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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von den Schwingungs- und Wellenbewegungen.
nungen in völlig gleichmässiger Weise auf einander folgen. Wenn wir
uns also die Kugelwelle mit einer durch ihr Centrum gehenden Ebene
durchschnitten denken, so werden rings um den Mittelpunkt a in con-
centrischen Kreisen, den Durchschnitten concentrischer Kugelschalen,
Verdichtungen und Verdünnungen auf einander folgen. Wir werden
diese Verhältnisse am besten sogleich an einem Beispiele deutlich ma-
chen. Wenn an dem allseitig von Luft umgebenen Ort a (Fig. 12)
plötzlich ein Schall erzeugt wird, so ent-
steht eine schwingende Bewegung der
um a liegenden Lufttheilchen, wodurch
dieselben plötzlich zuerst sich von dem
Mittelpunkte a nach den Richtungen der
Radien a f, a g u. s. w. entfernen und
dann wieder zurückschwingen: es entste-
hen also Longitudinalschwingungen in
allen Radien, die man von a aus ziehen
kann, sie zusammen bilden eine von a
fortschreitende Kugelwelle.

In vielen Fällen entsteht jedoch eine
schwingende Bewegung in einem Körper,

[Abbildung] Fig. 12.
der nicht nach allen Richtungen des Raumes sich gleichmässig aus-
breitet. In einem solchen Körper, z. B. in einer Saite oder in einer
Membran, können daher auch keine Kugelwellen entstehen, oder es
können dann wenigstens erst etwa in einem Medium, das einen sol-
chen Körper allseitig umgiebt, wie die Luft, die Schwingungen, nach-
dem sie auf dieses Medium übertragen sind, zu einer Kugelwelle sich
anordnen. In einer Saite, in einem Stabe werden sich die Wellen
immer annähernd als Wellenlinien betrachten lassen, d. h. die
Schwingungen derartiger Körper werden genügend aus den Schwingungs-
gesetzen einer einzigen Punktreihe abzuleiten sein. In einer Membran,
überhaupt in einem flächenförmigen Körper von irgend welcher Ge-
stalt werden wir uns dagegen eine Menge von Wellenlinien neben
einander eine Wellenfläche bildend denken müssen; der Durch-
schnitt der Kugelwelle in Fig. 12 ist z. B. eine solche Wellenfläche.
Erst wo wir ein gleichförmig nach allen Richtungen des Raumes aus-
gebreitetes Medium finden ist die Kugelwelle möglich. Aber
auch wo wir es mit einer Kugelwelle zu thun haben, können
wir uns häufig zur Vereinfachung der Erklärung der blossen Wellen-
linie bedienen; wir müssen uns nur immer erinnern, dass wir dabei
lediglich einen einzigen Radius der ganzen in Schwingung begriffenen
Masse herausgenommen haben; in andern Fällen, wo die Betrachtung
der Wellenlinie nicht mehr ausreicht, genügt die Wellenfläche zur Er-
läuterung der Erscheinungen, wobei wir uns dann erinnern müssen,

Von den Schwingungs- und Wellenbewegungen.
nungen in völlig gleichmässiger Weise auf einander folgen. Wenn wir
uns also die Kugelwelle mit einer durch ihr Centrum gehenden Ebene
durchschnitten denken, so werden rings um den Mittelpunkt a in con-
centrischen Kreisen, den Durchschnitten concentrischer Kugelschalen,
Verdichtungen und Verdünnungen auf einander folgen. Wir werden
diese Verhältnisse am besten sogleich an einem Beispiele deutlich ma-
chen. Wenn an dem allseitig von Luft umgebenen Ort a (Fig. 12)
plötzlich ein Schall erzeugt wird, so ent-
steht eine schwingende Bewegung der
um a liegenden Lufttheilchen, wodurch
dieselben plötzlich zuerst sich von dem
Mittelpunkte a nach den Richtungen der
Radien a f, a g u. s. w. entfernen und
dann wieder zurückschwingen: es entste-
hen also Longitudinalschwingungen in
allen Radien, die man von a aus ziehen
kann, sie zusammen bilden eine von a
fortschreitende Kugelwelle.

