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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Lichtbrechung durch Linsen.
[Abbildung] Fig. 106.
bei der Brechung an einer
gekrümmten Fläche alle
nach dem Krümmungsmit-
telpunkt gerichteten Strah-
len ungebrochen blieben,
haben die Krümmungsmit-
telpunkte, sobald es sich
um die Brechung an meh-
reren Flächen handelt, diese
Bedeutung nicht mehr. Trotz-
dem giebt es auch hier ei-
nen Punkt, dem eine ähn-
liche Bedeutung zukommt. Jedem Element der Fläche A wird näm-
lich irgend ein Element der Fläche B parallel sein. So sind z. B.
an der von gleich gekrümmten Flächen begrenzten Linse (Fig. 106)
a und b, c und d solche parallele Flächenelemente. Unter allen
Strahlen, welche auf das Flächenelement a auffallen können, muss
es nun einen bestimmten Strahl a' a geben, der so innerhalb der
Linse gebrochen wird, dass er die zweite Fläche B an dem Flächen-
elemente b verlässt. Da nun aber a und b parallel sind, so wird
dieser Strahl bei seinem Austritt aus der Linse dergestalt gebrochen
werden müssen, dass er seiner ursprünglichen Richtung a' a wieder
parallel wird: denn die Punkte a und b verhalten sich wie Elemente
einer planparallelen Glasplatte, und durch die Brechung in einer sol-
chen wird ein Strahl nur seiner ursprünglichen Richtung parallel ver-
schoben (§. 142). So ist also b b' die Richtung des Strahls a' a,
d d' die Richtung des Strahls c' c nach der Brechung. Innerhalb
der Linse hat der erstere Strahl die Richtung a b, der letztere die
Richtung c d. Sind, wie in der Fig. 106, die Flächen A und B von
gleicher Krümmung, so durchschneiden diese und alle andern ähn-
lichen Strahlen die Axe r r' in ihrer Mitte. Wäre einer der Radien,
z. B. r' n, grösser, so würde das einem Element b der zweiten Fläche
parallele Element a weiter als b von der Axe r r' entfernt, also z. B.
in c, liegen: der Durchschnittspunkt einer Linie c b mit der Axe
würde sich aber näher bei B befinden, und zwar würden sich die Ent-
fernungen dieses Punktes von den parallelen Elementen offenbar ver-
halten wie die Krümmungsradien beider Flächen. Man nennt den so
bestimmten Punkt o, der parallele Flächenelemente verbindet, den
optischen Mittelpunkt der Linse. Ein Strahl, welcher nach der
Brechung an der ersten Linsenfläche gegen den optischen Mittelpunkt
o gerichtet ist, hat nun sichtlich für die Linse die Bedeutung eines
Richtungsstrahls, da er unter allen von einem leuchtenden Punkt
ausgehenden Strahlen derjenige ist, welcher das Minimum der Ab-
lenkung erfährt. Je näher der leuchtende Punkt bei der Axe liegt,

