Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

und auch die Vögel, denen man sonst ein viel heisseres Blut zuschrieb, wei-
chen nur um 4 bis 5° ab. Auffallend ist die Bemerkung, daß die Tauben
ein um 2 oder 3° wärmeres Blut haben, als die Papageien.

Auch die übermässigsten Grade der künstlichen Wärme, denen einzelne
Menschen sich versuchsweise ausgesetzt haben, haben keine sehr merkliche
Veränderung hervorgebracht. Als Fordyce, Banks und Solander sich einer
Hitze aussetzten, bei der Eier in wenig Minuten gar gesotten wur-
den und die ihren Puls auf 144 Schläge in einer Minute steigerte, hatte
ihre thierische Wärme nicht um 1/2° zugenommen. Dieselben Gelehrten
wiederholten später diese Versuche in Gemeinschaft mit dem Cap. Phipps
nachmaligen Lord Mulgrave, der in der Folge eine Reise gegen den
Nordpol machte und steigerten durch heisse Wasserdämpfe die Hitze in ei-
nem Zimmer bis auf 1021/2° R+. Das Wasser siedete, Fleisch kochte, ihre Uhr-
ketten glühten, und sie selbst waren doch im Stande, in hölzernen Schuhen
diese Hitze 10 Minuten lang zu ertragen. - Ganz unmöglich würde es
aber sein, diese Versuche in tropfbaren Flüssigkeiten anzustellen, weil
in ihnen die schützende Verdünstung wegbliebe und durch ihre Schwere
die Flüssigkeiten in die Poren eindringen müßten, um die feinsten Spi-
tzen der Nerven sehr schmerzhaft zu afficiren. - Man hat neuere sehr ge-
naue Versuche darüber angestellt, welchen Grad der Hitze Wasser haben
könne, um, ohne sich zu verbrennen, die Hand hinein zu tauchen. 401/2° R.
ist für diesen Punkt erkannt worden, der unter verschiedenen Modifica-
tionen keine Abweichung von 2° R. zuläßt. - In Murzuk athmet man
also eine Luft, welche diese Temperatur übersteigt und überhaupt ist
es auffallend, daß die Reizbarkeit der Theile des Halses minder groß
sein muß, indem es Menschen gibt, die Kaffee trinken können, der bis
auf 45° R. heiß ist.

Die Flexibilität gegen die verschiedenen Grade der Wärme ist aber
den Menschen nicht allein eigen, auch Thiere theilen dieselbe, wenn auch
nicht in demselben Grade, wie Hunde und Pferde davon ein Beispiel geben.

und auch die Vögel, denen man sonst ein viel heisseres Blut zuschrieb, wei-
chen nur um 4 bis 5° ab. Auffallend ist die Bemerkung, daß die Tauben
ein um 2 oder 3° wärmeres Blut haben, als die Papageien.

Auch die übermässigsten Grade der künstlichen Wärme, denen einzelne
Menschen sich versuchsweise ausgesetzt haben, haben keine sehr merkliche
Veränderung hervorgebracht. Als Fordyce, Banks und Solander sich einer
Hitze aussetzten, bei der Eier in wenig Minuten gar gesotten wur-
den und die ihren Puls auf 144 Schläge in einer Minute steigerte, hatte
ihre thierische Wärme nicht um ½° zugenom̃en. Dieselben Gelehrten
wiederholten später diese Versuche in Gemeinschaft mit dem Cap. Phipps
nachmaligen Lord Mulgrave, der in der Folge eine Reise gegen den
Nordpol machte und steigerten durch heisse Wasserdämpfe die Hitze in ei-
nem Zim̃er bis auf 102½° R+. Das Wasser siedete, Fleisch kochte, ihre Uhr-
ketten glühten, und sie selbst waren doch im Stande, in hölzernen Schuhen
diese Hitze 10 Minuten lang zu ertragen. – Ganz unmöglich würde es
aber sein, diese Versuche in tropfbaren Flüssigkeiten anzustellen, weil
in ihnen die schützende Verdünstung wegbliebe und durch ihre Schwere
die Flüssigkeiten in die Poren eindringen müßten, um die feinsten Spi-
tzen der Nerven sehr schmerzhaft zu afficiren. – Man hat neuere sehr ge-
naue Versuche darüber angestellt, welchen Grad der Hitze Wasser haben
könne, um, ohne sich zu verbreñen, die Hand hinein zu tauchen. 40½° R.
ist für diesen Punkt erkannt worden, der unter verschiedenen Modifica-
tionen keine Abweichung von 2° R. zuläßt. – In Murzuk athmet man
also eine Luft, welche diese Temperatur übersteigt und überhaupt ist
es auffallend, daß die Reizbarkeit der Theile des Halses minder groß
sein muß, indem es Menschen gibt, die Kaffee trinken köñen, der bis
auf 45° R. heiß ist.

