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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von den durch die Schwerkraft erzeugten Bewegungen der festen Körper.
Componente der nämlichen Kraft gleich m q. Man ersieht hieraus
unmittelbar, dass die beschleunigende Kraft abnimmt proportional der
Annäherung an die Gleichgewichtslage o f, und dass sie in dieser
selbst null wird, was wir auch bei der allgemeinen Erörterung der
Schwingungsbewegungen schon bewiesen haben. Doch ist dieses Ge-
setz bei dem Pendel schon desshalb nur für kleine Schwingungsampli-
tuden gültig, weil hier die Schwingung in einem Bogen geschieht, so
dass, wie man sich durch die Anschauung überzeugt, die Annäherung
des Punktes a an den Punkt f nicht völlig proportional der schon durch-
laufenen Bahn zunimmt, sondern für das gleiche Bogenstück a f von
a nach m grösser ist als von m nach f. Es gilt daher hier dieses
Gesetz nur wenn die Bogen so klein sind, dass sie nahezu mit ihren
Sehnen zusammenfallen, was bei den meisten Beobachtungen, in de-
nen man das Pendel anwendet, in der That der Fall ist. Unter die-
ser Voraussetzung lässt sich aus der proportional der Annäherung an
die Gleichgewichtslage eintretenden Abnahme der beschleunigenden
Kraft unmittelbar die wichtige Folgerung ziehen, dass die Schwingungs-
dauer unabhängig von der Schwingungsamplitude ist, oder dass die
Schwingungen des Pendels isochron sind.

Bei der Untersuchung des Falls auf der schiefen Ebene haben
wir gefunden, dass die von dem schweren Körper erlangte Endge-
schwindigkeit gleich derjenigen Geschwindigkeit ist, welche der Kör-
per erlangt haben würde, wenn er die nämliche Höhe frei in vertica-
ler Richtung herabgefallen wäre. Uebertragen wir dies auf die Be-
wegung des Pendels, so muss der schwere Punkt, nachdem er die
Bahn a f zurückgelegt hat, in f die nämliche Geschwindigkeit besitzen,
als wenn er den Weg i f im freien Fall zurückgelegt hätte. Der
Fallraum i f ist nun, wie wir früher fanden, gleich 1/2 g t2, wenn mit
g die Beschleunigung durch die Schwere und mit t die zur Zurück-
legung des Weges i f gebrauchte Zeit bezeichnet wird. Vergleichen
wir aber mehrere Pendel von verschiedener Länge bei gleich bleiben-
der Schwingungsamplitude, so werden auch die Höhen i f verschieden,
und zwar verhalten sie sich augenscheinlich wie die Längen der ver-
glichenen Pendel. Da die Fallräume wachsen wie die Quadrate der
Fallzeiten und den letztern offenbar die Schwingungszeiten der Pen-
del proportional sind, so folgt hieraus, dass sich auch die Pendel-
längen verhalten müssen wie die Quadrate der Schwingungszeiten,
oder dass die Schwingungszeiten der Pendel sich verhal-
ten wie die Quadratwurzeln der Pendellängen
.

Die Gesetze vom Isochronismus kleiner Schwingungen und von
der Zunahme der Schwingungsdauer mit der Quadratwurzel der Pen-
dellänge lassen sich leicht in der Erfahrung bestätigen. Lässt man
mehrere Pendel neben einander schwingen, deren Längen sich wie
1, 4, 9 verhalten, so stehen die Schwingungszeiten derselben im Ver-

Von den durch die Schwerkraft erzeugten Bewegungen der festen Körper.
Componente der nämlichen Kraft gleich m q. Man ersieht hieraus
unmittelbar, dass die beschleunigende Kraft abnimmt proportional der
Annäherung an die Gleichgewichtslage o f, und dass sie in dieser
selbst null wird, was wir auch bei der allgemeinen Erörterung der
Schwingungsbewegungen schon bewiesen haben. Doch ist dieses Ge-
setz bei dem Pendel schon desshalb nur für kleine Schwingungsampli-
tuden gültig, weil hier die Schwingung in einem Bogen geschieht, so
dass, wie man sich durch die Anschauung überzeugt, die Annäherung
des Punktes a an den Punkt f nicht völlig proportional der schon durch-
laufenen Bahn zunimmt, sondern für das gleiche Bogenstück a f von
a nach m grösser ist als von m nach f. Es gilt daher hier dieses
Gesetz nur wenn die Bogen so klein sind, dass sie nahezu mit ihren
Sehnen zusammenfallen, was bei den meisten Beobachtungen, in de-
nen man das Pendel anwendet, in der That der Fall ist. Unter die-
ser Voraussetzung lässt sich aus der proportional der Annäherung an
die Gleichgewichtslage eintretenden Abnahme der beschleunigenden
Kraft unmittelbar die wichtige Folgerung ziehen, dass die Schwingungs-
dauer unabhängig von der Schwingungsamplitude ist, oder dass die
Schwingungen des Pendels isochron sind.

