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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von den Schwingungs- und Wellenbewegungen.
über ihre ursprünglichen Gleichgewichtslagen hinaus (D und E) und
gerathen, da sich dies fortwährend auf dem Hin- und Herweg wieder-
holt, in fortdauernde Oscillationen um dieselben. In ähnlicher Weise
muss die Bewegung auf den Punkt c und auf eine beliebige Menge
weiterer Punkte sich fortsetzen. Hieraus folgt, dass, wenn mehrere
materielle Punkte im Gleichgewicht ihrer Anziehungs- und Abstossungs-
kräfte mit einander verbunden sind, die durch die Gleichgewichtsstö-
rung eines beliebigen Punktes erzeugten Schwingungen auf alle an-
dern Punkte sich fortsetzen, und dass also das ganze Aggregat in
Schwingungsbewegung geräth. Da aber die Fortpflanzung dieser Be-
wegung durch eine Reihe von Punkten eine gewisse Zeit braucht, so
befinden sich die verschiedenen Punkte eines Aggregates immer in
verschiedenen Entfernungen von ihren Gleichgewichtslagen. Während
a in seine Gleichgewichtslage zurückkehrt, entfernt sich b aus der sei-
nen (Fig. 9 C) u. s. f. Dadurch entstehen abwechselnd Stellen, wo
die Punkte dichter gedrängt sind als im Gleichgewichtszustand, und
andere, wo sie weniger dicht sind. So ist in C bei a b Verdünnung,
bei b c Verdichtung eingetreten, in einem darauf folgenden Moment
E dagegen bei a b Verdichtung und bei b c Verdünnung. Denken
wir uns rechts noch eine Menge von Punkten an einander gereiht, so
werden auch hier fortwährend Stellen der Verdichtung und Verdünnung
mit einander abwechseln, und jede Stelle, die eben in Verdichtung
sich befindet, wird im nächsten Moment in den Zustand der Verdün-
nung übergehen oder umgekehrt. Jede Verdichtung wird von einem
Ende der Punktreihe bis zum andern successiv und continuirlich sich
fortpflanzen, und auf sie wird eine Verdünnung folgen, die mit gleicher
Geschwindigkeit fortschreitet. Es ist ausserdem klar, dass im wesent-
lichen an der Erscheinung nichts geändert wird, wenn wir annehmen,
dass nicht bloss zwei neben einander gelegene Punkte abwechselnd
sich nähern und sich von einander entfernen, sondern dass an jeder
Verdichtung ebenso wie an jeder Verdünnung immer viele materielle
Punkte betheiligt sind. Zwischen a und b, zwischen b und c
(Fig. 9) können wir z. B. eine sehr grosse Anzahl von Punkten noch
annehmen, und wir können voraussetzen, dass der erste Stoss, der die
Schwingungen veranlasst, alle zwischen a und b gelegenen Punkte
gleichzeitig gegen b hin bewege. Es wird dann, ebenso wie wir es
oben veranschaulicht haben, nach rechts hin eine Verdichtung sich fort-
pflanzen, bloss mit dem Unterschied, dass an derselben nun viele
Punkte betheiligt sind, und das nämliche wird von der darauf folgen-
den Verdünnung gelten. In der That haben wir es in der Natur je-
denfalls immer mit solchen Bewegungen ganzer Aggregate von mate-
riellen Punkten zu thun. Die vielseitige Verbindung grosser Massen
von Punkten in den Naturkörpern ist auch die Ursache, dass jener
Fall unaufhörlicher Schwingungen um die Gleichgewichtslage, wie wir

