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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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erstes Buch.
man saget/ unfruchtbar worden. Das Freulein/ wel-
ches noch lebet/ heisset Assenat: die der hochfürstliche
Vater nicht lange nach ihrer gebuhrt den Göttern ge-
heiliget; wie ihm der göttliche Ausspruch befohlen.
Woher und wie/ fragte Josef abermahl/ hat man die-
sen Ausspruch bekommen; und was hielt er eigendlich
in sich? Ich wil ihm alles/ antwortete die Jungfrau/
vom begin an erzehlen.

Potifar war schon etliche jahr verehligt gewesen:
aber die Götter hatten seine Gemahlin noch nie mit Lei-
besfrüchten geseegnet: welches ihn sehr schmertzete. Als
sie nun endlich/ im fünften jahre ihrer ehe/ mit einem
sehr schönen Freulein/ nähmlich der unvergleichlichen
Assenat/ niederkahm; da war der hochfürstliche Va-
ter so froh/ daß er vor großen freuden nicht wuste/ was
er beginnen solte. Erstlich richtete er ein großes und
sehr köstliches Kindermahl an. Darauf erschien der
König/ mit seiner Gemahlin/ selbsten: welche dieses
neugebohrne Freulein/ dem Vater zu liebe/ vor ein Kö-
nigliches Kind und eine Tochter des Reichs erklähre-
ten. Die fürnehmste Reichsfürsten/ samt des Königes
hohen Beamten/ stelleten sich gleicher gestalt ein. Die-
ser tag war der fröhlichste/ den ich meine lebetage gese-
ben. Alle freude/ die man erdenken kan/ war alda zu
finden. Die schällenspiele klungen. Die seiten sprun-
gen. Die sänger sungen. Die trompeter bliesen. Die
pfeiffer pfiffen. Die reientäntze warden geschwungen.
Ja alles/ was beweglich war/ begunte vor freuden zu
hüpfen. Und diese überschwängliche lust währete vom
mittage bis in die sinkende nacht.

Acht tage nach solchem Fürstenmahle stellete der
fröhliche Vater auch ein Priestermahl an. Hierzu
warden die fürnehmsten Priester von Heliopel/ samt
dem Ertzbischoffe/ geladen. Dieser gab der jungen
Assenat/ nach so viel tausend glükwündschungen/ die

man
B iiij

erſtes Buch.
man ſaget/ unfruchtbar worden. Das Freulein/ wel-
ches noch lebet/ heiſſet Aſſenat: die der hochfuͤrſtliche
Vater nicht lange nach ihrer gebuhrt den Goͤttern ge-
heiliget; wie ihm der goͤttliche Ausſpruch befohlen.
Woher und wie/ fragte Joſef abermahl/ hat man die-
ſen Ausſpruch bekommen; und was hielt er eigendlich
in ſich? Ich wil ihm alles/ antwortete die Jungfrau/
vom begin an erzehlen.

Potifar war ſchon etliche jahr verehligt geweſen:
aber die Goͤtter hatten ſeine Gemahlin noch nie mit Lei-
besfruͤchten geſeegnet: welches ihn ſehr ſchmertzete. Als
ſie nun endlich/ im fuͤnften jahre ihrer ehe/ mit einem
ſehr ſchoͤnen Freulein/ naͤhmlich der unvergleichlichen
Aſſenat/ niederkahm; da war der hochfuͤrſtliche Va-
ter ſo froh/ daß er vor großen freuden nicht wuſte/ was
er beginnen ſolte. Erſtlich richtete er ein großes und
ſehr koͤſtliches Kindermahl an. Darauf erſchien der
Koͤnig/ mit ſeiner Gemahlin/ ſelbſten: welche dieſes
neugebohrne Freulein/ dem Vater zu liebe/ vor ein Koͤ-
nigliches Kind und eine Tochter des Reichs erklaͤhre-
ten. Die fuͤrnehmſte Reichsfuͤrſten/ ſamt des Koͤniges
hohen Beamten/ ſtelleten ſich gleicher geſtalt ein. Die-
ſer tag war der froͤhlichſte/ den ich meine lebetage geſe-
ben. Alle freude/ die man erdenken kan/ war alda zu
finden. Die ſchaͤllenſpiele klungen. Die ſeiten ſprun-
gen. Die ſaͤnger ſungen. Die trompeter blieſen. Die
pfeiffer pfiffen. Die reientaͤntze warden geſchwungen.
Ja alles/ was beweglich war/ begunte vor freuden zu
huͤpfen. Und dieſe uͤberſchwaͤngliche luſt waͤhrete vom
mittage bis in die ſinkende nacht.

Acht tage nach ſolchem Fuͤrſtenmahle ſtellete der
froͤhliche Vater auch ein Prieſtermahl an. Hierzu
warden die fuͤrnehmſten Prieſter von Heliopel/ ſamt
dem Ertzbiſchoffe/ geladen. Dieſer gab der jungen
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[23/0047] erſtes Buch. man ſaget/ unfruchtbar worden. Das Freulein/ wel- ches noch lebet/ heiſſet Aſſenat: die der hochfuͤrſtliche Vater nicht lange nach ihrer gebuhrt den Goͤttern ge- heiliget; wie ihm der goͤttliche Ausſpruch befohlen. Woher und wie/ fragte Joſef abermahl/ hat man die- ſen Ausſpruch bekommen; und was hielt er eigendlich in ſich? Ich wil ihm alles/ antwortete die Jungfrau/ vom begin an erzehlen. Potifar war ſchon etliche jahr verehligt geweſen: aber die Goͤtter hatten ſeine Gemahlin noch nie mit Lei- besfruͤchten geſeegnet: welches ihn ſehr ſchmertzete. Als ſie nun endlich/ im fuͤnften jahre ihrer ehe/ mit einem ſehr ſchoͤnen Freulein/ naͤhmlich der unvergleichlichen Aſſenat/ niederkahm; da war der hochfuͤrſtliche Va- ter ſo froh/ daß er vor großen freuden nicht wuſte/ was er beginnen ſolte. Erſtlich richtete er ein großes und ſehr koͤſtliches Kindermahl an. Darauf erſchien der Koͤnig/ mit ſeiner Gemahlin/ ſelbſten: welche dieſes neugebohrne Freulein/ dem Vater zu liebe/ vor ein Koͤ- nigliches Kind und eine Tochter des Reichs erklaͤhre- ten. Die fuͤrnehmſte Reichsfuͤrſten/ ſamt des Koͤniges hohen Beamten/ ſtelleten ſich gleicher geſtalt ein. Die- ſer tag war der froͤhlichſte/ den ich meine lebetage geſe- ben. Alle freude/ die man erdenken kan/ war alda zu finden. Die ſchaͤllenſpiele klungen. Die ſeiten ſprun- gen. Die ſaͤnger ſungen. Die trompeter blieſen. Die pfeiffer pfiffen. Die reientaͤntze warden geſchwungen. Ja alles/ was beweglich war/ begunte vor freuden zu huͤpfen. Und dieſe uͤberſchwaͤngliche luſt waͤhrete vom mittage bis in die ſinkende nacht. Acht tage nach ſolchem Fuͤrſtenmahle ſtellete der froͤhliche Vater auch ein Prieſtermahl an. Hierzu warden die fuͤrnehmſten Prieſter von Heliopel/ ſamt dem Ertzbiſchoffe/ geladen. Dieſer gab der jungen Aſſenat/ nach ſo viel tauſend gluͤkwuͤndſchungen/ die man B iiij

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/47>, abgerufen am 29.03.2024.