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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
gestirne der allerliebseeligsten augen/ wiewohl mit züch-
tigen blikken/ so weit und mit solcher kraft herüm/ daß
sie durch aller anschauer hertzen straks hindrungen. Ja
was wollen wir von ihrem sterblichen/ wiewohl aller-
schönstem Leibe/ und von den allerlieblichsten leibes glie-
dern viel sagen? Er war nur ein bloßes vergängliches
bild/ und hinfälliges haus ihrer unsterblichen noch tau-
sendmahl schöneren Seele. Hieraus liessen sich/ als
aus einem spiegel/ alle tugenden/ die eines Frauenzim-
mers seele iemahls besessen/ hauffenweise schauen.
Hieraus brachen herfür/ als mit einem hellen blitze/ die
recht himlische schönheiten. Hierdurch überwand sie
die allerhärtesten hertzen. Hierdurch besänftigte sie die
allerrauesten gemühter. Hierdurch begühtigte sie die
allerboßhaftigsten geister. Ja hierdurch zog sie aller
menschen gunst und gewogenheit auf ihre seite. Mit
einem worte zu sagen/ Rahel/ die Mutter des schö-
nen Josefs/ war mit so fürtreflichen/ so wohl in- als
aus-wendigen schönheiten dermaßen ausgezieret/ daß
Jakob sich nicht verdriessen lies vierzehen gantzer jah-
re/ wie verdrieslich auch sonsten sein dienst immer-
mehr war/ üm solch-einen köstlichen schatz zu dienen.
Ja er bekante es selbsten/ daß ihm alle diese jahre an-
ders nicht als einzele tage gedeuchtet.

Weil nun Josefs Mutter/ Großmutter/ und Vor-
großmutter/ die alle drei aus einem und eben demselben
geschlechte entsprossen/ welches zu der zeit den preis der
schönheit vor andern verdienete/ so gar schöne gewesen:
warüm wolte man sich dan viel verwundern/ daß der
zweig seinem stamme nachgeahrtet/ und die frucht
nicht weit vom stokke gefallen; indem dieser schöne
Ebreer von seinen drei schönen Müttern solche wunder-
würdige schönheit gewonnen?

Daß aber des Tahre/ oder/ wie ihn die Araber nen-
nen/ Asars/ Abrahams vaters/ Nachkommen vor

allen

Der Aſſenat
geſtirne der allerliebſeeligſten augen/ wiewohl mit zuͤch-
tigen blikken/ ſo weit und mit ſolcher kraft heruͤm/ daß
ſie durch aller anſchauer hertzen ſtraks hindrungen. Ja
was wollen wir von ihrem ſterblichen/ wiewohl aller-
ſchoͤnſtem Leibe/ und von den allerlieblichſten leibes glie-
dern viel ſagen? Er war nur ein bloßes vergaͤngliches
bild/ und hinfaͤlliges haus ihrer unſterblichen noch tau-
ſendmahl ſchoͤneren Seele. Hieraus lieſſen ſich/ als
aus einem ſpiegel/ alle tugenden/ die eines Frauenzim-
mers ſeele iemahls beſeſſen/ hauffenweiſe ſchauen.
Hieraus brachen herfuͤr/ als mit einem hellen blitze/ die
recht himliſche ſchoͤnheiten. Hierdurch uͤberwand ſie
die allerhaͤrteſten hertzen. Hierdurch beſaͤnftigte ſie die
allerraueſten gemuͤhter. Hierdurch beguͤhtigte ſie die
allerboßhaftigſten geiſter. Ja hierdurch zog ſie aller
menſchen gunſt und gewogenheit auf ihre ſeite. Mit
einem worte zu ſagen/ Rahel/ die Mutter des ſchoͤ-
nen Joſefs/ war mit ſo fuͤrtreflichen/ ſo wohl in- als
aus-wendigen ſchoͤnheiten dermaßen ausgezieret/ daß
Jakob ſich nicht verdrieſſen lies vierzehen gantzer jah-
re/ wie verdrieslich auch ſonſten ſein dienſt immer-
mehr war/ uͤm ſolch-einen koͤſtlichen ſchatz zu dienen.
Ja er bekante es ſelbſten/ daß ihm alle dieſe jahre an-
ders nicht als einzele tage gedeuchtet.

