke-
lung des Kunstfleißes gehabt hat.

Tilesius hat das Verdienst zuerst entdeckt zu haben, daß der Orang-Utang, dem
man eine so große Menschenähnlichkeit zuschreibt, keinesweges eine eigne Art
ausmacht, sondern daß diejenigen Affen, an denen eine minder thierische Bil-
dung bemerkt worden, sich in jüngerem Alter befanden, und daß dieselben Thie-
re sich später zu einem großen, häßlichen Pavian (Pongo) entwickeln. Rudolphi
hat diese Beobachtung bestätigt.

Eine 2te dem Menschen angeblich näher stehende Affenart ist der Schimpanse,
oder Jocko, (Simia Troglodites) der in Congo, Guinea, Angola lebt, und fast die Grö-
ße der Menschen erreicht. Nach den Berichten der Reisenden lebt dieser Affe
gesellig, baut sich Hütten aus Baumzweigen, und vertheidigt sich mit Knütteln ge-
gen Angriffe. Er ist gelehrig, kann zum aufrechten Gehen, zum Sitzen, und zum
Aufwarten bei Tisch gewöhnt werden.

Daß dem Affen die Fähigkeit articulirte Töne hervorzubringen, gänzlich abgeht, daß
ihm die Sprache fehlt, hat Camper aus einer mangelhaften Einrichtung seiner Stimm-
werkzeuge erklären wollen. Rudolphi's schätzbare phisiologische Untersuchungen
beweisen, daß nicht in den Werkzeugen dieser Mangel begründet ist, sondern in
etwas höherem, in der Seelenanlage. Mit Recht sagt Lordan in seiner Unter-
suchung über den grünen Affen: die Affen sprechen nicht, weil sie nicht zu spre-

chen

ge Bewegung, die aber doch hauptsächlich dadurch möglich wurde, daß der Affe einen
Daumen hatte, und wenn ich nicht eben behaupten will, daß die Civilisation des
Menschen auf der Existenz des Daumens beruhe, so ist doch nicht zu läugnen, daß
die Art der Bildung unserer Hände den entschiedensten Einfluß auf die Entwicke-
lung des Kunstfleißes gehabt hat.

Tilesius hat das Verdienst zuerst entdeckt zu haben, daß der Orang-Utang, dem
man eine so große Menschenähnlichkeit zuschreibt, keinesweges eine eigne Art
ausmacht, sondern daß diejenigen Affen, an denen eine minder thierische Bil-
dung bemerkt worden, sich in jüngerem Alter befanden, und daß dieselben Thie-
re sich später zu einem großen, häßlichen Pavian (Pongo) entwickeln. Rudolphi
hat diese Beobachtung bestätigt.

Eine 2te dem Menschen angeblich näher stehende Affenart ist der Schimpanse,
oder Jocko, (Simia Troglodites) der in Congo, Guinea, Angola lebt, und fast die Grö-
ße der Menschen erreicht. Nach den Berichten der Reisenden lebt dieser Affe
gesellig, baut sich Hütten aus Baumzweigen, und vertheidigt sich mit Knütteln ge-
gen Angriffe. Er ist gelehrig, kann zum aufrechten Gehen, zum Sitzen, und zum
Aufwarten bei Tisch gewöhnt werden.

Daß dem Affen die Fähigkeit articulirte Töne hervorzubringen, gänzlich abgeht, daß
ihm die Sprache fehlt, hat Camper aus einer mangelhaften Einrichtung seiner Stimm-
werkzeuge erklären wollen. Rudolphi’s schätzbare phisiologische Untersuchungen
beweisen, daß nicht in den Werkzeugen dieser Mangel begründet ist, sondern in
etwas höherem, in der Seelenanlage. Mit Recht sagt Lordan in seiner Unter-
suchung über den grünen Affen: die Affen sprechen nicht, weil sie nicht zu spre-

