Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

Bewohner von Sudan sowenig Schifffahrth, als Seeräuberei jemals getrie-
ben haben. - Der vierte Stamm der Malayen bewohnt hauptsächlich den
indischen Archipel, die Küste von Malacca, und die östlichen Südseeinseln.
Eine schöne Race, von sehr verschiedener Farbe. Auffallend ist, daß die
Bewohner von Neuseeland in der südlich temperirten Zone, etwa wie
das mittlere Italien, gelegen, dunkler gefärbt sind, und daß auf den
Freundschafts-, Gesellschafts- und Marquesa's-Inseln, der Tropenhitze
so viel näher, sich ein Stamm von lichterer Hautfarbe findet.

Amerika in seiner ganzen Erstreckung von 57-58° Nördlicher Breite bis zur ma-
gellanischen Meerenge wird von einer abgeschlossenen Race be-
wohnt, von der man jedoch die Esquimo's ausschliessen muß, die,
wie früher bemerkt, vielmehr zu den Europäern gehören.

Man unterscheidet eigentlich 3 Stämme sogenannter Polarmenschen.
Die Sanmojeden, ein mongolischer Stamm in Nordasien, elende, preß-
hafte, von Kälte verkrüppelte Menschen, zu unterscheiden von den
größern Samojeden auf dem Altai. Die Finnen im Norden, die
man eigentlich Uralier oder Tschuden nennen sollte, die Eskimo's,
von denen uns in neuerer Zeit englische Reisende eine fast zu
oft wiederholte Beschreibung geliefert haben. Diese Menschen leben
in Schneehütten und haben von aller Vegetation so gar keine Idee,
daß nach Parry ihre Sprache keinen Ausdruck für die grüne
Farbe hat. Schon tausend und mehr Jahre vor der Entdeckung von A-
merika durch die Normannen im 10ten saeculum sind lebende Eskimo's
bis zu den europäischen Küsten gelangt. Cornelius Nepos und Pompo-
nius Mela
berichten von Indern, welche durch Schiffbruch an die nörd-
lich germanischen Küsten verschlagen zu einem keltischen Könige ge-
kommen wären. Ohne Zweifel waren dieß Eskimo's von der Küste
von Labrador, denn unter Inder verstanden die Alten alle Völker
von dunkler Hautfarbe und an Ostindier ist in diesem Falle so nicht zu denken.

Bewohner von Sudan sowenig Schifffahrth, als Seeräuberei jemals getrie-
ben haben. – Der vierte Stam̃ der Malayen bewohnt hauptsächlich den
indischen Archipel, die Küste von Malacca, und die östlichen Südseeinseln.
Eine schöne Race, von sehr verschiedener Farbe. Auffallend ist, daß die
Bewohner von Neuseeland in der südlich temperirten Zone, etwa wie
das mittlere Italien, gelegen, dunkler gefärbt sind, und daß auf den
Freundschafts-, Gesellschafts- und Marquesa’s-Inseln, der Tropenhitze
so viel näher, sich ein Stam̃ von lichterer Hautfarbe findet.

Amerika in seiner ganzen Erstreckung von 57-58° Nördlicher Breite bis zur ma-
gellanischen Meerenge wird von einer abgeschlossenen Race be-
wohnt, von der man jedoch die Esquimo’s ausschliessen muß, die,
wie früher bemerkt, vielmehr zu den Europäern gehören.

