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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von der Schwere.
Grösse der Elasticität verschiedener Körper kann dann verglichen
werden, indem man diejenigen Gewichte ermittelt, welche, wenn die
Körper gleiche Länge und gleichen Querschnitt besitzen, die gleiche
Dehnung hervorbringen. Man ist übereingekommen, dasjenige Ge-
wicht, durch das ein Körper, dessen Querschnitt und dessen Länge
= 1 ist, die Verlängerung 1 erfahren würde, oder mit andern Wor-
ten dasjenige Gewicht, welches die Länge eines Körpers von der Ein-
heit des Querschnitts verdoppeln würde, als den Elasticitäts-
coefficienten
zu bezeichnen und mit diesem Coefficienten die Grösse
der Elasticität der Körper auszudrücken. Für die Bestimmung dessel-
ben ist es gleichgültig, welche Einheit der Länge man wählt. Ob ein
Körper nur 1 Millim. oder 1 Meter lang ist, um seine Länge zu ver-
doppeln, ist, vorausgesetzt dass der Querschnitt derselbe bleibt, immer
das nämliche Gewicht nöthig; der Stab, der 1 Meter lang ist, besteht
ja aus 1000 Theilen von je 1 Millim. Länge, an deren jedem das Ge-
wicht zieht, und soll der ganze Stab um 1 Meter gedehnt werden, so
muss eben jeder tausendste Theil um 1 Millim. gedehnt werden. Da-
gegen ist es natürlich nicht gleichgültig, welche Einheit des Quer-
schnitts gewählt wurde. Sollen zwei gleich lange Stäbe, von denen
der eine 1 Quadratmillimeter, der andere 1 Quadratcentimeter im
Querschnitt hat, sich um gleich viel verlängern, so muss man an den
letzteren ein zehnmal so grosses Gewicht hängen, denn man könnte
ihm ja zehn Stäbe von je 1 Quadratmillim. Querschnitt substituiren.
Um also den Elasticitätscoefficienten in dem oben angegebenen Sinne
festzustellen, muss gesagt werden, auf welche Einheit des Quer-
schnitts und auf welche Einheit des Gewichts man ihn bezieht. Zur
ersteren wählt man in der Regel das Quadratmillimeter, zur letzteren
das Kilogramm. Wenn demnach z. B. der Elasticitätscoefficient für
Stahl 18600, für Silber 7300 beträgt, so bedeutet dies, dass Drähte
dieser Metalle von 1 # Millim. Querschnitt durch 18600 und 7300
Kilogr. auf das Doppelte ihrer Länge ausgedehnt werden. Es ist
übrigens selbstverständlich, dass man so bedeutende Dehnungen nicht
ausführen kann. Die meisten Körper würden bei weit geringeren Be-
lastungen schon zerreissen. Aber da nach dem Elasticitätsgesetz die
Dehnungen proportional den angehängten Gewichten sind, so kann
man leicht aus der Dehnung, die ein Körper von bestimmtem Quer-
schnitt durch ein beliebiges Gewicht erfährt, dasjenige Gewicht, wel-
ches seine Länge verdoppeln würde, d. h. den Elasticitätscoefficienten,
berechnen.

Zur Bestimmung der Elasticität fester Körper kann man sich noch anderer Me-
thoden bedienen, welche sich auf die in §. 27 u. f. erörterten Gesetze der Schwingungen
gründen. Wenn man einen Körper rasch ausdehnt und dann mit der dehnenden Kraft
nachlässt, so kehrt er nicht plötzlich wieder in seine frühere Länge zurück, sondern
er vollführt einige Zeit Schwingungen um die frühere Gleichgewichtslage. Wie der

Von der Schwere.
Grösse der Elasticität verschiedener Körper kann dann verglichen
werden, indem man diejenigen Gewichte ermittelt, welche, wenn die
Körper gleiche Länge und gleichen Querschnitt besitzen, die gleiche
Dehnung hervorbringen. Man ist übereingekommen, dasjenige Ge-
wicht, durch das ein Körper, dessen Querschnitt und dessen Länge
= 1 ist, die Verlängerung 1 erfahren würde, oder mit andern Wor-
ten dasjenige Gewicht, welches die Länge eines Körpers von der Ein-
heit des Querschnitts verdoppeln würde, als den Elasticitäts-
coëfficienten
zu bezeichnen und mit diesem Coëfficienten die Grösse
der Elasticität der Körper auszudrücken. Für die Bestimmung dessel-
ben ist es gleichgültig, welche Einheit der Länge man wählt. Ob ein
Körper nur 1 Millim. oder 1 Meter lang ist, um seine Länge zu ver-
doppeln, ist, vorausgesetzt dass der Querschnitt derselbe bleibt, immer
das nämliche Gewicht nöthig; der Stab, der 1 Meter lang ist, besteht
ja aus 1000 Theilen von je 1 Millim. Länge, an deren jedem das Ge-
wicht zieht, und soll der ganze Stab um 1 Meter gedehnt werden, so
muss eben jeder tausendste Theil um 1 Millim. gedehnt werden. Da-
gegen ist es natürlich nicht gleichgültig, welche Einheit des Quer-
schnitts gewählt wurde. Sollen zwei gleich lange Stäbe, von denen
der eine 1 Quadratmillimeter, der andere 1 Quadratcentimeter im
Querschnitt hat, sich um gleich viel verlängern, so muss man an den
letzteren ein zehnmal so grosses Gewicht hängen, denn man könnte
ihm ja zehn Stäbe von je 1 Quadratmillim. Querschnitt substituiren.
Um also den Elasticitätscoëfficienten in dem oben angegebenen Sinne
festzustellen, muss gesagt werden, auf welche Einheit des Quer-
schnitts und auf welche Einheit des Gewichts man ihn bezieht. Zur
ersteren wählt man in der Regel das Quadratmillimeter, zur letzteren
das Kilogramm. Wenn demnach z. B. der Elasticitätscoëfficient für
Stahl 18600, für Silber 7300 beträgt, so bedeutet dies, dass Drähte
dieser Metalle von 1 □ Millim. Querschnitt durch 18600 und 7300
Kilogr. auf das Doppelte ihrer Länge ausgedehnt werden. Es ist
übrigens selbstverständlich, dass man so bedeutende Dehnungen nicht
ausführen kann. Die meisten Körper würden bei weit geringeren Be-
lastungen schon zerreissen. Aber da nach dem Elasticitätsgesetz die
Dehnungen proportional den angehängten Gewichten sind, so kann
man leicht aus der Dehnung, die ein Körper von bestimmtem Quer-
schnitt durch ein beliebiges Gewicht erfährt, dasjenige Gewicht, wel-
ches seine Länge verdoppeln würde, d. h. den Elasticitätscoëfficienten,
berechnen.

