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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Induction.
Amplituden der Schwingungen in einer geometrischen Reihe abnehmen.
Hieraus muss gefolgert werden, dass die Widerstände, welche die
Bewegung erfährt, in jedem Augenblick der Geschwindigkeit derselben
proportional sind. Die inducirende Wirkung, welche ein Magnet oder
ein Strom ausübt, ist also auch in jedem Augenblick der Geschwin-
digkeit proportional, mit welcher die Inductionsspirale ihm genähert
oder von ihm entfernt wird. Hieraus folgt aber, dass bei einer sol-
chen Annäherung oder Entfernung, ob dieselbe langsam oder schnell
geschieht, immer die gleiche Inductionswirkung erzeugt wird. Denn
wenn die Bewegung schneller wird, so nimmt zwar in jedem einzel-
nen Zeitelement die inducirende Wirkung proportional der Geschwin-
digkeit zu, aber die Totalzeit, welche zur Lageänderung erforderlich
ist, nimmt in eben demselben Verhältnisse ab.

Ein Inductionsstrom verläuft so rasch, dass seine Wirkung auf350
Dauer und Ver-
lauf der Induc-
tionsströme.

die Magnetnadel als ein momentaner Stoss oder als eine kleine An-
zahl sehr rasch sich folgender Stösse betrachtet werden kann. Die
Magnetnadel giebt uns aber nur Aufschluss über die mittlere Intensi-
tät, welche diese Stösse besitzen, sie lehrt uns nicht die Dauer und den
Verlauf des ganzen Inductionsstromes kennen. Die Wirkung eines jeden
kurz dauernden Stromes ist im allgemeinen proportional dem Product
der in jedem Augenblick vorhandenen Intensität desselben in seine
Dauer: ein kurz dauernder Strom von grösserer Stärke kann daher
dieselbe Wirkung ausüben wie ein länger dauernder von geringerer
Stärke. Weit eher als die Magnetnadel vermag uns der sensible oder
motorische Nerv Aufschluss über den Verlauf eines Inductionsstromes
zu geben. Denn die Nervenerregung ist bei gleicher Stärke des
Stroms abhängig von der Geschwindigkeit seines Ansteigens. Zwei
Inductionsströme, die auf die Magnetnadel die nämliche Wirkung äus-
sern, können daher immer noch von verschiedener Wirkung auf den
Nerven sein. So beobachtet man, dass die physiologische Wirkung
des Exstrastroms im Verhältniss zu seiner Intensität sehr bedeutend
ist. Man hat daher den Extrastrom mit Vorliebe da angewandt, wo
es sich um kräftige Hautreize handelt. Ebenso übertrifft die Erregung
durch den Oeffnungsinductionstrom bedeutend diejenige durch den
Schliessungsinductionsstrom. Den Grund dieses Verhaltens haben wir
im §. 349 schon angedeutet. Sobald der Strom in der primären Spi-
rale geschlossen ist, wird in dem Stromeskreis ein demselben entge-
gengesetzt gerichteter Strom inducirt, der, so lang er dauert, den ent-
stehenden Strom schwächt. Nimmt dieser Extrastrom ab, so inducirt
aber die in Folge dessen zunehmende Stärke des primären Stroms
einen neuen, u. s. f. Es kann also der Strom in der Spirale nur all-
mälig seine ganze Stärke erreichen. Unterbricht man dagegen den
Stromeskreis, so kann sich in demselben, wenn keine anderweitige

Induction.
Amplituden der Schwingungen in einer geometrischen Reihe abnehmen.
Hieraus muss gefolgert werden, dass die Widerstände, welche die
Bewegung erfährt, in jedem Augenblick der Geschwindigkeit derselben
proportional sind. Die inducirende Wirkung, welche ein Magnet oder
ein Strom ausübt, ist also auch in jedem Augenblick der Geschwin-
digkeit proportional, mit welcher die Inductionsspirale ihm genähert
oder von ihm entfernt wird. Hieraus folgt aber, dass bei einer sol-
chen Annäherung oder Entfernung, ob dieselbe langsam oder schnell
geschieht, immer die gleiche Inductionswirkung erzeugt wird. Denn
wenn die Bewegung schneller wird, so nimmt zwar in jedem einzel-
nen Zeitelement die inducirende Wirkung proportional der Geschwin-
digkeit zu, aber die Totalzeit, welche zur Lageänderung erforderlich
ist, nimmt in eben demselben Verhältnisse ab.