Man unterscheidet eigentlich 3 Stäm̃e sogenañter Polarmenschen.
Die Sanmojeden, ein mongolischer Stam̃ in Nordasien, elende, preß-
hafte, von Kälte verkrüppelte Menschen, zu unterscheiden von den
größern Samojeden auf dem Altai. Die Fiñen im Norden, die
man eigentlich Uralier oder Tschuden nennen sollte, die Eskimo’s,
von denen uns in neuerer Zeit englische Reisende eine fast zu
oft wiederholte Beschreibung geliefert haben. Diese Menschen leben
in Schneehütten und haben von aller Vegetation so gar keine Idee,
daß nach Parry ihre Sprache keinen Ausdruck für die grüne
Farbe hat. Schon tausend und mehr Jahre vor der Entdeckung von A-
merika durch die Normannen im 10ten saeculum sind lebende Eskimo’s
bis zu den europäischen Küsten gelangt. Cornelius Nepos und Pompo-
nius Mela
berichten von Indern, welche durch Schiffbruch an die nörd-
lich germanischen Küsten verschlagen zu einem keltischen Könige ge-
kom̃en wären. Ohne Zweifel waren dieß Eskimo’s von der Küste
von Labrador, deñ unter Inder verstanden die Alten alle Völker
von dunkler Hautfarbe und an Ostindier ist in diesem Falle so nicht zu denken.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="11">
        <p><pb facs="#f0092" n="88"/>
Bewohner von <hi rendition="#aq">Sudan</hi> sowenig Schifffahrt<del rendition="#s">h</del>, als Seeräuberei jemals getrie-<lb/>
ben haben. &#x2013; Der vierte Stam&#x0303; der <hi rendition="#aq">Malayen</hi> bewohnt hauptsächlich den<lb/>
indischen Archipel, die Küste von <hi rendition="#aq">Malacca</hi>, <choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> die östlichen Südseeinseln.<lb/>
Eine schöne Race, von sehr verschiedener Farbe. Auffallend ist, daß die<lb/>
Bewohner von Neuseeland in der südlich temperirten Zone, etwa wie<lb/>
das mittlere Italien, gelegen, dunkler gefärbt sind, <choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> daß auf den<lb/>
Freundschafts-<choice><sic/><corr resp="#CT">,</corr></choice> Gesellschafts- <choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> Marquesa&#x2019;s-Inseln, der Tropenhitze<lb/>
so viel näher, sich ein Stam&#x0303; von lichterer Hautfarbe findet.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#u">Amerika</hi> in seiner ganzen Erstreckung von 57-58° <choice><abbr>N. B.</abbr><expan resp="#TK">Nördlicher Breite</expan></choice> bis zur ma-<lb/>
gellanischen Meerenge wird von einer <hi rendition="#u">abgeschlossenen Race</hi> be-<lb/>
wohnt, von der man jedoch die <hi rendition="#aq">Esquimo&#x2019;s</hi> ausschliessen muß, die,<lb/>
wie früher bemerkt, vielmehr zu den Europäern gehören.</p><lb/>
        <p>Man unterscheidet eigentlich <hi rendition="#u">3 Stäm&#x0303;e sogenan&#x0303;ter Polarmenschen</hi>.<lb/>
Die Sa<subst><del rendition="#ow">n</del><add place="across">m</add></subst>ojeden, ein mongolischer Stam&#x0303; in Nordasien, elende, preß-<lb/>
hafte, von Kälte verkrüppelte Menschen, zu unterscheiden von den<lb/>
größern Samojeden auf dem Altai. Die Fin&#x0303;en im Norden, die<lb/>
man eigentlich Uralier oder <hi rendition="#aq">Tschuden</hi> nennen sollte, die Eskimo&#x2019;s,<lb/>
von denen uns in neuerer Zeit englische Reisende eine fast zu<lb/>
oft wiederholte Beschreibung geliefert haben. Diese Menschen leben<lb/>
in Schneehütten <choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> haben von aller Vegetation so gar keine Idee,<lb/>
daß nach <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-116048166 http://d-nb.info/gnd/116048166">Parry</persName></hi> ihre Sprache keinen Ausdruck für die grüne<lb/>
Farbe hat. Schon tausend <choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> mehr Jahre vor der Entdeckung von A-<lb/>
merika durch die Normannen im 10<choice><abbr><hi rendition="#sup #u">t</hi></abbr><expan resp="#TK"><hi rendition="#sup #u">ten</hi></expan></choice> <choice><abbr><hi rendition="#aq">saec.</hi></abbr><expan resp="#BF"><hi rendition="#aq">saeculum</hi></expan></choice> sind lebende Eskimo&#x2019;s<lb/>
bis zu den europäischen Küsten gelangt. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118747681 http://d-nb.info/gnd/118747681">Cornelius Nepos</persName></hi> <choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118783025 http://d-nb.info/gnd/118783025">Pompo-<lb/>
nius Mela</persName></hi> berichten von Indern, welche durch Schiffbruch an die nörd-<lb/>
lich germanischen Küsten verschlagen zu einem keltischen Könige ge-<lb/>
kom&#x0303;en wären. Ohne Zweifel waren dieß Eskimo&#x2019;s von der Küste<lb/>
von Labrador, den&#x0303; unter Inder verstanden die Alten alle Völker<lb/>
von dunkler Hautfarbe <choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> an Ostindier ist in diesem Falle so nicht zu denken.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0092] Bewohner von Sudan sowenig Schifffahrt, als Seeräuberei jemals getrie- ben haben. – Der vierte Stam̃ der Malayen bewohnt hauptsächlich den indischen Archipel, die Küste von Malacca, u die östlichen Südseeinseln. Eine schöne Race, von sehr verschiedener Farbe. Auffallend ist, daß die Bewohner von Neuseeland in der südlich temperirten Zone, etwa wie das mittlere Italien, gelegen, dunkler gefärbt sind, u daß auf den Freundschafts-, Gesellschafts- u Marquesa’s-Inseln, der Tropenhitze so viel näher, sich ein Stam̃ von lichterer Hautfarbe findet. Amerika in seiner ganzen Erstreckung von 57-58° N. B. bis zur ma- gellanischen Meerenge wird von einer abgeschlossenen Race be- wohnt, von der man jedoch die Esquimo’s ausschliessen muß, die, wie früher bemerkt, vielmehr zu den Europäern gehören. Man unterscheidet eigentlich 3 Stäm̃e sogenañter Polarmenschen. Die Samojeden, ein mongolischer Stam̃ in Nordasien, elende, preß- hafte, von Kälte verkrüppelte Menschen, zu unterscheiden von den größern Samojeden auf dem Altai. Die Fiñen im Norden, die man eigentlich Uralier oder Tschuden nennen sollte, die Eskimo’s, von denen uns in neuerer Zeit englische Reisende eine fast zu oft wiederholte Beschreibung geliefert haben. Diese Menschen leben in Schneehütten u haben von aller Vegetation so gar keine Idee, daß nach Parry ihre Sprache keinen Ausdruck für die grüne Farbe hat. Schon tausend u mehr Jahre vor der Entdeckung von A- merika durch die Normannen im 10t saec. sind lebende Eskimo’s bis zu den europäischen Küsten gelangt. Cornelius Nepos u Pompo- nius Mela berichten von Indern, welche durch Schiffbruch an die nörd- lich germanischen Küsten verschlagen zu einem keltischen Könige ge- kom̃en wären. Ohne Zweifel waren dieß Eskimo’s von der Küste von Labrador, deñ unter Inder verstanden die Alten alle Völker von dunkler Hautfarbe u an Ostindier ist in diesem Falle so nicht zu denken.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Nalan Lom: Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription von [N. N.]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1827/28] anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • I/J: Lautwert transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/92
Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/92>, abgerufen am 23.12.2024.