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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von dem Schall.
der Flüssigkeit hinreichend steigert, ein Strömungsgeräusch erzeugt
werden kann, und dass ebenso unter allen Umständen, wenn man nur
die Geschwindigkeit hinreichend langsam nimmt, das Strömungsge-
räusch vermieden werden kann. Die Bedingungen aber, unter denen
am leichtesten Strömungsgeräusche entstehen, sind folgende:
1) dünne Beschaffenheit der Flüssigkeit, 2) dünnwandige Beschaffen-
heit der Röhre, 3) beträchtliches Lumen derselben, 4) Rauhigkeiten an
ihrer innern Oberfläche; ebenso bilden sich 5) in biegsamen Röhren
(aus Kautschuk, Darmwand u. dgl.) leichter Geräusche als in starren
Röhren (aus Metall, Glas). Endlich sind 6) Veränderungen des Strom-
betts vom wesentlichsten Einflusse. Die letzteren sind ganz beson-
ders geeignet Geräusche zu bewirken, und zwar entstehen dieselben
vorzugsweise dann, wenn das Strombett sich plötzlich erweitert; eben-
so begünstigt es die Entstehung des Geräusches, wenn der Strom
nicht central in das erweiterte Bett eintritt, sondern schräg, gegen die
Wandung der Röhre, gerichtet ist.

Die im Arterien- und Venensystem, namentlich unter abnormen
Verhältnissen, hörbaren Geräusche haben zumeist in Veränderun-
gen des Strombetts ihre Ursache. So hört man an der Einmündung
des Halstheils in den Brusttheil der Jugularvene häufig ein blasendes
Geräusch; an abnormen Erweiterungen der Arterien (Aneurysmen)
hört man die Systole begleitende zischende Geräusche. Dagegen sind
die mannigfaltigen Geräusche, die bei der Auscultation des Herzens so-
wohl unter normalen als pathologischen Verhältnissen wahrgenommen
werden, grösstentheils durch Unebenheiten der Wandung verursacht.
Die an den Mündungen der verschiedenen Herzabtheilungen gelegenen
Klappen bilden solche Unebenheiten, die durch das anprallende Blut
theils selbst in Schwingungen gerathen theils die umgebende Wandung
in solche versetzen müssen. Die Klappen können nur dann in merk-
liche Schwingungen kommen, wenn sie dem Blutstrom, der gegen sie
andrängt, den Zugang verlegen, also die Atrioventricularklappen bei
der Systole, die Semilunarklappen bei der Diastole der Ventrikel.
Bilden diese Klappen einen vollständigen Schluss, wie es im normalen
Herzen der Fall ist, so ist der Schall, der beim Anprall des Blutes
gegen sie entsteht, ein kurz dauernder, tonähnlicher. Man bezeichnet
daher die normalen Herzgeräusche als Herztöne und leitet gewöhn-
lich den systolischen Ton vom Schluss der Atrioventricularklappen,
den diastolischen Ton vom Schluss der Semilunarklappen her. In der
That sind namentlich die letzteren durch das Uebertragen ihrer Erzit-
terungen auf die grossen Arterienstämme sehr geeignet bei ihrem
Schluss einen merklichen Schall zu erzeugen; es ist daher diese Her-
leitung des zweiten Herztons ohne Zweifel die richtige, und es
stimmt damit überein, dass seine Intensität im Vergleich zu derjenigen
des ersten Tons oberhalb der Herzbasis am grössten ist. Ebenso wer-

Von dem Schall.
der Flüssigkeit hinreichend steigert, ein Strömungsgeräusch erzeugt
werden kann, und dass ebenso unter allen Umständen, wenn man nur
die Geschwindigkeit hinreichend langsam nimmt, das Strömungsge-
räusch vermieden werden kann. Die Bedingungen aber, unter denen
am leichtesten Strömungsgeräusche entstehen, sind folgende:
1) dünne Beschaffenheit der Flüssigkeit, 2) dünnwandige Beschaffen-
heit der Röhre, 3) beträchtliches Lumen derselben, 4) Rauhigkeiten an
ihrer innern Oberfläche; ebenso bilden sich 5) in biegsamen Röhren
(aus Kautschuk, Darmwand u. dgl.) leichter Geräusche als in starren
Röhren (aus Metall, Glas). Endlich sind 6) Veränderungen des Strom-
betts vom wesentlichsten Einflusse. Die letzteren sind ganz beson-
ders geeignet Geräusche zu bewirken, und zwar entstehen dieselben
vorzugsweise dann, wenn das Strombett sich plötzlich erweitert; eben-
so begünstigt es die Entstehung des Geräusches, wenn der Strom
nicht central in das erweiterte Bett eintritt, sondern schräg, gegen die
Wandung der Röhre, gerichtet ist.

