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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von den Schwingungs- und Wellenbewegungen.
gen b f' zurücklegen, in welcher er unter dem Einfluss der gegen a gerichteten, gleich-
förmig abnehmenden Kraft den geraden Weg b f zurücklegt. Ebenso werden wir das
Bogenstück f' g' dem geraden Weg f g und den ganzen Halbkreis b a' c der ganzen
Schwingungsamplitude b a c substituiren können. Suchen wir zunächst die Zeit t zu
bestimmen, welche der Punkt braucht, um irgend ein sehr kleines Stück f' g' der
Kreisbahn zurückzulegen, so werden wir auf dieser sehr kurzen Strecke die Geschwin-
digkeit als constant voraussetzen können, und es ist dann [Formel 1] , wo v' wieder
die in f oder f' vorhandene Geschwindigkeit und b die Länge des Bogens f' g' bedeu-
tet. Wenn wir den ganzen Umfang des Halbkreises b a'c, welcher = a. p ist, in n
solche Bogenstärke wie f' g' eintheilen, so ist [Formel 2] und führen wir weiterhin für
v' den gefundenen Werth ein, so wird [Formel 3] .

Der Werth [Formel 4] bildet, wie man aus Fig. 8 ersieht, die Kathete g
eines aus a, b und g construirten rechtwinklichen Dreiecks und [Formel 5] ist =
[Formel 6] Daher können wir die Gleichung für t auch schreiben [Formel 7]
Um nun die Zeit 1/2 T zu erhalten, welche der Punkt braucht, um den Halbkreis b a' c zurück-
zulegen, hätten wir, wenn die Bewegung eine gleichförmige wäre, einfach die Zeit t
n mal zu rechnen und also die Grösse n aus dem Nenner der obigen Formel hin-
wegzulassen. Für den hier vorliegenden Fall einer gleichförmig zu- und dann wieder
abnehmenden Geschwindigkeit wird uns dagegen die Formel [Formel 8]
nur unter der Voraussetzung die Zeit T richtig ergeben, dass wir für
cos. o aus den n verschiedenen Werthen, die es für die einzelnen Zeiten t annimmt,
einen Mittelwerth setzen. Handelt es sich nun um die Vergleichung verschiedener
schwingender Punkte mit annähernd übereinstimmender Schwingungsweite, so wird man
das Verhältniss der Schwingungsgeschwindigkeiten schon annähernd richtig erhalten,
wenn man cos. o = 1 setzt, wenn man also annimmt, der Punkt hätte während eines
Hin- oder Hergangs constant die Geschwindigkeit, die ihm bei seinem Durchgang durch
die Gleichgewichtslage a zukommt. Man hat dann einfach
[Formel 9] Der so erhaltene Werth für T wird sich der absoluten Grösse der Schwingungszeit
offenbar um so mehr annähern, je kleiner die Schwingungsamplitude ist, weil man, wenn
letztere sehr klein ist, annehmen kann, der Punkt lege statt des ganzen Weges ba' nur
einen Theil desselben, z. B. f' a', zurück, wo dann fortwährend g und a nahehin einan-
der gleich bleiben. In der That kann man nun in den meisten Fällen, wo es sich
um Schwingungserscheinungen in der Natur handelt, die Schwingungsamplituden als
unendlich klein oder wenigstens als annähernd unendlich klein ansehen. Wo dies nicht
mehr der Fall ist, da muss man die Werthe, die cos. o successiv annimmt, in Rech-
nung ziehen, d. h. die kleinen Zeittheilchen t, die zusammen die Schwingungsdauer
T bilden, summiren, eine Aufgabe, die zu einer verwickelteren Gleichung führt, und
die nicht ohne höhere Mathematik sich lösen lässt.


Von den Schwingungs- und Wellenbewegungen.
gen b f' zurücklegen, in welcher er unter dem Einfluss der gegen a gerichteten, gleich-
förmig abnehmenden Kraft den geraden Weg b f zurücklegt. Ebenso werden wir das
Bogenstück f' g' dem geraden Weg f g und den ganzen Halbkreis b a' c der ganzen
Schwingungsamplitude b a c substituiren können. Suchen wir zunächst die Zeit t zu
bestimmen, welche der Punkt braucht, um irgend ein sehr kleines Stück f' g' der
Kreisbahn zurückzulegen, so werden wir auf dieser sehr kurzen Strecke die Geschwin-
digkeit als constant voraussetzen können, und es ist dann [Formel 1] , wo v' wieder
die in f oder f' vorhandene Geschwindigkeit und b die Länge des Bogens f' g' bedeu-
tet. Wenn wir den ganzen Umfang des Halbkreises b a'c, welcher = α. π ist, in n
solche Bogenstärke wie f' g' eintheilen, so ist [Formel 2] und führen wir weiterhin für
v' den gefundenen Werth ein, so wird [Formel 3] .

Der Werth [Formel 4] bildet, wie man aus Fig. 8 ersieht, die Kathete γ
eines aus α, β und γ construirten rechtwinklichen Dreiecks und [Formel 5] ist =
[Formel 6] Daher können wir die Gleichung für t auch schreiben [Formel 7]
Um nun die Zeit ½ T zu erhalten, welche der Punkt braucht, um den Halbkreis b a' c zurück-
zulegen, hätten wir, wenn die Bewegung eine gleichförmige wäre, einfach die Zeit t
n mal zu rechnen und also die Grösse n aus dem Nenner der obigen Formel hin-
wegzulassen. Für den hier vorliegenden Fall einer gleichförmig zu- und dann wieder
abnehmenden Geschwindigkeit wird uns dagegen die Formel [Formel 8]
nur unter der Voraussetzung die Zeit T richtig ergeben, dass wir für
cos. ω aus den n verschiedenen Werthen, die es für die einzelnen Zeiten t annimmt,
einen Mittelwerth setzen. Handelt es sich nun um die Vergleichung verschiedener
schwingender Punkte mit annähernd übereinstimmender Schwingungsweite, so wird man
das Verhältniss der Schwingungsgeschwindigkeiten schon annähernd richtig erhalten,
wenn man cos. ω = 1 setzt, wenn man also annimmt, der Punkt hätte während eines
Hin- oder Hergangs constant die Geschwindigkeit, die ihm bei seinem Durchgang durch
die Gleichgewichtslage a zukommt. Man hat dann einfach
[Formel 9] Der so erhaltene Werth für T wird sich der absoluten Grösse der Schwingungszeit
offenbar um so mehr annähern, je kleiner die Schwingungsamplitude ist, weil man, wenn
letztere sehr klein ist, annehmen kann, der Punkt lege statt des ganzen Weges ba' nur
einen Theil desselben, z. B. f' a', zurück, wo dann fortwährend γ und α nahehin einan-
der gleich bleiben. In der That kann man nun in den meisten Fällen, wo es sich
um Schwingungserscheinungen in der Natur handelt, die Schwingungsamplituden als
unendlich klein oder wenigstens als annähernd unendlich klein ansehen. Wo dies nicht
mehr der Fall ist, da muss man die Werthe, die cos. ω successiv annimmt, in Rech-
nung ziehen, d. h. die kleinen Zeittheilchen t, die zusammen die Schwingungsdauer
T bilden, summiren, eine Aufgabe, die zu einer verwickelteren Gleichung führt, und
die nicht ohne höhere Mathematik sich lösen lässt.


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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/59>, abgerufen am 29.03.2024.