selben Meteore an Punkten, die 1400 km auseinander liegen, über dem Horizont gesehen werden. Wie außerordentlich muß nun an jenem 12. November in den hohen Luftregionen die Neigung zur Verbrennung gesteigert gewesen sein, damit vier Stunden lang Milliarden von Feuerkugeln und Sternschnuppen fallen konnten, die am Aequator, in Grönland und in Deutsch- land gesehen wurden! Benzenberg macht die scharfsinnige Bemerkung, daß dieselbe Ursache, aus der das Phänomen häufiger eintritt, auch auf die Größe der Meteore und ihre Lichtstärke Einfluß äußert. In Europa sieht man in den Nächten, in denen am meisten Sternschnuppen fallen, immer auch sehr stark leuchtende unter ganz kleinen. Durch das Periodische daran wird die Erscheinung noch interessanter. In manchen Monaten zählte Brandes in unserem gemäßigten Erdstrich nur 60 bis 80 Sternschnuppen in der Nacht, in anderen steigt die Zahl auf 2000. Sieht man eine vom Durchmesser des Sirius oder des Jupiter, so kann man sicher darauf rechnen, daß hinter diesem glänzenden Meteor viele kleinere kommen. Fallen in einer Nacht sehr viele Stern- schnuppen, so ist es höchst wahrscheinlich, daß dies mehrere Wochen anhält. In den hohen Luftregionen, an der äußersten Grenze, wo Centrifugalkraft und Schwere sich ausgleichen, scheint periodisch eine besondere Disposition zur Bildung von Feuerkugeln, Sternschnuppen und Nordlichtern einzutreten. Hängt die Periodizität dieser wichtigen Erscheinung vom Zu- stande der Atmosphäre ab, oder von etwas, das der Atmosphäre von auswärts zukommt, während die Erde in der Ekliptik fortrückt? Von alledem wissen wir gerade so viel wie zur Zeit des Anaxagoras.
Was die Sternschnuppen für sich betrifft, so scheinen sie mir, nach meiner eigenen Erfahrung, unter den Wendekreisen häufiger zu sein als in gemäßigten Landstrichen, über den Festländern und an gewissen Küsten häufiger als auf offener See. Ob wohl die strahlende Oberfläche des Erdballs und die elektrische Ladung der tiefen Luftregionen, die nach der Beschaffenheit des Bodens und nach der Lage der Kontinente und Meere sich ändert, ihre Einflüsse noch in Höhen äußern, wo ewiger Winter herrscht? Daß in gewissen Jahreszeiten und über manchen dürren, pflanzenlosen Ebenen der Himmel auch nicht die kleinsten Wolken zeigt, scheint darauf hinzu- deuten, daß dieser Einfluß sich wenigstens bis zur Höhe von 970 bis 1170 m geltend macht. In einem von Vulkanen
ſelben Meteore an Punkten, die 1400 km auseinander liegen, über dem Horizont geſehen werden. Wie außerordentlich muß nun an jenem 12. November in den hohen Luftregionen die Neigung zur Verbrennung geſteigert geweſen ſein, damit vier Stunden lang Milliarden von Feuerkugeln und Sternſchnuppen fallen konnten, die am Aequator, in Grönland und in Deutſch- land geſehen wurden! Benzenberg macht die ſcharfſinnige Bemerkung, daß dieſelbe Urſache, aus der das Phänomen häufiger eintritt, auch auf die Größe der Meteore und ihre Lichtſtärke Einfluß äußert. In Europa ſieht man in den Nächten, in denen am meiſten Sternſchnuppen fallen, immer auch ſehr ſtark leuchtende unter ganz kleinen. Durch das Periodiſche daran wird die Erſcheinung noch intereſſanter. In manchen Monaten zählte Brandes in unſerem gemäßigten Erdſtrich nur 60 bis 80 Sternſchnuppen in der Nacht, in anderen ſteigt die Zahl auf 2000. Sieht man eine vom Durchmeſſer des Sirius oder des Jupiter, ſo kann man ſicher darauf rechnen, daß hinter dieſem glänzenden Meteor viele kleinere kommen. Fallen in einer Nacht ſehr viele Stern- ſchnuppen, ſo iſt es höchſt wahrſcheinlich, daß dies mehrere Wochen anhält. In den hohen Luftregionen, an der äußerſten Grenze, wo Centrifugalkraft und Schwere ſich ausgleichen, ſcheint periodiſch eine beſondere Dispoſition zur Bildung von Feuerkugeln, Sternſchnuppen und Nordlichtern einzutreten. Hängt die Periodizität dieſer wichtigen Erſcheinung vom Zu- ſtande der Atmoſphäre ab, oder von etwas, das der Atmoſphäre von auswärts zukommt, während die Erde in der Ekliptik fortrückt? Von alledem wiſſen wir gerade ſo viel wie zur Zeit des Anaxagoras.