Die im Arterien- und Venensystem, namentlich unter abnormen
Verhältnissen, hörbaren Geräusche haben zumeist in Veränderun-
gen des Strombetts ihre Ursache. So hört man an der Einmündung
des Halstheils in den Brusttheil der Jugularvene häufig ein blasendes
Geräusch; an abnormen Erweiterungen der Arterien (Aneurysmen)
hört man die Systole begleitende zischende Geräusche. Dagegen sind
die mannigfaltigen Geräusche, die bei der Auscultation des Herzens so-
wohl unter normalen als pathologischen Verhältnissen wahrgenommen
werden, grösstentheils durch Unebenheiten der Wandung verursacht.
Die an den Mündungen der verschiedenen Herzabtheilungen gelegenen
Klappen bilden solche Unebenheiten, die durch das anprallende Blut
theils selbst in Schwingungen gerathen theils die umgebende Wandung
in solche versetzen müssen. Die Klappen können nur dann in merk-
liche Schwingungen kommen, wenn sie dem Blutstrom, der gegen sie
andrängt, den Zugang verlegen, also die Atrioventricularklappen bei
der Systole, die Semilunarklappen bei der Diastole der Ventrikel.
Bilden diese Klappen einen vollständigen Schluss, wie es im normalen
Herzen der Fall ist, so ist der Schall, der beim Anprall des Blutes
gegen sie entsteht, ein kurz dauernder, tonähnlicher. Man bezeichnet
daher die normalen Herzgeräusche als Herztöne und leitet gewöhn-
lich den systolischen Ton vom Schluss der Atrioventricularklappen,
den diastolischen Ton vom Schluss der Semilunarklappen her. In der
That sind namentlich die letzteren durch das Uebertragen ihrer Erzit-
terungen auf die grossen Arterienstämme sehr geeignet bei ihrem
Schluss einen merklichen Schall zu erzeugen; es ist daher diese Her-
leitung des zweiten Herztons ohne Zweifel die richtige, und es
stimmt damit überein, dass seine Intensität im Vergleich zu derjenigen
des ersten Tons oberhalb der Herzbasis am grössten ist. Ebenso wer-

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[184/0206] Von dem Schall. der Flüssigkeit hinreichend steigert, ein Strömungsgeräusch erzeugt werden kann, und dass ebenso unter allen Umständen, wenn man nur die Geschwindigkeit hinreichend langsam nimmt, das Strömungsge- räusch vermieden werden kann. Die Bedingungen aber, unter denen am leichtesten Strömungsgeräusche entstehen, sind folgende: 1) dünne Beschaffenheit der Flüssigkeit, 2) dünnwandige Beschaffen- heit der Röhre, 3) beträchtliches Lumen derselben, 4) Rauhigkeiten an ihrer innern Oberfläche; ebenso bilden sich 5) in biegsamen Röhren (aus Kautschuk, Darmwand u. dgl.) leichter Geräusche als in starren Röhren (aus Metall, Glas). Endlich sind 6) Veränderungen des Strom- betts vom wesentlichsten Einflusse. Die letzteren sind ganz beson- ders geeignet Geräusche zu bewirken, und zwar entstehen dieselben vorzugsweise dann, wenn das Strombett sich plötzlich erweitert; eben- so begünstigt es die Entstehung des Geräusches, wenn der Strom nicht central in das erweiterte Bett eintritt, sondern schräg, gegen die Wandung der Röhre, gerichtet ist. Die im Arterien- und Venensystem, namentlich unter abnormen Verhältnissen, hörbaren Geräusche haben zumeist in Veränderun- gen des Strombetts ihre Ursache. So hört man an der Einmündung des Halstheils in den Brusttheil der Jugularvene häufig ein blasendes Geräusch; an abnormen Erweiterungen der Arterien (Aneurysmen) hört man die Systole begleitende zischende Geräusche. Dagegen sind die mannigfaltigen Geräusche, die bei der Auscultation des Herzens so- wohl unter normalen als pathologischen Verhältnissen wahrgenommen werden, grösstentheils durch Unebenheiten der Wandung verursacht. Die an den Mündungen der verschiedenen Herzabtheilungen gelegenen Klappen bilden solche Unebenheiten, die durch das anprallende Blut theils selbst in Schwingungen gerathen theils die umgebende Wandung in solche versetzen müssen. Die Klappen können nur dann in merk- liche Schwingungen kommen, wenn sie dem Blutstrom, der gegen sie andrängt, den Zugang verlegen, also die Atrioventricularklappen bei der Systole, die Semilunarklappen bei der Diastole der Ventrikel. Bilden diese Klappen einen vollständigen Schluss, wie es im normalen Herzen der Fall ist, so ist der Schall, der beim Anprall des Blutes gegen sie entsteht, ein kurz dauernder, tonähnlicher. Man bezeichnet daher die normalen Herzgeräusche als Herztöne und leitet gewöhn- lich den systolischen Ton vom Schluss der Atrioventricularklappen, den diastolischen Ton vom Schluss der Semilunarklappen her. In der That sind namentlich die letzteren durch das Uebertragen ihrer Erzit- terungen auf die grossen Arterienstämme sehr geeignet bei ihrem Schluss einen merklichen Schall zu erzeugen; es ist daher diese Her- leitung des zweiten Herztons ohne Zweifel die richtige, und es stimmt damit überein, dass seine Intensität im Vergleich zu derjenigen des ersten Tons oberhalb der Herzbasis am grössten ist. Ebenso wer-

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/206>, abgerufen am 28.03.2024.