Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem Lichte.
jeder einzelne Lichtstrahl zwar verschoben, nicht aber aus seiner Richtung
gebracht werden kann, da diejenige Ablenkung, die der Strahl beim
Eintritt in den Körper erfährt, beim Austritt aus demselben wieder
aufgehoben wird, erfolgen hingegen mehr oder minder beträchtliche
Ablenkungen des Lichtes, sobald der durchsichtige Körper von Ebe-
nen begrenzt ist, die zu einander geneigt sind. Man nennt einen sol-
chen Körper ein Prisma. Wir betrachten hier nur die Ablenkung
des Lichts unter der Voraussetzung einer gleichen Brechbarkeit des-
selben und werden daher auf diejenigen Erscheinungen der Brechung
im Prisma, die durch verschiedene Brechbarkeit des Lichtes bedingt
sind, später (in Cap. 10) zurückkommen.

Die Ablenkung, welche das Licht durch das Prisma erfährt,
lässt sich nach den allgemeinen Gesetzen der Brechung an ebenen
Flächen leicht bestimmen. Es sei A B C (Fig. 95) ein senkrechter

[Abbildung] Fig. 95.
Durchschnitt durch ein Prisma. A B, B C und A C sind Durchschnitte
dreier an einander stossender Ebenen, welche das Prisma begrenzen.
Es sei a b die Richtung eines Lichtstrahls, welcher bei b auf das
Prisma trifft. Derselbe wird nach dem Einfallsloth l gebrochen und
nimmt also in dem Prisma die Richtung b c. Indem er nun bei c
durch die Ebene A C austritt, wird er, wegen des Uebergangs aus
dem dichteren in das dünnere Medium, von dem hier errichteten Ein-
fallsloth l' weg gebrochen, er nimmt also die Richtung c d an. Ein
bei d befindliches Auge glaubt daher das Licht von einem über a
gelegenen Punkte a' her zu empfangen. Es ist klar, dass diese Ab-
lenkung mit der Vergrösserung des Winkels g, welchen die Seiten A B
und A C mit einander einschliessen, zunimmt. Man bezeichnet daher
den Winkel g auch als den Brechungswinkel des Prismas. Zieht man
die Linie c e parallel dem einfallenden Strahl a b, ferner c m parallel
dem Einfallsloth l, und verlängert man den gebrochenen Strahl b c
nach c h, so ist e c d = d der Winkel, um welchen der Strahl a b
durch das Prisma abgelenkt wird. a ist der Einfallswinkel an der
Fläche A B, b der Brechungswinkel, b' der Auffallswinkel an der
Fläche A C und a' der Brechungswinkel an der letzteren Fläche oder
der Austrittswinkel aus dem Prisma. Da nun nach der Construction

Von dem Lichte.
jeder einzelne Lichtstrahl zwar verschoben, nicht aber aus seiner Richtung
gebracht werden kann, da diejenige Ablenkung, die der Strahl beim
Eintritt in den Körper erfährt, beim Austritt aus demselben wieder
aufgehoben wird, erfolgen hingegen mehr oder minder beträchtliche
Ablenkungen des Lichtes, sobald der durchsichtige Körper von Ebe-
nen begrenzt ist, die zu einander geneigt sind. Man nennt einen sol-
chen Körper ein Prisma. Wir betrachten hier nur die Ablenkung
des Lichts unter der Voraussetzung einer gleichen Brechbarkeit des-
selben und werden daher auf diejenigen Erscheinungen der Brechung
im Prisma, die durch verschiedene Brechbarkeit des Lichtes bedingt
sind, später (in Cap. 10) zurückkommen.