Zur Bestimmung der Elasticität fester Körper kann man sich noch anderer Me-
thoden bedienen, welche sich auf die in §. 27 u. f. erörterten Gesetze der Schwingungen
gründen. Wenn man einen Körper rasch ausdehnt und dann mit der dehnenden Kraft
nachlässt, so kehrt er nicht plötzlich wieder in seine frühere Länge zurück, sondern
er vollführt einige Zeit Schwingungen um die frühere Gleichgewichtslage. Wie der

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[64/0086] Von der Schwere. Grösse der Elasticität verschiedener Körper kann dann verglichen werden, indem man diejenigen Gewichte ermittelt, welche, wenn die Körper gleiche Länge und gleichen Querschnitt besitzen, die gleiche Dehnung hervorbringen. Man ist übereingekommen, dasjenige Ge- wicht, durch das ein Körper, dessen Querschnitt und dessen Länge = 1 ist, die Verlängerung 1 erfahren würde, oder mit andern Wor- ten dasjenige Gewicht, welches die Länge eines Körpers von der Ein- heit des Querschnitts verdoppeln würde, als den Elasticitäts- coëfficienten zu bezeichnen und mit diesem Coëfficienten die Grösse der Elasticität der Körper auszudrücken. Für die Bestimmung dessel- ben ist es gleichgültig, welche Einheit der Länge man wählt. Ob ein Körper nur 1 Millim. oder 1 Meter lang ist, um seine Länge zu ver- doppeln, ist, vorausgesetzt dass der Querschnitt derselbe bleibt, immer das nämliche Gewicht nöthig; der Stab, der 1 Meter lang ist, besteht ja aus 1000 Theilen von je 1 Millim. Länge, an deren jedem das Ge- wicht zieht, und soll der ganze Stab um 1 Meter gedehnt werden, so muss eben jeder tausendste Theil um 1 Millim. gedehnt werden. Da- gegen ist es natürlich nicht gleichgültig, welche Einheit des Quer- schnitts gewählt wurde. Sollen zwei gleich lange Stäbe, von denen der eine 1 Quadratmillimeter, der andere 1 Quadratcentimeter im Querschnitt hat, sich um gleich viel verlängern, so muss man an den letzteren ein zehnmal so grosses Gewicht hängen, denn man könnte ihm ja zehn Stäbe von je 1 Quadratmillim. Querschnitt substituiren. Um also den Elasticitätscoëfficienten in dem oben angegebenen Sinne festzustellen, muss gesagt werden, auf welche Einheit des Quer- schnitts und auf welche Einheit des Gewichts man ihn bezieht. Zur ersteren wählt man in der Regel das Quadratmillimeter, zur letzteren das Kilogramm. Wenn demnach z. B. der Elasticitätscoëfficient für Stahl 18600, für Silber 7300 beträgt, so bedeutet dies, dass Drähte dieser Metalle von 1 □ Millim. Querschnitt durch 18600 und 7300 Kilogr. auf das Doppelte ihrer Länge ausgedehnt werden. Es ist übrigens selbstverständlich, dass man so bedeutende Dehnungen nicht ausführen kann. Die meisten Körper würden bei weit geringeren Be- lastungen schon zerreissen. Aber da nach dem Elasticitätsgesetz die Dehnungen proportional den angehängten Gewichten sind, so kann man leicht aus der Dehnung, die ein Körper von bestimmtem Quer- schnitt durch ein beliebiges Gewicht erfährt, dasjenige Gewicht, wel- ches seine Länge verdoppeln würde, d. h. den Elasticitätscoëfficienten, berechnen. Zur Bestimmung der Elasticität fester Körper kann man sich noch anderer Me- thoden bedienen, welche sich auf die in §. 27 u. f. erörterten Gesetze der Schwingungen gründen. Wenn man einen Körper rasch ausdehnt und dann mit der dehnenden Kraft nachlässt, so kehrt er nicht plötzlich wieder in seine frühere Länge zurück, sondern er vollführt einige Zeit Schwingungen um die frühere Gleichgewichtslage. Wie der

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/86>, abgerufen am 18.04.2024.