Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

äußerte sich auch etwas zweideutig, obwohl er sonst ein sehr verständiger Herr war. Entweder sagte er: Es will mich wundern, ob ... . aber ich glaube es doch nicht. -- Oder: Gott verhüte, daß ich so etwas ins Kirchenbuch eintragen müsse!

Am ungläubigsten waren die jungem Herren Sie machten sich bei jeder Gelegenheit darüber tapfer lustig. Die Jungfrauen stellten sich zwar auch stark, aber sie stellten sich auch nur so. Heimlich dachte gewiß Jede: Ihr jungen Herren habt gut lachen; es geht das Spiel am Ende nicht um eure Köpfe, sondern, und das ist abscheulich, nur um unsere!

Die Wirkung dieser Sage und des Glaubens oder Aberglaubens bemerkte Niemand besser, als der alte Pfarrer; denn wo irgend eine Liebschaft, irgend eine Brautschaft in der Stadt war, Alles tummelte sich, die Hochzeit noch vor dem ersten Advent abzuthun; und wo keine Hoffnung zur baldigen Vermählung sein konnte, ward Liebschaft und Brautschaft von Grund aus abgebrochen, und hätte das Herz darüber brechen mögen.

Nun kann man sich erklären, was die schönen Herbesheimerinnen unter Gefahr verstanden, wenn sie den Commandanten wider ihren Willen einnehmend fanden. Es war ihnen im buchstäblichen Verstande ums Köpfchen und vor dem Besuche des todten Gastes bange. Man muß ihnen daher gern den etwas unnatürlichen stillen Schwur verzeihen, vor Advent und

äußerte sich auch etwas zweideutig, obwohl er sonst ein sehr verständiger Herr war. Entweder sagte er: Es will mich wundern, ob ... . aber ich glaube es doch nicht. — Oder: Gott verhüte, daß ich so etwas ins Kirchenbuch eintragen müsse!

Am ungläubigsten waren die jungem Herren Sie machten sich bei jeder Gelegenheit darüber tapfer lustig. Die Jungfrauen stellten sich zwar auch stark, aber sie stellten sich auch nur so. Heimlich dachte gewiß Jede: Ihr jungen Herren habt gut lachen; es geht das Spiel am Ende nicht um eure Köpfe, sondern, und das ist abscheulich, nur um unsere!

Die Wirkung dieser Sage und des Glaubens oder Aberglaubens bemerkte Niemand besser, als der alte Pfarrer; denn wo irgend eine Liebschaft, irgend eine Brautschaft in der Stadt war, Alles tummelte sich, die Hochzeit noch vor dem ersten Advent abzuthun; und wo keine Hoffnung zur baldigen Vermählung sein konnte, ward Liebschaft und Brautschaft von Grund aus abgebrochen, und hätte das Herz darüber brechen mögen.

Nun kann man sich erklären, was die schönen Herbesheimerinnen unter Gefahr verstanden, wenn sie den Commandanten wider ihren Willen einnehmend fanden. Es war ihnen im buchstäblichen Verstande ums Köpfchen und vor dem Besuche des todten Gastes bange. Man muß ihnen daher gern den etwas unnatürlichen stillen Schwur verzeihen, vor Advent und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="4">
        <p><pb facs="#f0026"/>
äußerte sich auch      etwas zweideutig, obwohl er sonst ein sehr verständiger Herr war. Entweder sagte er: Es will      mich wundern, ob ... . aber ich glaube es doch nicht. &#x2014; Oder: Gott verhüte, daß ich so etwas      ins Kirchenbuch eintragen müsse!</p><lb/>
        <p>Am ungläubigsten waren die jungem Herren Sie machten sich bei jeder Gelegenheit darüber      tapfer lustig. Die Jungfrauen stellten sich zwar auch stark, aber sie stellten sich auch nur      so. Heimlich dachte gewiß Jede: Ihr jungen Herren habt gut lachen; es geht das Spiel am Ende      nicht um eure Köpfe, sondern, und das ist abscheulich, nur um unsere!</p><lb/>
        <p>Die Wirkung dieser Sage und des Glaubens oder Aberglaubens bemerkte Niemand besser, als der      alte Pfarrer; denn wo irgend eine Liebschaft, irgend eine Brautschaft in der Stadt war, Alles      tummelte sich, die Hochzeit noch vor dem ersten Advent abzuthun; und wo keine Hoffnung zur      baldigen Vermählung sein konnte, ward Liebschaft und Brautschaft von Grund aus abgebrochen, und      hätte das Herz darüber brechen mögen.</p><lb/>
        <p>Nun kann man sich erklären, was die schönen Herbesheimerinnen unter Gefahr verstanden, wenn      sie den Commandanten wider ihren Willen einnehmend fanden. Es war ihnen im buchstäblichen      Verstande ums Köpfchen und vor dem Besuche des todten Gastes bange. Man muß ihnen daher gern      den etwas unnatürlichen stillen Schwur verzeihen, vor Advent und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0026] äußerte sich auch etwas zweideutig, obwohl er sonst ein sehr verständiger Herr war. Entweder sagte er: Es will mich wundern, ob ... . aber ich glaube es doch nicht. — Oder: Gott verhüte, daß ich so etwas ins Kirchenbuch eintragen müsse! Am ungläubigsten waren die jungem Herren Sie machten sich bei jeder Gelegenheit darüber tapfer lustig. Die Jungfrauen stellten sich zwar auch stark, aber sie stellten sich auch nur so. Heimlich dachte gewiß Jede: Ihr jungen Herren habt gut lachen; es geht das Spiel am Ende nicht um eure Köpfe, sondern, und das ist abscheulich, nur um unsere! Die Wirkung dieser Sage und des Glaubens oder Aberglaubens bemerkte Niemand besser, als der alte Pfarrer; denn wo irgend eine Liebschaft, irgend eine Brautschaft in der Stadt war, Alles tummelte sich, die Hochzeit noch vor dem ersten Advent abzuthun; und wo keine Hoffnung zur baldigen Vermählung sein konnte, ward Liebschaft und Brautschaft von Grund aus abgebrochen, und hätte das Herz darüber brechen mögen. Nun kann man sich erklären, was die schönen Herbesheimerinnen unter Gefahr verstanden, wenn sie den Commandanten wider ihren Willen einnehmend fanden. Es war ihnen im buchstäblichen Verstande ums Köpfchen und vor dem Besuche des todten Gastes bange. Man muß ihnen daher gern den etwas unnatürlichen stillen Schwur verzeihen, vor Advent und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:15:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:15:44Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/26
Zitationshilfe: Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/26>, abgerufen am 25.04.2024.