Die Flexibilität gegen die verschiedenen Grade der Wärme ist aber
den Menschen nicht allein eigen, auch Thiere theilen dieselbe, wenn auch
nicht in demselben Grade, wie Hunde und Pferde davon ein Beispiel geben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="8">
        <p><pb facs="#f0068" n="64"/>
und auch die Vögel, denen man sonst ein viel heisseres Blut zuschrieb, wei-<lb/>
chen nur um 4 bis 5° ab. Auffallend ist die Bemerkung, daß die Tauben<lb/>
ein um 2 oder 3° wärmeres Blut haben, als die Papageien.</p><lb/>
        <p>Auch die <hi rendition="#u">übermässigsten Grade der künstlichen Wärme,</hi> denen einzelne<lb/>
Menschen sich versuchsweise ausgesetzt haben, haben keine sehr merkliche<lb/>
Veränderung hervorgebracht. Als <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-117520276 http://d-nb.info/gnd/117520276">Fordyce</persName></hi>, <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118808818 http://d-nb.info/gnd/118808818">Banks</persName></hi> <choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-117637521 http://d-nb.info/gnd/117637521">Solander</persName></hi> sich einer<lb/>
Hitze aussetzten, bei der Eier in wenig Minuten gar gesotten wur-<lb/>
den und die ihren Puls auf 144 Schläge in einer Minute steigerte, hatte<lb/>
ihre thierische Wärme nicht um ½° zugenom&#x0303;en. Dieselben Gelehrten<lb/>
wiederholten später diese Versuche in Gemeinschaft mit dem <hi rendition="#aq">Cap. <persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-117610097 http://d-nb.info/gnd/117610097">Phipps</persName></hi><lb/>
nachmaligen <hi rendition="#aq">Lord <persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-117610097 http://d-nb.info/gnd/117610097">Mulgrave</persName></hi>, der in der Folge eine Reise gegen den<lb/>
Nordpol machte <choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> steigerten durch heisse Wasserdämpfe die Hitze in ei-<lb/>
nem Zim&#x0303;er bis auf 102½° R+. Das Wasser siedete, Fleisch kochte, ihre Uhr-<lb/>
ketten glühten, und sie selbst waren doch im Stande, in hölzernen Schuhen<lb/>
diese Hitze 10 Minuten lang zu ertragen. &#x2013; Ganz unmöglich würde es<lb/>
aber sein, diese Versuche in tropfbaren Flüssigkeiten anzustellen, weil<lb/>
in ihnen die schützende Verdünstung wegbliebe und durch ihre Schwere<lb/>
die Flüssigkeiten in die Poren eindringen müßten, um die feinsten Spi-<lb/>
tzen der Nerven sehr schmerzhaft zu afficiren. &#x2013; Man hat neuere sehr ge-<lb/>
naue Versuche darüber angestellt, welchen Grad der Hitze Wasser haben<lb/>
könne, um, ohne sich zu verbren&#x0303;en, die Hand hinein zu tauchen. 40½° R.<lb/>
ist für diesen Punkt erkannt worden, der unter verschiedenen Modifica-<lb/>
tionen keine Abweichung von 2° R. zuläßt. &#x2013; In <hi rendition="#aq">Murzuk</hi> athmet man<lb/>
also eine Luft, welche diese Temperatur übersteigt und überhaupt ist<lb/>
es auffallend, daß die Reizbarkeit der Theile des Halses minder groß<lb/>
sein muß, indem es Menschen gibt, die Kaffee trinken kön&#x0303;en, der bis<lb/>
auf 45° R. heiß ist.</p><lb/>
        <p>Die Flexibilität gegen die verschiedenen Grade der Wärme ist aber<lb/>
den Menschen nicht allein eigen, auch Thiere theilen dieselbe, wenn auch<lb/>
nicht in demselben Grade, wie Hunde <choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> Pferde davon ein Beispiel geben.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0068] und auch die Vögel, denen man sonst ein viel heisseres Blut zuschrieb, wei- chen nur um 4 bis 5° ab. Auffallend ist die Bemerkung, daß die Tauben ein um 2 oder 3° wärmeres Blut haben, als die Papageien. Auch die übermässigsten Grade der künstlichen Wärme, denen einzelne Menschen sich versuchsweise ausgesetzt haben, haben keine sehr merkliche Veränderung hervorgebracht. Als Fordyce, Banks u Solander sich einer Hitze aussetzten, bei der Eier in wenig Minuten gar gesotten wur- den und die ihren Puls auf 144 Schläge in einer Minute steigerte, hatte ihre thierische Wärme nicht um ½° zugenom̃en. Dieselben Gelehrten wiederholten später diese Versuche in Gemeinschaft mit dem Cap. Phipps nachmaligen Lord Mulgrave, der in der Folge eine Reise gegen den Nordpol machte u steigerten durch heisse Wasserdämpfe die Hitze in ei- nem Zim̃er bis auf 102½° R+. Das Wasser siedete, Fleisch kochte, ihre Uhr- ketten glühten, und sie selbst waren doch im Stande, in hölzernen Schuhen diese Hitze 10 Minuten lang zu ertragen. – Ganz unmöglich würde es aber sein, diese Versuche in tropfbaren Flüssigkeiten anzustellen, weil in ihnen die schützende Verdünstung wegbliebe und durch ihre Schwere die Flüssigkeiten in die Poren eindringen müßten, um die feinsten Spi- tzen der Nerven sehr schmerzhaft zu afficiren. – Man hat neuere sehr ge- naue Versuche darüber angestellt, welchen Grad der Hitze Wasser haben könne, um, ohne sich zu verbreñen, die Hand hinein zu tauchen. 40½° R. ist für diesen Punkt erkannt worden, der unter verschiedenen Modifica- tionen keine Abweichung von 2° R. zuläßt. – In Murzuk athmet man also eine Luft, welche diese Temperatur übersteigt und überhaupt ist es auffallend, daß die Reizbarkeit der Theile des Halses minder groß sein muß, indem es Menschen gibt, die Kaffee trinken köñen, der bis auf 45° R. heiß ist. Die Flexibilität gegen die verschiedenen Grade der Wärme ist aber den Menschen nicht allein eigen, auch Thiere theilen dieselbe, wenn auch nicht in demselben Grade, wie Hunde u Pferde davon ein Beispiel geben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Nalan Lom: Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription von [N. N.]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1827/28] anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • I/J: Lautwert transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/68
Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/68>, abgerufen am 23.12.2024.