Ein Inductionsstrom verläuft so rasch, dass seine Wirkung auf350
Dauer und Ver-
lauf der Induc-
tionsströme.

die Magnetnadel als ein momentaner Stoss oder als eine kleine An-
zahl sehr rasch sich folgender Stösse betrachtet werden kann. Die
Magnetnadel giebt uns aber nur Aufschluss über die mittlere Intensi-
tät, welche diese Stösse besitzen, sie lehrt uns nicht die Dauer und den
Verlauf des ganzen Inductionsstromes kennen. Die Wirkung eines jeden
kurz dauernden Stromes ist im allgemeinen proportional dem Product
der in jedem Augenblick vorhandenen Intensität desselben in seine
Dauer: ein kurz dauernder Strom von grösserer Stärke kann daher
dieselbe Wirkung ausüben wie ein länger dauernder von geringerer
Stärke. Weit eher als die Magnetnadel vermag uns der sensible oder
motorische Nerv Aufschluss über den Verlauf eines Inductionsstromes
zu geben. Denn die Nervenerregung ist bei gleicher Stärke des
Stroms abhängig von der Geschwindigkeit seines Ansteigens. Zwei
Inductionsströme, die auf die Magnetnadel die nämliche Wirkung äus-
sern, können daher immer noch von verschiedener Wirkung auf den
Nerven sein. So beobachtet man, dass die physiologische Wirkung
des Exstrastroms im Verhältniss zu seiner Intensität sehr bedeutend
ist. Man hat daher den Extrastrom mit Vorliebe da angewandt, wo
es sich um kräftige Hautreize handelt. Ebenso übertrifft die Erregung
durch den Oeffnungsinductionstrom bedeutend diejenige durch den
Schliessungsinductionsstrom. Den Grund dieses Verhaltens haben wir
im §. 349 schon angedeutet. Sobald der Strom in der primären Spi-
rale geschlossen ist, wird in dem Stromeskreis ein demselben entge-
gengesetzt gerichteter Strom inducirt, der, so lang er dauert, den ent-
stehenden Strom schwächt. Nimmt dieser Extrastrom ab, so inducirt
aber die in Folge dessen zunehmende Stärke des primären Stroms
einen neuen, u. s. f. Es kann also der Strom in der Spirale nur all-
mälig seine ganze Stärke erreichen. Unterbricht man dagegen den
Stromeskreis, so kann sich in demselben, wenn keine anderweitige

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[541/0563] Induction. Amplituden der Schwingungen in einer geometrischen Reihe abnehmen. Hieraus muss gefolgert werden, dass die Widerstände, welche die Bewegung erfährt, in jedem Augenblick der Geschwindigkeit derselben proportional sind. Die inducirende Wirkung, welche ein Magnet oder ein Strom ausübt, ist also auch in jedem Augenblick der Geschwin- digkeit proportional, mit welcher die Inductionsspirale ihm genähert oder von ihm entfernt wird. Hieraus folgt aber, dass bei einer sol- chen Annäherung oder Entfernung, ob dieselbe langsam oder schnell geschieht, immer die gleiche Inductionswirkung erzeugt wird. Denn wenn die Bewegung schneller wird, so nimmt zwar in jedem einzel- nen Zeitelement die inducirende Wirkung proportional der Geschwin- digkeit zu, aber die Totalzeit, welche zur Lageänderung erforderlich ist, nimmt in eben demselben Verhältnisse ab. Ein Inductionsstrom verläuft so rasch, dass seine Wirkung auf die Magnetnadel als ein momentaner Stoss oder als eine kleine An- zahl sehr rasch sich folgender Stösse betrachtet werden kann. Die Magnetnadel giebt uns aber nur Aufschluss über die mittlere Intensi- tät, welche diese Stösse besitzen, sie lehrt uns nicht die Dauer und den Verlauf des ganzen Inductionsstromes kennen. Die Wirkung eines jeden kurz dauernden Stromes ist im allgemeinen proportional dem Product der in jedem Augenblick vorhandenen Intensität desselben in seine Dauer: ein kurz dauernder Strom von grösserer Stärke kann daher dieselbe Wirkung ausüben wie ein länger dauernder von geringerer Stärke. Weit eher als die Magnetnadel vermag uns der sensible oder motorische Nerv Aufschluss über den Verlauf eines Inductionsstromes zu geben. Denn die Nervenerregung ist bei gleicher Stärke des Stroms abhängig von der Geschwindigkeit seines Ansteigens. Zwei Inductionsströme, die auf die Magnetnadel die nämliche Wirkung äus- sern, können daher immer noch von verschiedener Wirkung auf den Nerven sein. So beobachtet man, dass die physiologische Wirkung des Exstrastroms im Verhältniss zu seiner Intensität sehr bedeutend ist. Man hat daher den Extrastrom mit Vorliebe da angewandt, wo es sich um kräftige Hautreize handelt. Ebenso übertrifft die Erregung durch den Oeffnungsinductionstrom bedeutend diejenige durch den Schliessungsinductionsstrom. Den Grund dieses Verhaltens haben wir im §. 349 schon angedeutet. Sobald der Strom in der primären Spi- rale geschlossen ist, wird in dem Stromeskreis ein demselben entge- gengesetzt gerichteter Strom inducirt, der, so lang er dauert, den ent- stehenden Strom schwächt. Nimmt dieser Extrastrom ab, so inducirt aber die in Folge dessen zunehmende Stärke des primären Stroms einen neuen, u. s. f. Es kann also der Strom in der Spirale nur all- mälig seine ganze Stärke erreichen. Unterbricht man dagegen den Stromeskreis, so kann sich in demselben, wenn keine anderweitige 350 Dauer und Ver- lauf der Induc- tionsströme.

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/563>, abgerufen am 28.03.2024.