Bei der Untersuchung des Falls auf der schiefen Ebene haben
wir gefunden, dass die von dem schweren Körper erlangte Endge-
schwindigkeit gleich derjenigen Geschwindigkeit ist, welche der Kör-
per erlangt haben würde, wenn er die nämliche Höhe frei in vertica-
ler Richtung herabgefallen wäre. Uebertragen wir dies auf die Be-
wegung des Pendels, so muss der schwere Punkt, nachdem er die
Bahn a f zurückgelegt hat, in f die nämliche Geschwindigkeit besitzen,
als wenn er den Weg i f im freien Fall zurückgelegt hätte. Der
Fallraum i f ist nun, wie wir früher fanden, gleich ½ g t2, wenn mit
g die Beschleunigung durch die Schwere und mit t die zur Zurück-
legung des Weges i f gebrauchte Zeit bezeichnet wird. Vergleichen
wir aber mehrere Pendel von verschiedener Länge bei gleich bleiben-
der Schwingungsamplitude, so werden auch die Höhen i f verschieden,
und zwar verhalten sie sich augenscheinlich wie die Längen der ver-
glichenen Pendel. Da die Fallräume wachsen wie die Quadrate der
Fallzeiten und den letztern offenbar die Schwingungszeiten der Pen-
del proportional sind, so folgt hieraus, dass sich auch die Pendel-
längen verhalten müssen wie die Quadrate der Schwingungszeiten,
oder dass die Schwingungszeiten der Pendel sich verhal-
ten wie die Quadratwurzeln der Pendellängen
.

Die Gesetze vom Isochronismus kleiner Schwingungen und von
der Zunahme der Schwingungsdauer mit der Quadratwurzel der Pen-
dellänge lassen sich leicht in der Erfahrung bestätigen. Lässt man
mehrere Pendel neben einander schwingen, deren Längen sich wie
1, 4, 9 verhalten, so stehen die Schwingungszeiten derselben im Ver-

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[77/0099] Von den durch die Schwerkraft erzeugten Bewegungen der festen Körper. Componente der nämlichen Kraft gleich m q. Man ersieht hieraus unmittelbar, dass die beschleunigende Kraft abnimmt proportional der Annäherung an die Gleichgewichtslage o f, und dass sie in dieser selbst null wird, was wir auch bei der allgemeinen Erörterung der Schwingungsbewegungen schon bewiesen haben. Doch ist dieses Ge- setz bei dem Pendel schon desshalb nur für kleine Schwingungsampli- tuden gültig, weil hier die Schwingung in einem Bogen geschieht, so dass, wie man sich durch die Anschauung überzeugt, die Annäherung des Punktes a an den Punkt f nicht völlig proportional der schon durch- laufenen Bahn zunimmt, sondern für das gleiche Bogenstück a f von a nach m grösser ist als von m nach f. Es gilt daher hier dieses Gesetz nur wenn die Bogen so klein sind, dass sie nahezu mit ihren Sehnen zusammenfallen, was bei den meisten Beobachtungen, in de- nen man das Pendel anwendet, in der That der Fall ist. Unter die- ser Voraussetzung lässt sich aus der proportional der Annäherung an die Gleichgewichtslage eintretenden Abnahme der beschleunigenden Kraft unmittelbar die wichtige Folgerung ziehen, dass die Schwingungs- dauer unabhängig von der Schwingungsamplitude ist, oder dass die Schwingungen des Pendels isochron sind. Bei der Untersuchung des Falls auf der schiefen Ebene haben wir gefunden, dass die von dem schweren Körper erlangte Endge- schwindigkeit gleich derjenigen Geschwindigkeit ist, welche der Kör- per erlangt haben würde, wenn er die nämliche Höhe frei in vertica- ler Richtung herabgefallen wäre. Uebertragen wir dies auf die Be- wegung des Pendels, so muss der schwere Punkt, nachdem er die Bahn a f zurückgelegt hat, in f die nämliche Geschwindigkeit besitzen, als wenn er den Weg i f im freien Fall zurückgelegt hätte. Der Fallraum i f ist nun, wie wir früher fanden, gleich ½ g t2, wenn mit g die Beschleunigung durch die Schwere und mit t die zur Zurück- legung des Weges i f gebrauchte Zeit bezeichnet wird. Vergleichen wir aber mehrere Pendel von verschiedener Länge bei gleich bleiben- der Schwingungsamplitude, so werden auch die Höhen i f verschieden, und zwar verhalten sie sich augenscheinlich wie die Längen der ver- glichenen Pendel. Da die Fallräume wachsen wie die Quadrate der Fallzeiten und den letztern offenbar die Schwingungszeiten der Pen- del proportional sind, so folgt hieraus, dass sich auch die Pendel- längen verhalten müssen wie die Quadrate der Schwingungszeiten, oder dass die Schwingungszeiten der Pendel sich verhal- ten wie die Quadratwurzeln der Pendellängen. Die Gesetze vom Isochronismus kleiner Schwingungen und von der Zunahme der Schwingungsdauer mit der Quadratwurzel der Pen- dellänge lassen sich leicht in der Erfahrung bestätigen. Lässt man mehrere Pendel neben einander schwingen, deren Längen sich wie 1, 4, 9 verhalten, so stehen die Schwingungszeiten derselben im Ver-

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/99>, abgerufen am 19.04.2024.