Die Ablenkung, welche das Licht durch das Prisma erfährt,
lässt sich nach den allgemeinen Gesetzen der Brechung an ebenen
Flächen leicht bestimmen. Es sei A B C (Fig. 95) ein senkrechter

[Abbildung] Fig. 95.
Durchschnitt durch ein Prisma. A B, B C und A C sind Durchschnitte
dreier an einander stossender Ebenen, welche das Prisma begrenzen.
Es sei a b die Richtung eines Lichtstrahls, welcher bei b auf das
Prisma trifft. Derselbe wird nach dem Einfallsloth l gebrochen und
nimmt also in dem Prisma die Richtung b c. Indem er nun bei c
durch die Ebene A C austritt, wird er, wegen des Uebergangs aus
dem dichteren in das dünnere Medium, von dem hier errichteten Ein-
fallsloth l' weg gebrochen, er nimmt also die Richtung c d an. Ein
bei d befindliches Auge glaubt daher das Licht von einem über a
gelegenen Punkte a' her zu empfangen. Es ist klar, dass diese Ab-
lenkung mit der Vergrösserung des Winkels γ, welchen die Seiten A B
und A C mit einander einschliessen, zunimmt. Man bezeichnet daher
den Winkel γ auch als den Brechungswinkel des Prismas. Zieht man
die Linie c e parallel dem einfallenden Strahl a b, ferner c m parallel
dem Einfallsloth l, und verlängert man den gebrochenen Strahl b c
nach c h, so ist e c d = δ der Winkel, um welchen der Strahl a b
durch das Prisma abgelenkt wird. α ist der Einfallswinkel an der
Fläche A B, β der Brechungswinkel, β' der Auffallswinkel an der
Fläche A C und α' der Brechungswinkel an der letzteren Fläche oder
der Austrittswinkel aus dem Prisma. Da nun nach der Construction

