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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von dem Lichte.
Bilde eine gerade Linie gezogen, und zieht man nun von dem Prisma aus nach dem
verschobenen Bild eine zweite Linie, so ist der Winkel, welchen diese beiden Linien
mit einander bilden, der Winkel d. Statt durch eine Convexlinse kann man das Licht
auch durch ein Fernrohr sammeln, durch welches der Beobachter blickt. Dann ist der
Winkel d derjenige, um welchen das Fernrohr gedreht werden muss, damit es das
Licht nach wie vor in das Auge des Beobachters gelangen lässt.

In der physiologischen Optik bedient man sich sehr häufig des
Prismas zum Zweck einer bestimmten Ablenkung von Lichtstrahlen.
So besteht das gewöhnliche Prismenstereoskop (Fig. 96) aus zwei

[Abbildung] Fig. 96.
mit ihren brechenden Winkeln einander zu-
gekehrten spitzwinkligen Prismen p und p',
durch welche die von a und b kommenden
Lichtstrahlen so gebrochen werden, als wenn
sie von einem Punkte F herkämen. Während
daher beide Augen den Punkt F fixiren, wer-
den auf den Netzhäuten solche Bilder der
Objecte A und B entworfen, als wenn beim
Nichtvorhandensein der Prismen das eine
Auge den Punkt a und das andere den Punkt
b fixirte, d. h. als wenn beide parallel ge-
richtet wären. Würde es uns nicht sehr
schwer fallen bei Betrachtung eines nahen
Gegenstandes die Augen parallel zu stellen, so wäre die Anwendung
der Prismen überflüssig. Die letzteren bewirken nur, dass trotz der
Convergenz auf einen in der Entfernung der Objecte befindlichen Ge-
genstand die beiden Bilder auf correspondirende Stellen unserer Netz-
häute fallen.

Gewöhnlich wendet man zu den Stereoskopen nicht Prismen mit ebenen Flä-
chen an, sondern man gewinnt durch Auseinanderschneiden einer Linse von grossem

[Abbildung] Fig. 97.
Krümmungsdurchmesser in ihrer Mitte, bei m (Fig. 97),
zwei Prismen mit etwas gewölbten Flächen, deren Ränder
r, r' man dann einander zukehrt. Dadurch wird, ge-
mäss der unten zu erörternden Linsenwirkung zugleich
das Bild der Objecte A und B (Fig. 96) etwas vergrös-
sert. Brewster, der dieses Stereoskop zuerst con-
struirte, hat ihm desshalb den Namen Linsenstereo-
skop
gegeben.

Hält man die Fläche A C des Prismas A B C (Fig. 95) so vor das Auge,
dass die brechende Kante A desselben nach innen, gegen die Nase gekehrt ist, so
wird ein bei a befindlicher Gegenstand nach a' verlegt, und die sämmtlichen gesehe-
nen Gegenstände erscheinen um den d, den Ablenkungswinkel des Prismas, nach
innen verschoben. Hält man das Prisma dagegen so, dass die Kante A nach aussen
gerichtet ist, so erscheinen die Gegenstände umgekehrt um den d nach aussen
verschoben. Aehnlich erscheinen, wenn man den brechenden Winkel nach unten oder
nach oben kehrt, die Gegenstände nach unten oder oben verschoben. Wenn das an-

Von dem Lichte.
Bilde eine gerade Linie gezogen, und zieht man nun von dem Prisma aus nach dem
verschobenen Bild eine zweite Linie, so ist der Winkel, welchen diese beiden Linien
mit einander bilden, der Winkel δ. Statt durch eine Convexlinse kann man das Licht
auch durch ein Fernrohr sammeln, durch welches der Beobachter blickt. Dann ist der
Winkel δ derjenige, um welchen das Fernrohr gedreht werden muss, damit es das
Licht nach wie vor in das Auge des Beobachters gelangen lässt.

In der physiologischen Optik bedient man sich sehr häufig des
Prismas zum Zweck einer bestimmten Ablenkung von Lichtstrahlen.
So besteht das gewöhnliche Prismenstereoskop (Fig. 96) aus zwei

[Abbildung] Fig. 96.
mit ihren brechenden Winkeln einander zu-
gekehrten spitzwinkligen Prismen p und p',
durch welche die von a und b kommenden
Lichtstrahlen so gebrochen werden, als wenn
sie von einem Punkte F herkämen. Während
daher beide Augen den Punkt F fixiren, wer-
den auf den Netzhäuten solche Bilder der
Objecte A und B entworfen, als wenn beim
Nichtvorhandensein der Prismen das eine
Auge den Punkt a und das andere den Punkt
b fixirte, d. h. als wenn beide parallel ge-
richtet wären. Würde es uns nicht sehr
schwer fallen bei Betrachtung eines nahen
Gegenstandes die Augen parallel zu stellen, so wäre die Anwendung
der Prismen überflüssig. Die letzteren bewirken nur, dass trotz der
Convergenz auf einen in der Entfernung der Objecte befindlichen Ge-
genstand die beiden Bilder auf correspondirende Stellen unserer Netz-
häute fallen.

