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Ritterhold von Blauen [i. e. Zesen, Philipp von]: Adriatische Rosemund. Amsterdam, 1645.

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Dem vernünftigen Läser.
dafuhr/ daß es wohl das bäste wäre/ wan man was
eignes schribe/ und der fremden sprachen bücher
nicht so gahr häuffig verdeutschte/ sonderlich/ weil
in den meisten weder kraft noch saft ist/ und nuhr
ein weit-schweiffiges/ unabgemässenes geplauder in
sich hatten. Solches aber must' auch nicht alzu geil
und alzu weichlich sein/ sondern bisweilen/ wo es
sich leiden wolte/ mit einer lihblichen ernsthaftigkeit
vermischet/ damit wihr nicht so gahr aus der ahrt
schlugen/ und den ernsthaften wohlstand verlihssen.

Es ist weder einem Deutschen nahchteilig/ noch
einem Kristen zur sünde zu rächnen/ wan er sich mit
einer keuschen libes-beschreibung belustiget; aber
solches alles zu gewusser zeit. Das Feuer der blü-
henden Jugend erräget ofter-mahls sehr ahrtige
gedanken/ di zwahr ihr/ aber keinem Greisen/ dessen
feuer schohn verbloschen ist/ wohl-anständig sein.
wohrnahch einem Jünglinge verlanget/ daführ
träget ein alter grau-bahrt schäu und ekel. es wul
ihm auch nicht gebühren/ seine gedanken so weit von
den gräbern ab zu länken. Di Lib' erfortert ein
frisch- und lustiges gemühte; drüm kan si in keinem
alt- und erkaltetem/ in keinem trähg- und verdrosse-
nem härzen haften.

Wer wül uns dan nuhn verdänken/ wan wihr
auch (weil wihr noch jung sein/ und das libes-feuer
unter der linken brust in follem süden entfünden)
ein und das andere keusche libes-getichte schreiben;
sonderlich wan es von uns begähret würd/ und
wihr der kluhg-sünnigen Adelmund/ welche dise ge-
genwärtige von uns erheischet hat/ zu wüllen läben.
Di Jugend fluhet mit der zeit hin; also flühen auch
di gedanken nahch ihrem alter zu/ und begünnen sich
auf ernsthaftere dinge zu länken. Wihr wärden
auch ohne zweifäl hihrmit beschlühssen/ und unsern
pfahd-trätern disen hulprich-sanften Lust-wandel
eröfnet hinterlahssen.

Gehabe dich wohl!

An

Dem vernuͤnftigen Laͤſer.
dafůhr/ daß es wohl das baͤſte waͤre/ wan man was
eignes ſchribe/ und der fremden ſprachen buͤcher
nicht ſo gahr haͤuffig verdeutſchte/ ſonderlich/ weil
in den meiſten weder kraft noch ſaft iſt/ und nuhr
ein weit-ſchweiffiges/ unabgemaͤſſenes geplauder in
ſich hatten. Solches aber muſt’ auch nicht alzu geil
und alzu weichlich ſein/ ſondern bisweilen/ wo es
ſich leiden wolte/ mit einer lihblichen ernſthaftigkeit
vermiſchet/ damit wihr nicht ſo gahr aus der ahrt
ſchlůgen/ und den ernſthaften wohlſtand verlihſſen.

Es iſt weder einem Deutſchen nahchteilig/ noch
einem Kriſten zur ſuͤnde zu raͤchnen/ wan er ſich mit
einer keuſchen libes-beſchreibung beluſtiget; aber
ſolches alles zu gewůſſer zeit. Das Feuer der bluͤ-
henden Jugend erraͤget ofter-mahls ſehr ahrtige
gedanken/ di zwahr ihr/ aber keinem Greiſen/ deſſen
feuer ſchohn verbloſchen iſt/ wohl-anſtaͤndig ſein.
wohrnahch einem Jünglinge verlanget/ dafuͤhr
traͤget ein alter grau-bahrt ſchaͤu und ekel. es wůl
ihm auch nicht gebuͤhren/ ſeine gedanken ſo weit von
den graͤbern ab zu laͤnken. Di Lib’ erfortert ein
friſch- und luſtiges gemuͤhte; druͤm kan ſi in keinem
alt- und erkaltetem/ in keinem traͤhg- und verdroſſe-
nem haͤrzen haften.

Wer wuͤl uns dan nuhn verdaͤnken/ wan wihr
auch (weil wihr noch jung ſein/ und das libes-feuer
unter der linken bruſt in follem ſuͤden entfuͤnden)
ein und das andere keuſche libes-getichte ſchreiben;
ſonderlich wan es von uns begaͤhret wuͤrd/ und
wihr der kluhg-ſuͤnnigen Adelmund/ welche diſe ge-
genwaͤrtige von uns erheiſchet hat/ zu wuͤllen laͤben.
Di Jugend flůhet mit der zeit hin; alſo fluͤhen auch
di gedanken nahch ihrem alter zu/ und beguͤñen ſich
auf ernſthaftere dinge zu laͤnken. Wihr waͤrden
auch ohne zweifaͤl hihrmit beſchluͤhſſen/ und unſern
pfahd-traͤtern diſen hulprich-ſanften Luſt-wandel
eroͤfnet hinterlahſſen.

Gehabe dich wohl!

An
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Zitationshilfe: Ritterhold von Blauen [i. e. Zesen, Philipp von]: Adriatische Rosemund. Amsterdam, 1645, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_rosemund_1645/12>, abgerufen am 28.03.2024.