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Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Sache nämlich. Und das ward seinem Verstände allerdings zur Ehre angerechnet. Dann aber, weil er sich doch auch selbst nicht geradezu verdammen wollte, mußte er auch seiner Fürsprecherin Recht geben, nämlich im Punkte des guten Herzens, mit dem sich Georg für die vermeinte heilige Sache geopfert habe.

Merke schon! rief der Alte, der Herr Commandant ist pfiffiger, als Hans Paris bei den drei thörichten Jungfrauen von Troja und dergleichen. Macht's sich bequem; schneidet den Apfel in zwei Hälften und giebt Jedem einen Bissen, sagt: wohl bekomm's!

Nein, Herr Bantes, Ihr Georg irrte, wenn er irrte, wahrscheinlich wie mehrere Tausend anderer deutscher Männer, und wie zum Beispiel ich selbst. Auch ich machte den Kriegsgang für die Befreiung Deutschlands mit und ließ Alles im Stich. Unsere Armeen, Sie wissen es, waren aufgerieben. Das Volk mußte aufstehen und sich selbst helfen, weil die Armeen nicht mehr helfen konnten. Da mußte man nicht rechnen und fragen, sondern zuschlagen, Gut und Blut daran setzen und die Ehre der Nation, den Thron unserer Monarchen retten. Das haben wir gethan. Jetzt wollen wir das Heil erwarten. Unsere besser gesinnten Staatsmänner können auch nicht zaubern und das verlorene Paradies durch ein Taschenspielerstückchen sogleich wieder verjüngen. Ich wenigstens bereue meinen Schritt noch nicht.

Sache nämlich. Und das ward seinem Verstände allerdings zur Ehre angerechnet. Dann aber, weil er sich doch auch selbst nicht geradezu verdammen wollte, mußte er auch seiner Fürsprecherin Recht geben, nämlich im Punkte des guten Herzens, mit dem sich Georg für die vermeinte heilige Sache geopfert habe.

Merke schon! rief der Alte, der Herr Commandant ist pfiffiger, als Hans Paris bei den drei thörichten Jungfrauen von Troja und dergleichen. Macht's sich bequem; schneidet den Apfel in zwei Hälften und giebt Jedem einen Bissen, sagt: wohl bekomm's!

Nein, Herr Bantes, Ihr Georg irrte, wenn er irrte, wahrscheinlich wie mehrere Tausend anderer deutscher Männer, und wie zum Beispiel ich selbst. Auch ich machte den Kriegsgang für die Befreiung Deutschlands mit und ließ Alles im Stich. Unsere Armeen, Sie wissen es, waren aufgerieben. Das Volk mußte aufstehen und sich selbst helfen, weil die Armeen nicht mehr helfen konnten. Da mußte man nicht rechnen und fragen, sondern zuschlagen, Gut und Blut daran setzen und die Ehre der Nation, den Thron unserer Monarchen retten. Das haben wir gethan. Jetzt wollen wir das Heil erwarten. Unsere besser gesinnten Staatsmänner können auch nicht zaubern und das verlorene Paradies durch ein Taschenspielerstückchen sogleich wieder verjüngen. Ich wenigstens bereue meinen Schritt noch nicht.

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[0016] Sache nämlich. Und das ward seinem Verstände allerdings zur Ehre angerechnet. Dann aber, weil er sich doch auch selbst nicht geradezu verdammen wollte, mußte er auch seiner Fürsprecherin Recht geben, nämlich im Punkte des guten Herzens, mit dem sich Georg für die vermeinte heilige Sache geopfert habe. Merke schon! rief der Alte, der Herr Commandant ist pfiffiger, als Hans Paris bei den drei thörichten Jungfrauen von Troja und dergleichen. Macht's sich bequem; schneidet den Apfel in zwei Hälften und giebt Jedem einen Bissen, sagt: wohl bekomm's! Nein, Herr Bantes, Ihr Georg irrte, wenn er irrte, wahrscheinlich wie mehrere Tausend anderer deutscher Männer, und wie zum Beispiel ich selbst. Auch ich machte den Kriegsgang für die Befreiung Deutschlands mit und ließ Alles im Stich. Unsere Armeen, Sie wissen es, waren aufgerieben. Das Volk mußte aufstehen und sich selbst helfen, weil die Armeen nicht mehr helfen konnten. Da mußte man nicht rechnen und fragen, sondern zuschlagen, Gut und Blut daran setzen und die Ehre der Nation, den Thron unserer Monarchen retten. Das haben wir gethan. Jetzt wollen wir das Heil erwarten. Unsere besser gesinnten Staatsmänner können auch nicht zaubern und das verlorene Paradies durch ein Taschenspielerstückchen sogleich wieder verjüngen. Ich wenigstens bereue meinen Schritt noch nicht.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:15:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:15:44Z)

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Zitationshilfe: Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/16>, abgerufen am 28.03.2024.