Von den Schwingungs- und Wellenbewegungen.
über ihre ursprünglichen Gleichgewichtslagen hinaus (D und E) und
gerathen, da sich dies fortwährend auf dem Hin- und Herweg wieder-
holt, in fortdauernde Oscillationen um dieselben. In ähnlicher Weise
muss die Bewegung auf den Punkt c und auf eine beliebige Menge
weiterer Punkte sich fortsetzen. Hieraus folgt, dass, wenn mehrere
materielle Punkte im Gleichgewicht ihrer Anziehungs- und Abstossungs-
kräfte mit einander verbunden sind, die durch die Gleichgewichtsstö-
rung eines beliebigen Punktes erzeugten Schwingungen auf alle an-
dern Punkte sich fortsetzen, und dass also das ganze Aggregat in
Schwingungsbewegung geräth. Da aber die Fortpflanzung dieser Be-
wegung durch eine Reihe von Punkten eine gewisse Zeit braucht, so
befinden sich die verschiedenen Punkte eines Aggregates immer in
verschiedenen Entfernungen von ihren Gleichgewichtslagen. Während
a in seine Gleichgewichtslage zurückkehrt, entfernt sich b aus der sei-
nen (Fig. 9 C) u. s. f. Dadurch entstehen abwechselnd Stellen, wo
die Punkte dichter gedrängt sind als im Gleichgewichtszustand, und
andere, wo sie weniger dicht sind. So ist in C bei a b Verdünnung,
bei b c Verdichtung eingetreten, in einem darauf folgenden Moment
E dagegen bei a b Verdichtung und bei b c Verdünnung. Denken
wir uns rechts noch eine Menge von Punkten an einander gereiht, so
werden auch hier fortwährend Stellen der Verdichtung und Verdünnung
mit einander abwechseln, und jede Stelle, die eben in Verdichtung
sich befindet, wird im nächsten Moment in den Zustand der Verdün-
nung übergehen oder umgekehrt. Jede Verdichtung wird von einem
Ende der Punktreihe bis zum andern successiv und continuirlich sich
fortpflanzen, und auf sie wird eine Verdünnung folgen, die mit gleicher
Geschwindigkeit fortschreitet. Es ist ausserdem klar, dass im wesent-
lichen an der Erscheinung nichts geändert wird, wenn wir annehmen,
dass nicht bloss zwei neben einander gelegene Punkte abwechselnd
sich nähern und sich von einander entfernen, sondern dass an jeder
Verdichtung ebenso wie an jeder Verdünnung immer viele materielle
Punkte betheiligt sind. Zwischen a und b, zwischen b und c
(Fig. 9) können wir z. B. eine sehr grosse Anzahl von Punkten noch
annehmen, und wir können voraussetzen, dass der erste Stoss, der die
Schwingungen veranlasst, alle zwischen a und b gelegenen Punkte
gleichzeitig gegen b hin bewege. Es wird dann, ebenso wie wir es
oben veranschaulicht haben, nach rechts hin eine Verdichtung sich fort-
pflanzen, bloss mit dem Unterschied, dass an derselben nun viele
Punkte betheiligt sind, und das nämliche wird von der darauf folgen-
den Verdünnung gelten. In der That haben wir es in der Natur je-
denfalls immer mit solchen Bewegungen ganzer Aggregate von mate-
riellen Punkten zu thun. Die vielseitige Verbindung grosser Massen
von Punkten in den Naturkörpern ist auch die Ursache, dass jener
Fall unaufhörlicher Schwingungen um die Gleichgewichtslage, wie wir

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[39/0061] Von den Schwingungs- und Wellenbewegungen. über ihre ursprünglichen Gleichgewichtslagen hinaus (D und E) und gerathen, da sich dies fortwährend auf dem Hin- und Herweg wieder- holt, in fortdauernde Oscillationen um dieselben. In ähnlicher Weise muss die Bewegung auf den Punkt c und auf eine beliebige Menge weiterer Punkte sich fortsetzen. Hieraus folgt, dass, wenn mehrere materielle Punkte im Gleichgewicht ihrer Anziehungs- und Abstossungs- kräfte mit einander verbunden sind, die durch die Gleichgewichtsstö- rung eines beliebigen Punktes erzeugten Schwingungen auf alle an- dern Punkte sich fortsetzen, und dass also das ganze Aggregat in Schwingungsbewegung geräth. Da aber die Fortpflanzung dieser Be- wegung durch eine Reihe von Punkten eine gewisse Zeit braucht, so befinden sich die verschiedenen Punkte eines Aggregates immer in verschiedenen Entfernungen von ihren Gleichgewichtslagen. Während a in seine Gleichgewichtslage zurückkehrt, entfernt sich b aus der sei- nen (Fig. 9 C) u. s. f. Dadurch entstehen abwechselnd Stellen, wo die Punkte dichter gedrängt sind als im Gleichgewichtszustand, und andere, wo sie weniger dicht sind. So ist in C bei a b Verdünnung, bei b c Verdichtung eingetreten, in einem darauf folgenden Moment E dagegen bei a b Verdichtung und bei b c Verdünnung. Denken wir uns rechts noch eine Menge von Punkten an einander gereiht, so werden auch hier fortwährend Stellen der Verdichtung und Verdünnung mit einander abwechseln, und jede Stelle, die eben in Verdichtung sich befindet, wird im nächsten Moment in den Zustand der Verdün- nung übergehen oder umgekehrt. Jede Verdichtung wird von einem Ende der Punktreihe bis zum andern successiv und continuirlich sich fortpflanzen, und auf sie wird eine Verdünnung folgen, die mit gleicher Geschwindigkeit fortschreitet. Es ist ausserdem klar, dass im wesent- lichen an der Erscheinung nichts geändert wird, wenn wir annehmen, dass nicht bloss zwei neben einander gelegene Punkte abwechselnd sich nähern und sich von einander entfernen, sondern dass an jeder Verdichtung ebenso wie an jeder Verdünnung immer viele materielle Punkte betheiligt sind. Zwischen a und b, zwischen b und c (Fig. 9) können wir z. B. eine sehr grosse Anzahl von Punkten noch annehmen, und wir können voraussetzen, dass der erste Stoss, der die Schwingungen veranlasst, alle zwischen a und b gelegenen Punkte gleichzeitig gegen b hin bewege. Es wird dann, ebenso wie wir es oben veranschaulicht haben, nach rechts hin eine Verdichtung sich fort- pflanzen, bloss mit dem Unterschied, dass an derselben nun viele Punkte betheiligt sind, und das nämliche wird von der darauf folgen- den Verdünnung gelten. In der That haben wir es in der Natur je- denfalls immer mit solchen Bewegungen ganzer Aggregate von mate- riellen Punkten zu thun. Die vielseitige Verbindung grosser Massen von Punkten in den Naturkörpern ist auch die Ursache, dass jener Fall unaufhörlicher Schwingungen um die Gleichgewichtslage, wie wir

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/61>, abgerufen am 25.04.2024.