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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat

Ja freilich ist er/ nahm sie ihm das wort auf/ so
groß/ daß er nach dem Könige die dritte stelle besitzet.
Er ist nicht allein der oberste königliche Küchenmeister/
und der oberste Halsrichter/ den der König über alle
gefängnüsse/ ja über leben und tod aller seiner untertah-
nen zu walten und zu schalten gesetzt; wie ich zum teile
schon gesagt: sondern er ist/ auch ein Fürst aller fürsten
aus dem Rahte des Königes. Er ist der oberste Haupt-
man der gantzen Ritterschaft/ und des gantzen Reichs
Mahrschalk. Zu allen diesen hohen würden hat ihn
seine fürtrefliche geschikligkeit erhoben. Dan ausser dem/
daß ihn seine angebohrenheit mit den allerherrlichsten
gaben/ die ein solcher tapferer Fürst iemahls besitzen
mag/ mildiglich ausgezieret/ ist er auch so gelehrt und
erfahren in allen dingen/ daß seine weisheit fast unver-
gleichlich. Diese so wohl göttliche als weltweisheit hat
er in seinen jugendjahren von den Priestern zu Helio-
pel
eingesogen. Da ist er gebohren. Unter denen ist er
erzogen. Von denen hat er die kunde der Göttlichen ge-
heimnüsse/ der verborgenheiten der Natur/ und alle für-
trefliche wissenschaften erlanget. Mit denen hat er sich
in ihrer heiligen Sprache geübet: welches sonst keinem
ausserhalb der Priesterschaft vergönnet wird. Und
eben darüm ist er auch bestimmet/ nach des hochbejahr-
ten Heliopolischen Ertzbischofs ableiben/ diese hohe und
heilige würde zu beträhten: zumahl weil er ein gebohr-
ner und selbst aus Königlichem bluhte entsprossener
Fürst ist. Hierzu kommet auch noch dieses/ daß er/
wiewohl er im ehestande lebet/ itzund vor unfruchtbar
geurteilet wird.

So hat er dan keine Leibeserben gezeuget? fiel ihr
Josef in die rede. Er hat zwar/ fuhr die Jungfrau
fort/ bei der ein seiner Gemahlinnen zwei Kinder/
ein Freulein/ und ein junges Herrlein gehabt; davon
dieses erst neulich gestorben: aber nach der zeit ist er/ wie

man
Der Aſſenat

Ja freilich iſt er/ nahm ſie ihm das wort auf/ ſo
groß/ daß er nach dem Koͤnige die dritte ſtelle beſitzet.
Er iſt nicht allein der oberſte koͤnigliche Kuͤchenmeiſter/
und der oberſte Halsrichter/ den der Koͤnig uͤber alle
gefaͤngnuͤſſe/ ja uͤber leben und tod aller ſeiner untertah-
nen zu walten und zu ſchalten geſetzt; wie ich zum teile
ſchon geſagt: ſondern er iſt/ auch ein Fuͤrſt aller fuͤrſten
aus dem Rahte des Koͤniges. Er iſt der oberſte Haupt-
man der gantzen Ritterſchaft/ und des gantzen Reichs
Mahrſchalk. Zu allen dieſen hohen wuͤrden hat ihn
ſeine fuͤrtrefliche geſchikligkeit erhoben. Dan auſſer dem/
daß ihn ſeine angebohrenheit mit den allerherꝛlichſten
gaben/ die ein ſolcher tapferer Fuͤrſt iemahls beſitzen
mag/ mildiglich ausgezieret/ iſt er auch ſo gelehrt und
erfahren in allen dingen/ daß ſeine weisheit faſt unver-
gleichlich. Dieſe ſo wohl goͤttliche als weltweisheit hat
er in ſeinen jugendjahren von den Prieſtern zu Helio-
pel
eingeſogen. Da iſt er gebohren. Unter denen iſt er
erzogen. Von denen hat er die kunde der Goͤttlichen ge-
heimnuͤſſe/ der verborgenheiten der Natur/ und alle fuͤr-
trefliche wiſſenſchaften erlanget. Mit denen hat er ſich
in ihrer heiligen Sprache geuͤbet: welches ſonſt keinem
auſſerhalb der Prieſterſchaft vergoͤnnet wird. Und
eben daruͤm iſt er auch beſtimmet/ nach des hochbejahr-
ten Heliopoliſchen Ertzbiſchofs ableiben/ dieſe hohe und
heilige wuͤrde zu betraͤhten: zumahl weil er ein gebohr-
ner und ſelbſt aus Koͤniglichem bluhte entſproſſener
Fuͤrſt iſt. Hierzu kommet auch noch dieſes/ daß er/
wiewohl er im eheſtande lebet/ itzund vor unfruchtbar
geurteilet wird.

