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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von der Schwere.
Während z. B. der Wasserstoff aus einer einfachen Oeffnung nahezu
4 mal so schnell ausströmt als der Sauerstoff, was dem umgekehrten
Werth der Quadratwurzeln entspricht, geht er durch eine Capillarröhre
oder durch ein System von Capillarröhren nur ungefähr mit einer
2,7mal grössern Geschwindigkeit. Es nimmt demnach zwar auch hier
die Ausflussgeschwindigkeit zu, wenn die Dichtigkeit abnimmt, aber
es geschieht dies in einem für jedes Gas erst empirisch festzustellen-
den Verhältnisse. Ausserdem ist in diesem Fall noch die Ausflussge-
schwindigkeit von der Substanz der Capillarröhren abhängig. Man
drückt diese Abhängigkeit zusammen mit der vorigen dadurch aus,
dass man den Reibungscoefficienten ermittelt, welcher einem
bestimmten Gase in Bezug auf eine bestimmte Substanz zukommt.
Bei nicht allzu engen Röhren von regelmässigem Querschnitt stehen
ausserdem die Ausflussmengen in directem Verhältniss zu dem Druck,
welcher auf dem Gase lastet, und in umgekehrtem Verhältniss zu dem
Quadrate der Röhrenlänge.

Gewöhnlich untersucht man die Diffusion der Gase durch Capil-
larräume unter complicirteren Bedingungen als die eben angenomme-
nen, indem man das Gas nicht durch eine regelmässige Capillarröhre
sondern durch eine poröse Scheidewand, z. B. durch eine Thon- oder
Gypsplatte, ausströmen lässt. Eine solche poröse Scheidewand be-
steht aus einer Menge unregelmässiger, sehr feiner Capillarröhren, de-
ren Durchmesser und Längen man übrigens nicht kennt. Hier begreift
daher der für ein bestimmtes Gas und eine bestimmte poröse Scheide-
wand ermittelte Reibungscoefficient nicht bloss die Abhängigkeit der
Ausflussgeschwindigkeit von der Beschaffenheit des Gases und der
Substanz der Wandung, sondern zugleich von jenen nicht näher be-
kannten Dimensionsverhältnissen der Capillarräume in sich, und es
wird dann die Ausflussgeschwindigkeit ausser von diesem Reibungs-
coefficienten noch von dem auf dem Gase lastenden Druck, wel-
chem letzteren sie direct proportional ist, bestimmt.

Denselben Gesetzen folgt die Diffusion zweier Gase, die man
durch eine poröse Scheidewand trennt. Wie bei der Diffusion über-
haupt, so tritt auch hier allmälig eine gleichförmige Mischung der Gase
ein. Dabei ist die Geschwindigkeit des Austauschs proportional der

[Abbildung] Fig. 60.
Druckdifferenz auf beiden Seiten der Scheidewand
und jenem oben erwähnten von der Natur eines je-
den Gases und der Scheidewand abhängigen Rei-
bungscoefficienten. Hält man daher den Druck auf
beiden Seiten gleich, so kommt nur dieser Reibungs-
coefficient zur Beobachtung. Dies lässt sich z. B.
verwirklichen, indem man Wasserstoffgas unter dem
Atmosphährendruck in eine Röhre füllt, die oben
durch einen porösen Pfropf S (Fig. 60.) verschlossen

Von der Schwere.
Während z. B. der Wasserstoff aus einer einfachen Oeffnung nahezu
4 mal so schnell ausströmt als der Sauerstoff, was dem umgekehrten
Werth der Quadratwurzeln entspricht, geht er durch eine Capillarröhre
oder durch ein System von Capillarröhren nur ungefähr mit einer
2,7mal grössern Geschwindigkeit. Es nimmt demnach zwar auch hier
die Ausflussgeschwindigkeit zu, wenn die Dichtigkeit abnimmt, aber
es geschieht dies in einem für jedes Gas erst empirisch festzustellen-
den Verhältnisse. Ausserdem ist in diesem Fall noch die Ausflussge-
schwindigkeit von der Substanz der Capillarröhren abhängig. Man
drückt diese Abhängigkeit zusammen mit der vorigen dadurch aus,
dass man den Reibungscoëfficienten ermittelt, welcher einem
bestimmten Gase in Bezug auf eine bestimmte Substanz zukommt.
Bei nicht allzu engen Röhren von regelmässigem Querschnitt stehen
ausserdem die Ausflussmengen in directem Verhältniss zu dem Druck,
welcher auf dem Gase lastet, und in umgekehrtem Verhältniss zu dem
Quadrate der Röhrenlänge.