Was die Sternſchnuppen für ſich betrifft, ſo ſcheinen ſie mir, nach meiner eigenen Erfahrung, unter den Wendekreiſen häufiger zu ſein als in gemäßigten Landſtrichen, über den Feſtländern und an gewiſſen Küſten häufiger als auf offener See. Ob wohl die ſtrahlende Oberfläche des Erdballs und die elektriſche Ladung der tiefen Luftregionen, die nach der Beſchaffenheit des Bodens und nach der Lage der Kontinente und Meere ſich ändert, ihre Einflüſſe noch in Höhen äußern, wo ewiger Winter herrſcht? Daß in gewiſſen Jahreszeiten und über manchen dürren, pflanzenloſen Ebenen der Himmel auch nicht die kleinſten Wolken zeigt, ſcheint darauf hinzu- deuten, daß dieſer Einfluß ſich wenigſtens bis zur Höhe von 970 bis 1170 m geltend macht. In einem von Vulkanen
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ſelben Meteore an Punkten, die 1400 km auseinander liegen,
über dem Horizont geſehen werden. Wie außerordentlich muß
nun an jenem 12. November in den hohen Luftregionen die
Neigung zur Verbrennung geſteigert geweſen ſein, damit vier
Stunden lang Milliarden von Feuerkugeln und Sternſchnuppen
fallen konnten, die am Aequator, in Grönland und in Deutſch-
land geſehen wurden! Benzenberg macht die ſcharfſinnige
Bemerkung, daß dieſelbe Urſache, aus der das Phänomen
häufiger eintritt, auch auf die Größe der Meteore und ihre
Lichtſtärke Einfluß äußert. In Europa ſieht man in den
Nächten, in denen am meiſten Sternſchnuppen fallen, immer
auch ſehr ſtark leuchtende unter ganz kleinen. Durch das
Periodiſche daran wird die Erſcheinung noch intereſſanter. In
manchen Monaten zählte Brandes in unſerem gemäßigten
Erdſtrich nur 60 bis 80 Sternſchnuppen in der Nacht, in
anderen ſteigt die Zahl auf 2000. Sieht man eine vom
Durchmeſſer des Sirius oder des Jupiter, ſo kann man ſicher
darauf rechnen, daß hinter dieſem glänzenden Meteor viele
kleinere kommen. Fallen in einer Nacht ſehr viele Stern-
ſchnuppen, ſo iſt es höchſt wahrſcheinlich, daß dies mehrere
Wochen anhält. In den hohen Luftregionen, an der äußerſten
Grenze, wo Centrifugalkraft und Schwere ſich ausgleichen,
ſcheint periodiſch eine beſondere Dispoſition zur Bildung von
Feuerkugeln, Sternſchnuppen und Nordlichtern einzutreten.
Hängt die Periodizität dieſer wichtigen Erſcheinung vom Zu-
ſtande der Atmoſphäre ab, oder von etwas, das der Atmoſphäre
von auswärts zukommt, während die Erde in der Ekliptik
fortrückt? Von alledem wiſſen wir gerade ſo viel wie zur
Zeit des Anaxagoras.
Was die Sternſchnuppen für ſich betrifft, ſo ſcheinen ſie
mir, nach meiner eigenen Erfahrung, unter den Wendekreiſen
häufiger zu ſein als in gemäßigten Landſtrichen, über den
Feſtländern und an gewiſſen Küſten häufiger als auf offener
See. Ob wohl die ſtrahlende Oberfläche des Erdballs und
die elektriſche Ladung der tiefen Luftregionen, die nach der
Beſchaffenheit des Bodens und nach der Lage der Kontinente
und Meere ſich ändert, ihre Einflüſſe noch in Höhen äußern,
wo ewiger Winter herrſcht? Daß in gewiſſen Jahreszeiten
und über manchen dürren, pflanzenloſen Ebenen der Himmel
auch nicht die kleinſten Wolken zeigt, ſcheint darauf hinzu-
deuten, daß dieſer Einfluß ſich wenigſtens bis zur Höhe von
970 bis 1170 m geltend macht. In einem von Vulkanen
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/66>, abgerufen am 16.02.2025.
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