In vielen Fällen entsteht jedoch eine
schwingende Bewegung in einem Körper,

[Abbildung] Fig. 12.
der nicht nach allen Richtungen des Raumes sich gleichmässig aus-
breitet. In einem solchen Körper, z. B. in einer Saite oder in einer
Membran, können daher auch keine Kugelwellen entstehen, oder es
können dann wenigstens erst etwa in einem Medium, das einen sol-
chen Körper allseitig umgiebt, wie die Luft, die Schwingungen, nach-
dem sie auf dieses Medium übertragen sind, zu einer Kugelwelle sich
anordnen. In einer Saite, in einem Stabe werden sich die Wellen
immer annähernd als Wellenlinien betrachten lassen, d. h. die
Schwingungen derartiger Körper werden genügend aus den Schwingungs-
gesetzen einer einzigen Punktreihe abzuleiten sein. In einer Membran,
überhaupt in einem flächenförmigen Körper von irgend welcher Ge-
stalt werden wir uns dagegen eine Menge von Wellenlinien neben
einander eine Wellenfläche bildend denken müssen; der Durch-
schnitt der Kugelwelle in Fig. 12 ist z. B. eine solche Wellenfläche.
Erst wo wir ein gleichförmig nach allen Richtungen des Raumes aus-
gebreitetes Medium finden ist die Kugelwelle möglich. Aber
auch wo wir es mit einer Kugelwelle zu thun haben, können
wir uns häufig zur Vereinfachung der Erklärung der blossen Wellen-
linie bedienen; wir müssen uns nur immer erinnern, dass wir dabei
lediglich einen einzigen Radius der ganzen in Schwingung begriffenen
Masse herausgenommen haben; in andern Fällen, wo die Betrachtung
der Wellenlinie nicht mehr ausreicht, genügt die Wellenfläche zur Er-
läuterung der Erscheinungen, wobei wir uns dann erinnern müssen,

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[45/0067] Von den Schwingungs- und Wellenbewegungen. nungen in völlig gleichmässiger Weise auf einander folgen. Wenn wir uns also die Kugelwelle mit einer durch ihr Centrum gehenden Ebene durchschnitten denken, so werden rings um den Mittelpunkt a in con- centrischen Kreisen, den Durchschnitten concentrischer Kugelschalen, Verdichtungen und Verdünnungen auf einander folgen. Wir werden diese Verhältnisse am besten sogleich an einem Beispiele deutlich ma- chen. Wenn an dem allseitig von Luft umgebenen Ort a (Fig. 12) plötzlich ein Schall erzeugt wird, so ent- steht eine schwingende Bewegung der um a liegenden Lufttheilchen, wodurch dieselben plötzlich zuerst sich von dem Mittelpunkte a nach den Richtungen der Radien a f, a g u. s. w. entfernen und dann wieder zurückschwingen: es entste- hen also Longitudinalschwingungen in allen Radien, die man von a aus ziehen kann, sie zusammen bilden eine von a fortschreitende Kugelwelle. In vielen Fällen entsteht jedoch eine schwingende Bewegung in einem Körper, [Abbildung Fig. 12.] der nicht nach allen Richtungen des Raumes sich gleichmässig aus- breitet. In einem solchen Körper, z. B. in einer Saite oder in einer Membran, können daher auch keine Kugelwellen entstehen, oder es können dann wenigstens erst etwa in einem Medium, das einen sol- chen Körper allseitig umgiebt, wie die Luft, die Schwingungen, nach- dem sie auf dieses Medium übertragen sind, zu einer Kugelwelle sich anordnen. In einer Saite, in einem Stabe werden sich die Wellen immer annähernd als Wellenlinien betrachten lassen, d. h. die Schwingungen derartiger Körper werden genügend aus den Schwingungs- gesetzen einer einzigen Punktreihe abzuleiten sein. In einer Membran, überhaupt in einem flächenförmigen Körper von irgend welcher Ge- stalt werden wir uns dagegen eine Menge von Wellenlinien neben einander eine Wellenfläche bildend denken müssen; der Durch- schnitt der Kugelwelle in Fig. 12 ist z. B. eine solche Wellenfläche. Erst wo wir ein gleichförmig nach allen Richtungen des Raumes aus- gebreitetes Medium finden ist die Kugelwelle möglich. Aber auch wo wir es mit einer Kugelwelle zu thun haben, können wir uns häufig zur Vereinfachung der Erklärung der blossen Wellen- linie bedienen; wir müssen uns nur immer erinnern, dass wir dabei lediglich einen einzigen Radius der ganzen in Schwingung begriffenen Masse herausgenommen haben; in andern Fällen, wo die Betrachtung der Wellenlinie nicht mehr ausreicht, genügt die Wellenfläche zur Er- läuterung der Erscheinungen, wobei wir uns dann erinnern müssen,

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/67>, abgerufen am 20.04.2024.