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Zeller, Carl August: Grundlinien der Turnkunst. Königsberg, 1817.

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chen der Städter, den die Werkstatt einschließt,
ihn beneiden muß und dem Jüngling, der als
Hirtenjunge so manche Nacht auf dem Felde um-
herzog, wird ein Erdlager minder beschwerlich
seyn, als dem, der sie am Schreibtisch durch-
wachte. Damit ist Viel, aber nicht Alles ge-
wonnen. Die "steifen Knochen," worüber
die Unterofficiere fluchen, müssen gelenkiger wer-
den. Behendigkeit, Gewandheit, daran fehlts,
und auf dem Exercierplatze wird nimmer gefun-
den, was nur auf dem Turnplatze zu haben ist.
Die Jünglinge, welche an dem Alpenhirtenfeste
bey Jnterlachen (Kanton Bern) vor Tausenden
auftreten, ihre Kraft und Gewandheit zu er-
proben, sind Hirten, keine Bauern.

Schullehrer! Das Mindeste, was unsere
Vaterlandsvertheidiger verdienten, ist das Be-
wußtseyn, nicht vergebens gekämpft und gelitten
zu haben. Sie müssen die Freude erleben, ein-
zusehen, die Zeit, deren Zeichen sie so hart em-
pfunden, könne nicht wiederkehren, und es ärnd-
ten nun ihre Nachkommen, was unter Nacht-
wachen, Müh' und Schweiß, Blut und Schmerz
sie gesäet!

Auch soll ja nichts Unmögliches noch Uner-

chen der Staͤdter, den die Werkſtatt einſchließt,
ihn beneiden muß und dem Juͤngling, der als
Hirtenjunge ſo manche Nacht auf dem Felde um-
herzog, wird ein Erdlager minder beſchwerlich
ſeyn, als dem, der ſie am Schreibtiſch durch-
wachte. Damit iſt Viel, aber nicht Alles ge-
wonnen. Die „ſteifen Knochen,‟ woruͤber
die Unterofficiere fluchen, muͤſſen gelenkiger wer-
den. Behendigkeit, Gewandheit, daran fehlts,
und auf dem Exercierplatze wird nimmer gefun-
den, was nur auf dem Turnplatze zu haben iſt.
Die Juͤnglinge, welche an dem Alpenhirtenfeſte
bey Jnterlachen (Kanton Bern) vor Tauſenden
auftreten, ihre Kraft und Gewandheit zu er-
proben, ſind Hirten, keine Bauern.

Schullehrer! Das Mindeſte, was unſere
Vaterlandsvertheidiger verdienten, iſt das Be-
wußtſeyn, nicht vergebens gekaͤmpft und gelitten
zu haben. Sie muͤſſen die Freude erleben, ein-
zuſehen, die Zeit, deren Zeichen ſie ſo hart em-
pfunden, koͤnne nicht wiederkehren, und es aͤrnd-
ten nun ihre Nachkommen, was unter Nacht-
wachen, Muͤh’ und Schweiß, Blut und Schmerz
ſie geſaͤet!

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[6/0010] chen der Staͤdter, den die Werkſtatt einſchließt, ihn beneiden muß und dem Juͤngling, der als Hirtenjunge ſo manche Nacht auf dem Felde um- herzog, wird ein Erdlager minder beſchwerlich ſeyn, als dem, der ſie am Schreibtiſch durch- wachte. Damit iſt Viel, aber nicht Alles ge- wonnen. Die „ſteifen Knochen,‟ woruͤber die Unterofficiere fluchen, muͤſſen gelenkiger wer- den. Behendigkeit, Gewandheit, daran fehlts, und auf dem Exercierplatze wird nimmer gefun- den, was nur auf dem Turnplatze zu haben iſt. Die Juͤnglinge, welche an dem Alpenhirtenfeſte bey Jnterlachen (Kanton Bern) vor Tauſenden auftreten, ihre Kraft und Gewandheit zu er- proben, ſind Hirten, keine Bauern. Schullehrer! Das Mindeſte, was unſere Vaterlandsvertheidiger verdienten, iſt das Be- wußtſeyn, nicht vergebens gekaͤmpft und gelitten zu haben. Sie muͤſſen die Freude erleben, ein- zuſehen, die Zeit, deren Zeichen ſie ſo hart em- pfunden, koͤnne nicht wiederkehren, und es aͤrnd- ten nun ihre Nachkommen, was unter Nacht- wachen, Muͤh’ und Schweiß, Blut und Schmerz ſie geſaͤet! Auch ſoll ja nichts Unmoͤgliches noch Uner-

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Zitationshilfe: Zeller, Carl August: Grundlinien der Turnkunst. Königsberg, 1817, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zeller_turnkunst_1817/10>, abgerufen am 29.03.2024.