Gewöhnlich untersucht man die Diffusion der Gase durch Capil-
larräume unter complicirteren Bedingungen als die eben angenomme-
nen, indem man das Gas nicht durch eine regelmässige Capillarröhre
sondern durch eine poröse Scheidewand, z. B. durch eine Thon- oder
Gypsplatte, ausströmen lässt. Eine solche poröse Scheidewand be-
steht aus einer Menge unregelmässiger, sehr feiner Capillarröhren, de-
ren Durchmesser und Längen man übrigens nicht kennt. Hier begreift
daher der für ein bestimmtes Gas und eine bestimmte poröse Scheide-
wand ermittelte Reibungscoëfficient nicht bloss die Abhängigkeit der
Ausflussgeschwindigkeit von der Beschaffenheit des Gases und der
Substanz der Wandung, sondern zugleich von jenen nicht näher be-
kannten Dimensionsverhältnissen der Capillarräume in sich, und es
wird dann die Ausflussgeschwindigkeit ausser von diesem Reibungs-
coëfficienten noch von dem auf dem Gase lastenden Druck, wel-
chem letzteren sie direct proportional ist, bestimmt.

Denselben Gesetzen folgt die Diffusion zweier Gase, die man
durch eine poröse Scheidewand trennt. Wie bei der Diffusion über-
haupt, so tritt auch hier allmälig eine gleichförmige Mischung der Gase
ein. Dabei ist die Geschwindigkeit des Austauschs proportional der

[Abbildung] Fig. 60.
Druckdifferenz auf beiden Seiten der Scheidewand
und jenem oben erwähnten von der Natur eines je-
den Gases und der Scheidewand abhängigen Rei-
bungscoëfficienten. Hält man daher den Druck auf
beiden Seiten gleich, so kommt nur dieser Reibungs-
coëfficient zur Beobachtung. Dies lässt sich z. B.
verwirklichen, indem man Wasserstoffgas unter dem
Atmosphährendruck in eine Röhre füllt, die oben
durch einen porösen Pfropf S (Fig. 60.) verschlossen

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[150/0172] Von der Schwere. Während z. B. der Wasserstoff aus einer einfachen Oeffnung nahezu 4 mal so schnell ausströmt als der Sauerstoff, was dem umgekehrten Werth der Quadratwurzeln entspricht, geht er durch eine Capillarröhre oder durch ein System von Capillarröhren nur ungefähr mit einer 2,7mal grössern Geschwindigkeit. Es nimmt demnach zwar auch hier die Ausflussgeschwindigkeit zu, wenn die Dichtigkeit abnimmt, aber es geschieht dies in einem für jedes Gas erst empirisch festzustellen- den Verhältnisse. Ausserdem ist in diesem Fall noch die Ausflussge- schwindigkeit von der Substanz der Capillarröhren abhängig. Man drückt diese Abhängigkeit zusammen mit der vorigen dadurch aus, dass man den Reibungscoëfficienten ermittelt, welcher einem bestimmten Gase in Bezug auf eine bestimmte Substanz zukommt. Bei nicht allzu engen Röhren von regelmässigem Querschnitt stehen ausserdem die Ausflussmengen in directem Verhältniss zu dem Druck, welcher auf dem Gase lastet, und in umgekehrtem Verhältniss zu dem Quadrate der Röhrenlänge. Gewöhnlich untersucht man die Diffusion der Gase durch Capil- larräume unter complicirteren Bedingungen als die eben angenomme- nen, indem man das Gas nicht durch eine regelmässige Capillarröhre sondern durch eine poröse Scheidewand, z. B. durch eine Thon- oder Gypsplatte, ausströmen lässt. Eine solche poröse Scheidewand be- steht aus einer Menge unregelmässiger, sehr feiner Capillarröhren, de- ren Durchmesser und Längen man übrigens nicht kennt. Hier begreift daher der für ein bestimmtes Gas und eine bestimmte poröse Scheide- wand ermittelte Reibungscoëfficient nicht bloss die Abhängigkeit der Ausflussgeschwindigkeit von der Beschaffenheit des Gases und der Substanz der Wandung, sondern zugleich von jenen nicht näher be- kannten Dimensionsverhältnissen der Capillarräume in sich, und es wird dann die Ausflussgeschwindigkeit ausser von diesem Reibungs- coëfficienten noch von dem auf dem Gase lastenden Druck, wel- chem letzteren sie direct proportional ist, bestimmt. Denselben Gesetzen folgt die Diffusion zweier Gase, die man durch eine poröse Scheidewand trennt. Wie bei der Diffusion über- haupt, so tritt auch hier allmälig eine gleichförmige Mischung der Gase ein. Dabei ist die Geschwindigkeit des Austauschs proportional der [Abbildung Fig. 60.] Druckdifferenz auf beiden Seiten der Scheidewand und jenem oben erwähnten von der Natur eines je- den Gases und der Scheidewand abhängigen Rei- bungscoëfficienten. Hält man daher den Druck auf beiden Seiten gleich, so kommt nur dieser Reibungs- coëfficient zur Beobachtung. Dies lässt sich z. B. verwirklichen, indem man Wasserstoffgas unter dem Atmosphährendruck in eine Röhre füllt, die oben durch einen porösen Pfropf S (Fig. 60.) verschlossen

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/172>, abgerufen am 19.04.2024.