chen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="11">
        <p><pb facs="#f0103" n="50r"/>
ge Bewegung, die aber doch hauptsächlich dadurch möglich wurde, daß der Affe einen<lb/><hi rendition="#aq">Daumen</hi> hatte, und wenn ich nicht eben behaupten will, daß die Civilisation des<lb/>
Menschen auf der Existenz des Daumens beruhe, so ist doch nicht zu läugnen, daß<lb/>
die Art der Bildung unserer Hände den entschiedensten<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 144: "entscheidensten".</note> Einfluß auf die Entwicke-<lb/>
lung des Kunstfleißes gehabt hat.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-100565565 http://d-nb.info/gnd/100565565">Tilesius</persName></hi> hat das Verdienst zuerst entdeckt zu haben, daß der <hi rendition="#aq">Orang-Utang</hi>, dem<lb/>
man eine so große Menschenähnlichkeit zuschreibt, keinesweges eine eigne Art<lb/>
ausmacht, sondern daß diejenigen Affen, an denen eine minder thierische Bil-<lb/>
dung bemerkt worden, sich in jüngerem Alter befanden, und daß dieselben Thie-<lb/>
re sich später zu einem großen, häßlichen Pavian (<hi rendition="#aq">Pongo</hi>) entwickeln. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-115526641 http://d-nb.info/gnd/115526641">Rudolphi</persName></hi><lb/>
hat diese Beobachtung bestätigt.</p><lb/>
        <p>Eine 2<hi rendition="#sup #u">te</hi> dem Menschen angeblich näher stehende Affenart ist der Schimpanse,<lb/>
oder <hi rendition="#aq">Jocko</hi>,<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 144: Komma fehlt.</note> (<hi rendition="#aq">Simia Troglodites</hi>)<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 144: "Troglodites),".</note> der in <hi rendition="#aq">Congo</hi>, <hi rendition="#aq">Guinea</hi>, <hi rendition="#aq">Angola</hi> lebt, und fast die Grö-<lb/>
ße der Menschen erreicht. Nach den Berichten der Reisenden lebt dieser Affe<lb/>
gesellig, baut sich Hütten aus Baumzweigen, und vertheidigt sich mit Knütteln ge-<lb/>
gen Angriffe. Er ist gelehrig, kann zum aufrechten Gehen, zum Sitzen, und zum<lb/>
Aufwarten bei Tisch gewöhnt werden.</p><lb/>
        <p>Daß dem Affen die Fähigkeit articulirte Töne hervorzubringen, gänzlich abgeht, daß<lb/>
ihm die Sprache fehlt, hat <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-119291827 http://d-nb.info/gnd/119291827">Camper</persName></hi> aus einer mangelhaften Einrichtung seiner Stimm-<lb/>
werkzeuge erklären wollen. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-115526641 http://d-nb.info/gnd/115526641">Rudolphi</persName></hi>&#x2019;s schätzbare phisiologische Untersuchungen<lb/>
beweisen, daß nicht in den Werkzeugen dieser Mangel begründet ist, sondern in<lb/>
etwas höherem, in der Seelenanlage. Mit Recht sagt <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-11768287X http://d-nb.info/gnd/11768287X">Lordan</persName></hi> in seiner Unter-<lb/>
suchung über den grünen<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 145: Durch Kursivierung Wechsel von deutscher in lateinische Schrift gekennzeichnet, im Manuskript jedoch kein Wechsel erkennbar.</note> Affen: die Affen sprechen nicht, weil sie nicht zu spre-<lb/>
<fw type="catch" place="bottom">chen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50r/0103] ge Bewegung, die aber doch hauptsächlich dadurch möglich wurde, daß der Affe einen Daumen hatte, und wenn ich nicht eben behaupten will, daß die Civilisation des Menschen auf der Existenz des Daumens beruhe, so ist doch nicht zu läugnen, daß die Art der Bildung unserer Hände den entschiedensten Einfluß auf die Entwicke- lung des Kunstfleißes gehabt hat. Tilesius hat das Verdienst zuerst entdeckt zu haben, daß der Orang-Utang, dem man eine so große Menschenähnlichkeit zuschreibt, keinesweges eine eigne Art ausmacht, sondern daß diejenigen Affen, an denen eine minder thierische Bil- dung bemerkt worden, sich in jüngerem Alter befanden, und daß dieselben Thie- re sich später zu einem großen, häßlichen Pavian (Pongo) entwickeln. Rudolphi hat diese Beobachtung bestätigt. Eine 2te dem Menschen angeblich näher stehende Affenart ist der Schimpanse, oder Jocko, (Simia Troglodites) der in Congo, Guinea, Angola lebt, und fast die Grö- ße der Menschen erreicht. Nach den Berichten der Reisenden lebt dieser Affe gesellig, baut sich Hütten aus Baumzweigen, und vertheidigt sich mit Knütteln ge- gen Angriffe. Er ist gelehrig, kann zum aufrechten Gehen, zum Sitzen, und zum Aufwarten bei Tisch gewöhnt werden. Daß dem Affen die Fähigkeit articulirte Töne hervorzubringen, gänzlich abgeht, daß ihm die Sprache fehlt, hat Camper aus einer mangelhaften Einrichtung seiner Stimm- werkzeuge erklären wollen. Rudolphi’s schätzbare phisiologische Untersuchungen beweisen, daß nicht in den Werkzeugen dieser Mangel begründet ist, sondern in etwas höherem, in der Seelenanlage. Mit Recht sagt Lordan in seiner Unter- suchung über den grünen Affen: die Affen sprechen nicht, weil sie nicht zu spre- chen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen dieser Druckedition von der Manuskriptvorlage werden im Text an der entsprechenden Stelle in editorischen Kommentaren ausgewiesen.

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • I/J: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/103
Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 50r. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/103>, abgerufen am 23.12.2024.