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0234" n="212"/><fw place="top" type="header">Von dem Lichte.</fw><lb/>
jeder einzelne Lichtstrahl zwar verschoben, nicht aber aus seiner Richtung<lb/>
gebracht werden kann, da diejenige Ablenkung, die der Strahl beim<lb/>
Eintritt in den Körper erfährt, beim Austritt aus demselben wieder<lb/>
aufgehoben wird, erfolgen hingegen mehr oder minder beträchtliche<lb/>
Ablenkungen des Lichtes, sobald der durchsichtige Körper von Ebe-<lb/>
nen begrenzt ist, die zu einander geneigt sind. Man nennt einen sol-<lb/>
chen Körper ein <hi rendition="#g">Prisma</hi>. Wir betrachten hier nur die Ablenkung<lb/>
des Lichts unter der Voraussetzung einer gleichen Brechbarkeit des-<lb/>
selben und werden daher auf diejenigen Erscheinungen der Brechung<lb/>
im Prisma, die durch verschiedene Brechbarkeit des Lichtes bedingt<lb/>
sind, später (in Cap. 10) zurückkommen.</p><lb/>
            <p>Die Ablenkung, welche das Licht durch das Prisma erfährt,<lb/>
lässt sich nach den allgemeinen Gesetzen der Brechung an ebenen<lb/>
Flächen leicht bestimmen. Es sei A B C (Fig. 95) ein senkrechter<lb/><figure><head>Fig. 95.</head></figure><lb/>
Durchschnitt durch ein Prisma. A B, B C und A C sind Durchschnitte<lb/>
dreier an einander stossender Ebenen, welche das Prisma begrenzen.<lb/>
Es sei a b die Richtung eines Lichtstrahls, welcher bei b auf das<lb/>
Prisma trifft. Derselbe wird nach dem Einfallsloth l gebrochen und<lb/>
nimmt also in dem Prisma die Richtung b c. Indem er nun bei c<lb/>
durch die Ebene A C austritt, wird er, wegen des Uebergangs aus<lb/>
dem dichteren in das dünnere Medium, von dem hier errichteten Ein-<lb/>
fallsloth l' weg gebrochen, er nimmt also die Richtung c d an. Ein<lb/>
bei d befindliches Auge glaubt daher das Licht von einem über a<lb/>
gelegenen Punkte a' her zu empfangen. Es ist klar, dass diese Ab-<lb/>
lenkung mit der Vergrösserung des Winkels <hi rendition="#i">&#x03B3;</hi>, welchen die Seiten A B<lb/>
und A C mit einander einschliessen, zunimmt. Man bezeichnet daher<lb/>
den Winkel <hi rendition="#i">&#x03B3;</hi> auch als den Brechungswinkel des Prismas. Zieht man<lb/>
die Linie c e parallel dem einfallenden Strahl a b, ferner c m parallel<lb/>
dem Einfallsloth l, und verlängert man den gebrochenen Strahl b c<lb/>
nach c h, so ist e c d = <hi rendition="#i">&#x03B4;</hi> der Winkel, um welchen der Strahl a b<lb/>
durch das Prisma abgelenkt wird. <hi rendition="#i">&#x03B1;</hi> ist der Einfallswinkel an der<lb/>
Fläche A B, <hi rendition="#i">&#x03B2;</hi> der Brechungswinkel, <hi rendition="#i">&#x03B2;'</hi> der Auffallswinkel an der<lb/>
Fläche A C und <hi rendition="#i">&#x03B1;'</hi> der Brechungswinkel an der letzteren Fläche oder<lb/>
der Austrittswinkel aus dem Prisma. Da nun nach der Construction<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0234] Von dem Lichte. jeder einzelne Lichtstrahl zwar verschoben, nicht aber aus seiner Richtung gebracht werden kann, da diejenige Ablenkung, die der Strahl beim Eintritt in den Körper erfährt, beim Austritt aus demselben wieder aufgehoben wird, erfolgen hingegen mehr oder minder beträchtliche Ablenkungen des Lichtes, sobald der durchsichtige Körper von Ebe- nen begrenzt ist, die zu einander geneigt sind. Man nennt einen sol- chen Körper ein Prisma. Wir betrachten hier nur die Ablenkung des Lichts unter der Voraussetzung einer gleichen Brechbarkeit des- selben und werden daher auf diejenigen Erscheinungen der Brechung im Prisma, die durch verschiedene Brechbarkeit des Lichtes bedingt sind, später (in Cap. 10) zurückkommen. Die Ablenkung, welche das Licht durch das Prisma erfährt, lässt sich nach den allgemeinen Gesetzen der Brechung an ebenen Flächen leicht bestimmen. Es sei A B C (Fig. 95) ein senkrechter [Abbildung Fig. 95.] Durchschnitt durch ein Prisma. A B, B C und A C sind Durchschnitte dreier an einander stossender Ebenen, welche das Prisma begrenzen. Es sei a b die Richtung eines Lichtstrahls, welcher bei b auf das Prisma trifft. Derselbe wird nach dem Einfallsloth l gebrochen und nimmt also in dem Prisma die Richtung b c. Indem er nun bei c durch die Ebene A C austritt, wird er, wegen des Uebergangs aus dem dichteren in das dünnere Medium, von dem hier errichteten Ein- fallsloth l' weg gebrochen, er nimmt also die Richtung c d an. Ein bei d befindliches Auge glaubt daher das Licht von einem über a gelegenen Punkte a' her zu empfangen. Es ist klar, dass diese Ab- lenkung mit der Vergrösserung des Winkels γ, welchen die Seiten A B und A C mit einander einschliessen, zunimmt. Man bezeichnet daher den Winkel γ auch als den Brechungswinkel des Prismas. Zieht man die Linie c e parallel dem einfallenden Strahl a b, ferner c m parallel dem Einfallsloth l, und verlängert man den gebrochenen Strahl b c nach c h, so ist e c d = δ der Winkel, um welchen der Strahl a b durch das Prisma abgelenkt wird. α ist der Einfallswinkel an der Fläche A B, β der Brechungswinkel, β' der Auffallswinkel an der Fläche A C und α' der Brechungswinkel an der letzteren Fläche oder der Austrittswinkel aus dem Prisma. Da nun nach der Construction

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/234
Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/234>, abgerufen am 29.03.2024.