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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
man innerhalb zwölf tagen dem Herrn Vater getahn/
auch endlich den seegen. Er legte die hande kreutzweise
über des Freuleins heupt/ und sprach: Der allergüh-
tigste Gott
Osiris seegne dich/ und laße dich
wachsen. Die allerliebseeligste
Isis/ die zweifa-
che Gottheit/ gebe dir langes leben/ gesundheit/
wohllust und freude. Ja alle Götter des Him-
mels und der erde wollen alle wündsche/ die dei-
nem Vater/ dir zu liebe/ geschehen/ aufs beste
erfüllen. Du heissest
Assenat. Ja schöne heistu.
Schöne wirstu sein an deinem leibe: darüm wer-
den dich lieben die Fürsten. Die Gewaltigen
werden dich ehren.
Schöne wirstu sein an deiner
seelen: darüm werden dich lieben die Götter.
Der Himmel wird dich ehren.
Nach volziehung
dieses seegens setzte sich der Ertzbischof/ samt der anwe-
senden Priesterschaft/ zur tafel: welche schon gedekt/
und mit köstlichen speisen besetzt stund. Dieses Prie-
stermahl ward eben so fröhlich/ als jenes/ volzogen.

Nachdem nun solche algemeine freude vorbei war/
entschlos sich Potifar die Götter zu fragen: wie man
dieses Freulein am besten erziehen/ und was es
endlich vor ein glük haben solte?
Die Götter wa-
ren über vier jahr mit der Assenat/ sie im mutterleibe
zu bilden/ geschäftig gewesen/ ehe sie dieselbe zur ausge-
buhrt kommen laßen. Darüm war der frohe Vater in
alwege neugierig zu wissen/ was doch aus einem sol-
chen Kinde werden würde. Und diese neugierigkeit
trieb ihn so an/ daß er sich/ straks nach der entschlies-
sung/ samt der Assenat/ wiewohl sie nur drei wochen
alt war/ als auch ihrer Amme/ nach Heliopel begab.
So bald er in dieser heiligen stadt/ dem Ertzbischof-
lichen sitze des gantzen Königreichs/ angelanget/ konte
er kaum so lange warten/ bis der Ertzbischof sich ange-
kleidet/ mit ihm in das Heiligtuhm der Sonne zu ge-

hen.

Der Aſſenat
man innerhalb zwoͤlf tagen dem Herꝛn Vater getahn/
auch endlich den ſeegen. Er legte die hånde kreutzweiſe
uͤber des Freuleins heupt/ und ſprach: Der allerguͤh-
tigſte Gott
Oſiris ſeegne dich/ und laße dich
wachſen. Die allerliebſeeligſte
Iſis/ die zweifa-
che Gottheit/ gebe dir langes leben/ geſundheit/
wohlluſt und freude. Ja alle Goͤtter des Him-
mels und der erde wollen alle wuͤndſche/ die dei-
nem Vater/ dir zu liebe/ geſchehen/ aufs beſte
erfuͤllen. Du heiſſeſt
Aſſenat. Ja ſchoͤne heiſtu.
Schoͤne wirſtu ſein an deinem leibe: daruͤm wer-
den dich lieben die Fuͤrſten. Die Gewaltigen
werden dich ehren.
Schoͤne wirſtu ſein an deiner
ſeelen: daruͤm werden dich lieben die Goͤtter.
Der Himmel wird dich ehren.
Nach volziehung
dieſes ſeegens ſetzte ſich der Ertzbiſchof/ ſamt der anwe-
ſenden Prieſterſchaft/ zur tafel: welche ſchon gedekt/
und mit koͤſtlichen ſpeiſen beſetzt ſtund. Dieſes Prie-
ſtermahl ward eben ſo froͤhlich/ als jenes/ volzogen.

Nachdem nun ſolche algemeine freude vorbei war/
entſchlos ſich Potifar die Goͤtter zu fragen: wie man
dieſes Freulein am beſten erziehen/ und was es
endlich vor ein gluͤk haben ſolte?
Die Goͤtter wa-
ren uͤber vier jahr mit der Aſſenat/ ſie im mutterleibe
zu bilden/ geſchaͤftig geweſen/ ehe ſie dieſelbe zur ausge-
buhrt kommen laßen. Daruͤm war der frohe Vater in
alwege neugierig zu wiſſen/ was doch aus einem ſol-
chen Kinde werden wuͤrde. Und dieſe neugierigkeit
trieb ihn ſo an/ daß er ſich/ ſtraks nach der entſchlieſ-
ſung/ ſamt der Aſſenat/ wiewohl ſie nur drei wochen
alt war/ als auch ihrer Amme/ nach Heliopel begab.
So bald er in dieſer heiligen ſtadt/ dem Ertzbiſchof-
lichen ſitze des gantzen Koͤnigreichs/ angelanget/ konte
er kaum ſo lange warten/ bis der Ertzbiſchof ſich ange-
kleidet/ mit ihm in das Heiligtuhm der Sonne zu ge-

hen.
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[24/0048] Der Aſſenat man innerhalb zwoͤlf tagen dem Herꝛn Vater getahn/ auch endlich den ſeegen. Er legte die hånde kreutzweiſe uͤber des Freuleins heupt/ und ſprach: Der allerguͤh- tigſte Gott Oſiris ſeegne dich/ und laße dich wachſen. Die allerliebſeeligſte Iſis/ die zweifa- che Gottheit/ gebe dir langes leben/ geſundheit/ wohlluſt und freude. Ja alle Goͤtter des Him- mels und der erde wollen alle wuͤndſche/ die dei- nem Vater/ dir zu liebe/ geſchehen/ aufs beſte erfuͤllen. Du heiſſeſt Aſſenat. Ja ſchoͤne heiſtu. Schoͤne wirſtu ſein an deinem leibe: daruͤm wer- den dich lieben die Fuͤrſten. Die Gewaltigen werden dich ehren. Schoͤne wirſtu ſein an deiner ſeelen: daruͤm werden dich lieben die Goͤtter. Der Himmel wird dich ehren. Nach volziehung dieſes ſeegens ſetzte ſich der Ertzbiſchof/ ſamt der anwe- ſenden Prieſterſchaft/ zur tafel: welche ſchon gedekt/ und mit koͤſtlichen ſpeiſen beſetzt ſtund. Dieſes Prie- ſtermahl ward eben ſo froͤhlich/ als jenes/ volzogen. Nachdem nun ſolche algemeine freude vorbei war/ entſchlos ſich Potifar die Goͤtter zu fragen: wie man dieſes Freulein am beſten erziehen/ und was es endlich vor ein gluͤk haben ſolte? Die Goͤtter wa- ren uͤber vier jahr mit der Aſſenat/ ſie im mutterleibe zu bilden/ geſchaͤftig geweſen/ ehe ſie dieſelbe zur ausge- buhrt kommen laßen. Daruͤm war der frohe Vater in alwege neugierig zu wiſſen/ was doch aus einem ſol- chen Kinde werden wuͤrde. Und dieſe neugierigkeit trieb ihn ſo an/ daß er ſich/ ſtraks nach der entſchlieſ- ſung/ ſamt der Aſſenat/ wiewohl ſie nur drei wochen alt war/ als auch ihrer Amme/ nach Heliopel begab. So bald er in dieſer heiligen ſtadt/ dem Ertzbiſchof- lichen ſitze des gantzen Koͤnigreichs/ angelanget/ konte er kaum ſo lange warten/ bis der Ertzbiſchof ſich ange- kleidet/ mit ihm in das Heiligtuhm der Sonne zu ge- hen.

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/48>, abgerufen am 20.04.2024.