Wundt, medicin. Physik. 15

Lichtbrechung durch Linsen.
[Abbildung] Fig. 106.
bei der Brechung an einer
gekrümmten Fläche alle
nach dem Krümmungsmit-
telpunkt gerichteten Strah-
len ungebrochen blieben,
haben die Krümmungsmit-
telpunkte, sobald es sich
um die Brechung an meh-
reren Flächen handelt, diese
Bedeutung nicht mehr. Trotz-
dem giebt es auch hier ei-
nen Punkt, dem eine ähn-
liche Bedeutung zukommt. Jedem Element der Fläche A wird näm-
lich irgend ein Element der Fläche B parallel sein. So sind z. B.
an der von gleich gekrümmten Flächen begrenzten Linse (Fig. 106)
a und b, c und d solche parallele Flächenelemente. Unter allen
Strahlen, welche auf das Flächenelement a auffallen können, muss
es nun einen bestimmten Strahl a' a geben, der so innerhalb der
Linse gebrochen wird, dass er die zweite Fläche B an dem Flächen-
elemente b verlässt. Da nun aber a und b parallel sind, so wird
dieser Strahl bei seinem Austritt aus der Linse dergestalt gebrochen
werden müssen, dass er seiner ursprünglichen Richtung a' a wieder
parallel wird: denn die Punkte a und b verhalten sich wie Elemente
einer planparallelen Glasplatte, und durch die Brechung in einer sol-
chen wird ein Strahl nur seiner ursprünglichen Richtung parallel ver-
schoben (§. 142). So ist also b b' die Richtung des Strahls a' a,
d d' die Richtung des Strahls c' c nach der Brechung. Innerhalb
der Linse hat der erstere Strahl die Richtung a b, der letztere die
Richtung c d. Sind, wie in der Fig. 106, die Flächen A und B von
gleicher Krümmung, so durchschneiden diese und alle andern ähn-
lichen Strahlen die Axe r r' in ihrer Mitte. Wäre einer der Radien,
z. B. r' n, grösser, so würde das einem Element b der zweiten Fläche
parallele Element a weiter als b von der Axe r r' entfernt, also z. B.
in c, liegen: der Durchschnittspunkt einer Linie c b mit der Axe
würde sich aber näher bei B befinden, und zwar würden sich die Ent-
fernungen dieses Punktes von den parallelen Elementen offenbar ver-
halten wie die Krümmungsradien beider Flächen. Man nennt den so
bestimmten Punkt o, der parallele Flächenelemente verbindet, den
optischen Mittelpunkt der Linse. Ein Strahl, welcher nach der
Brechung an der ersten Linsenfläche gegen den optischen Mittelpunkt
o gerichtet ist, hat nun sichtlich für die Linse die Bedeutung eines
Richtungsstrahls, da er unter allen von einem leuchtenden Punkt
ausgehenden Strahlen derjenige ist, welcher das Minimum der Ab-
lenkung erfährt. Je näher der leuchtende Punkt bei der Axe liegt,

Wundt, medicin. Physik. 15
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[225/0247] Lichtbrechung durch Linsen. [Abbildung Fig. 106.] bei der Brechung an einer gekrümmten Fläche alle nach dem Krümmungsmit- telpunkt gerichteten Strah- len ungebrochen blieben, haben die Krümmungsmit- telpunkte, sobald es sich um die Brechung an meh- reren Flächen handelt, diese Bedeutung nicht mehr. Trotz- dem giebt es auch hier ei- nen Punkt, dem eine ähn- liche Bedeutung zukommt. Jedem Element der Fläche A wird näm- lich irgend ein Element der Fläche B parallel sein. So sind z. B. an der von gleich gekrümmten Flächen begrenzten Linse (Fig. 106) a und b, c und d solche parallele Flächenelemente. Unter allen Strahlen, welche auf das Flächenelement a auffallen können, muss es nun einen bestimmten Strahl a' a geben, der so innerhalb der Linse gebrochen wird, dass er die zweite Fläche B an dem Flächen- elemente b verlässt. Da nun aber a und b parallel sind, so wird dieser Strahl bei seinem Austritt aus der Linse dergestalt gebrochen werden müssen, dass er seiner ursprünglichen Richtung a' a wieder parallel wird: denn die Punkte a und b verhalten sich wie Elemente einer planparallelen Glasplatte, und durch die Brechung in einer sol- chen wird ein Strahl nur seiner ursprünglichen Richtung parallel ver- schoben (§. 142). So ist also b b' die Richtung des Strahls a' a, d d' die Richtung des Strahls c' c nach der Brechung. Innerhalb der Linse hat der erstere Strahl die Richtung a b, der letztere die Richtung c d. Sind, wie in der Fig. 106, die Flächen A und B von gleicher Krümmung, so durchschneiden diese und alle andern ähn- lichen Strahlen die Axe r r' in ihrer Mitte. Wäre einer der Radien, z. B. r' n, grösser, so würde das einem Element b der zweiten Fläche parallele Element a weiter als b von der Axe r r' entfernt, also z. B. in c, liegen: der Durchschnittspunkt einer Linie c b mit der Axe würde sich aber näher bei B befinden, und zwar würden sich die Ent- fernungen dieses Punktes von den parallelen Elementen offenbar ver- halten wie die Krümmungsradien beider Flächen. Man nennt den so bestimmten Punkt o, der parallele Flächenelemente verbindet, den optischen Mittelpunkt der Linse. Ein Strahl, welcher nach der Brechung an der ersten Linsenfläche gegen den optischen Mittelpunkt o gerichtet ist, hat nun sichtlich für die Linse die Bedeutung eines Richtungsstrahls, da er unter allen von einem leuchtenden Punkt ausgehenden Strahlen derjenige ist, welcher das Minimum der Ab- lenkung erfährt. Je näher der leuchtende Punkt bei der Axe liegt, Wundt, medicin. Physik. 15

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/247>, abgerufen am 25.04.2024.