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Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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nach und dachten nach wenig Wochen nicht mehr an den Actuar und das Gespräch mit ihm.

Da schon oft der Schmied dem Müller und dieser umgekehrt jenem in seiner Hantierung hülfreich zur Hand gegangen war, so hatte Jeder etwas vom Handwerk des Andern gelernt. Es war daher nichts Seltenes, wenn an einer Stelle die Arbeit drängte, Beide vereint arbeiten zu sehen.

In dieser Zeit war der Schmied übermäßig beschäftigt; denn er hatte contractlich die Eisenarbeiten an verschiedenen landwirthschaftlichen Maschinen und Gerätschaften eines benachbarten Hofes übernommen. Er war dafür bekannt, etwas vom Mechaniker in sich aufgenommen zu haben; sein Geschäft stand in Blüte, und die Aussicht auf einen Erwerb war ihm den Sommer und Herbst hindurch gesichert. Es ging daher heiß in der Schmiede zu, der Müller half nach Kräften, und dem Schmied lief der helle Schweiß von der Stirne, als der Gerichtspolizeidiener, begleitet vom Gensdarmen, eintrat.

Die Männer boten freundlichen "Guten Morgen" und wollten in ihrer Arbeit fortfahren, als der Gerichtsdiener folgendes Decret vorlas:

Es ist glaubhaft zur Anzeige gebracht, daß auf der Schmiede zu -- die Kohlenkammer von dem Schmiederaum nicht vorschriftsmäßig getrennt ist. Der Gerichtsdiener X. hat sich in Begleitung des Gensdarmen an Ort und Stelle zu begeben, zu unter-

nach und dachten nach wenig Wochen nicht mehr an den Actuar und das Gespräch mit ihm.

Da schon oft der Schmied dem Müller und dieser umgekehrt jenem in seiner Hantierung hülfreich zur Hand gegangen war, so hatte Jeder etwas vom Handwerk des Andern gelernt. Es war daher nichts Seltenes, wenn an einer Stelle die Arbeit drängte, Beide vereint arbeiten zu sehen.

In dieser Zeit war der Schmied übermäßig beschäftigt; denn er hatte contractlich die Eisenarbeiten an verschiedenen landwirthschaftlichen Maschinen und Gerätschaften eines benachbarten Hofes übernommen. Er war dafür bekannt, etwas vom Mechaniker in sich aufgenommen zu haben; sein Geschäft stand in Blüte, und die Aussicht auf einen Erwerb war ihm den Sommer und Herbst hindurch gesichert. Es ging daher heiß in der Schmiede zu, der Müller half nach Kräften, und dem Schmied lief der helle Schweiß von der Stirne, als der Gerichtspolizeidiener, begleitet vom Gensdarmen, eintrat.

Die Männer boten freundlichen „Guten Morgen“ und wollten in ihrer Arbeit fortfahren, als der Gerichtsdiener folgendes Decret vorlas:

Es ist glaubhaft zur Anzeige gebracht, daß auf der Schmiede zu — die Kohlenkammer von dem Schmiederaum nicht vorschriftsmäßig getrennt ist. Der Gerichtsdiener X. hat sich in Begleitung des Gensdarmen an Ort und Stelle zu begeben, zu unter-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:10:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:10:09Z)

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Zitationshilfe: Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910/25>, abgerufen am 29.03.2024.