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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
Ich mus mir selbsten keine laus in den rok setzen. Er
mus fort! er mus fort!

Hierauf begab sich Nefrem in den königlichen Ver-
hörsaal: darinnen alles von golde und edelen steinen
flinkerte. Sonderlich vermochte kein auge den prächti-
gen Reichsstuhl/ ohne entzükkung und ohne verblen-
dung/ an zu schauen. Dieser war ein rechtes meisterstük-
ke aus dichtem golde: dem die demanten/ perlen/ rubie-
nen/ saffiere/ und andere köstliche steine seinen glantz
gleich als mit helleuchtenden feuerstrahlen vermehre-
ten. Rund herüm/ ja oben und unten war er mit aller-
hand künstlichen bildwerken gezieret. Dieses alles hat-
te/ nach der geheimen Egiptischen bilderschrift/ seine
sonderliche bedeutung. Unter allen aber deutete der
große güldene Krokodil/ der gerade über des Königes
heupte schwebete/ auf den König selbsten/ als aller Egip-
tischen Könige sinbild. Daher ward auch so wohl die-
ser Nefrem/ als viel andere Egiptische Könige vor
und nach ihm eine lange zeit/ Farao/ welches auf
Arabisch ein Krokodil heisset/ gemeiniglich genennet.

Alhier war es/ da der König der Ismaeler geschenke
empfing. Zu allererst ward ihm Josef/ als das aller-
edleste und allerköstlichste/ überreichet. Darnach folge-
ten die andern. Hierunter war das Königliche über-
aus künstlich mit golde durchwürkte Stahtskleid das
fürnehmste. Die güldene Krohne schätzte man nicht
viel geringer. Auch waren die anderen schatzstükke ei-
nes so hohen währtes/ daß sie vor königliche geschenke
wohl bestehen mochten. Musai/ ein gebohrner und
vieler sprachen kündiger Elamiet/ führete/ als der gan-
tzen Gespanschaft heupt/ das wort.

Gnädigster König/ sagte er/ alhier erscheinen
Seiner Majestäht untertänigste knechte vor
Seinem gnädigsten angesichte/ unsere schul-
digkeit demühtigst abzulegen. Wir bringen aus

unse-

Der Aſſenat
Ich mus mir ſelbſten keine laus in den rok ſetzen. Er
mus fort! er mus fort!

Hierauf begab ſich Nefrem in den koͤniglichen Ver-
hoͤrſaal: darinnen alles von golde und edelen ſteinen
flinkerte. Sonderlich vermochte kein auge den praͤchti-
gen Reichsſtuhl/ ohne entzuͤkkung und ohne verblen-
dung/ an zu ſchauen. Dieſer war ein rechtes meiſterſtuͤk-
ke aus dichtem golde: dem die demanten/ perlen/ rubie-
nen/ ſaffiere/ und andere koͤſtliche ſteine ſeinen glantz
gleich als mit helleuchtenden feuerſtrahlen vermehre-
ten. Rund heruͤm/ ja oben und unten war er mit aller-
hand kuͤnſtlichen bildwerken gezieret. Dieſes alles hat-
te/ nach der geheimen Egiptiſchen bilderſchrift/ ſeine
ſonderliche bedeutung. Unter allen aber deutete der
große guͤldene Krokodil/ der gerade uͤber des Koͤniges
heupte ſchwebete/ auf den Koͤnig ſelbſten/ als aller Egip-
tiſchen Koͤnige ſinbild. Daher ward auch ſo wohl die-
ſer Nefrem/ als viel andere Egiptiſche Koͤnige vor
und nach ihm eine lange zeit/ Farao/ welches auf
Arabiſch ein Krokodil heiſſet/ gemeiniglich genennet.

Alhier war es/ da der Koͤnig der Iſmaeler geſchenke
empfing. Zu allererſt ward ihm Joſef/ als das aller-
edleſte und allerkoͤſtlichſte/ uͤberreichet. Darnach folge-
ten die andern. Hierunter war das Koͤnigliche uͤber-
aus kuͤnſtlich mit golde durchwuͤrkte Stahtskleid das
fuͤrnehmſte. Die guͤldene Krohne ſchaͤtzte man nicht
viel geringer. Auch waren die anderen ſchatzſtuͤkke ei-
nes ſo hohen waͤhrtes/ daß ſie vor koͤnigliche geſchenke
wohl beſtehen mochten. Muſai/ ein gebohrner und
vieler ſprachen kuͤndiger Elamiet/ fuͤhrete/ als der gan-
tzen Geſpanſchaft heupt/ das wort.

Gnaͤdigſter Koͤnig/ ſagte er/ alhier erſcheinen
Seiner Majeſtaͤht untertaͤnigſte knechte vor
Seinem gnaͤdigſten angeſichte/ unſere ſchul-
digkeit demuͤhtigſt abzulegen. Wir bringen aus

unſe-
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[12/0036] Der Aſſenat Ich mus mir ſelbſten keine laus in den rok ſetzen. Er mus fort! er mus fort! Hierauf begab ſich Nefrem in den koͤniglichen Ver- hoͤrſaal: darinnen alles von golde und edelen ſteinen flinkerte. Sonderlich vermochte kein auge den praͤchti- gen Reichsſtuhl/ ohne entzuͤkkung und ohne verblen- dung/ an zu ſchauen. Dieſer war ein rechtes meiſterſtuͤk- ke aus dichtem golde: dem die demanten/ perlen/ rubie- nen/ ſaffiere/ und andere koͤſtliche ſteine ſeinen glantz gleich als mit helleuchtenden feuerſtrahlen vermehre- ten. Rund heruͤm/ ja oben und unten war er mit aller- hand kuͤnſtlichen bildwerken gezieret. Dieſes alles hat- te/ nach der geheimen Egiptiſchen bilderſchrift/ ſeine ſonderliche bedeutung. Unter allen aber deutete der große guͤldene Krokodil/ der gerade uͤber des Koͤniges heupte ſchwebete/ auf den Koͤnig ſelbſten/ als aller Egip- tiſchen Koͤnige ſinbild. Daher ward auch ſo wohl die- ſer Nefrem/ als viel andere Egiptiſche Koͤnige vor und nach ihm eine lange zeit/ Farao/ welches auf Arabiſch ein Krokodil heiſſet/ gemeiniglich genennet. Alhier war es/ da der Koͤnig der Iſmaeler geſchenke empfing. Zu allererſt ward ihm Joſef/ als das aller- edleſte und allerkoͤſtlichſte/ uͤberreichet. Darnach folge- ten die andern. Hierunter war das Koͤnigliche uͤber- aus kuͤnſtlich mit golde durchwuͤrkte Stahtskleid das fuͤrnehmſte. Die guͤldene Krohne ſchaͤtzte man nicht viel geringer. Auch waren die anderen ſchatzſtuͤkke ei- nes ſo hohen waͤhrtes/ daß ſie vor koͤnigliche geſchenke wohl beſtehen mochten. Muſai/ ein gebohrner und vieler ſprachen kuͤndiger Elamiet/ fuͤhrete/ als der gan- tzen Geſpanſchaft heupt/ das wort. Gnaͤdigſter Koͤnig/ ſagte er/ alhier erſcheinen Seiner Majeſtaͤht untertaͤnigſte knechte vor Seinem gnaͤdigſten angeſichte/ unſere ſchul- digkeit demuͤhtigſt abzulegen. Wir bringen aus unſe-

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/36>, abgerufen am 28.03.2024.