Weil nun Joſefs Mutter/ Großmutter/ und Vor-
großmutter/ die alle drei aus einem und eben demſelben
geſchlechte entſproſſen/ welches zu der zeit den preis der
ſchoͤnheit vor andern verdienete/ ſo gar ſchoͤne geweſen:
waruͤm wolte man ſich dan viel verwundern/ daß der
zweig ſeinem ſtamme nachgeahrtet/ und die frucht
nicht weit vom ſtokke gefallen; indem dieſer ſchoͤne
Ebreer von ſeinen drei ſchoͤnen Muͤttern ſolche wunder-
wuͤrdige ſchoͤnheit gewonnen?

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nen/ Aſars/ Abrahams vaters/ Nachkommen vor

allen
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[6/0030] Der Aſſenat geſtirne der allerliebſeeligſten augen/ wiewohl mit zuͤch- tigen blikken/ ſo weit und mit ſolcher kraft heruͤm/ daß ſie durch aller anſchauer hertzen ſtraks hindrungen. Ja was wollen wir von ihrem ſterblichen/ wiewohl aller- ſchoͤnſtem Leibe/ und von den allerlieblichſten leibes glie- dern viel ſagen? Er war nur ein bloßes vergaͤngliches bild/ und hinfaͤlliges haus ihrer unſterblichen noch tau- ſendmahl ſchoͤneren Seele. Hieraus lieſſen ſich/ als aus einem ſpiegel/ alle tugenden/ die eines Frauenzim- mers ſeele iemahls beſeſſen/ hauffenweiſe ſchauen. Hieraus brachen herfuͤr/ als mit einem hellen blitze/ die recht himliſche ſchoͤnheiten. Hierdurch uͤberwand ſie die allerhaͤrteſten hertzen. Hierdurch beſaͤnftigte ſie die allerraueſten gemuͤhter. Hierdurch beguͤhtigte ſie die allerboßhaftigſten geiſter. Ja hierdurch zog ſie aller menſchen gunſt und gewogenheit auf ihre ſeite. Mit einem worte zu ſagen/ Rahel/ die Mutter des ſchoͤ- nen Joſefs/ war mit ſo fuͤrtreflichen/ ſo wohl in- als aus-wendigen ſchoͤnheiten dermaßen ausgezieret/ daß Jakob ſich nicht verdrieſſen lies vierzehen gantzer jah- re/ wie verdrieslich auch ſonſten ſein dienſt immer- mehr war/ uͤm ſolch-einen koͤſtlichen ſchatz zu dienen. Ja er bekante es ſelbſten/ daß ihm alle dieſe jahre an- ders nicht als einzele tage gedeuchtet. Weil nun Joſefs Mutter/ Großmutter/ und Vor- großmutter/ die alle drei aus einem und eben demſelben geſchlechte entſproſſen/ welches zu der zeit den preis der ſchoͤnheit vor andern verdienete/ ſo gar ſchoͤne geweſen: waruͤm wolte man ſich dan viel verwundern/ daß der zweig ſeinem ſtamme nachgeahrtet/ und die frucht nicht weit vom ſtokke gefallen; indem dieſer ſchoͤne Ebreer von ſeinen drei ſchoͤnen Muͤttern ſolche wunder- wuͤrdige ſchoͤnheit gewonnen? Daß aber des Tahre/ oder/ wie ihn die Araber nen- nen/ Aſars/ Abrahams vaters/ Nachkommen vor allen

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/30>, abgerufen am 25.04.2024.