Gewöhnlich wendet man zu den Stereoskopen nicht Prismen mit ebenen Flä-
chen an, sondern man gewinnt durch Auseinanderschneiden einer Linse von grossem

[Abbildung] Fig. 97.
Krümmungsdurchmesser in ihrer Mitte, bei m (Fig. 97),
zwei Prismen mit etwas gewölbten Flächen, deren Ränder
r, r' man dann einander zukehrt. Dadurch wird, ge-
mäss der unten zu erörternden Linsenwirkung zugleich
das Bild der Objecte A und B (Fig. 96) etwas vergrös-
sert. Brewster, der dieses Stereoskop zuerst con-
struirte, hat ihm desshalb den Namen Linsenstereo-
skop
gegeben.

Hält man die Fläche A C des Prismas A B C (Fig. 95) so vor das Auge,
dass die brechende Kante A desselben nach innen, gegen die Nase gekehrt ist, so
wird ein bei a befindlicher Gegenstand nach a' verlegt, und die sämmtlichen gesehe-
nen Gegenstände erscheinen um den ∟ δ, den Ablenkungswinkel des Prismas, nach
innen verschoben. Hält man das Prisma dagegen so, dass die Kante A nach aussen
gerichtet ist, so erscheinen die Gegenstände umgekehrt um den ∟ δ nach aussen
verschoben. Aehnlich erscheinen, wenn man den brechenden Winkel nach unten oder
nach oben kehrt, die Gegenstände nach unten oder oben verschoben. Wenn das an-

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[214/0236] Von dem Lichte. Bilde eine gerade Linie gezogen, und zieht man nun von dem Prisma aus nach dem verschobenen Bild eine zweite Linie, so ist der Winkel, welchen diese beiden Linien mit einander bilden, der Winkel δ. Statt durch eine Convexlinse kann man das Licht auch durch ein Fernrohr sammeln, durch welches der Beobachter blickt. Dann ist der Winkel δ derjenige, um welchen das Fernrohr gedreht werden muss, damit es das Licht nach wie vor in das Auge des Beobachters gelangen lässt. In der physiologischen Optik bedient man sich sehr häufig des Prismas zum Zweck einer bestimmten Ablenkung von Lichtstrahlen. So besteht das gewöhnliche Prismenstereoskop (Fig. 96) aus zwei [Abbildung Fig. 96.] mit ihren brechenden Winkeln einander zu- gekehrten spitzwinkligen Prismen p und p', durch welche die von a und b kommenden Lichtstrahlen so gebrochen werden, als wenn sie von einem Punkte F herkämen. Während daher beide Augen den Punkt F fixiren, wer- den auf den Netzhäuten solche Bilder der Objecte A und B entworfen, als wenn beim Nichtvorhandensein der Prismen das eine Auge den Punkt a und das andere den Punkt b fixirte, d. h. als wenn beide parallel ge- richtet wären. Würde es uns nicht sehr schwer fallen bei Betrachtung eines nahen Gegenstandes die Augen parallel zu stellen, so wäre die Anwendung der Prismen überflüssig. Die letzteren bewirken nur, dass trotz der Convergenz auf einen in der Entfernung der Objecte befindlichen Ge- genstand die beiden Bilder auf correspondirende Stellen unserer Netz- häute fallen. Gewöhnlich wendet man zu den Stereoskopen nicht Prismen mit ebenen Flä- chen an, sondern man gewinnt durch Auseinanderschneiden einer Linse von grossem [Abbildung Fig. 97.] Krümmungsdurchmesser in ihrer Mitte, bei m (Fig. 97), zwei Prismen mit etwas gewölbten Flächen, deren Ränder r, r' man dann einander zukehrt. Dadurch wird, ge- mäss der unten zu erörternden Linsenwirkung zugleich das Bild der Objecte A und B (Fig. 96) etwas vergrös- sert. Brewster, der dieses Stereoskop zuerst con- struirte, hat ihm desshalb den Namen Linsenstereo- skop gegeben. Hält man die Fläche A C des Prismas A B C (Fig. 95) so vor das Auge, dass die brechende Kante A desselben nach innen, gegen die Nase gekehrt ist, so wird ein bei a befindlicher Gegenstand nach a' verlegt, und die sämmtlichen gesehe- nen Gegenstände erscheinen um den ∟ δ, den Ablenkungswinkel des Prismas, nach innen verschoben. Hält man das Prisma dagegen so, dass die Kante A nach aussen gerichtet ist, so erscheinen die Gegenstände umgekehrt um den ∟ δ nach aussen verschoben. Aehnlich erscheinen, wenn man den brechenden Winkel nach unten oder nach oben kehrt, die Gegenstände nach unten oder oben verschoben. Wenn das an-

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/236>, abgerufen am 25.04.2024.