So hat er dan keine Leibeserben gezeuget? fiel ihr
Joſef in die rede. Er hat zwar/ fuhr die Jungfrau
fort/ bei der ein ſeiner Gemahlinnen zwei Kinder/
ein Freulein/ und ein junges Herꝛlein gehabt; davon
dieſes erſt neulich geſtorben: aber nach der zeit iſt er/ wie

man
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[22/0046] Der Aſſenat Ja freilich iſt er/ nahm ſie ihm das wort auf/ ſo groß/ daß er nach dem Koͤnige die dritte ſtelle beſitzet. Er iſt nicht allein der oberſte koͤnigliche Kuͤchenmeiſter/ und der oberſte Halsrichter/ den der Koͤnig uͤber alle gefaͤngnuͤſſe/ ja uͤber leben und tod aller ſeiner untertah- nen zu walten und zu ſchalten geſetzt; wie ich zum teile ſchon geſagt: ſondern er iſt/ auch ein Fuͤrſt aller fuͤrſten aus dem Rahte des Koͤniges. Er iſt der oberſte Haupt- man der gantzen Ritterſchaft/ und des gantzen Reichs Mahrſchalk. Zu allen dieſen hohen wuͤrden hat ihn ſeine fuͤrtrefliche geſchikligkeit erhoben. Dan auſſer dem/ daß ihn ſeine angebohrenheit mit den allerherꝛlichſten gaben/ die ein ſolcher tapferer Fuͤrſt iemahls beſitzen mag/ mildiglich ausgezieret/ iſt er auch ſo gelehrt und erfahren in allen dingen/ daß ſeine weisheit faſt unver- gleichlich. Dieſe ſo wohl goͤttliche als weltweisheit hat er in ſeinen jugendjahren von den Prieſtern zu Helio- pel eingeſogen. Da iſt er gebohren. Unter denen iſt er erzogen. Von denen hat er die kunde der Goͤttlichen ge- heimnuͤſſe/ der verborgenheiten der Natur/ und alle fuͤr- trefliche wiſſenſchaften erlanget. Mit denen hat er ſich in ihrer heiligen Sprache geuͤbet: welches ſonſt keinem auſſerhalb der Prieſterſchaft vergoͤnnet wird. Und eben daruͤm iſt er auch beſtimmet/ nach des hochbejahr- ten Heliopoliſchen Ertzbiſchofs ableiben/ dieſe hohe und heilige wuͤrde zu betraͤhten: zumahl weil er ein gebohr- ner und ſelbſt aus Koͤniglichem bluhte entſproſſener Fuͤrſt iſt. Hierzu kommet auch noch dieſes/ daß er/ wiewohl er im eheſtande lebet/ itzund vor unfruchtbar geurteilet wird. So hat er dan keine Leibeserben gezeuget? fiel ihr Joſef in die rede. Er hat zwar/ fuhr die Jungfrau fort/ bei der ein ſeiner Gemahlinnen zwei Kinder/ ein Freulein/ und ein junges Herꝛlein gehabt; davon dieſes erſt neulich geſtorben: aber nach der zeit iſt er/ wie man

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/46>, abgerufen am 19.04.2024.